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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 25.09.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-09-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070925015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907092501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907092501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-09
- Tag1907-09-25
- Monat1907-09
- Jahr1907
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Morgen-Ausgabe 8. BeyrgS-Prei- sttr Aelphla mü> Vorort, durch mitrr« Lrtger uud LprdUrurr iu« Hau» gebracht Lut-ab« L (»ur moraea») viertrljthrlich 3 M monatlich 1 M. Auigabe L (morgen« und ab«nd«> viertel- jährlich 4.50 M. monatlich 1.5c> W. Durch di« Post be,vae» (2 mal täglich) innerhalb Teutichland« und der deutschen Kolonien vierteljährlich 5,25 M„ monatlich 1,75 M ausichl. Puft beftellgeld 'ür Oesterreich ii li 86 k, Ungarn 8 L. vierteljährlich, Abonnement-Annahme. vugustu.platz 8, bei unseren Lragern, Filialen, Epeditrurrn und Annatuneftellell, «wie Potz Lutte rn und Sriefträgern. Die einzeln: stummer tostet Ist Pfg, Sledakllon «ad Srpedittoa: Johannitgassc 8. Lelevbon Nr. I46S2 Nr. IE» Nr. 14SS4. Berliner Nedaktion» Bureau: Berlin btVV. / Prinz Louis Ferdinand» Straße 1. Lelephon 1, Nr. S275. MpWcrTagMM und Handelszeitnng. Ämtsölatt -es Rates und -es Rottzeiamtes -er Lta-t Leipzig. Anresqen-Preis stde Iajerate au« Leivzig und Umgebung die staelvalteu« Petitzeil« 25 Ps., stnan,iellc Anzeigen 3V Os., NeNamen 1 M.; «a aiXwär«, 30 PI., «eklamen 1.2» M.: vomNuslarid50Ps., ftnanz. Anzeigen75Ps., Neklamea OSO M. Anseratr v. lvrhärden im amtlichen Teil 40 Ps. Bcilagegebübr 5 M. -. lausend ex kl. Poft- gebühr, aleichäfttan^eigen an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt »ach Taris. Festerteilte Austräge können nicht zurück gezogen werden. Für da« lkrschcinen an brstlinillten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen. Annahme: Augustutzplatz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annonce»- «Wedttionen de« In» und A:«lande«. Haupt Siltal« Berlin Varl Luuck: , Herzog!. Payr. Hosbuch- haudlung, Lützoivstratz: 10. «elrphon VI. Nr. «03). Nr. 268. Mittwoch 25. September 1907. . 181. Jahrgang. Das wichtigste vom Tage. * Der Kaiser bat, wie jetzt bekanntgegeben wird, am Montag in Memel eine größere Rede gehalten. lS. d. bes. Art.) * Der Kräftezustand des Grobherzogs von Baden scheint sich, wie ein nachmittags 4 Uhr ausgegeoener Bericht sagt, etwas zu beben. * Der Wali von Wan ist in Batum ermordet. lS- Ausl.) * Graf Zeppelin unternahm gestern einen Aufstieg mit seinem Luftschiff, der vorzüglich gelang. lS. Letzte DeP.) Gine Atcnsevre-e in Meinet. Wie jetzt bekanntgegeben wird, hat der Kaiser am Montag bei dem Ehrentrun! im Rathaus zu Memel gelegentlich der Einweihung des Rationaldenkmals eine längere, an den Oberbürgermeister der Stadt gerichtete Rede gehalten, deren Wortlaut in folgender Form wiederge- gcben wird: „Mein lieber Herr Oberbürgermeister! Ich bin Ihnen sehr dankbar für die Einladung, die Sie an Mich haben ergehen lassen, und spreche Ihnen Meine vollste Anerkennung ans für die würdige, schöne und zu Herzen gehende Feier, mit der Sie das Andenken Meiner er- lauchren Urgroßeltern geehrt haben. Ich danke der Bürgerschaft für den schönen, warmen