Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 16.09.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-09-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070916016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907091601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907091601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-09
- Tag1907-09-16
- Monat1907-09
- Jahr1907
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Morgen-Ausgabe 8. Spedtleu« ÜX Erbracht: «ittgab« T (»« »or-r«) vtrttrltthrUch 3 «., »umackch 1 «uta-br » l-ora-M mit, -br»d«) jihilich «.SO M., «oaalvch ILO M. Durch dt« D»A t««««»: l2 mol täglich) ttmerhalb Drstttl»»« uod der deürlcheo Loloiäen vierteldthrl-ch 5,2S M., monatlich 1.7S w. «Xicht. PoK- desiellgeld, ltr Oecherrmch » L « u, Ungarn S L vierteljährlich. b^°vnser«'rUE>^' ArmLhwL^eÜen, lotv^k mikd Briqtrüger». Li« et-vla- Nummer kvjtrt 1v HUg. Sirdattto n nrrd lkrv-bttiout Joham>ilg<che 8. relevbon Nr. 14SV2, Nr. I4«v, Nr. LWt. verttrrrr Nedoktion« vnrran: Berlin kNV. '/. Pria» LonX gerdtnond. Strobe 1. LelepUm I, Nr. WS. WpMerTagMaü Handelszeitung. Amtsblatt des Rates und -es Ratizeiamtes -er Lla-t Leipzig. Anzeigen-Prei» für Jnlerote au« Leipzig und Umgebung die Sgelpaltene Petlljeile 2S Pi., finanzielle Anzeigen 30 Pf., Reklamen l M.; von auswärt« 30 Pf., Reklamen 1.20 M. Vvm AuNand SO Pf., finanz. Anzeigcn 7S Pf. Reklamen 1.50 M. Inserat« v. BchSiden un amllichen Teil 40Pf. Beilagkgcdübr 5 M. p. Laufend exkl. Post gebühr. Slefchäst«anzeigen an bevornigter Stelle im Preise erhäht. Rabatt nach Laris. Fefterteiltc Ansträge »nnen nicht zurück- gezogen werden, Für das Srscheiucn an bestimmten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen.Annahme: Au-usiutplatz 8. bei sämtlichen Filialen u. allen Annonce»- Expeditionen de« In- und Ausländer. Haupt Filiale Berlin Larl Dunck: , Herzog!. Bahr. Hosdnch- handlung, Lützowstrabe 10. (Telephon VI, Nr. 4603). Nr. 257 Montag 16. September 1907. M. Jahrgang. Das wichtigste vorn Tage. * Dementiert werden die Nachrichten: 1) von einer Begegnung Kaiser Wilhelms mit König AlfonS; 2) von der bevorstehenden Erhebung Bulgariens zum Königreich; 3) von einem amerikanisch russischen L>ffe»sivbundaisse. * Der italienisch« Kreuzer »Eina* ist gestern in Stettin eingctroffeu. * Der englische KriegSmiuister Haldane hat gestern iu Blair Achol eine Rede über den neuen Heer« SP lau gehalten. (S. Letzte Dep.) * „Ofservatorc Romano" wird heute abend die Enzyklika des Papstes über deu Modernismus veröffentlichen. (S. Letzte Dep.) * Beu Ghazi ist wieder zum Pascha von Tanger er nannt worden. (S. Letzte Dep.) * Auf Schacht 5 der Grube Merlenbach, welche der Saar- und Ruhrgesellschajt gehört, hat sich gestern eine schwere Explosions- katastropbe ereignet. Bier Bergleute wurden gelötet, drei schwer ver letzt. (S. Letzte Dep.) * Die für gestern angesetzt gewesenen Radrennen auf dem Sportplatz Leipzig konnlen wegen deS anhaltenden Regenwetters nicht abgehalten werden. Der große Preis von Europa soll am Dienstag abend ausgesahren werden. (S. Sport.) * Ja Hoppegarten siegte gestern im Herlefeld-Rennen (Ehrenpreis und 20000 ^) „RojestwenSky". — Das Esterhazy- Memorial in Wien (57 000 Kronen) gewann „Karinentö" und in dem Prix Noyal-Oak zu Longchamp (50000 FrcS.) ging „Ans- monc II" als Erste durchs Ziel. (S. Sport.) Die konservative Visitenkarte. Offen gestanden — die Konservativen Sachsens, will sagen, die oberste bekannte Parteileitung, die jetzt wieder die Führung allein in die Hand genommen hat, hat wieder einmal gezeigt, daß sie das partei politische „Geschäft" versteht. Wie sie es zu verhindern wußte, daß die diesjährige Landesver sammlung vor den Wahlen stattsand, auf der ja dann die weit diver gierenden Anschauungen hätten zur Sprache kommen und die Einigkeit für die Wahl hätten in Frage stellen können, so ließ sie auch das offizielle Organ, das „Vaterland", genau bis zur letzten Stunde des letzten Wahltages schweigen, ebe sie mit einer Kundgebung „zur Lage" an die Oeffentlichkeit trat. Dann aber, als Behrens unrettbar in Dresden der- loren hatte, als auch sonst nichts mehr in den Wahlkreisen zu retten war, die dieses Mal dem fortschreitenden Siegeszug des Liberalismus zum Opfer gefallen sind, kam das klärende Wort aus den hohen Partei regionen, das nun mit päpstlicher Allmacht dekretiert, wie die Lage bc- schaffen ist. Mit Herrn Behrens brauchte man sich nicht mehr zu beschäftigen. Auch nicht mit dem Vorsitzenden des Dresdner Vereins, der Herrn von Noftitz ruhig reden ließ und aus seiner revisionistischen Gesinnung kein Hehl gemacht hatte. Er war ja schon wegen „Arbeitsüberlastung" von seinem Posten geschieden und der „gut" gesinnte Reichstagsabgeord- uete Wagner an seine Stelle getreten. Blieb noch der dritte, der gefähr lichste, weil angesehcndste. Der Herr Oberbürgermeister von Dresden. Der Herr Justizrat Beutler. Aber wie die Differenz zwischen ihm unl seinen konservativen Reformplänen auf der einen und der agrarisch konservativen Parteileitung auf der arideren Seite aus der Welt zu schaffen sei, das war schon seit langem im stillen vorbereitet. Genau so, wie wir es vorher gesagt, ist es geschehen. Die tiefen Differenzen, die nach der Beutlerschen Rede im Dresdner Konservativen Verein zwischen seinem Rcformprogramm und dem agra rischen Konservativismus offen au den Tag traten, existieren offiziell ein. fach nicht mehr? Trotz der Erregung, die sie damals im agrarisch-konser vativen Lager hervorriefen, man erinnere sich nur an die böse Zensur, die Dr. Oertel in der „Deutschen Tageszeitung" erteilte, an die ernsten Bedenken, die in sächsischen konservativen Blättern geäußert wurden, erklärt man jetzt verbindlich lächelnd, daß es sich doch bei jenen An regungen nicht nm grundsätzliche Aenderungen des für die konservative Partei bestehenden Programms gehandelt habe, sondern — wahr und wahrhaftig? — nur um „Anregungen, die durchaus im Rahmen des bestehenden konservativen Programms zu verwirklichen sind". Ein Federstrich, etwas Druckerschwärze — der Frieden ist hergestellt. Oder nein — er war eigentlich nie gestört. Nur mißgünstige Zuschauer, die „nicht objektiv" sahen, urteilten anders. Nur die bösen Liberalen wollten daraus machen, daß es in der konservativen Partei krisele! Nur schade, daß ein konservatives Blatt selbst, daß das „Chemnitzer Tage- blatt" in jenem bekannten, von nus zitierten Artikel die Differenzen als weit tiefergehend geschildert, daß es die Lage der Wahrheit entsprechend charakterisiert hat. Man mag heute mit Recht davon sprechen, daß der Beutlersche Re visionismus sich nur noch als „Anregung" geltend machen wird, weil er eben Schiffbruch gelitten hat, eine derartige Geschichtsschreibung, die ihm diese geringe Bedeutung auch für die Woche» unmittelbar nach dem Vortrag in