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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 21.09.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-09-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070921013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907092101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907092101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-09
- Tag1907-09-21
- Monat1907-09
- Jahr1907
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Art.) * Die Ankunft des Sultans Abdul Aziz in Rabat steht nahe bevor. lS. Ausl.) * Wie das New Dorker „Journal Eommcrce" aus Washington meldet, wird dem Bundesrat sofort nach seinem Zusammentritt eine Borlagefür einen Gegenseitigkeitsvertrag mit Deutsch land unterbreitet werden. Ttriseirlrift in Ungarn. Von unserem Wiener Pr.-Korrespondenten.) Es weht wieder Krissnluft in Ungarn, und die Windstöße jenseits der Leitha nehmen bekanntlich immer ihren Kurs nach Westen, gegen Wien; Grund genug, daß man hier mit gespanntester Aufmerksamkeit den politischen Barometerstand in Pest beobachtet. Tie Sache nahm ihren Anfang mit der Unterbrechung der Ausgleichskonferenzen im österreichischen Ministerratspräsidium. Ter Telegraph hat die markanten Momente übermittelt; es bedarf nur einiger Zeilen, um das Gedächtnis aufzufrischen, weniger Striche, um das Bild zu vervollstän digen. Die österreichische Negierung hielt an ihrem Standpunkte fest; sie erklärte, daß eine Erhöhung des Beitrages Ungarns zur Deckung der gemeinsamen Ausgaben, eine Erhöhung der ungarisclien Quote unbe dingt nötig sei, damit die Bilanz des Ausgleichs nicht mit einem Passiv- Saldo für die diesseitige Reichshälste, für Oesterreich schließe. Tie ungarischen Unterhändler zitierten den Unlerrichtsminister Grasen Apponyi und den Minister des Innern Grafen Andrassy nach Wien, uni die Stimmen aller Führer der Parteien, die die Koalition bilden, zu hören, und Dr. Dekerle erklärte dem österreichischen Premier Baron Beck: Ja, aber Oesterreich muß noch den Bau zur Turckbruchsstalivn der ungarischen Exporte nach Deutschland in Aunaberg bewilligen, cs muß weiter die ungarischen Renten von der österreichischen Nenter.sleuer befreien und sie als pupillarische erklären. Ta Oesterreich ohnehin nur eine mäßige, eine sehr mäßige Erhöhung der Quote begehrt hatte, und die neu ausgestellten Forderungen Ungarns bereits in den früheren Konferenzen als unannehmbar bezeichnet wurden, konnte die öster reichische Negierung diese plnr-is petitio in rs nur mit einem Nein! be antworten. Und die Unterhändler gingen auseinander. Tie Verhand lungen wurden sistiert. Nun kann aber Oesterreich in vollster Gemüts ruhe abwarten, ob es zu einem Ausgleiche kommt oder nicht, da die Freiheit des wirtschaftlichen Verkehrs zwischen den beiden Reichsbälften, die wirtschaftliche Gemeinsamkeit durch den gemeinsamen Zolltarif und durch die Handelsverträge, deren Gültigkeitsdauer bis zum Jahre l917 währt, gesichert sind. Anders liegt die Sache für das ungarische Koali tionskabinett. Es muß am 10. Oktober, wenn der ungarische Reichstag zusammentritt, präzise Aufklärungen über den Ausgleich geben; ist es doch von den radikalen Elementen bedrängt, von denen, die chauvinistisch die volle Selbständigkeit verlangen, und bereit sind, alle Lasten aus sich zu nehmen, wenn nur das Schlagwort ,Los von Oesterreich!" verwirk- licht würde. Dr. Wekerle, eiu kluger