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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 28.09.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-09-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070928014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907092801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907092801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-09
- Tag1907-09-28
- Monat1907-09
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Morsen Ausgabe 8. Bezug--Preis nir Leipzig und Bororte durch unlere Träger und Spediteure in« Hau« gebracht: Ausgabe 1 (nur morgen«) vierteljthrlich :i M monatlich I M., Ausgabe 6 (morgen« und abend«) viertel, lahrlich 4.50 M. monaUich 1.50 M. Lurch dl« Poft bezoaen l2 mal ttglich) innerhalb Teuüchland« unb der deutschen Kolonien vierteljährlich 5,25 M„ monatlich l,75 M. auSschl. Post bestellgeld iür Oesterreich 9 66 k, Ungarn 8 X vierteljährlich. Abonnement-Annahme. Auguftutvlatz 8, bei unseren Trägern, FUialen, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Briefträgern. Die einzelne Nummer kostet 10 Pfg. Bedaktion und Srvedttivu: Johannirgasse 8. Telephon Nr. 14692, Nr. 14SS3, Nr. 14694. Berliner «edakttou« Bureau: Berlin 7 Prinz Loui« Ferdinand- Straße 1. Telephon I, Nr. 9275. MMcrTligMM Handelszeitung. Amtsölütt des Rates und -es Nolizeiamtes -er Lla-t Leipzig. Anzeigen-Pret- iir Inserate au« Leipzig und Umgebung di« 6gespaltene Priit,«ilc 25 Ps., finanzielle Anzeigen 30 Ps., Reklamen 1 M.; von aurwärt« 30 Ps,, Reklamen l.2l M. vom«uilandk>0Ps., stnanz. Anzeigen75Ps. Reklamen 1.50 M. Inserate v. Behürden :m amtlichen Teil 40 Ps. Beilagegebübr 5 M. p. Tausend exkl. Post gebühr. Keich-stsanzeigen an bcocrzuiler Stelle im Preise erhöht. Rabat! nach Taris. Feftcrtcilte Austrägc können nichl zurü-k gezogen werben. Für da« Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: Uugusiutplatz 8 bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Expeditionen de« In- und Anrlunbe«. Haupt . FUtale Berlin Tarl Dunck: , Herzogs. Baqr. Hosbuch- handlung, Lützowstraße 10. tTelephon VI, Nr. 4603). Nr. 268 Sonnabend 28. September 1907. 101. Jahrgang. Das Wichtigste vom Tage. * Das Bulletin von gestern nachmittag 5 Uhr über das Er gehen des Großherzogs bon Baden lautet: Mit kurzer Unter brechung hat der S ch l u m m er z u st a n d beim Großhcrzog den Tag über angehalten. (S. Dtschs. R.) * Der bayerische Landtag wurde gestern nachmittag vom Prinzrege ntcn eröffnet, (S. Dtschs. R.j * Ucbcr Morcngas Ende berichtet letzt der deutsche Haupt- mann Hagen. (2. Dtsche. Kol.) * Gestern hielten die sächsischen Konservativen ihre Generalversammlung in Dresden ab. (2. d. des. Art.) * Im Jahre 1909 wird in Berlin ein internationaler Kongreß für Volksbäder abgehaltcn. * Auf der Chaussee B e r l i n—H a m b u r g wurde der Schlossergesell e,B r e t a l l v e r h a s t c t, der cllcm Anschein nach das Eisenbahnattentat bei Strausberg verübt hat. (S. Neues a. a. W.) * Der König von Rumänien ist von Wien abgereist. iS. d. bes. Art.) * Die Großmächte haben das türkische Reformprojekt der makedonischen Justiz angenommen, behalten sich aber die Ueberwachung der Ausführung vor. (S. Ausl.) politische Tage in Wien. (Lon unserem Wiener l?.