Empfang und für die Ausschmückung der Stadt. Tas Jahr 1807 lehrt uns, daß die Bewegung des Volkes ihren Grund und ihre Ouelle fand, als das Volk sich auf sich selbst besann. Als die schweren Schicksalsschläge es trafen, hat es nicht, wie sonst wohl in der Geschichte der Völker geschehen, sich empor gebäumt in Undankbarkeit gegen das Herrscherhaus, sondern hat sich, dem Beispiel des hohen Königspaarcs folgend, unterworfen und hat in seiner Ergebung anerkannt, daß die strafende Hand Gottes ihm eine Prüfung auserlegt habe. Dieses Erkenntnis hat das Volk zur Einkehr geführt, und die Einkehr hat zur Folge gehabt, daß es sich auf das Wort Gottes besann, mit einem Wort, daß cs zur Religion zurückkehrte. Unsere Vorväter haben GottesWort gelauscht, sie haben ihm gehorcht und haben ihm vertraut, und er hat sie dafür nicht im Stich ge lassen. Das ist in kurzem die Lehre, die wir aus dem Jahre 1807 zu ziehen hoben: das gemeinsame feste Gottvertrauen des Königs hauses und seines Volkes. Tas Erkennen des göttlichen Willens einst in der schwersten Zeit hat uns wieder cmporgeführt, und nun denke Ich: Wie steht das Jahr 1907 dazu? Luisens herrlichem Sohne, dem großen Kaiser, ist es inzwischen durch göttliche Gnade vergönnt worden, das Werk zu Ende zu führen, zu dem in schwerer Zeit in herr lichen Kämpfen die Vorfahren den Grundstein gelegt haben. Wie sie freudig zum Schwerte gegriffen haben, um ihre heilige Mutter Erde wieder freizukämpfen, so hat er dem Wunsche der damaligen Zeit end lich entsprechen können und unser großes deutsches Vaterland geeinigt. Memel ist nicht mehr die Grenzstadt Preußens, sondern des Deutschen Reiches. Der Grundstein, der in schwerer Zeit zusammengehämmert wurde, wurde durch Gottes Gnade auch der Grundstein des Deutschen Reiches. Wenn nun das Jahr 1907 und seine Zeit dem Jahre 1807 gegenüber wohl friedlich geworden ist, so können wir doch mit Be- stimmtheit sagen, daß auch wir in einer großen Zeit leben. Tic kräftigen, überraschenden und fast unverständlich schnellen Fortschritte unseres neu geeinten Vaterlandes auf allen Ge bieten, die erstaunliche Entwickelung in unserem Handel und Verkehr, die großartigen Erfindungen auf dem Gebiete der Wissenschaft und der Technik sind eine Folge der Wiedervereinigung der deutschen Stämme zum gemeinsamen Vaterlande. Sollen wir nun im Stolz, um nicht zu sagen, im Uebermut über diese unbegrenzte Entwickelungsfähigkeit unseres Volkes anfangen, den Urquell der Stärke zu vergessen? Ich meine nein! Je mehr wir in der Lage sind, eine hervorragende Stell« auf allen Gebieten in der Welt zu erringen, um so mehr soll unser Volk in allen seinen Ständen und Gewerben sich daran erinnern, daß auch hierin das Walten der göttlichen Vorsehung zu erkennen ist. Wenn unser Herrgott unserem Volke nicht noch große Aufgaben gestellt hätte, dann würde er ihm auch nicht so herrliche Fähigkeiten verliehen haben. Wir wollen also im Hinblick auf diese Entwickelung unseres Volkes zum Himmel cmporblicken, dankbar für die Gnade, die er uns er weist, indem er uns für gut hält, seine fürsorgenden Zeichen uns zuteil werden zu lassen. Wir wollen aus alledem lernen, daß wir auch heute, in einer hohen Blütezeit, an den alten Quellen festzuhalten haben. Auch heute gilt es wie vor hundert Jahren: erst den Blick nach oben empor zu richten in dem Bestehen, daß alles, was uns