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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 14.09.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-09-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070914022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907091402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907091402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-09
- Tag1907-09-14
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ADerrd-Ausgabe 8. ?ür Leipzig «N> Borortr d«ch »«teil Träger mW Spedttru« ia« Ha»« gebracht: Ausgabe 1 (nur morges») vierteljährlich 3 M., monatlrch I W-, Ausgabe L (morgeus uud abeadckj viertA» jährlich 4 50 M., moaatlich 1^0 M. Durch hie cheetl bezvaeu (2 mal täglich) innerhalb Deutschland« und der deutsche» Kolonie« vierteljährlich 5,25 M., monatlich 1,75 M. «chjchl. tzoch destellgeld sitr Oesterreich v L «8 h, Ungarn ü L vierteljährlich. Abonnement-Annahaee: Augustvtlplatz ft, bei unseren Trägeru, Filrale», Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und «riestrigeru. Die ein^lne Nummer kostet Vk^ «edaklion und Erpettttoer: JohanuiSgasse 8. relevbon Rr. 14692, Rr. 1408d, Rr. 1««. Berliner «edaktion« vureau: Berlin kiV. 7 Prin, Laut« Kerdinmch- Straße 1. Telephon I, Rr. 8275. Nr. 255. KiMM T agtblait Handelszeitung. Nmtsbsatt des Rates «nd -es Rolizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Sonnabend 14. September 1907. Nrrzeigeir.Prei- Mr Inserate au« Leipug und Umgebung dt» «gespaltene Petitzeile 25 Ps., fiuuasiell- Anzeigeu 3l) Ps., Ne kamen I Di.; von a»«wLrt« ZV Pj„ RrNameu 1.20 M vomAusland 5OPs., stnanz. Anzeigen 75 Ps. Reklamen 1.50 M. Jaseraten. vetzärben imamtlichenTcil40P- BetlagegebLbr 5 M p. Tausend exkl. Pos! gebühr. «eschäslSanzcigeii an bevorrugtrr Stelle im Preise erhäht. Laban nach Tarn, gsesterteilte Aufträge kSnuen nicht zurüil- aczvgen werden. Für das Erscheinen an bestuumten Tagen und Platzen wirb keine Garantie übernommen. Anzeigen-Arwahme: LugustuSplatz ft bei sämtlichen grltaleu u. allen Annoncen Expedttionen de« In. und Auslandes. Haupt Siltalr Berlin. L»rl Duncke , Herzog!. Bahr. Hofbuch Handlung, Lützowstraße IO. tTelephon VI, Rr. 4603). M. JahMnq. Das Wichtigste von» Tag«. * Die Nachricht von dem beabsichtigte» Verkauf des franzö sischen Tahiti an Deutschland wird dementiert. lS. Ttschs. R-j * Ans Rom wird gemeldet: Wegen der mehrfachen Verhaf tungen italienischer Offiziere auf österreichischem Boden wollen die Sozialisten in der Kammer eine In terpella- tion einbringen. * Die Oücl.^rrrtiori maritim« in Antwerpen hat den Ver- gleichsvorschlas, dessen Grundlagen bereits gemeldet wurden, obgelehnt. * 19 Personen, die an den Unruhen in Vancouver be teiligt waren, wurden vor das Schwurgericht gezogen. * Der Kaid Si Aissa von Abda ist in Marrakesch an gekommen, um mit dreitausend Reitern zum Sultan Muley Hafid zu stoßen. fS. Ausstj Tcrgesscharr. Verstärkter Küstenschutz. tlebcreinstimmend haben in den jüngsten Tagen die Jungliberalen zu Kaiserslautern und die Alldeutschen zu Wiesbaden eine Verstärkung unserer Küstenbefestigungen gefordert. Anerkanntermaßen sind diese in der Tat während der letzten 1s4 Jahrzehnte mehr als billig vermach- lässigt. Seitens der Verwaltung des Landhecres wurde die Sorge um den Küstenschutz der Marine überlassen, und die Marine ihrerseits stand konsequent auf dem