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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 20.09.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-09-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070920010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907092001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907092001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-09
- Tag1907-09-20
- Monat1907-09
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Anzeigen-Preis Mr Inserate au« Leipzig und Umgebung bi« 6 gespaltene Petttzeile 25 Ps., ftnanziellc Anzeigen .'D Ps., NeNamen IM.,- von auewärt« 30 Ps., Reklamen 1.20 M. vomAu<!land.-z>Ps., finanr. Anzeigen75Ps. Reklamen 1.50 M. Inserate v. Behörden im amtlichen Teil 40 Ps. Beilag^ebüdr 5 M. p. Tausend cxkl. Post gebühr. iUeichäfrSanzeigen au bevorzugter LteUe im Preise erhöht. Rabatt nach Taris. Festerteilte Austräge kSnnrn nicht zurück gezogen werden. Für das Erschcn en an bestimmten Tagen und Planen wird keine Garantie übernommen. «iqergen. Annahme: Augusluoplatz 14 do sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- itkprduionen des In- und Auslände«. Haupt Mia!, Berlin start Dunck: Herzog!. Bayr. Hofbuch- handlung Lützomstrahe 10. tTelephon VI, Nr. 4603). Nr. 281. Das wichtigste von* Tage. * Admiral v. Arnim ist in Gcnehmiaung seines Abschieds- aesuches zur Disposition gestellt worden. Vizeadmiral Fische! ist zum Admiral, die Konteradmirale Götz und v. Müller find zu Vizeadmiralen befördert worden. * Auf der Generalversammlung des Gustav Adolf- Vereins in Jena wurde die große Liebesgabe für dieses Jahr der Gemeinde Dittmannsdorf in Schlesien zngesprochen. IS. Bcr.s * Die österreichisch - ungarischen Ansgleichsver. Handlungen sind dem Scheitern nahe. sS. Ausl.) * InEremona wurde ein Kongreß italienischer VoNsbanken eröffnet. Luzzatti hielt eine bemerkenswerte Rede. IS. Ausl.) * Wie der „Njet'ch" mitteilt, wird durch das englisch - russi sche Abkommen Tibet neutralisiert, Afghanistan und Südp ersten der englischen Einflußsphäre zugewiesen, Nord ne r sie n der russischen. Die Souveränität Persiens (nicht Afghanistans! soll aber erhalten bleiben. Der* OatriotLsnrus -er ^ozial-ennokvntie. Noske ist das Karnickel, das angefangen hat und deshalb von Lcdc- bour und der Klara Zetkin und Dr.Lentsch und Dr. Liebknecht und noch anderen in Essen ans dem sozialdemokratischen Parteitage an den Ohren gezaust worden ist. Wenn wir unhöflich wären, könnten wir auch das Gleichnis vom Sack, den man schlägt, und dem Esel, den man meint, ans Nvske und Bebel anwendcn. Aber das wäre schon deshalb nicht hübsch, weil Herr Bebel sich, allerdings etwas spät, vor den Prügelknaben Noske gestellt und ihn gedeckt hat. Der Humor der Situation liegt in der Erscheinung, die schon in Stuttgart zutage getreten ist, daß der Ne- visionistentöter Bebel von den Radikalen des Revisionismus geziehen wird. Und er mag sich drehen, wie er will, — es liegt etwas Wahres darin. Ten Anlaß zu der Debatte bot ein aus Roske zielender Kieler Antrag mit der Nummer 96, nur zuverlässig antinnlitaristischc Frak- lionsrcdner beim Militäretat im Reichstage herauszustcllcn. Um cs vvrwegzunehmcn: dieser Antrag wurde schließlich abgelehnt. Doch blieb trotzdem unentschieden, wie sich eigentlich die Mehrheit der deputierten Genossen zu der Kernfrage stellt: Eingeschränkter Patriotismus L la Bcbel-Noske oder absolute Vaterlandslosigkeit L ln Hcrvo-Lieblnecht? Denn die Ablehnung des Antrags 96 konnte auch andere Gründe, tak- Uscher oder demokratischer Natur, haben. Aber wenn auch keine Klarheit gezeitigt wurde, so doch hinreichend Material, um sich von der Stimmung in der Partei ein Bild zu machen. Der erste Eindruck der Gesamtdebatte ist der einer ungeheuer lichen Verwirrung über die zusammenhängenden Begriffe Vaterland. Patriotismus, Militarismus. Man darf annehmen, und dafür spricht immerhin auch die Ablehnung des Antrags 96, daß es den sozialdemo kratischen Lehren nicht gelungen ist, in der Masse des Volkes wie der Deputierten die Naturgefüble der Anhänglichkeit an das Vaterland zu zerstören. Neberall sind Rudimente geblieben, die den Leuten eine sichere Ahnung von der gewaltigen Bedeutung der Wohlfahrt und Sicherheit des Heimatstaatcs geben. Und alles Theoretisieren hat nicht vermocht, diese Instinkte gänzlich auszuichalten. Natürlich sind erheb liche Abstufungen in der Schätzung des Vaterlandes bei den Genossen zu erkennen. Aber bis zu dem Aberwitz, daß die Arbeiterschaft an dem Schicksal des Vaterlandes überhaupt nicht interessiert sei. verstiegen sich doch nur ganz wenige. Es ist übrigens recht deutlich zu erkennen gewesen, und Noske wie Hauschild haben das auch offen ausgesprochen, daß die Erfahrungen der Agitation zu dieser Mäßigung ihr gut Teil beige tragen haben. Das wurde zwar von anderer Seite, von Stadthagen, Liebknecht und Lentsch, bestritten. Aber selbst wenn diese Agitatoren auch damit nicht einverstanden sind, so ist doch damit die Aussage der anderen nicht aus der Welt geschafft. Wir können also die erfreuliche Tatsache registrieren, daß auch in der „proletarischen" Bewegung die eine Zeitlang für „überwunden" gehaltene natürliche Anhänglichkeit an l-s Vaterland wieder im Erstarken ist, wenn sie überhaupt eine Schwächung erfahren gehabt haben sollte. Und der Essener Parteitag hat diese Strömung gewiß nicht zu schädigen vermocht. Daran Kaden auch die merkwürdigen Nebcrtreibnngen der radikalen Ultras ihr Ver dienst. Wenn Dr. Lentsch den kapitalen Ausspruch riskierte: „In der jetzigen Situation ist ein Krieg nicht denkbar, dem die Sozialdemokratie znstimmen könnte", so ersaßt auch das einfältigste und glaubcnssrohefte Genossengemüt den darin liegenden Noniens. Was heißt übcrhauvt „in der fetzigen Situation?" Die Situation ändert sich täglich, ge gebenenfalls stündlich. Und da will Dr. Lentsch die Haltung der Partei von der „jetzigen Situation" abhängig machen? Ader auch abgesehen von dieser naiven Entgleisung ist es doch ein starkes Stück, von der Unmöglichkeit eines auch den Genosien unbeouemen UeberrumpelungS- Versuches gegen Deutschland zu reden. Liegt denn di« Periode DelcassS schon so lange hinter uns? Haben die Ernckreisnngspläne ihre Bedroh lichkeit völlig verloren? ES wäre nun aber falsch, sich etwa wegen der vergleichenderweise gemäßigten, anscheinend siegreichen, Anschauungen Bebels einer großen Befriedigung hinzugeben. Wer so wenig historischen Sinn hat, daß er bei Kriegen immer imstande zu sein glaubt. Recht und Moral genau ab- zuwägen, der ist jedenfalls ein äußerst gefährlicher Richter. Und von seiner Entscheidung möchten wir das Geschick Deutschlands nicht ab hängig wisse«. Wie nun, wenn „Recht" und „Unrecht" sich mischen? WaS vorkommen soll. Oder was soll geschehen, wenn ein Staat sieht, daß er mit jedem Augenblick des Zögerns seine kriegerische Situation einer mächtigen Koalition gegenüber verschlechtert, und wenn er zugleich sieht, daß diese .Koalition den Krieg oder die Bergewaltiguna des einen Gegners zum einzigen Zweck hat? Muß er dann warten, auch auf die Gefahr der Vernichtung hin, um sich das Wohlwollen Bebels nicht zu verscherze»? Ist der Angreifer immer im Unrecht? Bebel selbst er Freitag 20. September 1907. klärt heute noch stoir schämen uns für ihns, der französische Angriffs krieg 1870 sei von BiSmarck provoziert worden. Das müßte doch aucy dem eingefleischtesten Genosien eine Ahnung der Schwierigkeiten geben, die in dem von der Sozialdemokratie erstrebten Richteramte liegen. Also bitte kein Jubilieren über die zur Vaterlandsliebe bekehrte Sozialdemokratie. Wohl aber darf man sich der unverkennbaren Rudi mente von Patriotismus in ihr freuen und darf hoffen, daß diese Wurzeln bei sorgfältiger und vernünftiger Pflege neue Keime treib-m und eines Tages uns den starken Baum einer nationalen Arbeiterschaft sehen lasten werden. Der j)apst und -er rNo-eririsinus. (Von unserem Römischen ^.-Korrespondenten.! Dem strafweise von der Ausübung priesterlicher Funktionen ent hobenen s„n ckivinis suspendierten"! Pater Tyrrcl ist vom Papste durch aus nicht verziehen oder der Beruf wieder srcigegeben worden, wie irr tümlich gemeldet worden ist. Der Pater Tyrrcl, dem bekanntlich eine gewisse Anerkennung moderner Wissenschaft im Rahmen eines ver öffentlichten „Briefes an einen Professor der Anthropologie" als schwere Schuld ungerechnet worden ist, erhält die päpstliche Verzeikung, wie ihm ausdrücklich eröffnet worden ist, nur unter der Bedingung, daß er künftig außer den literarischen Arbeiten auch seine private Korrespondenz der bischöflichen Zensur unterwerfe. Und da Thrrel auf diese über die kanonischen Bestimmungen weit hinausgehende und im gewöhnlichen Leben nur Kindern, Verrückten und Zuchthäuslern zugemutete Kontrolle einzugehen sich noch n'cht zu entschließen vermag, wenngleich man sie ibm dadurch plausibel zu machen versucht hat, daß er leicht wieder durch e ne Anrcdeform und eine briesgemäße Unterschrift die Zensur seiner dogmen kritischen Auslassungen umgeben dürfte, so bleibt es beim alten. Mit der der Verzeihungsmeldung beigefügten Ankündigung einer Aera päpst- lichcr Toleranz ist es also in diesem Falle wirklich nichts. Es wäre frei- Iich auch bei Richtigkeit der Verzeihungsmcldung nichts gewesen mit der Aera der päpstlichen Toleranz. Das beweist zuvörderst der Fall Romolo Murri. Romolo Murri ist ein Geistlicher, dessen kircbcntrene Gesinnung und katholisch-religiöser Eifer so über allen Zweifel erhaben sind, bau eingestandenermaßen mancher Kardinal auch ihn im Interesse der Kirche zum Kardinal erhoben sehen möchte. Auch ihn aber hat Pius X. u ckävi- iny enthoben, weil er der intellektuellen Betätigung und der bürgerlichen Beweg,,ngssieibett in einer Weise das Wort ac-rdet bat. von der Pius — offenbar in Anbe'racht der Regsamkeit der „christlichen Demokraten", deren Organisation Murri begründet und bis zum päpstlichen Inter dikt geleitet hat — etwas für die Orthodoxie,und feine abfolut wie all umfassend »indizierte Autorität gefürchtet Kat. Nun hat Murri dem Papste eine schriftliche Verzeihungsbitte zukommen lassen, in der es beißt: „Ich empfinde die Verpflichtung. Euer Heiligkeit meine feste Absicht zu bekunden, der ergebene Sohn der Kirche zu verbleiben und mithin die Autorität derselben wie des hl. Stuhles anzucrkennen und anzunehmen, indem ich den Vorschriften des Heiligen Stuhles mein Glaubensbekenntnis und die Ausübung meines priesterlichen Amtes unterwerfe. Und weil Eure Heiligkeit jüngst mit sehr schweren Worten einige Irrtümer aufzeigten und verurteilten, in denen Sie das Gift aller Häresien sahen, so ver- werfe und verurteile auch ich ebenso, wie Eure Heiligkeit sie verwerfen, dieselben Irrtümer, schmerzlich erfüllt und beleidigt von der Tatsache, daß sie jemand mir zur Last gelegt und behauptet Hal, m meinen Schriften eine Spur von ihnen zu finden." Des weiteren bedauert Murri in dem gleichen Schreiben, wenn er den gebührenden Respekt vor den politischen Anweisungen des Heiligen Stuhles verletzt haben sollte, verzichtet auf die bereits angckündigte neue Auflage der bezüglichen Schriften und ver spricht die künftige sorgsamste Befolgung der politischen Direktiven des Heiligen Stuhles. Und diese Erklärung hat der Papst verworfen; es fehle, meint der Papst, noch die „Abbitte" in dem Sinne eines gene- rellcn Widerrufs aller der Schriften und Handlungen Murris, in denen der Papst trotz der vollen Ueberzeugnng und kirchentrcucn Gesinnung ihres Urhebers einen Anlaß zur Beanstandung habe finden können. Wenn man von dem Despotismus des Papstes, wie er in dem ge kennzeichneten Verhalten gegen Tyrrcl und Murri wie übrigens in einer Reihe verwandter älterer Fälle znm Ausdruck gekommen ist, absieht, weil er sich auf geistigem und moralischem Felde durch sich selbst richtet, so erübrigt die Evidenz des Hasses Pius X. gegen die Gesamtheit dessen, was man als die Wurzel und das höchste Ergebnis der modernen Kultur anzusehen bat. Man wird hiergegen vielleicht einwenden, daß doch gerade Pius X. mit seiner Freigabe des Bibelstudiums einen relativ ansehnlichen Schritt zur modernen Kultur hin getan habe; allein bei diesem Einwande übersähe man, daß in den sechs päpstlichen Erlassen zum Bibelstudium das letzte und maßgebendste Wort dies ist, das Bibel studium ebenso wie die Auslegung der Schriften der Kirchenväter habe sich im Nahmen der spezifischen päpstlichen Anweisungen zu bewegen, dürfe also — mit anderen Worten — über philologische Exerzitien nicht hinausgehen und den fachlichen Gehalt oder allgemeinen Eharakter der Bibel weder auf Grund neuer natur- und geisteswissenschaftlicher Fen stellungen noch philosophisch irgendwie kritisieren. Pius X. achtet un entwegt auf die absolute Unberührbeit des Dogmengcbäudes, wie es das Tridentiner Konzil abgeschlossen bat, und läßt keine Tatsächlichkeit, keine geistige oder gefühlsmäßige Gewissensregung, keine spontane Religiosität, kein Naturgesetz der Entwicklung und Entfaltung gegen die Allgcmeip- gültigkeit und den subjektiven Zwang jenes Dogmengebäudes auch nur leise anfkominen. Die Schell und Loisy, Laberthoniere und Fogazzaro, Tyrrel und Murri sind wahrlich keine Typen ä In Luther, und doch bat sie Pins X. behandelt wie Häretiker der schlimmsten Sorte. In ihnen hat er, da er „leider" nur sie unter seiner direkten Fuchtel hatte, das „keimende Gift des Modernismus" treffen und ausrotten wollen, jenes Modernismus, der in der internationalen Adreßliga gegen den Index schon ans den „verläßlichsten" katholisckjcn Laienkreisen heraus sich be merkbar zu machen wagte. Auf die Bestrafung der einzelnen Autoren ließ Pius X. in dem Eommer-Nries ein Mahn- und Strafwort an eine Vielheit von Söhnen der Kirche, an die Gesamtheit der Inspiratoren, Leiter und Dulder d'r Adreßliga folgen, lind als dieses Wort dank gleichzeitigen mehr und minder unterirdischen Nebcnaktionen den Eindruck nicht verfehlt hakte ließ in seinem Namen die Jnguisition den Syllabus der verdammten 65 modernen Irrtümer ergehen, der rücksichtslos alle vor den Kovs stieß, die irgendwie .Kontakt gefunden batten mit der nickt vom Vatikan in- spirierten Umwelt, oder die auf dem natürlichsten und loyalsten Wege zu einer nicht mehr buchstäblich mit der vatikanischen Definition überein- stimmenden Auffassung ihres tatholischen Bekenntnisses gelangt waren. Die Wirkung des Syllabus wurde abgewarlet, und als ihn die Wert 1V1. Jahrgang. ruhig hinnachm, und der deutsche Katholikentag überdies seinen servilen Hymnus wieder ertönen ließ, glaubte Pius X. die Zeit gekommen, um mit einem noch stärkeren Schlage den Modernisten und dem Modernis- mus systematisch allen Boden zu entziehen. Diesen Sinn hat die neue Enzyklika. Sic gehört inhaltlich zum Syllabus, erläutert, ergänzt und akzen- tuiert ihn. Sie bringt kein neues Argument, es sei denn, daß man die naive und einseitig falsche Geißelung des Modernismus, der zugleicn ohne eine bestimmte Umschreibung seiner Begiiffsmerkmale bleibt, als Rationalismus eines nennen will. Rom stellt sich uns nur abermals vor mit seinen alten Ansprüchen auf Belehrung und Leitung der Nationen kraft einer Autorität, die nicht vernünftig und nicht geschichtlich fundiert ist, sondern sich nur ans Fiktionen und ebenso willkürliche wie eigennützige Substitutionen ihrer Träger berufen kann. Tie Ausübung dieser Autorität geschieht nicht und soll nicht geschehen um der Menschen und der Völker, sondern um Roms willen, das nck Ko« sich mit der Kirche identifiziert und doch wie allen Geist und alle spontane Strebung, so auch den Geist und das sittliche Streben Ebristi disziplinieren, erstarren und in seinem lebenswirksamsten Teile ertöten will. Papst Pins X. .st hierin um keinen Deut anders als seine Vorgänger auf dem Heiligen Stuhle, und auch er erkennt keine andere Schranke für di- Durchsetzung seiner „unfehlbaren" Autorität als . . . den Widerstand, den ihm die Menschheit bereitet. Ans diesen Widerstand richtet sich die ganze vatika nische Diplomatie, und selbst der wcltnnersahrcnc Pius X. hat sie all mählich weit genug begriffen, um die Abfolge seiner Angriffe der Stimmung nnd Fügsamkeit der Anzugreffenden anzupassen. Während 'm Jahre 1864 Pins IX. seinem Syllabus eine Enzyklika als Vorrede gab, gibt Pius X. die Enzyklika als N a ch wort, obwohl er sie wegen der besonderen anorganischen Form gerade seines Syllabus erst recht diesem hätte vorauLschicken oder beigebcn müssen. Aber er hat, wie ge sagt, opportun befunden, die Stimmung und Fügsamkeit erst zu beob achten in der Reaktion, die den übrigen antimodernistischen Akten zuteil werden würde, und das heutige Erscheinen der Enzyklika beweist an und für sich, daß die Menschheit oder wenigstens der sehr große und kulturell wie politisch sehr einflußreiche katholische Teil von ihr noch sehr, seyr s unempfindlich und unmündig ist nnd eigentlich bleiben möchte. Deutsches Reich. Leipzig, 20. September. * Von den Nachwahlen zum Landtag. Die Zittauer Landtagswahl scheint bis zuletzt in ihrem Ausgang ungewiß bleiben zu sollen. Bei den gestrigen Nachwahlen der .1. Klasse wurden, wie uns ein Privat telegramm meldete, 6 freisinnige und 2 sozialdemokratische Wahlmänncr gewählt, so daß jetzt daS Verhältnis steht: 46 nationalllberale, 36 frei sinnige, 30 sozialdemokratische Wablmänner. In der 2. und 1. Ableitung sind nur noch 5 Wablmänner nachiräglich zu wählen. — Aus Schnee berg meldet unser (Zj-Korrespondent: Sowohl in einem Bezirke der 3. Abteilung als auch in einem Bezirke der 1. Abteilung siegten je zwei nationalliberale Wablmänner für Fabrikbesitzer Bauer-Aue. — Und aus Schwarzenberg wird gemeldet: Die in einem Bezirke der 3. Ab- teilnng erfolgte Nachwahl ergab den Sieg eines Wahlmannes für den nationalliberalen Kandidaten. Uli. Erhöhung der Getreide-Tarif«. Aus Mannheim wird uns geschrieben: Die großen Reedereien sowie diejenigen Spediteure, die eigene Lagerhäuser haben, ließen den Getreivehändlern ein Rund schreiben zugeben, in dem sie erklären, daß sie infolge der hohen Arbeits löhne und der auf allen Gebieten eingetretenen Preissteigerung aenötigt feien, den bisherigen Getrei deta ris aufzubebea und neue Gebühren für raS Ausladen, die Lagerung und Verladung mit sofortiger Wirkung festzwetzen. Auch in den Kreisen der Getreidehändler wird anerkannt, daß eine Erhöhung dieser Gebühren mit Rücksicht auf die Lohnsteigerung gerechtfertigt ist; doch glaubt man, daß die neuen Tarifsätze eiwaS zu weit geben uns insbesondere für die mitlleren und kleineren Händler eme empfindliche Mehrbelastung bedeuten, während die ganz großen Getreivcfirmen, die ihre eigenen Lagerhäuser und Elcvaioren Haden, davon nicht betroffen werden. * Ttc Urbcrwrisung an den Witwen- und Waisenfonds. Durch die Lex-Trimborn war festgesetzt, daß gewisse Mehrerträgnisse aus den Getreidezöllen ausgeipcicberl werden sollten als Fonds zu einer künftigen Witwen- unv Waisenvcrsorgnng. Die bisherigen Ergebnisse de« Rechnungsabschlusses für das adgelausene EtatSjabr baden nun zwar einen Uebersckuß von 27 Millionen Mark ergeben, wovon jedoch dem zu schaffenden Hinterbliebeiien'on-s nichts zuaute kommt, da dieier Ueber- schuß durch Enparnisfe und Mehreinnahmen auf anderen Gebieten zu stande gekommen ist, nicht aber aus den in der Lex-Triiuborn vorher gesehenen Mehreinnahmen aus den Getreikezöllen. Es ist daher ein grober Mißbrauch der Unkenntnis der Massen, wenn ein Blatt wie die „Leipziger Vollszcttnng" diesen Umstand als einen Raub an der Witwe bezeichnet unv der Regierung vorwirft, daß sie daraus ausgehe, die Witwen und Waisen der Proletarier um ihre Versorgung zu bringen. Ja, das Blatt verstigt sich sogar so weit, zu behaupten, daß die Re gierung in der arglistigsten Weise, also gegen besseres Wissen, die Rech nungen ausg-stellt bade, um die durch die Eclmtzzollaetetze erst Beraubten hinterher auch noch zu prellen. Ein derartiges Verfahren richtet sich vom moralischen Standpunkte aus von selbst. Es ist naturgemäß, daß bei einer guten Ernte, wie wir sie im Vorjahre gehabt haben, die Ein nahmen aus den Getreidezöllen gering fein werden, da wir eben nicht aus so viel Zufuhr auS rem Andlande angewiesen sind. Wenn jedoch, wie das sür vaS kommende Jabr zu erwarten steht, die beimitcke Ernte gering aussällt, Werren auch die Zuweisungen an den Hinierblieben.'n- ionds bedeutend sein, da natürlicherweise der Ausfall nur durch die Einfuhr aus dem Auslände gedeckt werden kann. * Tie „tkreiizzritnng" und Herr »ou Liebcrt Der Streit zwischen dem fübrenden Blatt rer preußiichen Denttchkoniervativen und dem Reichstagsabgeordneten von Liebcrt wegen dessen Ausspruch auf dem All deutschen Ta, in Wiesbaden, Macht gebe vor Reckst, wird jetzt von der „Kreuzieitung" mit folgender scharfen Polemik abgeschlossen: „Wenn Herr von Liebcrt jetzt so nebenbei satt, sein in Wiesbaden geäußerter Say fei „doch nur als Theorie gültig", so behaupten die VersammlungSbericktte, er habe ihn als einen sür die Praxis gültigen Grundsatz ausgestellt, nämlich in folgender Form: „In der Politik müsse aber Macht vor Recht geben." Offenbar hat der Redner sich selber inifverstanden und nickt unier- fckeiden können zwilchen der Aus iellung eines Grundsatzes tiir poliiisckeS Handeln und der Konstatierung einer Tatsache. Wenn wir nun ganz einfach und unmißverständlich eine Tatsache feststellen, dann meint er auck unsere Worte verdrehend und unhöflich werdend, die „Kreuz zeitung" iaftle. Da ist nickt zu belsen. Wir verzichten dauer auf weitere Verbuche, uns mit Herrn v. Liebert über politisch« Grundsätze zu verständigen."
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