blüht und was uns gelingt, durch Fügung von oben erwirkt ist. Und so wollen wir im Erkennen der göttlichen Fügung entschlossen wirken, solange cs Tag ist. Dann kann jeder an seine Beschäftigung gehen, der Gelehrte an seine Bücher, der Schmied an seinen Amboß, der Bauer an seinen Pflug, der Soldat an sein Schwert, und sein Ge- werbe so treiben und so führen, wie es einem braven Christen und Deutschen ziemt. Dann werden wir Männer der Tat sein, ein ent- schlossenes Volk, den Blick nach oben gerichtet, vorwärts strebend, mit dem Bewußtsein, daß eine große Pflicht und Aufgabe uns zugeteilt ist Die hiesige Stadt, der es durch deS Himmels Fügung beschieden gewesen ist, so große Momente zu erleben und die, wie Ich mit Freude konstatieren kann, mit warmer Hingabe und warmem Patriotismus das Andenken jener Tage heilig hält, möge blühen und gedeihen, sie möge auch, was an ihr liegt, dazu tun, daß ihre Bürger und Kinder in diesen Grundsätzen leben und erzogen werden. Dann wird es auch mit der Zukunft von Memel gut bestellt sein, der Ich Gottes Segen von ganzem Herzen wünsche." Die Rede erinnert durch ihren stark religiösen Charakter ganz un mittelbar an die vor kurzem in Münster gehaltene Rede deS Kaisers. ES ist die gleiche Gedankenwelt, nur daß hier von ihr anS die geschicht liche Entwickelung deS Jahres 1807 und der folgenden beurteilt und hieraus die Lehre für die Zukunft gezogen wird. Darin hat der Kaiser gewiß recht, daß zu den Merkmalen der großen Sinnesänderung, die unter der Bedrückung durch Napoleon I. im deutschen, vor allem im Preußische» Doll vor sich ging, auch eine starke Erneuerung religiösen Lebens gehört hat. Aber daß sie e- allein war, di« daS Volk innerlich so kräftigte — das Joch Napoleons abwerfen zu können, entspricht denn doch nicht den Tatsachen. Es war die neue innere nationale Erstarkung, die das Volk dazu fähig machte. Und sie hat bekanntlich dann viel stärker auf das Königshaus zurückgewirkt, als daß dieses hier führend ausgetreten wäre. Der Kaiser anerkennt hier, wohl mit unverkenn barem Hinweis auf Rußland und Frankreich, wie das Volk 1807 nicht den Augenblick der nationalen Demütigung benützte, um sich von der Monarchie abzuwenden. Aber er würde dem Verdienst des Volkes ge rechter geworden sein, hätte er darauf hingewiesen, daß es eben vor allem das Volk war, welches dann die Freiheitskriege herbeiführtc, unter Führung von Männern, die unter nichts schwerer zu leiden hatten, als unter dem Wankelmut und der Unentschlossenheit Friedrich Wil helms III. Auch von dem zweiten Teil der Rede ist zu sagen, daß gewiß religiös gerichtete Menschen in ihrem Glauben an die Geschichtsführuug Gottes aus den Segnungen, die das deutsche Volk genossen hat, den Antrieb er halten werden, nun auch an die Zukunft dieses Volkes zu glauben und ihre Kräfte in seinen Dienst zu stellen. Allein, das nationale Moment ist doch in unserem Volke heute ein weiter verbreitetes Gemeingut, als das religiöse und speziell das christliche. Darum würde unseres Er achtens, soll die Erinnerung an 1807 und die darauffolgenden Zeiten fruchtbringend für die Gegenwart wirken — die Hervorhebung natio naler Gesichtspunkte auf einen weit stärkeren Widerhall rechnen dürfen, als cs bei den religiösen der Fall ist. Ern Held? Seit vier Tagen weilt der Verteidiger von Port Arthur, der die Lammfellmütze nicht mehr trägt, in Berlin, wo er in einem Hotel der Friedrichstadt Wohnung genommen hat. Er will ein Sanatorium aus- luchcn, da ihn Herzkrämpfc plagen. Von seiner derben Gattin ging in den letzten Tagen eine Notiz durch die Blätter, daß sie in Port Arthur Ziegen verkauft habe. Auch der General wird in der nächsten Zeit die Ocffentlichkeit interessieren. Das Drama des schon zweimal Verdammten wird sich diesmal vor dem Tribunal abspielen. Neber die Kapitulation von Port Arthur wird verhandelt werden, das der russische Äriegsmann schmählich dem Feind übergeben haben soll. Wird es eine Tragödie werden oder nur eine Komödie? Ist der Prozeß nur eine rein formelle Angelegenheit, oder liegt in ihm eine Spiyr, die sich gegen einen einzelnen, geg n einen der vi-l n Sündenböcke der blutigen Kam pagne richtet, um ihn zu verderben? Während die Geschütze der Forts auf der felsigen Llao-tuna-Halb- insel noch brüllten, pfiffen die Spatzen von^dem Heldenmut des Ver teidigers von Port Arthur auf allen Dächern, ein Panegyritus jagte den andern. Nach dem Fall von Port Arthur tauchten jedoch Gerüchte auf, die sich immer mehr verdichteten, daß General Stössel die Sache des Vaterlandes verraten und feige kapituliert hätte. Nicht er sei die Seele der Verteidigung gewesen, sondern der unglückliche Kondratenko, den eine Granate zerschmettert hat. Ibis rva.-; u man! Ta die Affäre Stössel sich nickt mehr vertuschen ließ, wurde sie offiziell anhängig gemacht und soll nun bald endlich und definitiv vor dem Kriegsgericht abgetan werden. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat Stössel die Großfürstenclique gegen sich. Man würde ihm sonst nicht das Messer an die Kehle setzen. Dem Klüngel dürfte es vielleicht gelingen, ihm den Hals zu br-chen. Nett« Sächelchen wird der Prozeß wohl zutage fördern, von denen die Oeffent- lichkeit jedoch kaum etwas erfahren dürfte. Ein paar zwitschernde Sltuatiönchen sind ja während des Krieges beleuchtet worden. So das famose Intermezzo jenes Großfürsten, der mit einem ganzen Harem von Chanteusen und Cancaneusen im Heer lager angegondelt kam, daß der biedere Kuropatkin ausmuckte. Liier' is ibo diimoru- ok it. Und dann die andern von der Sorte, die in Paris Tingeltangelhnldinnen kitzelten und selig waren, wenn sie die üppige OtLro und die niedliche Cavallieri mit Brillanten behängen durften, während die Soldaten des weißen Zaren über die eisigen Schlachtfelder von Mukden gehetzt wurden. Eine saubere Gesellschaft! Aber: Was dem Jupiter erlaubt ist, darf sich der Ochse noch lange nicht herausnehmcn. Es handelt sich um Symptome, die die Korruption und die Verlotterung andeuten, welche in den aristokratischen Kreisen Rußlands herrschten und noch herrschen. Das Ludersystem mußte, sowie der Ernstfall eintrat, zum DsbLcle führen, zur Niederlage eines ganzen Volkes, tznickquick ckelirnut rex-es, pleetmntur ^estivr. So ist's gekommen. Uwd jetzt soll Stössel seine Partie ausbaden. Einer muß doch wenig stens vor das Forum geschleift werden. Vergegenwärtigen wir uns seiue Tragödie: Am 3. Januar 1905 hat er Port Arthur unter c-'n Be dingungen von Sedan dem Feinde übergeben. Das Andreaskreuz sank, und die blutrote Sonne von Nippon flatterte über den Wällen von Port Arthur. 