Standpunkt, daß sie alle ihr zur Verfügung gestellten Mittel in erster Linie für den Ausbau der Schlachtflotte brauchte. Im ersten Jahrgang des „Navticus" war ausgesührt: „Theoretisch läßt sich die Verteidigung der Küsten ohne Secstrcitkräste denken, Küsten batterien und Londstreitkräste können die Festsetzung feindlicher Landstreitkräfte im Küstengebiet verhindern, wenn sie stark ge nug sind? Do aber unsere Ostseeküste ungefähr so lang wie dec dlutsclf-russisclw Grenze und unsere Nordseeküste ein gut Stück länger als die französisch-deutsche Grenze ist, so Übersicht man sofort, daß eine sehr große Zahl von Küstcnwerken und zahlreiche Landstreitkräfte zur Verteidigung der Küstenlande erforderlich sein würden. Die Küsten- rertcidigung bezweckt die Verhinderung feindlicher Landungen an der f Küste und einer Brandschatzung der Seestädte. Kleinere Landungen i mit den Schiffsbesatzunoen verfolgen Zwecke lokaler Art und sind mit A verhältnismäßig geringen Kästentrrippen zu verhindern. Wollte man unsere langgestreckten Küsten durch kostspielige Küsten- s ftrts mit ineinandergreifendem Wirkungskreis zu schützen versuchen, so müßten sehr große Mittel aufgewendet werden. Und auch dann würde kein vollkommener Küstenschutz erreicht sein. Küstenforts können einer Schlachtflotte zwar Widerstand leisten, sind aber ebensowenig unein- i.cbmbar wie Festungen am Lande. Sperren können hinweggerüumt werden. Daß wir mit der Wahrscheinlichkeit des Versuchs einer Be- schießung und Brandschatzung unserer Küstenstädte rechnen müßen, er gibt sich aus der Fachliteratur anderer Seestaatcn. Ihre Seemanöver haben uns diese Absicht praktisch vorgeführt. Man tröstet sich dieser Aussicht gegenüber mit der Hoffnung, daß der Schaden durch die Kriegs entschädigung wieder gut gemacht werden könne. Doch das ist sine Hoffnung, die nur auf schwachen Füßen steht. Ganz abgesehen davon, daß es noch gar nicht sicher ist, das wir siegen, würde der Schaden bei Zerstörung und Brandschatzung auch nur eines unserer großen See handelsplätze ein so enormer sein, daß er auf Jahrzehnte hinaus gar nicht gut zu machen ist. Sicherheit hiergegen gewährt nur eine starke Schlachtflottc. Zur wirksamen Küstenverteidigung wird allo eine starke Schlacht flotte stets unentbehrlich sein. Da sie aber freilich nicht an allen Punkten der Küste gleichzeitig auftreten kann, müssen die wichtigsten Seehäfen, also besonders Hamburg und Bremen und der strategisch wichtige Kaiser-Wilhelm-Kanal, sowie schließlich die Stützpunkte und Ausrüstungsplätze der Schlachtflottc, also die Reichskriegshäfen Kiel und Wilhelmshaven, mit lokalen Mitteln verteidigungsfähig gemacht werden. Dafür genügen Küstenbefestigungen am Lande, Minensperren und die vorhandenen Käftenpanzerschiffe und kleineren Torpedooboote. Je stärker die Schlachtflottc ist, um so geringer wird die Gefahr für die einzelnen Häfen, um so weniger braucht also für die lokale Küsten- Verteidigung ausgegeben zu werden. Da nun jede Million, die mehr auf die Schlachtflotte verwendet wird, der ganzen Küstenverteidiyung und zugleich dem wirksamen Schutze des Sechandcls zugute kommt, während jede Million, die für irgend ein Panzerfort an der Küste aus gegeben wird, nur an dem einen Orte, wo das Fort erbaut wird, Zinsen zu tragen verspricht, aber dem Seehandel absolut nichts nützt, so ist es für das Gesamtinteresse der Landesverteidigung am ersprieß