Dresden znsprcchen will, ist denn doch au» zu schlecht informierte Leser berechne!, als daß man sich das eigentlich von offizieller konservativer Seite aus leisten dürfte. Aber die Herren müssen ja wissen, was sie ihren gutgläubigen Anhängern zu mute» können. Tas probieren sie denn auch reichlich im wetteren Verlauf jenes Artikels „Zur Lage". Zwar ist es auzuerkennen, daß man uicht so wert geht, wie es manche kouservative Organe taten, die einfach ableugneten, daß die Meinungen unter deu Konservativen über die Wahlrechtsvorlage der Regierung erheblich auseinaudergingeu. Da wäre Wohl dir Druckerschwärze rot geworden, wenn man das heute noch versuche» wollte, wie vor wenigen Wochen. Aber gerade genug mutet man denn doch immer noch dem Leser zu, wenn man angesichts der bekannten Vorgänge hinter den Kulissen, wo konservative Landtagsabgeordnete noch vor de« Erscheinen der Vorlage gegen eine ihrer Hauptbestimmnu- gen verpflichtet werden sollten, jetzt davon spricht, man werde den Regicrnngsentwurf „wohlwollend und ohne Vorein genommenheit" prüfen. Die Sache ist eben die, daß trotz allen Sieges über den Revisionis mus in der Partei der konservativen Parteileitung nicht recht Wohl ist in ihrer bisherigen schroff ablehnenden Haltung zur Regierungsvorlage. Man sieht, daß die Regierung fester ist als man dachte. Man möchte auch den alten Einfluß als Regierungspartei wieder haben. Zum min desten will man jetzt in der Form sich freundlicher zu dem Werk deS Ministeriums Hohcnthal stellen. Die Krallen werden eingezogen. Dos Samtpfötchen erscheint. Das ist die Situation. Daher die feine Ge- schichtsglittcruug, als wäre man gar nicht so borstig gewesen, als mau cs war. Und mau möchte sich nun auch gleich weiter in empfehlende Er innerung bei der Regierung bringen. Da wird schnell der Liberalis mus zum Prügcljnngen gemacht: Er sei es doch eigentlich gewesen, dec immer auf ein neues Wahlrecht gedrängt, und da sei „nichts be zeichnender für den gänzlichen Mangel an Verantwortlichkettsgefühl bei der liberalen Partei als die Tatsache, daß sie sich immer noch nicht selbst zur Aufstellung eines Entwurfs herbcigelasseu, ja allem Anschein nach nicht einmal die Absicht bat, dieser sich mit Notwendigkeit ihr auf drängenden Pflicht zu unterziehen". Das ist ebenso unverfroren wie — komisch. Unverfroren ist näm lich der verleumderische Anwurf mit dem Mangel an Verantwortlich- keitsgefühl, komisch aber die politische Logik, die hier spricht. Tie nationallibcralc Partei hat sich bereit erklärt, bei allen Bedenken gegen vieles an dem Entwurf, doch aus Grund dieses Entwurfs an der Wahl reform zu arbeiten. Wo soll denn da dis Pflicht für sie Herkommen, einen eigenen Entwurf vorzulegen? Täte sie das, so würde sie ja ihre eigene der Negierung entgegenkommende Erklärung Lügen strafen. Um gekehrt zeigt die konservative Partei, indem sie auch jetzt noch davon spricht, einen eigenen Entwurf aufstellen zu wollen, wie wenig weit es mit ihrer wohlwollenden Prüfung des Regicrnngsentwurfs her ist, wie groß die Voreingenommenheit sein muß, mit der sie dem Ne- gicrungsentwurf gegenübersteht. Damit aber ganz zum Schluß noch der Humor zu seinem Recht kommt, klagt der Artikel des „Vaterlandes" darüber, daß die Rgierung durch einige Stellen in der Begründung des Entwurfes den Verdacht er weckt habe, als sei es ihr darum zu tun, dhe Vorherrschaft der konser vativen Partei im Landtage zu