546 Geschütze, 82 670 Granaten, 3000 Kilogramm Pulver, 35 252 Gewehre, 1920 Pferde, 4 Schlachtschiffe, 2 Kreuzer, 14 Kanonenboote und Torpedobootszerstörer und 45 Dampfer wurden dem Sieger über geben. Am 13. Januar begann der stumme, prunklose Einzug der gelben Triumphatoren in die zerschoßene Feste, die Rußland durch den Frieden von Portsmouth verloren hat. Ein klägliches Schauspiel, das der General nach zwei Jahren verantworten soll. Hat er sich blamiert, oder hat ihn die Notwendigkeit nach Aufbietung aller Tapferkeit besiegt? Es wird wohl nie ans Tageslicht kommen. Nur eins steht fest, ist historische Tatsache: Stössel hat Port Arthur fast ein Jahr lang gegen die Armeen des Mikado verteidigt. Das sollte man nicht übersehen. Bisher ist die verschämte Kondratenko-Legende nur Legende geblieben, ist auch wohl nichts weiter als eine Dichtung, in der ein Fünkchen Wahrheit glüht. Alle Verbindungen der Kämpfer von Port Arthur mit der übrigen Welt waren abgeschnitten, bis schließlich doch Gerüchte von den Niederlagen der Zarenheere, die die Festung entsetzen sollten, durchsickerten. Kein Retter war in der Nähe. Nichts als Hoffnungs losigkeit. Die Truppen waren demoralisiert. Dem Führer schwante sogar von Meuterei. Die letzte Position hinterder Stadt verteidigen? Sollt« man also den Akt bis zu Ende spielen? Ter Gürtel der Forts war gesprengt die Stadt Port Arthur unhaltbar. Es wäre absolut nutzlos gewesen. Hätte es einen Zweck gehabt, sich nach jo vielen Verlusten nutz- loS aufzuopfern, Bataillon über Bataillon über die Klinge springen zu laßen? Es wäre ein unsinniges Heldentum gewesen. Nur die kühle Erwägung konnte retten, was nock zu retten war. Verschlägt doch in unseren Tagen keine Pathetik mehr. DaS alles kann man Stössel nur als Verdienst anrechnen Nack diesem wäre al>o eine Ehrabschneiderei gegenüber Stößel nicht am Plape, der nur logisch gehandeltchat. Verteidiger sind für den Besiegten in den letzten Tagen einge sprungen. So bezeichnete General Reuß die Enthüllungen Kupßchinskis und Noskins als Auszüge aus dem Bericht des Generals Smirnow, deßen Bericht selbst als „lügnerisch" bezeichnet worden fei. General Reuß betonte, daß cs den meisten Angeklagten gelingen werde, fick glän zend vor dem Gericht zu rechtfertigen. Dieser Ansicht ist auch General Fock, der in einem Interview erklärte: „Ich bin überzeugt, daß die Wahrheit triumphieren wird. Ohne mich Ihnen gegenüber rechtfertigen zu wollen, will ich nur sagen, daß Kuptschinski, der durch 'eine Berichte die Gesellschaft in die Irre geführt hat, die Zustände in der Festung gar nickt kennen konnte, oa er am 23. Juli von den Japcnern gingen genommen wurde, die Belagerung der Festung aber erst am 30 Juli begann. Ick erkläre kategorisch, daß die Mitteilungen Kuptschinskis unwahr sind. Im übrigen wird die Gesellschaft durch die Gerichtsverhandlungen bald genug erfahren, auf wessen Seite das Recht ist." Trotzdem ist vorläufig noch nicht zu übersehen, ob nicht doch am grünen Ti'ck der Stab über Stößel gebrochen weichen wird. Es kommt auf die Wirksamkeit der Kabalen an, die in geheimen Zirkeln gebraut sind. Man muß die Chose abwarten. Für Deutschland ist der Verlauf des interessanten Prozeßes nicht ganz gleichgültig. Wir sind sogar politisch stark engagiert. Denn ain 11. Januar 1905 las man in der „Norddeutschen Allgemeinen" folgendes Telegramm, das Wilhelm II. an den Zaren gerichtet hat: „Seiner Majestät dem Kaiser! Zarskoje Slelo. Die Verteidigung von Port Arthur wird für immer ein Beispiel für die Soldaten aller Völker bleiben. Der Held, der Deine treuen Truppen kommandierte, wird von der ganzen Welt bewundert, be- sonders in Meinem Heere und von Mir. Um unserer Sympathie und Bewunderung für General v. Stössel und seine wackeren Truppen Ausdruck zu geben, hoffe Ich aus Deine Zustimmung, wenn Ich ihm unsere höchste militärische Auszeichnung, den von Friedrich dem Großen gestifteten Orden l?our Io merite verleibe. Dieselbe Ehrung will Ich seinem braven Gegner Nogi erweisen." Da batten wir's. Natürlich stimmte der Zar zu. In seiner Ant wort bemerkte er von Stössel: „Er tat an der Spitze seiner braven Gar nison bis zum Ende tapfer seine Pflicht." Das wird praktisch für den General von Port Artbur sprechen. Wie steht's aber, wenn er büßen muß? Das würde auch für die Politik in der Wilhelmstraße fatal sein. ^V. L. Roeven wider Schmidt. In seinem Leitaussahe vom 8. Dezember 1906 hat das Leipziger Tageblatt entschieden gegen den Abgeordneten Noeren Stellung ge- nommen. Herr Roeren hat hoffentlich für immer die politische Schau bühne verlassen. Er war ein eifriger Parteimann und diente seiner Sache mit Unerschrockenheit. Als junger preußischer Landrichter hatte er den Mut, während der Kulturkampszeit einen Zentrumsredakteur in feierlicher Wagenauffahrt vom Gefängnisse abzuholcn und nach seiner Wohnung zu geleiten, wo die Haftentlassung im Kreise der politischen Freunde geleiert wurde. Er hatte Rückgrat. Seit jenen Zeiten hat Roeren mit der gleichen Unerschrockenheit feiner Sache gedient. Die Verhält nisse aber wandelten sich. Las Ungestüm, das dem Angehörigen einer Oppositionspartei gut steht, ziemt sich nicht für den Wortführer einer Regierungspartei. Die Sätze der jesuitisch-katholischen Staatslehre wird das deutsche Volk nicht verwirklichen lassen. Es wird sich mit aller Entschiedenheit dawider wehren, daß die Grundsätze, die Bo nifaz VIII. in der Bulle „Icknsm auslprach, auch nur zu einem Scheine von Geltung kommen. Das weltliche Schwert unseres Staates soll allezeit scharf geschliffen sein. Ein Kampf der zwei Schwerter ist es, den der Kölner Prozeß uns vor Augen geführt hat. Der Verhältnis des Herrn Schmidt zur Königin Sisagbe, die das Fetischeßen leitet, interessiert daneben wenig. Die nächtlichen Tänze auf der Station erscheinen unwichtig, und die afrikanische Einrichtung der Ehen Weißer mit schwarzen Frauen kaum bedeutsam. Nicht allzu belangreich dünkt es einem auch, ob gegenüber einigen aufsässigen Negern die Schranke des Züchtigungsrechtcs einge holten wurde oder nicht. Ucber all diese und einige andere Dinge er hebt sich an Wichtigkeit eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung. Das ist die Frage, ob in unseren Schutzgebieten die katholische Mission oder das Deutsche Reich Herr sein soll. Die Missionare wollten — das ist der Eindruck aus der Kölner Verhandlung — die Regierungs beamten als untergeordnete und abhängige Organe behandeln. Pariert« der Stationslciter nicht Order, so sagte man's dem Prinzen Arenberg, und dieser ging zu Stübel. Wenn der weltliche Beamte sich dem geist lichen Schwerte dann noch nicht unterordnete, so versuchte man's zu wiederholten Malen in Berlin; man machte auch bei den Schutzgebiet- geeichten Verfahren wider ibn anhängig. Stoff dazu fand sich. Die weltlichen Beamten hatten eben auch weltliche Neigungen und mensch liche Schwächen. Schwarze Belastungszeugen waren un'chwer zu stellen. Der Tatsachensinn des Negers ist wie der eines Kindes. Seine Psyche ist von infantiler Entwickelung. Jeder Suggestion ist er verfangen. Wenn man den Blick auf das Grundsätzliche dieies Streites zwischen Mission und Station hält, erträgt man leichter das unerfreuliche Bei werk. Unerquicklich ist es überhaupt schon zu sehen, wie sich die .Kultur bringer in wenig edler Weise bekämpfen. Jdcewidrig scheint die Art, wie die frommen Väter sich zu ihren Volksgenossen stellen. Eigenartig ist es, wie sie die nicht zu leugnenden Sünden ihrer Missionskolleaen milde beurteilen sder Bruder ist gefallen!) — und wie sie beim Reichs beamten den Tatbestand, insbesondere nach der subjektiven Seite hin, ohne Wohlwollen ergänzen, auch hier natürlich nur in Musorem rx-i xloi-mm. Die Organisation der Sache ist wie immer beim Zentrum gut. Neben das Kolonialamt wird als ebenbürtige Stelle, sozusagen als Organ der Propaganda, der Abgeordnete Prinz Arenberg gestellt. Nachdem er aber unsere Schutzgebiete so gering schätzte, daß er sogar seinen „geistes- kranken" Bruder dort unterbrachte und dieser an Scheußlichkeiten alles übertraf, was je für möglich gehalten wurde, ging ihm der Brustton aus zur großen öffentlichen Anklage. Darum löste ihn Roeren ab. Im Reichstage führt dieser nun schneidig das geistliche Schwert. Freilich auch solch alter Kämpe kann sich verhauen. Und cs war gut, daß er's tat. Die Person des Herrn Schmidt erscheint nicht so wichtig, wie der Kampf, den er führte. Seine Verdienste um den Bezirk Atakpäma sieben außer Zweifel. An seinem Verhalten werden die Leute kaum etwas aussetzen, die die afrikanischen Verhältnisse kennen oder sich hineinzu denken vermögen. Immerhin sind die Zustände in dem schwarzen Erd teile von den mitteleuropäischen so verschieden, daß man trotz aller Kolonialprozeße nicht leicht den rechten Maßstab findet. Eine Frage ist aber rein nach mitteleuropäischen Begriffen zu beurteilen. Tas ist die Frage nach Form und Inhalt der Schutzschriften, die für den An geklagten einaereicht werden. Wenn der Rechtsanwalt Nredercck in einer seiner Schutzschriften geschrieben bat, daß der Geheime Justizrat Roeren kein taugliches Objekt einer Beleidigung sei, so ist das eine durchaus nicht beifallswürdige Wendung. Herr Roeren hat durch sein Auftreten im Reichstage einen großen Teil des deutschen Volkes ains schärfste heraus- gefordert. Er bleibt aber bei alledem ein ehrfähiger Mann. Er diente einer Sache, an die er glaubte. Er wollte die Gewalt der römischen Kirche aufrichten über dem Deutschen Reiche und seinen Besitzungen über See. Wenn Roeren dabei zu ungestüm vorging, so muß der Gegner ibm dafür Dank wißen, soll ihn aber nicht ehrlos beißen. Von seinem Stand punkte aus bat er es gewiß durchaus ehrlich mit dem deutschen Volke gemeint. Wir wollen uns nur nicht das Heil ausdrängen laßen, das er uns bringen will. Darum kämpfen wir wider ibn und seinen politischen UltramontaniSmus. Er ist uns — das sei noch gesagt — ganz gewiß lieber als die aus leisen Sohlen schleichenden Jesuiten, denen auch in der Jugend das Temperament fehlt. »» s-»b"l3 ckocet? Der Prozeß legt den Wunsch nahe, mit den Missionen ,n unseren Schutzgebieten gründlich aufzuräumen. ES ist
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