-Korrespondenten.) Die alte österreichische Kaisersladt an der Donau schic.bt nach längerer Zett wieder einmal ihren Namen in das G.deulbuch der internationalen Politik ein. Vier politi'cke Besuche finten jetzt unb in den nächsten Tagen statt. Heule kamen König Karol von Rumänien und der russische Minister des Aeußeren, Herr v. Iswolsli. hier an, demnächst folgt die Ankunft des Großfürsten Wladimir von Rußland und seiner G.mahlin, und den Reigen schließt der Herzog von Connaught. Alle diese Besuche sieben in einem inneren Zusammenhänge, alle berühren die auswärtige Politik, unv cS ist überaus inleresjani, wie bei diesem Anlaß Fäden der internationalen Politik zutage irrten, die bisher im geheimen geiponuen wurden. Am reichsten. Was Details der Politischen und der Hosgeschichte an langt, ist die gleichzeitige Anwesenheit deö Kenias von Rumänien, deS Herrn v. Iswolsli und die Aufgabe, die Groß tust Wladimir ru er füllen hat. Die Bestehungen Rußlands ru Rumänien waren nämlich bisher keineswegs solcher Art, wie sie vollkommen den Intentionen der beiden Entente-Mächte bezüglich des Balkan-Problems entfvrochen hätten. Zwischen dem Zarenhoie unb dem Hofe zu Bukarest hciricht eine gewisse Mißstimmung. Sie wurzelt in dem Umstande, daß der Besuch König Karols in Petersburg bisher nicht erwidert wurde, und alle liebenSwürdig-höfifchen Bemühungen, Rumänien auszu zeichnen, wie eS wiederholt bei Exinncrungssesten auf historischen Schlacht feldern der Fall war, haben verhältnismäßig wenig gefruchtet. Die diplomatischen Bestellungen wurden dadurch getrübt, daß viele Jabre hindurch die russische Vertretung in Bukarest dir Herd der pan slawistischen Umtriebe auf dem Balkan war. Man muß nur die Er innerung an Herrn Hitrowo herausbeschwören, um dies tu begreifen. Bedenkt man, daß König Karol sich, was die Balkanpolitik anlangt, vollständig den Intentionen Oesterreich-Ungarns angelchlossen hat, be denkt man, daß die Bestehungen König Karols zu Kaiser Kranz Josef so weit gediehen sind, daß man öffentlich von einem bevor stehenden Abschluß einer Militärkonvention zwischen Oesterreich- Unaarn und Rumänien gesprochen hat, dann muß nichl noch einmal ge tagt werden, wie unangenehm die lockeren, stellenweise gespannten Beziehungen zwischen Bukarest und St. Petersburg dem rumänischen Könige und der Leitung seiner auswärtigen Politik sind. Die gegen wärtige gleichzeitige Anwesenheit König Karols und Herrn v. Iswolskis in Wien bietet nun die Gelegenheit zu der von Oester reich-Ungarn gewünschten Aussprache und eventuell zu der er hofften Annäherung. Die Dispositionen auf feiten Rußlands sind günstig. Der Zarenhof bekundet durch den angekündigten Besuch des Großfürsten Wladimir in Bukarest, daß ihm jede Absicht, die könig liche Familie von Rumänien ru kränken, fern liegt. Der Zar schickt den Großfürsten Wladimir. Wenn der Zar nicht trlbst kommt, so kann man sich in Petersburg darauf berufen, daß Reisen des Zaren ins Ausland in den letzten Jahren zu jenen Geschehnissen gehören, die leicht gefährlichen Charakter annehmen. Wie sorgsam man die Empfindungen in Bukarest und ,n Sinaia russischerteiiS schonen will, beweist die Reite- rome des Großfürsten Wladimir, deren Zusammenstellung ein Kabinettstück I'öfischer Etikette ist. Damit nämlich der Besuch des Großfürsten Wladimir und seiner Gemahlin in Bukarest den strengen offiziellen Charakter erhält, damit es nicht etwa den Anschein habe, als ob der Besuch in Bukarest lediglich ein Anhängsel an die Anwesenheit des Großfürsten in Bulgarien darstelle, reist Großfürst Wladimir von Bulgarien zunächst nach Wien. Obwohl er auf dieser Fabrl Bukarest passiert, nimmt er dort keinen Aufenthalt; er fährt nach Wien weiter, begibt sich dann nach Venedig, erst von Venedig aus fährt er nach Bukarest. Er tritt also dann in Venedig eine ieparate, offizielle, nur dem Besuche des rumänischen KönigSpaareS in Bukarest gewidmete Fahrt an. Verschlungen sind, wie mau sieht, die Wege der Politik, und das kompliziert selbst die Eisenbahnfadrten der Würdenträger. Die Bedeutung und die Tragweite der Anwesenheit des russischen Ministers de» Aeußern, Herrn von Iswolskis in Wien darzulegen, bedarf e» eine» kleinen Rückblickes. Dieser Besuch war ursprünglich als die AatrittSvisit« gedacht. Da aber ereignete sich die Zusammen- lunft König Eduards mit Kaiser Franz Josef in Ischl, die «Begegnung