Rechner, weiß, daß Ungarn heute nicht reif ist, sich von Oesterreich loszulösen; er will einen Ausgleich aus wirtschaftlichen Gründen; die politischen Gründe stehen ihm im Wege. Aber etwas muß er doch am 10. Oktober sagen, will er nicht weggeblasen werden. Und er steht jetzt vis L-vis cks ri«n. Tas stärkt die österreichische Position; das erste Wort, das die Fortsetzung der Ausgleichsverhandlunz.cn begehrt, muß Ungarn sprechen. Die momen tane Situation gefährdet die Stellung des Koalinonskavinelts. Freilich muß sich Oesterreich wieder sagen: Was geschieht, wenn in Ungarn die radikale Richtung die Oberhand gewinnt? Es ist nie angenehm, wenn das Nachbars Haus brennt. Und eine ruhigere Haltung der ungarischen Politik ist nicht in Sicht; die Bewegung, die zur Bildung der Koalition führte, di« der UnabhängigkeitSpartei zur dominierenden Stellung ver half, ebbt noch nicht ab. Schwere Krisen jenseits der Leitha treffen die Monarchie. Zu den Ausgleichsschwierigkeilen gesellt sich für Ungar» eine weitere Sorge, die Sorge nämlich, ob Graf Andrassy, wie er feierlich versprochen hat, bei Wiederzusammentritt des ungarischen Reichstages den Gesetz entwurf über die Verfaffungsgaranti«n einbriugen kann. Die Krone bat noch nicht die Vorsanktion gegeben. Sic hat auch recht. In dem Pakte zwischen Krone und Parlament, der sie Grundlage ^ür die Er- stebung des ungarischen Koalitionskabinetts bildet, ist von den Ver- sassungsgarautien nicht die Rede, llederdies hat die Koalition die Ver pflichtungen, die ihr der Friedensschtuß, das Paktnm aufcrlegte, speziell die Ansprüche der Heeresverwaltung in bezug auf die Er höhung des Rekrutenkontingents bisher nicht erfüllt. So fand denn Gras Andrassy, als er gestern beim Kaiser in Audienz erschien, nicht die Zustimmung. Neberlegt der Kaiser noch, so ist es ein offenes Geheimnis, daß der Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand sich gegen die Ge währung der Bersassungsgarantien ausgesprochen hat, weil er in ihnen eine zu starke Einengung der Prärogative der Krone erblickt. Der Kaiser hat die Meinung deS Erzherzogs Franz Ferdinand eingeholt, weil er nicht ein« Verfügung treffen will, die i» die Zukunft nachwirkt. Kommt aber Graf Andrassy mit leeren Händen in den goldstrohenden Palast am Donaukai in Pest, wo die ungarische Volksvertretung tagt, dann — dann ist die Ministerkrise da. Graf Andrassy hat erklärt, er gebe seine Demission, wen« er die VerfassnngSgarantien nicht erringt, und er wird sei« Dort halten. Fällt der Mantel, muß der Herzog nach. Dann ist keine partielle Ministerkrisis in Ungarn, dann steht das ganze Kva- litionskabinett vor der Notwendigkeit, zurücktrcten zu müssen. Fällt die Koalition aber m sich zusammen, wer soll dann den Ausgleich machen? Oesterreich braucht den Ausgleich, wie gesagt, absolut nicht; ob ihn aber das politische Prestige der Monarchie künftig missen kann, ist eine offene Frage. Zunächst erschlägt die ungarische Politik die ungarische Wirt schaft. Was dann kommt, weiß niemand. Jeder aber empfindet, daß eine neue ungarische Krise mehr berührt als Ungarn allein. Wie die Dinge heute stehen, kann jede Krise in einer Reichshälste eine Reichskrise nach sich ziehen. Oestcrrcich-Ungarn wird in den Oktobertagen wieder sehr interessant werden. * Tie Wiener „Zeil" konstatiert, daß Erzherzog Franz Ferdinand nie ein Geheimnis daraus gemacht hat, daß er mit den ihm unberechtigt erscheinenden Forderungen