lichsten, die Ausgaben für die lokale Küstenverteidigung auf das uner läßliche Minimum zu beschränken, dagegen die Ausgaben für die Schlachtflotte, also für die lebendige überall angrisfsfähige Seevcr- teidigung, auf das nur irgend mögliche Maximum zu steigern." Nach den Erfahrungen des russisch-japanischen Krieges ist es in dessen ausgeschlossen, der Küstenbefestigung noch ferner eine so unter geordnete Nolle einzuränmen; es erscheint als unerläßlich, die Küsten forts einmal derartig zu verlegen, daß ihre Lage der heutigen Fern wirkung der Geschütze Rechnung trögt, und zweitens sie mit solchen Ge- schützen auszustatten, die der modernen Armierung der Panzerschiffe fremder Seemächte gewachsen sind. Die Mavineverwaltung freilich wird ihren Etat auch in Zukunft nicht durch die Küstenbefestigung be lasten. Diese Aufgabe wird vielmehr an die Verwaltung des Land heeres jetzt herantreten. Eine zeitgemäße Verlegung der Küstenforts an der Wcsermündung ist bereits in Arbeit, ebenso aber bedarf die Elbemündung, die Jade- und die Emsmündung eines wesentlich ver besserten und verstärkten Schutzes. Die Tagung der Freisinnigen Volkspartei hat gestern folgende Resolution über die liberalen Einigungs bestrebungen fast einstimmig angenommen: „Der Parteitag erklärt seine Zustimmung zu den Vereinbarungen der Frankfurter Konferenz vom lO. und 11. November 1906 und zu den Beschlüssen der drei linksliberalen Fraktionen des Reichstages, durch welche unter voller Aufrechterhaltung der Partei ein gemein sames Zusammenarbeiten im Interesse der liberalen Sache ermög licht ist. Der Parteitag empfiehlt den Parteigenossen im Lande, srcundnachbarliche Beziehungen zu anderen linksliberalen Organi sationen zu pflegen und auch in Zukunft aus eine Verständigung mit anderen liberalen Parteien zu bestimmten politischen Zwecken, ins besondere bei den Wahlen, hinzuwirken, erachtet aber als unab weisbare Vorau sie i-.u na die Wahrung der politi schen Selbständigkeit der Freisinnigen Volks- Partei sowohl in ihren parlamentarischen Ver tretungen, wie in ihren Organisationen im Lande. Ter Parteitag betont die Notwendigkeit der Festigung und des Aus baues der Parteiorganisation und verweist auf die Bestimmung des Organisationsstatuts, wonach nur solche Vereine und Vereinigungen als zur Partei gehörig angesehen werden, wenn sie ihren Anschluß an die Partei erklären, oder in ihren Statuten auf das Partei programm ausdrücklich Bezug nehmen." Ebenso wurde ein Zusatzantrag Roellckc angenommen, einen Eini gung saus schuß der drei linkslibcralen Fraktionen cinzusetzen zur Beilegung etwa vorkommender Zwistigkeiten. Nach der sympathischen Rede Müller-Meiningens waren übrigens von Fischbeck, Kvpsch und an deren manche Ausstellungen an dem Verhalten der Vereinigung, beson ders Naumanns, gemacht. In der Nachmittagssitzung beschäftigte sich der Parteitag mit der Blockpolitik. Abg. Dr. Wiemer-Berlin und Gen. hatten folgenden Antrag gestellt: „Der Parteitag erklärt: die Freisinnige Volkspartei er strebt, getreu dem Eisenacher Programm von 1894, die Befestigung der nationalen Einigung Deutschlands, den Ausbau der politischen Freiheit und die Hebung der Wohlfahrt des gesamten Volkes. Die Partei ist be reit, wie bisher, gesetzgeberische Maßnahmen zu unterstützen, die in der Richtung ihrer Forderungen liegen und mit anderen politischen Parteien zur Bekämpfung gemeinsamer Gegner