beseitigen. Dieser Gedanke mag aller dings den Herren der konservativen Führung sehr in die Glieder ge fahren sein. Sie waren ja so lange daran gewöhnt, zu herrschen und zu beeinflussen. Das sollte nun aufhörcn? Nein — nun und nimmer mehr. Darum wird der Segen der Blockpartei im Reichstag (?) auf ein mal hoch gepriesen, der zeige, wie gut es ist, wenn keine große Zer splitterung der Parteien besteht. Und zum andern tönt der Artikel aus in einem wenig süß duftenden Selbstlob auf die konservative Partei im Lande, in der die Negierung stets ihre „festeste und zuverlässigste Stütze gesucht und gefunden habe". Mag sein, daß die Konservativen selbst an die Richtigkeit dieses Selbstlobes glauben. Andere Leute meinen freilich, daß die konser vative Herrschaft in Sachsen mit ihrem agrarischen Charakter für unser industrielles Land ein Schaden war. der gerade die längste Zeit gedauert haben sollte, wenn wir nicht wieder das rote Königreich werden wollen, das wir unter dem verhängnisvollen Einfluß der Mebnert und Opitz geworden waren. Das aber weiß auch die Negierung. Und darum wird sie die Visitenkarte, die die konservative Partei mit diesem Artikel des „Vater- laudes" im Ministcrinm des Innern abgibt, in ihrem Wert zu würdigen wissen, so gut wie man im Lande in nicht konservativen Kreisen zu würdigen weiß, welchen Wert die ganze Darstellung der Lage in konser vativer Beleuchtung besitzt, die das „Vaterland" gebracht hat. * Die „Konservative Korrespondenz für das Königreich Sachsen" (8. ?. N.) schiebt die Hauptschuld an der konservativen Niederlage, von der „skrupellosen Agitation der Liberalen" natürlich abgesehen ldu Heuchler! zieh zuerst den Balken ans deinem eigenen Auge!) auf die Erntezeit (in den Straßen Dresdens?) und auf den Dresdener Konservativen Verein mit den Herren Behrens und ganz besonders v. N o st i tz - W a l l w i tz. Letzterem wird sogar folgende Bos- heit an den Kopf geworfen: „Weit verheerendere Folgen aber hatten für die konservative Partei die bekannten Acußerungen des Herrn von Nostitz-Wallwitz, der nun mehr vielleicht einen Teil seiner Wünsche dadurch erfüllt sieht, daß die konservative Fraktion schwächer als bisher in den Landtag zurückkehrt." Aber auch der konservative Landesverein bekommt sein vollgcrüttelt Maß einer Gardinenpredigt: „Es ist bekannt, daß unter Herrn General Sachse ein kräftiger An lauf genommen war, nm die Konservativen des ganzen Landes zu emsiger Tätigkeit zu organisieren und daß so manches erfreuliche Ergebnis in dieser Periode zu verzeichnen war. Leider geriet man nach dem im März diese? Jahres erfolgten Abgang des Herrn General Sachse auf eine falsche Bahn, auf ein totes Gleis. Es kam dahin, daß während der letzten Monate vor der Wahlbcwegung nicht nur das Organ des Ver eins, das „Vaterland", völlig versagte, sondern daß aus der Leitung selbst keiner recht klug wurde und daß damit jene zielbewußte und schneidige Führung fehlte, die bei dem Aufmarsch der Parteien zum Wahlkampfe das erste und oberste Erfordernis ist." Schließlich wird der „Dresdener Anzeiger" das „Amtsblatt der Königlichen Behörden" nach echt konservativer Art denunziert, weil es über die Verluste der Konservativen „jubelt"? Rückschau auf das Raiferiuanover 1907. Je kriegsmäßiger eine Jeldübung großen Stiles wird, um so mehr muß der Charakter des militärischen Volksfestes zurücktreten, der be sonders deu Kaisermauövern in früherer