der Ungarn höchst unzufrieden sei. Mit der Unabhängigkeitspartei namentlich sei eine politische Wirtschaft unmög lich, da sie schon iu ihrem Namen das Programm der Lostrennung der ungarischen Reichshälste von Oesterreich vertrete. Ganz besonders ab lehnend verhalte sich der Erzherzog gegen die verlangten Verfassungs garantien, weil diese eine bedeutende Einschränkung der Kronrechte in Ungarn bedeuten, und der König durch sie zu einem Schattenkönig de- gradiert würde. Als Andrassy aus Wunsch des Kaisers dem Erzherzog seine die VersaüungSgarantien betreffenden Forderungen vorlegre, faßte dieser seine Meinung dahin zusammen, es dürfe der Krone nicht zugemutet werden, sich mit gebundenen Händen den ungarischen Muni- zipien auSzuliefern. Tann fuhr der Thronfolger zum Kaiser und sagte: „In der Form, wie sie Graf Andrassy voraclegt hat, können die ge forderten Acrsassungsgarantien nicht bewilligt werden." In ähnlichem Sinne gab dann der Kaiser seiner Willensmemung Ausdruck. Graf Andrassy wurde beauftragt, seine Forderungen in abgeäuderter Form wieder vorznlcgen; bis dahin behält sich der Monarch seine Ent scheidung vor. Unterrichtsminister Gras Apponyi äußerte im Kreise der Kossuth- partei, daß der Ausgleich an sich fertig uud gesichert sei. Den Abschluß behindere nur die österreichische Forderung nach Erhöhung der Quote, in die Ungarn nur gegen entsprechende Kompensationen auf wirtschaft lichem Gebiete, ferner die Parität in der diplomatischen Vertretung und die Bewilligung des Annaberger Bahnanschlusses willige Boa der ungarisclien selbständigen Baak sei keine Rede gewesen; diese sei unlcr den derzeitigen finanziellen Verhältnissen ganz unmöglich. Bis zum 10. Oktober, der Eröffnung des ungarischen Parlaments, werde in der Ausgleichsfragc unbedingt Klarheit herrschen. — Fertig sind bloß die N e b e n j a ch e n! Dev Mannheimer? Anwcrltstng. Im Jahre 1848 fand in Dresden eine Advokatenvcrsammlung statt und begründete einen deutschen Advokatenverein, von dem nachmals nicht wieder die Rede war. Tie Reaktion schwemmte auch dies Erzeugnis der Einheitsbewegung hinweg. Erst 1867 wurde der Gedanke eines deutschen Anwaltsvcreins im preußischen Anwaltvercin wieder erwogen. Am 25. März 1871 beschloß der Anwaltsrat des bayerftchen Anwaltsvereins. Schritte zur Gründung eines „Allgemeinen tcntschen Anwaltvcreius" zu tun. Am 25. August 1871 fanden sich 169 deutsche Rechtsanwälte zum ersten deutschen Anwaltslage in Bamberg zusammen. Der deutsche Anwaltvercin wurde gegründet und die prak tische Arbeit begonnen. Man erörterte die Frage der Gründung einer Unterstützungs- und Pensionskasse, der Schaffung einer Zeitschrift und der Stellungnalimc zur bevorstehenden Neichsjustizgesetzgcbung. Seit jenen Tagen haben regelmäßig aller zwei Jahre, abwechselnd mit den Juristcntagcn, Tagungen des deutschen Anwaltvereins statt gefunden. Ihm geboren nicht alle, wohl aber die überwiegende Zahl der deutschen Anwälte an. Er beschäftigt sich mit Standes- und Gesctz- gebungssragen. Gleichzeitig mit dem Anwaltstage findet stets eine ordentliche Generalversammlung der Hilfskasse für deutsche Rechts- anwälte statt. Die heurige Anwaltstagung war bedeutsam. Zwei Gegenstände ins besondere beschäftigten die deutschen Anwälte seit geraumer Zeit: die RubMebaltskasse nnd die Justizreform. Die im Jahre 1884 gegründete Hilsskafse für deutsche Rechtsanwälte bezweckt, wie ihr 8 2 sagt, den zur Gründung einer