zusamlmenzuwirken. Für ein solches Zusammenwirken ist Voraussetzung, daß die grundsätzlichen An- schauungen der Partei gewahrt und die Forderungen ihres Programms zur Geltung gebracht werden." — Vom Wahlverein für den Wahlkreis Rostock-Doberan lag folgender Antrag vor: „Der Parteitag erklärt: Nachdem die Blockpolitik des Reichskanzlers den berechtigten Wünschen des Liberalismus so wenig Rechnung trägt, ist es wünschenswert, daß die Fraktion der Freisinnigen Volksparte, innerhalb der Fraktions gemeinschaft der Liberalen darauf hinwirkt, daß die Politik des Ab- wartens oufgcgeben wird, und daß energische Forderungen nach wirklich liberalen Gesetzesforderungen erhoben werden." Nach längerer Debatte, in welcher besonders Wiemer und Kopsch den Block verteidigten, wurde der Antrag Wiemer fast einstimmig angenom- men und darauf der Antrag der Rostocker zurückgezogen. Es gelangte darauf eine Erklärung zur Annahme, in welcher der Fraktion das ganz besondere Vertrauen der Partei ausgesprochen wurde. Ein Antrag, in welchem ausgesprochen wurde, der Parteitag habe das Vertrauen der Partei, daß sie die Lage zu möglichst starker Beeinflussung der Gesetzgebung in freisinniger Richtung zu benutzen wissen werde, wurde gegen eine große Minderheit abgelehnt. Darauf wurden die Ver handlungen auf Sonnabend vormittag 9 Uhr vertagt. Bergarbeiterbewcgung. Wie wir erfahren, hat am 10. September eine Sitzung der Siebener. Kommission der Bergleute stattgefunden. In der Atzung soll die Frage einer Einigung der Bergleute lebhaft debattiert sein. Jedoch steht schon heute fest, daß die verschiedenen vier Organisationen nicht unter einen Hut zu bringen und die Gegensätze stärker alsie hervorgetreten sind. Der sozialdemokratische Verband hat seinen Mitgliedern zugerufen: „Kameraden, strebt nach Einigkeit!" Er hat auch veranlaßt, daß das sozialdemokratische Verbandsorgan jegliche Polemik gegen das Organ der Christlichen, den „Bergknappen", unterlasse. Aber das hat nichts genützt. Tic so sehnsüchtig von Schröder, Sachs-, Hue und Genossen erstrebte Einigung aller Bergleute, um zunächst gegen das neue Knapp schaftsstatut vorzugehen, ist nickt zustande gekommen. D-er sozialdemokratische Verband hat seine Mitglieder und alle Orts verwaltungen angewiesen, jetzt auf den Rescrvistenfang auszugchcn. In dem sonderbaren Aufruf heißt es: „Die Kriegervereine geben sich alle Mühe, die zurückkehrenden Reser visten einzufangen. Es gilt daher, ihnen zuvorzukommen und den vom Militär entlassenen Kameraden begreiflich zu machen, daß ihre Inter essen nicht in Kwiegervcreinen, sondern nur im Verbände gewahrt bleiben. Wir machen noch besonders darauf aufmerksam, daß Reser visten, welche sich innerhalb Monatsfrist nach ihrer Rückkehr zur Auf nahme melden, ohne Eintrittsgeld ausgenommen werden." Deutsches Reich. Leipzig, 14. September. Vitt Dementi. Durch die Presse geht eine Notiz, daß in der letzten Sitzung des australischen Bundesparlaments eine Interpellation ein gebracht sei über den angeblichen Vorschlag der Abtretung Tahitis von Frankreich an Deutschland. Der Minister soll nach dieser Notiz darauf erilärt haben, daß ihm von der Angelegenheit nichts bekannt sei. Auch den Stellen in Berlin, schreibt hierzu die „Neue politische Corrc- spondenz*, die darüber unterrichtet sein müßten, ist von der Sacke nichts bekannt, und in Paris wird man ebenfalls nichts wissen. In den Gesprächen zwischen deutschen und französischen Staatsmännern und Diplomaten dürfte die Insel Tahiti nie erwähnt sein. Also nickt einmal Tahiti für Ca'ablanca! Im letzien Satze beachte man übrigens den Konjunktiv. * Wasfenschmuggcl nach Finnland. Der „Hann. Courier" meldet aus Berlin: Gegen den zunehmenden Wasfenschmuggel aus den deutschen Ostseehäfen nach Finnland ist eme vertrauliche Mitteilung von der Reichsregierung an die Eirnelregierungen erlassen. Die Hanptsitze der Waffenausfuhr sind zurzeit Lübeck und Rostock. Feuilleton. Es kommt alles auf die Umgebung an. Die Sonne im lichten Himmelsraume hat eine viel geringere Meinung von sich als die Unschlittkerze, die im Keller brennt. Marie von Ebner-Eschenbach. K Constantin Mennier. lZur Eröffnung der Meunier-Ausstellung im Leipziger Kunstverein.) Ter Kunstverein eröffnet heute seiu neues Vereinsjahr mit einer Veranstaltung, die den Leipziger Kunstfreunden die intime Kenntnis eines der Großen neuzeitlicher Kunst vermitteln soll, nachdem sie seit cinem Jahre ihre Tournee durch die großen Städte Deutschlands ge- wacht hat. Ein Ereignis ersten Ranges, das nur mit großen Opfern hat zuwege gebracht werden können, immer noch früh genug, um uns mit der Bedeutung eines Meisters vertraut zu machen, dessen Pcrsönlich- tcit zu den stärksten gehört, die uns die Kunstgeschichte der letzten Jahr zehnte beschert hat. Am 4. April 1906 ist Meunier in Brüssel gestorben, fast genau in dem Moment, als sein Name in Europa populär geworden war. Sem Entdecker im eigentlichen Sinne war Professor Georg Treu, der Meunier nicht seinem engeren Vaterlandc offenbarte — denn Belgien wußte den Meister schon vorher zu schätzen —, aber der Dresdner Archäologe hat ihn znerst nach Deutschland gebracht, aus jene Ausstellung in Dresden vom Jahre 1897, die seinen Rus in Europa endgültig be siegelte. So sonderbar dies Zusammentreffen an sich auch sein mag, daß ein Verehrer der klassischen Kunst so gewaltsam von diesem Meister des sozialen Lebens angezogen wurde, so erklärlich ist es anderseits, daß Treu in den Werken Meuniers die Größe der hellenischen Kuust zu modernem Leben erwacht, neu verklärt vor Augen zu sehen wAmtc. Die Welt hat längst dieser Entdeckertat Treus recht gegeben. Nicht das soziale Gewand, die Strenge des Stils und die Form des Ausdrucks be- ßimmen die Größe Mcuniers. Das wolle man zum ersten Verständnis des Meisters nicht vergessen. Der Sozialist Meunier, für den das von demokratischen Zuckungen durchbebte Belgien der rechte Boden seiner :unst wurde, ist lange vor seinem Tode mit dem letzten Pinselstrich zu rabc gegangen. Der Bildhauer dagegen, der er erst im letzten Abschnitt seines Lebens wurde, kehrte in nur veränderter Form zu den ^dealen seiner Jugend, die er einst am Beginn seiner Laufbahn im Atelier des Stümpers und Nroklassiziften Fraikin betätigt, zurück, br hat die Größe antikischer Kunstweise als moderner Menzel m moderne Formen transponiert, ohne von der Erhabenheit klassischen Stiles nur ein Atom preiszugeben. Wenn Phidias einmal ruf den Ge- danken gekommen wäre — was man zu seiner Zeit als barbarisch und k abgeschmackt empfunden hätte, weil es der Höhe griechischer Lcbens- j anschcmung zuwider war — einen Sklaven anstatt seiner Götter und Heroen zu bilden, er hätte ein Bildwerk schaffen müssen, wie einen der Lastträger oder Bergleute Meunicrs, und wenn man in Olympia an Stelle eines Tempels zu Ehren der höchsten Gottheit ein Denkmal der Arbeit errichtet haben würde, was ebenso unmöglich gewesen wäre, da für den echten Griechen der Begriff der Arbeit mit dem der Knechtschaft beinahe gleichbedeutend war, es wäre geworden wie Meuniers unsterb liches Monumcntz das als ein Denkmal unserer Zeit geboren ist. Nicht die Größe des Stils schwankt -wischen den Werken dieser alten und neuesten Zeit, aber das Bild veränderten Lebens, einer neuen Welt anschauung, die in der Arbeit deu edelsten Ausfluß des Göttlichen im Menschen erkennt, haben die Züge dieser modernen Kunst bestimmt. Gegenüber den sonnenverkiärten, reinen Fluren des alten Hellas er beben sich die rußigen Hochöfen des „psz-s nnir" wo Tausende von Menschenhänden am Mark der Erde graben, heißbegehrte Schätze ans Tageslicht zu fördern, und auf der Wende alter und neuer Zeit erhebt sich als ein Symbol, das weit hinüberschant in werdende Jahrhunderte der gekreuzigte Apostel eines neuen Lebensglaubcns, der in der Knecht schaft keine Schmach, in der Hände Arbeit keine Erniedrigung mehr sieht. Meuniers Gestalten sind wohl die Vertreter jenes untersten Standes, aber durch seine Kunst ist dieser Stand geadelt worden, die „I'arno stiunainv" hat sich in ihr ein Denkmal errichtet. Und doch — nicht um des Mitleids willen ist der Bildner hincrbgepilgert in jene Landstriche seines Vaterlandes, zu denen er zum erstenmal durch Camille Lemvnniers Buch über das „schwarze Land" hingesührt wurde und die er seitdem immer und immer wieder ausgesucht hat. Was sie ihm zu nächst offenbarten, diese Gegenden, in denen der Rnß so dicht über der Erde hängt, daß die Sonne selbst wie durch einen schmutziggrauen Nebel schleier verhüllt erscheint, war die bildnerische Vollkommenheit, die diese sehnig-muskulösen Gestalten seinem Künstlercmge enthüllten. Was er in diesen halbnackten Männern vor sich sah. reizte zur plastischen Wiedergabe, eine Erkenntnis, zu der er sich erst durch ein Dutzend sozial gefärbter Gemälde hindurchrang, die wie Illustrationen zu Zolas „Germinal" anmuten. Visionär glaubte er inmitten dieser Ströme von ftüssigem Eisen und Flammen Dantesche Visionen zu sehen und die mus- tulösen Gestalten der Bergarbeiter erschienen ihm wie die Wahrheit ge wordenen Zyklopen, von denen die griechische Sage berichtet. So ist es in erster Linie die Antike mit ihren Stilgcsetzen selbst gewesen, die den „sozialen" Künstler geboren, und so ist es auch die antike Größe selbst, die den reifsten Werken seiner Kunst den Stempel aufprägt. Tas darf nicht vergessen werden. Denn Meunier selbst hat bei Lebzeiten alle sozialen Tendenzen seiner Kunst heftig verneint. Seine künstlerische Ab sicht ging nicht auf eine Interpretation menschlichen Elends — wie man uns früher zu gern hat glauben machen wollen, nicht das herbe Los der Bergleute hat er im Sinne humanen Mitleids verkörpern wollen; ihn reizte allein die nackte Kraft robuster Gestalten zur plastischen Wieder gabe, gerade das, was ihm, dem Krüppel, am meisten fehlte. Meunicrs Leben ist schnell erzählt. Zuerst ist er Schüler seines älteren Bruders, des Kupferstechers I. B. Meunier. Tann drängte es ihn zur Bildhauerei und er kommt zu Fraikin. Unbefriedigt von der hohlen klassizistischen Manier dieses Meisters kehrt er zur Malerei zu rück. Tie gärende Stimmung der Zeit ergreift ihn gewaltig, aber sein geguältes Herz findet nicht den inneren Ausgleich zwischen Wollen und Vollbringen. Eines Tages gebt er ins Trappistenkloster von Campine mit dem festen Entschluß, der Welt zu entsagen. Lange hält er es dort jedoch nicht aus. Er kommt zu De Groux, der damals der Führer wzialer Tendenzkunst in Belgien war. Meunier folgt ihm. Er malt Armeleutstubcn und Spitäler. Aber seinen Malereien fehlt der Stil der Zeichnung, sie wirken dumpf und matt. Erst das Jahr 1880, wo er zum erstenmal die Jndustriebczirkc Belgiens kennen lernt, macht den Künstler in ihm frei. In diesem Moment deutet alles aus leine spätere Entwicklung hin, die ihn zur vollen bildnerischen Größe erstehen ließ. Ob Meunier ein Genie war? Es ist nutzlos, solche Fragen anzu schneiden. Als Mensch gewiß nickt, und als Künstler? Auch nicht, dazu fehlt seinen Werken der starke Wille, der Menschcnhcrzen beben macht, und noch so vieles andere. Ob diese Kunst Zukunft hat? Auch das darf man bezweifeln, denn letzten Endes ist die Griechcnscele in uns zu wach, jene Sehnsucht nach der reinen Schönheit, die nur Älltagskinder und tot geborene Verstandesmenschen nicht kennen. Aber als eine Persönlichkeit von starkem Charakter und ein Künstler von hohem bildnerischen Kön nen, als eine der markantesten Erscheinungen seiner Zeit ist Meunier ins Reich der Unsterblichen cingezogen. Dr. Doopg Diorraann. S * Berliner Mnstk. Die „Komische Oper" ist bereits mit ihrer eisten Novität herausgelommen und zwar mit MasienetS „Weither". Tie sranzöüschen Komponisten, die uns Opern beschert habe», deren Texte Verballhornungen Goelhescher Dichtungen find, habe» uns wahrlich nicht verwöhnt durch ein tics- eindringendeS Verständnis in die Empfindungssphäre unsres großen Dichter», schlimmer aber als Jules Massenet hat's nock keiner getrieben, selbst Ainbroiie Thornes in seiner „Mignon" nicht. Daß Goethes Jugendromau dem Kom ponisten eines lyri'chen Dramas mancherlei schätzenswerte Momente dar bietet, ist nicht zu leugnen, indes ist die darin enthaltene, auf der Buhne wirk same Handlung so einfach und knavv, das; ein einziger Akt vollkommen aus- reichen würde, sie mit aller Umständlichkeit zu bewältigen. Die drei Textversosfer Blau, Milliet und G. Hartmann habe» das bißchen Handlung aber auf drei lange Atte ousgrzerrt und damit von vornherein einer sieghaften Langeweile vorgrarbeitet, dir auch durch reichlich viel heiteres Episodenwerk nicht gemildert wird. Daß die Textbearbeiter zmn Schluß noch, nachdem Wertkrr sich bei geschlossenem Vorhang während eines iu die letzte S-ure hinübertectenden Zwischenspiels eive Kugel in die Brust gesagt bat, Lotte mit dem langsam vom Leben Abschied nehmenden Schwärmerei» lridrnschastliche» Arbeöduett singen lassen und Lotle ihrer Tugend entkleiden, ist eine ebensolche Verichemdelonq der Goeihesckrn Dichtung, wie der Schluß von Thomas'„Mignon", der Mignon und Wilhelm Meister zu einem glückl'chenPaare vereinigt. DieBluiiktat reichlich das ihre, den Eindruck einer tödlichen Monolonie zu verstecken. In ihrer Stillvfiglrit pendelt fi« zwischen Gounod, Bizet, Meyerbeer, etwas Berlin- und Masco gut einerseits und Wagner onderseils hin und der, »irgend» aber interessiert fi« durch einen markanten Einfall oder durch einen wirkuucisvollen dramatischen Z»g. I» dem gleiche» lchmachtlappigro Ton fließt sie vom Anfang bi» zm» Ende dahin »ud man be.
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