des englischen König» mit Herrn v. Iswolski in Marienbad. Zur Zeit, al- die Reise de» russischen Ministers nach Wien angekünvigt wurde, bestand also noch nicht die volle Einbellrgkeit aller Mächte über die Politik im nahen Osten, auf dem Balkan. Da» erfordert nun eine leichte Retuschier-Arbeit. Man legt an hiesiger maßgebender Stelle den größten Wert darauf, immer wieder zu betonen, daß bei den Konversationen, die der russische Minister de« Aeußern hier in Wie» pflegen wird, von neuen Abmachungen keine Rede sein könne. Es wäre auch im gegenwärtigen Momente, wo endlich da» Konzert der europäischen Mächte in Harmonie zusammen- spielt, tatsächlich gefehlt, mit neuen Plänen ober neuen Ideen zu kommen; eS ergibt sich aber als naturgemäße Folge der vielen Monarchenbegeg nungen und der zahlreichen Ministerzusammenkünfle des heurigen Sommers die Notwendigkeit, am Mürzsteger Protokoll AuS- gestaltungcn und Modifikationen vorzunehmen, durch die da und dort noch vorhandene Mißverständnisse aus der Welt geschasst werden. Diesem Zwecke werden die Besprechungen mit dem russischen Minister des Aeußern dienen. In diesen Besprechungen soll über dies der moäus sestgestellt werden, wie in den einzelnen Reform aktionen auf dem Balkan vorgegangen werden soll; in welchen Punkten und in welchen Partien mehr oder wo weniger Energie an» zuwendkn ist. Diese Dosierung ist unbedingt nötig, da die Entente mächte selbstverständlich bestrebt sind, den Empfindungen oder Empfind lichkeiten der Weltmächte nicht nahezutreten. Nicht unerwähnt kann bleiben, daß die größten Schwierigkeiten bei der Resonnaklion von der Türkei berrühren, die in ihr einen Abbruch ihrer Souveränität erblickt und sich so lange als nur irgend möglich wehren wirk, das nunmehr einbettig genebmigte Iustizresorm-Programm in Makedonien durch- zusühren, die sich bekanntlich an'chickt, auf eigene Faust die Iustizresorm zu schaffen, um darzutun, jede Pression von außen sei überflüssig. Auch mit dem König von Rumänien hat Herr v. Iswolski in Wien eine Reihe wichtiger Fragen zu besprechen. Zunächst die ge fährliche Gestaltung des rumänisch-bulgarischen Verhältnisses, die Be ziehungen Rumäniens zur Türtei, dann, wie oben geschildert würde, die Annäherung Rumäniens an Rußland ru erzielen. Ueberdies wird man sich hier Mühe geben, die auch von König Karol angestrebte Verstän digung Rumäniens mit GriechenIand unv davurch die Lösung der kutzowalachischen Frage zu fördern. Man sieht, es ist ein ziemlich ausgiebiges Arbeitsprogramm, und man begreift, daß der dies maligen Anwesenheit König Karols in Wien, obwohl er alle Jahre bierber kommt, be,onrcre Bedeutung beigemcsscn wirv. Das markanteste Ereignis wirv jcvensalls die gleichzeitige Anwesenheit Herrn v. Is wolskis unv des Großfürsten Wladimir sein. Man weiß, daß es ein besonderer Wunich des Zaren ist, der den Großsürsten hierher jührt. Man kann von einer Art Monarchen-Begegnnng sprechen, da Großfürst Wladimir der tatsächliche Vertreter des Zaren iä Wien ist, wie er es soeben in Sofia war und wie er eS später in Bukarest sein wird. Die Anwesenheit veS Herzogs von Connaught wirv, ab gesehen von der bekannten Intimität deS Wiener und Londoner HofeS, in politischen Kreisen dahin ausgelcgt, daß es beim heutigen Stande der internationalen Beziehungen eine selbstverständliche und angenehme Fügung sei, wenn bei allen diesen politischen Vorgängen auch ein Ver- I treler oeS englischen Hofes in Wien weilt. ! Di- konservative GeneraLversaßn nilring. Am gestrigen Tage traten die sächsischen Konservativen zu ihrer Generalocrsnmmlung in Dresden zusammen. Sic wurde un Saale von Meinholds Restaurant abgchaltcn. Ta sie vorsichtigerweise bei ge schlossenen Türen tagte, so wird zunächst nur in die Oesfentlichkeit dringen, was nach Wunsch der Parteileitung bekannt werden soll. Und