Zeit angehaftet hat. Die Poesie des Soldaten lebens hat bei diesem kriegsmäßig-modernen Zuschnitt freilich das Nachsehen. Geringere Blutopfcr und Verlustziffern werden im Ernstfälle aber die Nation für ein gelegentlich verloren gegangenes Friedensschauspiel reichlich entschädigen. Das im Jahre 1901 erschienene illustrierte Kriegstagebuch eines amerikanischen Berichterstatters, Kapitäns James Archibald, über seine Erfahrungen im Bureukriege, bringt das Bild einer weiten Hügelland schaft nahe Pretoria. Nur einige wenige Figuren von Mensch und Tier sind sichtbar, und trotzdem kämpfen auf dem dort wiedergcgebenen Geländaabschnitt viele Tausend Mann mit Artillerie und Kavallerie. „Dbs rmpiatmresgnsness ok rnockarn war" — Die Nüchternheit der Schlacht von heute — hat der Verfasser diese Photographie genannt. In den Tagen vom 9. bis 11. September und zwischen Höter, Brakcl und Warburg hätte der gut beobachtende Aankee vielfach Parallelen zu seinem Bilde vom ostafrikanischen Veldt finden können. Zwischen den langen Hügelwellen, in dem hohen Getreide, unter dem Schutze des Waldes, waren die acht Divisionen des verstärkten 7. und 10. Armee korps meist so vollständig gedeckt, daß es außer an der Stelle des schließ lichen Einbruches in die feindliche Position wenig genug zu sehen gab. Ter Infanterist kroch und sprang von Deckung zu Deckung, die Artillerie stand gänzlich verdeckt im Grunde oder wenigstens halbverdeckt so weit hinter den Höhenzügen, daß nur der in feuchter Morgenluft sich zu sammenballende Pulverdampf ihre ungefähre Aufstellung ahnen ließ, und hätte uicht in immer noch recht ausgiebigem Attackenreiten die Kavallerie öfter etwas für den malerischen Einschuß in das nüchterne, kriegsmäßige Bild getan — fürwahr, es wäre der bis von Dortmund, Bielefeld, Detmold und Kassel herbeigeeilte Westfale, der Lippesche Schlachtenbummler und Hesse schlecht auf die Kosten des Schauens ge kommen. In dieser Tatsache liegt eine besondere Anerkennung für die Art, mit der zunächst die Truppe sich schnell in den Geist der neuen Reglements hineingefunden hat, dann aber auch für die zum zweiten Male in der Hand Helmuth von Moltkes II. liegende Manöveranlage. Ls ist iu den dreimal vierundzwanzig Stunden des kriegerischen Schach, spielcs am Solling und dem Eggegebirge nicht einmal ein Eingreifen der Leitung in die Enchl üsse der beiden gegnerischen Führer notwendig gewesen. So klar, kurz und genau enthielt die einfache „Allgemeine" und die „Besondere" Kriegslage alles für den Verlauf der Ucbungen Notwendige und Wissenswerte, daß ohne die geringste Schwierigkeit die Ereignisse der drei Tage sich logisch und nur aus den Entschlüssen von Rot und Blau heraus abspielen konnten. Zum Beweis, wie erfolgreich hierbei die beiden Gegner über die ersten Bewegungen des Feindes, Aus- schisfungspunkte und Vormarschstraßen im dunkeln gehalten worden sind, sei angeführt, daß erst die Karten mit den Einzeichnungen der Ober leitung, die am Mittwoch nach der Kritik eingesehen werden konnten, selbst die Generalstabsoffiziere des einen Korps über die Maßnahmen vom Montag morgen des anderen aufgeklärt haben. Durch das Ein fügen kriegsmäßigen Eisenbahntransportes in die Anmärsche hat neben der Eisenbahnabteilung des Großen Generalstabes, dem die Heim schaffung der 100 000 Mann und 25 000 Pferde oblag, auch der Truppen- gcneralstab der beiden Armeekorps Gelegenheit zur Betätigung auf die