allgemeinen Ruhe- gehaltskafse für deutsche Rechtsanwälte und einer Witwen» und Waisen gelderkasse für die Hinterlassenen deutscher Rechtsanwälte erforderlichen Kapitalgrundstock anzusammeln. Der Hilfskasse gehören über 5000 deutsche Rechtsanwälte an.. Sic haben in den verfloßenen Jahrzehnten eifrig gesammelt. Auch die Anwaltskammern haben ansehnliche Bei träge beigesteuert. Auch Schenkungen und Vermächtnisse flössen dem Kapitalgrundstock zu. Dieser beläuft sich jetzt auf mehr als eine Mil lion Mark. Man glaubte, daß nun die Zeit gekommen sei, um mit der Ruhegehaltsoersicherung Ernst zu machen. Im Jahre 1901 beschloß der Anwaltstag zu Danzig, eine Zwangspensionskasse anzustreoen. In Straßburg wurde die L-ache 1903 nochmals beraten, aber vertagt. 1905 ließ man in Hannover aus triftigen Gründen den Gedanken der Zwangs kasse fallen und beschloß, einen Vcrsicherungsverein auf Gegenseitigkeit nach dem Reichsgesetze vom 12. Mai 1901 zu gründen. Juftizrat Jlge- Halle arbeitete die Satzungen aus und verkehrte mit dem Auftichtsamte für Privatversicherung. Im verflossenen Winter fand eine Hilsskassen- versammlung statt, die aus dem Kapitalgrundstock 500 000 als Grün- dungssonds für die neue Ruhegehalts-. Witwen- und Waiscnkasse de- willigen sollte. Man beschloß damals in Leipzig, die Entscheidung der bevorstehenden Mannheimer Versammlung zu überlassen. Wie schon der Gang der Dinge zeigt, waren die Meinungen in der Anwaltschaft geteilt. Man stritt mit der Losung: Hie Zwangskasse! Hie freie Kasse! Die Zwangskassenpartei gründete sogar ihre eigene Zeitschrift, weil sie die Leitung der „Juristischen Wochenschrift" nicht für ganz unparteiifch hielt. Schließlich galt es, das Mögliche zu erreichen. Man sah ein, daß man die Gesetzgebung zur Schaffung der istvangskasse nicht werde in Bewegung setzen können. So bekehrten sich denn sehr viele Anhänger der Zwangskasse zur freien Kaffe. Diese wird nun in absehbarer Zeit ins Leben treten, nachdem in Mannheim der Gründungssonds bewilligt wurde. Selbstverständlich mußte auch die Satzung der Hilfskasse ge ändert werden, da ja ein wesentlicher Teil ihrer Ausgabe als erfüllt zu gelten hat. Tie neue Ruhegehalts-, Witwen- und Waisenkasse wird dem deutschen Anwaltstande und damit der deutschen Rechtspflege gewißlich künftig zum Segen gereichen. Die andere Frage, die den Mannheimer Anwaltstag beschäftigte, ist die Justizrcsorm. Unsere Reichsjustizaesetzc sind seit dem 1. Oktober 1879 in Kraft. Seitdem konnte man Erfahrungen über ihre Tauglich- keit sammeln und etwaige Mängel erkennen. Man wird nicht über ein verfrühtes Eingreifen klagen, wenn die Beobachtungen eines Menschen alters bessernd verwertet werden. Ferner ist zu erwägen, daß sich seit !879 auch in den äußeren Verhältniilcn manches verschob. Von wescnt- licher Bedeutung für die Lrdnnng der Rechtspflege ist allein die an sehnliche Vermehrung der Bevölkerung. Tie deutsche Rechtspflege ist nun ganz gewiß nicht schlecht. Damit soll nicht gesagt sein, daß sie voll 101. Jahrgang. kommen und einer Verbesserung nicht fähig wär«. Manches kann voll kommener werden, als es heute ist. Es gilt aber hier wie anderwärts das Wort: „Männer, nicht Maßnahmen'. Insofern hat Adickes mit seinem Verlangen: „Wenige Richter in hoher Stellung" nickft so unrecbl. Freilich überschätzt er wie viele Deutsche die englischen Zustände. Auch England hat einen großen Verbrauch an zünftigen Juristen. Tie Zahl der ganz besonders befähigten Köpfe ist in jedem Volte nicht gar so groß; es gilt überall, viel Mittelmäßige mit ;u verbrauchen. Aus den Anregungen Adickes ist nun ein Geietzentwurs im ReichSjustizamre ge- boren worden. Er will „Maßnahmen" treffen, da es in einer wohl organisierten und an Rücksichten auf Dienstalter, Verwandtschaft Mw. gebundenen Beamtenhierarchie schwer ist, die freie Wahl unter den taug lichsten Männern zu treffen. Tie Amtsgerichte sind heute zuständig für Streitgegenstände lm Werte bis zu 300 .kl. Der Entwurf will die Zu ständigkeit auf 1000 F erweitern. Die Aenderung ist weittragend. Ter Zahl nach die meisten Landgerichtsprozeffe betreffen Streitgegenstände im Werte von 300 bis 1000 Den Landgerichten und Landgerichts anwälten wird ein großer Teil ihrer Arbeit abgenommen. Tie Obcr- landesgerichte werden lehr bedeutend entlastet und die Oberlandes gerichtsanwälte aufs empfindlichste in ihrer Erwerbsstellung getroffen. Manche Landgerichte wird man einzieben müssen. Dagegen bekommen die Amtsgerichte auch auf dem Gebiete der Zivilrechtspflege einen größe ren Wirkungskreis, nachdem erst unlängst die Zuständigkeit der Schöffen gerichte erweitert wurde. Den Amtsgerichtsanwälten ist die Neuerung zweifellos willkommen. Doch wird sie ihnen den Hauptvorleil nicht ge währen, sondern den Jnkaffoburcaus. Daß für die Mehrzahl aller Pro zesse der Anwaltszwang ausgeschaltct wird, wird der Rechtspflege auf die Tauer nicht förderlich fern, sondern zu Mißständen führen. Wir haben in den letzten Jahren gesehen, wie im Juristcnstande im allge- meinen und im Anwaltsstande im besonderen eine Nebersüllung ein- gctrcten ist. Jetzt entzieht man dem Änwaftsstande einen großen Teil leincs Geschäftskreise?! Wenn sich das Publikum an die Anwaltschaft wenden mußte, so hakte es eine gewisse Gewähr für ordnungsmäßige Bedienung. Der unlautere Wettbewerb, die Reklame sind dem Anwalt mit Recht verboten. Er untersteht der Disziplinargewalt und hat etwas zu verlieren, wenn er sich vom Wege der Berusspflicht entfernt. Der Winkelschrciber, dem das Recht suchende Publiknm jetzt ausgeliesert wird, bietet die Garantien nicht. Das Publiknm ist aber auch noch nicht urteilsfähig genug, um zu erkennen, in welchen Fällen es daS Opfer der marktschreierischen Reklame und der Ausbeutung eines Winkelschreivers wird. Daß die Gewerbepolizeibehörden aber nach is 35 der Gewerbeordnung alle unsaul>eren Elemente mit Entschlossen heit ausschalten könne, ist nach der bisherigen Tätigkeit dieser Behörden nicht anzunehmen. Die vorgeschlagene Justizreform ist zum guten Teile eine Finanz maßnahme. Die Justizverwaltung ist weit davon entfernt, eine Neber- schußverwaltung zu sein. Wenn nun jetzt viele Sacken, die bisher durch Tre-männerkollcgien bearbeitet wurden, an den Einzelrichter verwiesen werden, so bedeutet das natürlich eine nicht unerhebliche Ersparnis an persönlichem Aufwande. Daß sich für die Assessoren, die jetzt schon scckS bis sieben Jahre auf die Richterernennung warten müßen, die Aui- rückungsveryältnisse noch mehr verschlechtern, wenn der Reichstag die Justizreform gutheißt, sei nur nebenbei gesagt. Mit Neckt bat sich der Anwaltstaa geaen die geplante Reform aus gesprochen. Sie wird die deutsche Rechtspflege nicht verbessern. Deutsches Reich. Leipzig, 21. September. * Vom badischen Grostherzoq. DaS Befinden gibt zu ernsten Besorgnissen immer noch Anlaß. Es sind daher der Erbgroßberzog uns d>e Erbgraskerzogin auf der Mainau augekommen. — Ebenso bat sich dortbin aus seinem Urlaub der Ministerpräsident Freiherr v. Dusch begeben. Am Krankenlager weilt auch dcr Secftorger der groß herzoglichen Familie, der Ober-Kirchenral, Präsident Held na, und die Ankunft des Prin'.en Max wird erwartet. Wählens des Bulletin am Abcnv des 19. September von erneutem Anstieg des Fiebers und andauerndem Schwächczustanv berichtet, w.eckel es von gestern früh, daß fick nack Mitternacht erquick noer Schlaf ein gestellt hat und die Temperatur um morgens 7 Uhr 37,6 Grad betrug. Gestern mittag 1 Ubr war sie 37,1. Die Herzällgkeit war noch nicht befriedigend, aber fubjeknv befand sich dcr Großher,og besser. * Die Rückkehr dcr Kaiserin nach Potsdam ist gestern erfolgt. Es wird darüber berichtet: Die Kaiterin und Prinzessin Viktoria Lu ie trafen mit dem Zuge 12 Ubr 45 Minuten aus dem Bahnbofe in Pots dam ein. Zum Empfange waren dcr Kronprinz uud die Krouptinzesyn anwesend. Die Kaiserin überreichte der skronprinzeisin, welche gestern ihren Geburtstag batte, ein piacktvolles Rosenbuletl. Sodann bestiegen die Herrschaften ein Automobil, um sich nach dem Marmorpalais zu begeben. tb. Ter BnndeSrat wird seine Herbsttagung am 3. Oktober auf nehmen, um die von den Bundesregierungen feitiggestelltcn Vorlagen einer P-iftung zu unterziehen. Neben lleineren Gesetzen werden Reiche hausbaltSetat, Lereinögeietz und Börsengcietz zunächst in Angriff ge nommen werten, um diese Vorlagen dem Reichstage bald nach seinem Zusammentritt vorlegen zu können. * Bethmann-Holl wog und die technischen Angestellten. Der soriale Ausschuß von Vereinen recbnftchen Privatangestellien, der 12 Vereine mit zusammen rund 70 000 Mitgliedern umfaßt, und in welchem zurzeit der „Bund der technisch-industriellen Beamten" den Vorsitz führt, batte sich vor einiger Zeit an den Herrn Staatssekretär des Innern von Betbmann - Hollweg mit der Bitte gewandt, eine Ab ordnung dickes Ausschusses zu emrfancen und dadurch Gelegenheit zu geben, rie Wünsche der technischen Angestellten bczw. der Errichtung von Arbeitskammern vorzutrazen. Dieses Vorgehen war von El folg. Herr von Bethmanu-Hollweg bat seine Bereitwilligkeit, die Herren im Oktober zu empsangen, erklärt. Die Frstietzung des genauen Termins hat sich der Staatssekretär Vorbehalten. * Zum Retchsvereinsgcsrtz t^lt die „Nordd. Allg. Ztg." mit, daß der Entwurf zurzeit dem preußischen StaaiSmiuisterium vorliege. Die Angaben verschiedener Blätter — wir gaben die deS „B. T." w eder — über den Inhalt des Entwurfs beruhen nach eben dieser offiziösen Quelle „auf Vermutungen, die znm Teil zutreffen, znm Teil nicht, nnd sind jedenfalls >m Hinblick aus das gegenwäriig« Stadium der Ver handlungen verfrüht". Nun weiß man.— gerade so viel wie vorher! * Nachwahlen zme Landtagswahl. In Zittau (1. städtischer Wahlkreis) worden gestern bei den Nachwahlen der zweiten Abteilung gewählt: 2 nationalliberale und 2 freisinnige Wahlmänncr. Es ergibt sich jetzt als Resultat: 48 naiionalliberale, 30 freisinnige und 10 sozial demokratische Wablmänner. Heute finden nur noch 3 Nachwahlen in der ersten Klassc statt. — Nachdem gestern in Walvhenn noch Nachwahlen stattgefundcn haben, stellt sich das Gesanttergebni« kür den Wahlkreis Döbeln solgendcrmaßen: 46 nationalliberäle, 10 freisinnige und 23 sozialdemokratische Wahlmämwr. — Im 4L. städtischen Wahl-
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