das ist nicht viel. Tie Königliche „Leipziger Zeitung" gibt nämlich über den Verlauf der Versammlung, die „unter zahlreicher Teilnahme" stattsand, folgen des bekannt: „Es waren namentlich viele hohe Staatsbeamte aus ganz Sachsen, ferner zahlreiche Mitglieder der Ersten und Zweiten Stände kammer und Angehörige der sächsischen Aristokratie in der Versamm lung anwesend." Dann heißt es über die Eröffnung: Herr Reichstagsabgcordneter Landrichter Dr. Wagner eröffnete die Versammlung mit einer begrüßenden Ansprache und hob hervor, daß aus den Verlauf der heutigen Tagung aller Augen gerichtet seien. Der zahlreiche Besuch der Versammlung widerlege jcvensalls oie Behauptung der links stehenden Presse vom Bankrott, von dem Ruin und der Zer setzung der konservativen Partei. Diese habe im letzten Wahlgange eine Schlappe erlitten, und es sei ihre Pflicht, die daraus zu ziehenden Lehren zu beherzigen und die Fehler in eigenen Reihen in Zukunft zu ver- meiden. Es müsse dafür gesorgt werden, daß sich nie wieder ein Wahl kampf unter solcher Lauheit und Unklarheit vollziehe, wie der letzte. Ein ganzes Menschenalter habe die Partei, getragen vom Vertrauen des Volkes, die Mehrheit gehabt. Diese beispiellose Tatsache einer mehr als 30jährigen Majorität beweise jedenfalls, daß die Partei nie erstarrt sei, sondern daß sie stets ein offenes Ange und klares Verständnis für die wirtschaftlichen und sittlichen Bedürfnisse des Volkes gehabt habe. Gerade in der Zukunft sei der Einfluß des konservativen Prinzips mehr als je geboten, denn konservativ sei der Zusammenhang des Bestandenen mit dem Gewordenen und des Gewordenen mit dem Werdenden. Des- halb gehe die konservative Partei mit froherZuversicht der kommenoen Zeit entgegen in stolzer Erinnerung an ihre große Vergangenheit. So- k viel an der Partei liege, wolle sie auch in Zukunft das, was sic von anderen nationalen Parteien trenne, nach Kräften zurückstellen und das : Einende im Auge behalten. Der Redner schloß mit einem begeistert aufgenommenen Hoch auf Se. Majestät den König. Von den Verhandlungen über das konservative Programm wird dann mit folgenden Zeilen berichtet: „Ueber die Aufgabe der lonser- vativen Partei in der Gegenwart und das konservative Programm be richtete Herr Geh. Hofrat Opitz. Der Landesverein hat am 5. Juli einstimmig folgenden Beschluß gefaßt: „Für Ende dieses Jahres ist ein Delegiertentag des Hauptvereins der Deutsch-Konservativen in Aussicht genommen, auf welchem auch über eine eventuelle Ergänzung des Pro- eramms vom 8. Dezember 1892 beraten werden soll. Der Konservative Landesverein wolle beschließen: Ohne mit der Fassung der von dem Dresdner konservativen Verein in der Sitzung vom 5. April zur Er läuterung des konservativen Programms beschlossenen Vorschläge sich zu identifizieren, diese Vorschläge dem Hauptverein der Deutsch-Konserva tiven emKureichen und den Inhalt durch die Abgeordneten auf dem konservativen Delegiertentag verirrten zu lassen." Das ist alles! Doch nein — auch von dem dritten Beratungsgegcn- stand, Aussprache und Stellungnahme znr Wahlrechtsreform, wird genau das gesagt, was schon bisher bekannt gewesen ist, näm- lich, daß man jetzt an die Stelle der scharfen Opposition, die zuerst aus gegeben wurde, ein formell freundliches Entgegenkommen jetzt, um den Einfluß in der Regierung behalten zu können. Der Bericht sagt: Be richterstatter waren die Herren Oberbürgermeister Beutler und Geh. Hofrat Opitz. Der erste brachte die Anschauungen des Gesamtvor standes zum Ausdruck, die in der nachstehenden Resolution zusammen- gefaßt waren, und empfahl der Versammlung deren Annahme: „Die Versammlung des Konservativen Landesvcreins spricht die Erwartung aus, daß ihre dem Landtage angehörendcn Parteifreunde im Einvernehmen mit der Königlichen Staatsregierung in der be vorstehenden Landtagssession die Wahlrechtsreform zustande bringen helfen, und ersucht sie daher, in eine wohlwollende Beurteilung der Regierungsvorlage über die Wahlrechtsreform einzutreten und dahin zu wirken, daß ein namentlich auch den Mittelstand und die minder bemittelten Klassen befriedigendes Wahlrecht verabschiedet wird, ein Gesetz, das, teilweise auf Verhältniswahlen und einem mäßigen Pluralwahlrecht beruhend, eine sichere Gewähr für eine vaterländisch gesinnte Mehrheit der Volksvertretung bietet." Und damit Schluß, nämlich des offiziellen Berichtes. Wir haben schon neulich eingehend uns darüber ausgesprochen, wie die jetzt beliebte Behandlung der Beutlerscken Vorschläge und die Schwenkung der Konservativen in der Wahlrechtsfragc zu beurteilen ist. Der obige Bericht gibt keinen Anlaß, unser Urteil zu revidieren. Vielleicht, daß das anders sein wird, wenn man Näheres aus dem Konklave erfährt, in das sich am 27. September die konservative Partei Sachsens stolz und mutig zurückzog. Heute ließe sich nur etwas zu Dr. Waqners Rede bemerken. Das offene Eingeständnis der Wahl niederlage berührt angenehm. Wenn aber Dr. Wagner glaubt, Lauheit und Unklarheit sei an ihr schuld gewesen, so dürfte er sich gründlich täuschen. Selbst die mit Hilfe eines zugunsten der Konservativen Ange schnittenen Wahlrechts im letzten Jahrzehnt noch mühsam aufrecht er haltene „30jährige Majorität erlitt vielmehr gerade dadurch einen er- schlitternden Stoß, daß das sächsische Volk nach der Periode einer „un klaren" konservativ-nationalliberalen Kartellwirtschaft erneut vor die Frage gestellt wurde, ob cs diese erdrückende konservative Mehrheit noch länger dulden wolle. Und da wachte cs aus seiner „Lauheit" auf und verhalf dem Nationalliberalismus zu dem schönen Erfolg vom 26. Sep tember 1907. Ebenso falsch ist es, davon zu reden, daß die Konservativen ein offenes Auge und klares Verständnis für die wirtschaftlichen und sittlichen Bedürfnisse des Volkes gehabt hätten. Die agrarisch-konservative Mißwirtschaft in einem vorwiegend industriellen Lande widerspricht dem, und für das „sittliche Bedürfnis" auf politischem Gebiet, daß ein ge rechteres Wahlrecht geschaffen werde, haben die Konservativen bis zuletzt das geringste Verständnis gezeigt. Erst als sie fürchteten, durch die Opposition gegen die Wahlrechtsvorlage der Regierung mit ihrem Einfluß in den „entscheidenden Kreisen" zu kurz zu kommen, weil man fick dort erfreulicherweise nicht einschüchtern ließ — vollzogen sie die Wandlung, für die oben abgedrucktc Resolution den schlagenden Beweis liefert. Ucbcr die konservative Generalversammlung erhalten wir von unserem Korrespondenten noch telegraphisch das folgende Stim mungsbild: Tie großartige Kundgebung der Einigkeit, die von sämtlichen lonser- vativen Blättern schon wochenlang in allen Tonarten angekündigt wurde, ist doch nicht das imposante Schauspiel geworden, das man sich ver sprochen hatte, obwohl die Rollen offenbar gut einstudiert waren. Die Annahme der herzlich unverbindlichen Resolution, betreffend die Bcut- lerschen Revisionsanregungen, erfolgte allerdings ganz glatt; ebenso die Annahme der vom Parteivorstand sorgfältig für alle Möglichkeiten zu- rechtgcstntzten Entschließung zur Wahlrechtsreform. Es schien bis gegen den Schluß der Versammlung, als ob alles gut klappen würde. Aber in der Debatte über den letzten Punkt der Tagesordnung fiel doch plötzlich das ominöse Wort „Nebenreg'ierung" von den Lippen des Rechtsanwalts Dr. Limmer (Chemnitz). Er forderte im Interesse der Partei Auf klärung über die Andeutungen des Herrn v. Nostitz, und damit sich solche unangenehme Dinge in Zukunft nicht wieder ereigneten, stellte er gleich die weitergehende Forderung aus Schaffung einer strafferen Organisation der ganzen konservativen Partei. Nun war die Hetze er öffnet. Der Abgeordnete Ullrich blies selbstverständlich in dasselbe Horn, ging aber bedeutend schärfer ins Zeug. Er stempelte das Vor gehen des Legationsrates zu einem Verbrechen, und sprach im Namen des Chemnitzer Konservativen Vereins ganz offiziell seine Ent rüstung darüber aus. Herr v. Nostitz jedoch war offenbar nicht gewillt, sich von den konservativen Heißspornen ins Bockshorn jagen zu lassen; ebensowenig wollte er aber auch das schon ohnehin stark erschütterte An sehen der Partei ganz und gar vernichten. Von seiner Rede ist aller dings bis jetzt nicht viel in die Oesfentlichkeit gedrungen. Ter von der Parteileitung gekochte Bericht sagt nur, Herr v. Nostitz habe erklärt, eine später so berühmt gewordenen Ausführungen enthielten keine per- vnlichen Angriffe, er hielte aber alles was er in jener berühmten Ver- ammlung gesagt habe, inhaltlich voll und ganz aufrecht. Wenn die Par- tcileiiung jedoch geglaubt hat, mit dem Ausschluß der Oesfentlichkeit auch die Lippen der 300 Teilnehmer an der Versammlung zu verriegeln, so hat sic sich gewaltig getäuscht; denn kaum drei Stunden nach Schluß der Versammlung wußte man schon, daß Herr v. Nostitz sich bereit er klärt habe, sein Material, respektive die Beweise für seine Behauptungen über die konservative Ncbenregierung einem kleineren Kreise von Partei freunden zu unterbreiten. Man sollte nun meinen, daß das alles war, was man vernünftigerweise fordern konnte, und daß das Verhalten des 5>errn v. Nostitz nur von dem Wunsche diktiert war, die schwer blamierte Partei zu schonen. Aber die Parteigenossen waren offenbar anderer Meinung. Ter Abgeordnete Facius und Herr Liebau (Rochlitz) führten noch Kculenschlägc gegen das behelmte Haupt des Herrn v. Nostitz. Und Herr Kreishauptmann Rumpelt, der selbstverständ lich von dem Nicytvorhandensein der Nebenregierung vollkommen über zeugt ist, meinte, nur die böse liberale Presse habe den Ausführungen des Legativnsrates zu der jetzigen Bedeutung vcrholfen. Den Schluß der Versammlung bildeten eine von Herrn Ullrich arrangierte Apo theose der Parteileitung, selbstverständlich der neuen unter Herrn Dr. Wagner, und ein Hymnus auf die Einigkeit der konservativen Partei. Deutsches Reich. Leipzig, 28. September. * Vom Großhcrzog von Baden. Ueber das Befinden des Groß- berzogS, dessen Leben dem Ende zuneigt, wird u. a. gemeldet: Um den Kranken zu beruhigen und ihm Schlaf zu geben, wurden in der Nacht aus Freitag hohe Morphiumeinspritzungen verabreicht. Der Patient liegt meist in ruhigem Halbschlummer. Auf Anrufen ant wortet er durch Zeichen. Gesprochen hat er seit Donnerstag abend nicht mehr. Die Großherzogin wachte, obwohl selbst auf» äußerste erschöpft, bis 4 Uhr morgens am Krankenbett, dann wurde die tapfere Frau, die völlig ihre Haltung bewahrt, von ihrer Tochter, der Kronprinzessin von Schweden, abgelöst. Der Seel sorger, Präsident des badischen Oberkirchenrats D. Helbing, spendet den Angehörigen in diesen schweren Stunden Trost. Aus besonderen Befehl der Großherzogin ist auch Pfarrer Wißler, der katholische Geistliche der Mainau, derselbe, dessen Pfarrkirche in Litzelstetten der Großberzog unmittelbar vor dem Ausbruch seiner schweren Krankheit einweihte, in das Schloß berufen worden. Seit Freitag morgen ist eine Sperre der um das Schloß führenden Anlagen eingelreten. Der Großherzog zeigte gegen 1 Uhr erwachendes Nahrungsbedürfnis unv nahm zwei Löffel G-rstenschleimsuppe zu sich. Die Großherrogin ließ alle Audienzen absagen und den Gemeinden der Nachbardörser der Mainau innigen Dank aussprechen. Seitens der Umgebung würde das Ableben angesichts des langen Kampfe» al» Erlösung betrachtet werden. Mit der Familie sind die Spitzen der badischen Staatsbehörden und der Hofstaaten jetzt vollzählig auf der Mainau.
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