sem schwierigen Gebiet gehabt und seine Aufgabe vortrefflich gelöst. In den beiden Führern der roten und blauen Partei standen sich, iu den Generalen der Kavallerie v. Stünzner und Frhrn. v. Bissing, zwei Persönlichkeiten gegenüber, deren verschiedene Charakteranlagen hier den dreifachen Sieg der Hannoveraner und Mecklenburger, dort das dreimalige Weichen der Westfalen und Hessen verständlich machen. Der ruhige Stünzner hat an jedem der drei Gesechtstage durch die ein heitliche Geschlossenheit seiner Führung dem Choleriker Bissing die Notwendigkeit des Schlagens dort aufgcdröngt, wo die Stünznerschen Truppen entweder die Uebcrlegenheit schon hatten oder sie während des Gefechtes durch verfügbar werdende Nachbartrnppen erhalten konnten. So ist cs zu verstehen, daß am Schlüsse des letzten Uebungstages Rot — das hannoversche Korps mit der 17. Division und der Kavallerie- Division L — seinen Auftrag glänzend ausgeführt hatte, während Blau von seiner Hauptarmce abgcdrängt war und sich in einer schwierigen Lage befand. Man wird einwcndcn können, daß sich diese blaue Tragik im Ernst fälle weniger schnell und darum vielleicht anders und ungefährlicher ab gespielt hätte. Diesem Einwurf gegenüber sei darauf hingewiesen, daß. ziemlich unbemerkt von dem Laienbeobachter, in diesem Jahre eine neue Art des Schicdsrichterspruchcs eingcführt war, die erst wirklich alle Entscheidungen in die Hand der vier Oberschiedsrichter gelegt hat und sie damit zu den eigentlich ausschlaggebenden Faktoren der Manöver entwicklung machte. Die Schiedsrichter bei beiden Parteien standen durch Feldsignalabteilungen und Heliographen in dauernder Verbindung und konnten daher schon auf Grund der Anmärsche und Verschiebungen hinter der Gefcchtsfront zeitig sich ein Bild von dem voraussichtlichen Gange der Zusammenstöße machen. An sonstigen Neuerungen hat das diesjährige Kaisermanövcr einige Details in der feldmäßigen Ausrüstung der Truppe gebracht. Tas zweite Bataillon des Infanterie-Regiments 74, unter Prinz Friedrich Wilhelm zu Lippe, führte für jede Kompagnie eine fahrende Feldküche, die während des Marsches warmes Essen bereitete. Dieser nicht mehr ganz neue Versuch hat auch diesmal zufriedenstellend gearbeitet. Eine Schcin- werserabtcilung beim VII. Armeekorps hat geringere Lorbeeren ge pflückt und auch ein Anspicgelungsapparat zur Ziclbczcichnung» den die 22. Feldartillcrie führte, erfüllte nicht ganz den beabsichtigten Zweck, da die beschossene und angcspiegclte Truppe anscheinend nicht immer richtig instruiert war und die Bcdcutuna des auf sic fallenden Lichtkegels nicht erkannte. Für die Verpflegung waren Manövcrmagazinc mit Fcldbäckercien, B'.waks- und Proviantkvlonnen vorbereitet. Bedenkt man, daß nicht weniger als zehn Trainbataillone allein für den Bedarf des einen 10. Armeekorps fast ihr gesamtes Pferde- und Mannschastsmarerial abgeben mußten, so wird die Notwendigkeit einer baldigen und um fassenden Reorganisation des Trains voll verständlich. Ein besonderes kaiserliches Lob hat bei der Echlußkritik nabe War- bnrg. den technischen Truppen gegolten und hat in zahlreichen Ordens verleihungen Ausdruck gefunden. Die Gefahr, durch die Fernsprecher die Selbständigkeit der unteren Führung zu unterbinden, ist seitens der höheren Stäbe Heuer — im Gegensatz zu den vorjährigen Erfahrungen — glücklich vermieden worden.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite