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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 30.09.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-09-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070930028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907093002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907093002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-09
- Tag1907-09-30
- Monat1907-09
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Abend-Airsgabe 8 »e-ugs-Preis Nr Lripzia imd Sorvrtt dnrch mrsrrr Lrtzer and Spedtt«« m« Hau» -ebrocht: Ausgabe L (mir muraeat) vtertrythrlich 3 vr., monatlich 1 «., Ausgabe s tmorgro« »nt> abends) vtertei» jährlich 4.50 M., monatlich l.» w. Dsrib die (2 mal ttglich) innerhalbDeuttchlandl und der deutschen Kolonien vtertelitdrtich 5,25 M., mooatlich t.75 «. -,«chl. Po», destellgeld Mr Orp-^rrnh S L 88 u, Ungarn S tl «ertelMrlich. Abonnement-Annahme: LngtrUn-platz 8, bet unseren LrLgern, Filialen. Spediteuren uud AnnadmeUellen^towttPotzümtrrn und Die einzelne -lummer kostet Ist Mg> Siedaklion und Expedit ton: JohauuiSgaffe 8. Televbon Nr. I4S92, Nr. 1468k. Nr. 1-1694. verlturr NedaktionS lvnrenu: Berlin KV. 7. Prinz Loui« Ferdinand. Strotze 1. Delephon I, Nr. 9275. WMgtrTagckM Handelszeitung. Amtsblatt -es Rates und -es Rottzeiamtes -er Lta-t Leipzig. 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Dns wichtigste vsnr Tnge. * König Friedrich August gedenkt sich morgen zu einem mehrtägigen Jagdaufenthalt nach Rehefeld zu begeben und am Freitag nach Karlsruhe zur Beisetzung des Groß herzogs zu fahren. * Staatssekretär Dernburg hat auf seiner o st a f r i k a n i s ch e n Reise die Beschwerden und Wünsche der Ansiedler ent- gcgengenommen. (S. Dtschs. R.) * Kultusminister Holle sprach sich in einer Rede über seine Stellung zum Stande der Bolksschullehrer aus. (S. Dtschs. R.) * Der Schah hat die konstitutionellcVerfasfung durch eine ausdrückliche Erklärung anerkannt. lS. Ausl.) * Amerika hat eine Verstärkung seiner Flotte durch Niesenschiffe beschlossen, die die größten der Welt sein sollen. (S. Ausl.) Tagesschau. Zum Tode des badischen Großherzogs. Armee- und Marincbesehl. Der Kaiser hat folgenden Armee- befehl erlassen: „Mein geliebter Oheim, der Großherzog Friedrich von Vaden, Königliche Hoheit, Generaloberst mit dem Range als Generalfeldmarschall und Generalinspekteur der V. Armeeinspektion, ist am 28. d. Mts. ans langem, reich gesegnetem Leben abberufcn worden. Mit mir und meinem Hause trauert das gesamte deutsche Vaterland in tiefstem Schmerze um das Hinscheidcn dieses edlen Fürsten, der in nimmer rastender Arbeit über ein halbes Jahrhundert für das Wohl seines Landes und zum Segen des Deutschen Reiches gewirkt hat, und dessen ehrwürdige Persönlichkeit uns eine lebendige Mahnung an eine große Vergangenheit war. Unzertrennlich bleibt sein Name verknüpft mit jenem denkwürdigen Tage im Spiegelsaale des Versailler Schlosses, wo es ihm vergönnt war, vor den Fahnen der siegreichen Regimenter und in Gegenwart der deutschen Fürsten das erste Hoch auf den Deutschen Kaiser auszubringen. Auch in meiner Armee, die in dem Dahingeschiede- ncn ein leuchtendes Vorbild ritterlicher Gesinnung und soldatischer Pflichttreue verehrte, wird sein Andenken unvergessen fortleben. Es wird ihr daher ein aufrichtig empfundenes Bedürfnis sein, den Empfindungen ehrender Erinnerung und schmerzlicher Trauer besonderen Ausdruck zu geben, und bestimme ich hierzu folgendes: 1) Sämtliche Offiziere der Armee legen auf 8 Tage Trauer an. 2) Bei dem Ulanenregiment Groß herzog Friedrich von Baden (Rheinischen) Nr. 7 währt diese Trauer 14 Tage. 8) Für die Offiziere der Standorte des Großherzogtums Baden und der anderen badischen Truppenteile bleibt die Anordnung der Trauer Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog von Baden über lassen. 4) An den Beisetzungsfeierlichkeiten haben die kommandierenden Generale des XV. und XVI. Armeekorps und eine Abordnung des Ulancnregiments Großherzog Friedrich von Baden ^Rheinischen) Nr. 7 — bestehend aus dem Regimentskommandeur, 1 Rittmeister, 2 Leutnants, 1 Wachtmeister, 1 Unteroffizier und 1 Gemeinen — teilzunehmen. Jagd haus Romintcn den 29. September 1997." In dem aus dem gleichen Anlaß ergangenen Marinebefehl des Kaisers vom 28. September heißt es: „Der schwere Verlust, den mit mir das gesau te deutsche Vaterland durch den Tod des hochherzigen Bundes fürsten erlitten hat, wird auch in meiner Marine tief empfunden wer den." Der Marinebefehl bestimmt: „Sämtliche Offiziere der Marine legen 8 Tage Trauer um den linken Unterarm an. Bei den Offizieren des Linienschiffes „Zähringen" und des 1. Seebataillons dauert die Trauer l4 Tage. An den Beisetzungsfeierlichkeiten hat eine Abordnung des Schiffes teilzunchmen. Die Schiffe in der Heimat haben Halbstock zu flaggen und am Beisetzungstage mittags 12 Uhr einen Trauersalut von 21 Schuß zu feuern: mit der Beendigung des Trauersaluts gehen die Flaggen wieder hoch." Amnestie. Wie uns ein ock. -Privattelegramm meldet, wird als erste Rcgierungshandlung des Großherzogs Friedrich II. der Erlaß einer allgemeinen Amnestie angekündigt. An der Bahre. Die Ucberführung der Leiche des Großherzogs von der Mainau wird nach den neuesten Bestimmungen Mittwoch früh um 8H Uhr erfolgen. Um 9 Uhr soll das Trauerschiff die Insel verlassen. Die Leiche wird von den nächsten Angehörigen begleitet werden; ob sich die Großherzogin-Witwe ihnen anschließt, steht noch nicht fest. Gestern wurde von einem Karlsruher Bildhauer die Totenmaske abgenommen; später sand die Einbalsamierung durch die beiden Hofärzte und Professor Ernst aus Heidelberg statt. Die Leiche verblieb im Sterbezimmer. Im Laufe des heutigen Nachmittags soll die Leiche zur Aufbahrung in die Schloßkirche gebracht werden. — Eine bemerkenswerte Audienz hatte Pfarrer Wißler gestern nachmittag bei der Großherzogin-Witwe. In der Presse war behauptet worden, daß sich der Großherzog bei der Einweihung der katholischen Kirche in Lizzelstettcn auf den Tod erkältet habe. Die Großherzogin sagte: „Beruhigen Sie sich nur, dies ist wirk lich nicht wahr, daß der Ursprung der Krankheit dort gelegen hat." Der jetzige Großherzog sagte dann zu dem Pfarrer etwa folgendes: „Die Hand des Himmels liegt schwer aus uns. Ich glaube, daß es kein Herz im » badischen Vaterlandc gibt, das nicht trauert; denn der Vater dieses 1 Landes ist gestorben." Petersburger Erwartungen. (Von unserem Petersburger ^-Korrespondenten.) Petersburg, 25. September. Der Ausgang der Wahlen interessiert nicht nur die politische Presse, sondern auch die Mitglieder des Ministeriums und diese nach uns vor liegenden Mitteilungen gewiß nicht weniger, als erstere. Nach den Worten von Personen, die dem Ministerpräsidenten nahestehen, läßt sich Stolypin unabhängig von den Meldungen der offiziösen Agentur telegraphische Berichte über die Wahlrcsultätc in der Provinz schicken. Und zwar — das ist das Originelle an der Sache — fungieren als Berichterstatter in diesem Falle nicht nur Beamte, d. h. Gouverneure, Landhauptleute u. dergl., sondern isovicl mir bekannt ist) zum ersten Male — Privatpersonen. Solche Mitteilungen von Wahlresultaten er reichen aber nicht etwa nur Stolypin, sondern auch andere Minister und hohe Bureaukraten. Das Interesse ist gerade in Negierungskreisen ungemein groß dieses Mal. Unter dem Eindruck der ersten Meldungen, welche entgegen den Agentursanfaren von einem Siege der Opposition zu erzählen wußten, hat man sich in ministeriellen und höfischen Kreisen bereits viel mit dem voraussichtlichen Schicksal der dritten Neichsduma beschäftigt. Fast will es scheinen, daß man toleranter geworden ist: mag die Duma oppositionell sein, wenn sie nur arbeitet. Das ist die neueste These, sie wird viel leicht wenigem von der Einsicht, als von der Notwendigkeit diktiert. Denn es geht beim besten^ Willen dec „wahrhaft russtfchen Leute" nicht, daß man zu Gesetzgebern aus die Dauer eine Institution macht, die sozusagen fast immer „in den Ferien" ist. Die Reform ist in ihren Grundzügen durch das Manifest vom 17. Oktober angcdeutet. Seit diesem denkwürdigen Tage aber ruht die ganze Gesetzgebung. .Hals über Kopf hat man zwar eine Reihe temporärer Gesetze fabriziert, welche jedesmal so lange Bestand haben, bis sie von der Duma — nicht bestätigt werden. Dadurch wird ein Zustand geschaffen, der geradezu das Recht vogelfrei gemacht hat. Am schwersten lastet dieser Zustand der Ncchtsschwebe auf der sinan- .stellen Reform. Seitdem cs eine Duma gibt, gibt es kein Budget mehr. Daß heißt, man behilft sich im Finanzministerium, so gut oder so schlecht es geht. „Bestätigt die Duma", so steht in den Grundgesetzen ge schrieben, „das vom Finanzminister eingereichtc Budget nicht, so bleibt das Budget, das zuletzt Gesetzeskraft erlangt hat, ipso jure bestehen." So kommt cs, daß Rußland auf ein Budget angewiesen ist, das aus den Kriegstagen herrührt und in keiner Weile mehr für die augenblickliche Lage des Reiches paßt. Wer wird z. B. leugnen, daß gewisse Reformen, wie z. B. jene, die den Verkehr (Ausbau des Eisenbahnnetzes, Kanal bauten ulw.) betreisen, weiter unmöglich zurückgestellt werden dürfen, wenn Rußland nicht kaum wieder gut zu machende kulturelle Nachteile zugefügt werden sollen? Fragt man sich, ob Hoffnung vorhanden ist, daß die kommende Duma diese Hoffnungen erfüllen wird, so wird man mit einem skeptischen Lä cheln antworten müssen. In der Tat, die Hoffnungen sind sehr gering. Denn die Opposition, welche bereit ist, gesetzgeberische Arbeit zu leisten, die Kadetten und ein Teil des Polenkolos, sind so sehr in der Minderheit, daß sie kaum durchdringen werden. Am 1. November tritt die Duma zu sammen. Bis sie in die Beratung des neuen Budgets eintritt, ist das neue Jahr gekommen. Fachleute versichern, daß die Kommissionsde- ratungen sich mit dem Budget mindestens 4—5 Monate zu beschäftigen haben. Daran schließen sich die Debatten, deren Dauer gar nicht zu be stimmen ist, da ein großer Teil von Etatposten nur in d e m Falle ge strichen werden darf, wenn die betreffende Institution, auf die sich der Etatposten bezieht, umgestaltet bzw. aufaehoben worden ist. Geht also wirklich alles seinen ordnungsmäßigen Gang, so würde nach günstigster Berechnung die Verabschiedung des Budets im Juni oder Juli erfolgen können. Bis dahin aber — rechnet die Reichsduma wohl schon drei Mo nate zu den Toten! Und wieder wird man sich in die Flut temporärer Gesetze stürzen. Wieder werden die Gouverneure und Stadthauptleute mit Administrativ- Verordnungen „einspringcn" und die Willkür an die Stelle des Gesetzes setzen. Internationale Streikstatistik. Im Monat August zeigte die Streikbewegung nicht nur die übliche Ermattung gegenüber dem Juli, sondern sie war in den wichtigeren In dustrieländern sogar merklich schwächer als im Vorjahre. Die Streik- neigung ist überhaupt im ganzen laufenden Jahre weit geringer als 19si obgleich dieses Jahr gegen 1905 schon ziemlich merklich abstach. Es gibt im laufenden Jahre weder so große Streiks, wie im Jahre 1905, noch sind sie so zahlreich wie im Jahre 1906. Auch im August wurden meist kleinere Streiks begonnen. Höchstens England macht eine Ausnahme, sowohl was den Umfang der einzelnen Streiks, als was ihre Dauer betrifft. Obwohl hier die Streikbewegung der Zahl und dem Umfang der Streiks nach im August hinter dem Vorjahre zurückblieb, war sie, an dem Verlust an Arbeitstagen gemessen, doch intensiver als 1906. Während im August 27 Streiks mit 8416 Beteiligten begonnen wurden gegen 28 mit 8791 in dem Parallelmonat 1906, betrug die Zahl der durch Streiks verlorenen Arbeitstage 185 400, gegen 109100 im Vergleichsmonat 1906. Ein Streik verdient sowohl wegen seines Umfanges, als wegen seiner Intensität besondere Erwähnung: am 6. August legten 3000 Hutmacher in Manchester die Arbeit nieder, um die Anerkennung ihrer Organi sation zu erzwingen. Nach 22tägigem Kampfe nahmen die Ausständigen die Arbeit wieder auf, hatten aber nur einen sehr geringen Erfolg zu verzeichnet. Von den einzelnen Gewerben wies sonst nur der Bergbau eine etwas lebhaftere Streikbewegung auf, es wurden hier 10 Streiks mit annähernd 4000 Beteiligten begonnen. Im allgemeinen schlossen die Streitigkeiten im August mehr zugunsten der Arbeiter als der Ärbeit- acber, sehr zahlreich waren allerdings auch die Fälle, in denen durch Vergleich der Konflikt beigelegt wurde. In Frankreich wich das Ge präge de- Stre.kbrwegnnq wenig von dem im Vormonat ab. Nur ein bedeutender Streik spielte sich ab: nachdem erst vor nicht langer Zeit ein Hafenarbeitcrstreik aufgehoben wurde, führten Streitigkeiten im Hafen von Graville schon wieder von neuem zum Ausstand. Rund 13 000 Hafenarbeiter traten am 27. August in den Ausstand. Außer diesem sind dann noch einige Bauarbeiterstreiks zu nennen, die teils in Paris, teils in der Provinz eingeleitet wurden. Gleichfalls einen Hafen arbeiterstreik hatte Belgien im August aufzuweisen, in Antwerpen legten 15 000 Hafenarbeiter die Arbeit nieder, weil die beim ersten Streik zu- acsagtc Lohnerhöhung wieder rückgängig gemacht worden war. In den Vereinigten Staaten von Amerika konzentrierte sich die Lebhaftigkeit der Streikbewegung auf den großen Telegraphistenstreik, der am 10. August von 1600 Telegraphisten inszeniert wurde. Deutsches Reich. Leivri«, 30. September. * Dernbnrg «nd die Beschwerden der Ansiedler in Ostafrika. Die deutschen Pflanzer in Usambara haben, wie der „L.-A." meldet, endlich die Gelegenheit gehabt, in Wilhelmstal, der Hauptstadt der ostafrika- Feuilleton. Der Lod Ganganellir. Von Dr. Pollaczek (Berlin). „0uosdki saprvs^ion« na« ckarü la rvorto!" „Diese Unterdrückung wird mir den Tod geben", sagte Clemens XIV., als er bas Breve unter zeichnet hatte, das den Jesuitenorden aufhob. Man kann nicht mit Be stimmtheit behaupten, daß er recht behalten hat, sicher aber ist, daß er dreizehn Monate später unter den verdächtigsten Erscheinungen starb, und daß alle Welt ihn und er sich selbst für vergiftet hielt. Wir besitzen genaue Berichte über den Tod des Papstes und die ihm vorausgehenden Vorgänge, aus denen sich ein recht anschauliches Bild ergibt. Als die berühmte Bulle ckorninru, so rocksmptor noster am 21. Juli 1773 erlassen wurde (publiziert 16. August), die den Orden für ewige Zeiten aufhob, erfreute sich der Papst der besten Gesundheit; sie war, wie sich Kardinal Bernis noch am 3. November ausdrückte, nie blühender ge wesen. Aber schon waren an allen Orten Propheten und Prophetinnen ausgetreten, die dem Papst ein baldiges Ende prophezeiten. Der Auf hebung des Ordens, die ans Drängen der europäischen Mächte erfolgte, waren jahrelange Erwägungen vorhergegangen und schon 1770 hatte eine gewisse Bernardino Beruzzi verkündet, die Jesuiten würden nicht auf gelöst werden, sondern einer von ihnen würde sogar zum Kardinal er- nannt werden. Da diese Prophezeiung auf den Papst keinen Eindruck machte, versuchte man es mit einer anderen Methode, di« Beruzzi jagte für den 24. März den Tod Clemens' XIV. voraus. Die Bulle wurde veröffentlicht, und nun prophezeiten zwei stigmatisierte Nonnen im Kloster zu Montefiascone, daß den Papst und die Monarchen für die Aushebung der Kompagnie Jesu die Rache Gottes treffen würde. Sie würben alle bald sterben, die Jesuiten aber wieder in den früheren Stand ,-nrückversetzt werben. Die Beichtväter der beiden Nonnen, die Jesuiten Veniza und Coltraro, sorgten dafür, daß diese Weissagungen allenthalben bekannt wurden. Auch bildlich, durch Stiche, die man besonders in Deutschland verbreitete, bereitete man auf den baldigen Tob Cie- mens' XIV. vor. Aber dieser tat mittlerweile ziemlich unbekümmert alles, was notwendig war, um seinen Willen durchzuführen. Die Jesuiten kollegien in Rom wurden militärisch besetzt und der Orbensgencral Ricci selber mit acht anderen Ordenshäuptern verhaftet unb nach der Engels- bürg gebracht. Man wollte von ihnen erfahren, wo die Paviere und Schätze des Ordens verborgen seien, hatte mit diesem Begehren aber keinen Erfolg. Gegen Ende des JahrcS sollen dem Papste verschiedene Warnungen von einem gegen ihn geplanten Anschläge zuaegangen sein, aber wie sollte er sich schützen? In der Karwoche 1774 fühlte er nach dem Mittagessen plötzlich Uebelkeit und das Gefühl von Kälte. Bald darauf verlor er die Stimme und wurde von einer „ungewöhnlichen Art von Katarrh" be fallen. Er legte diesen Symptomen kein sonderliches Gewicht bei und das einzige, was man tat, war, daß man ihn, als er während deS Oster- festes in der Peterskirchc fungierte, gegen Zugluft schützte. Sein Leib arzt Saliceti hat den Fortgang der Tragödie beschrieben. Mund und Rachen entzündeten sich, schmerzten sehr, und der Kranke war genötigt, fortwährend den Mund osten zu halten. Er mußte sich oft erbrechen, war stets schläfrig, konnte sich kaum auf den Füßen erhalten und hatt« Unterleibsbeschwerden. Keinen Augenblick zweifelte er mehr, daß er Gift erhalten habe, und wie um sich zu entschuldigen und die Barm herzigkeit seiner mächtigen unsichtbaren Feinde anzuflehen, wiederholte er oft: „Ooinpulsus (Gezwungen tat ich's). So schleppte er sich den Sommer hindurch, ohne sich seinen Regierungsgeschästen widmen zu können; wenn er es versuchte, so zeigte er sich reizbar und wurde leicht zornig, während er in gesunden Tagen freundlich und leutselig ge wesen war. So wie er selbst, so glaubten auch alle anderen an eine Vergiftung. Der Augustiner Cosmas Schmalsnß schrieb an den General seines Ordens: „Il^riiurr auin ^raviN-ima cke propinnto vvnono suspioiono" (er stirbt unter größtem Verdacht der Vergiftung). In Rom sand man an Türen und Wänden häufig die Buchstaben I. 8. 8. 8. V. angckritzelt. Niemand wußte, was das bedeuten sollte, aber eine visionäre Nonne gab des Rätsels Lösung: „la sottambro «irü. secka vacaatv", (Im September wird der heilige Stuhl erledigt fein). Sie behielt recht. Am 10. Sep tember wurden die Krankheitserfchcinunaen sehr ernst, zwar erholte sich der Patient auf ein, zwei Tage, dann aber verschlimmerte sich der Zu stand, er sing an zu delirieren und starb am 22. um 13 Uhr römischer Zeit. Die Sektion ergab angeblich das Vorhandensein eines krebs artigen Leidens, was zu der Krankengeschichte nicht stimmt. Tie Leiche wurde einbalsamiert, aber io ungeschickt, daß sie in Fäulnis überging und einen grauenvollen Anblick gewahrte. Wir haben die Frage offen gelassen, ob die Jesuiten an dem Tode des Papstes die Schuld trugen, wie man damals allgemein glaubte und jetzt noch vielfach glaubt. Sie selbst stellten das Ende ihres Feindes als ein Werk der rächenden Vorsehung dar. Abbs Proyart, der französische Hosprediger, sagte in seinem Buche „Ixrrsts XVl «jätrönL svnnt <1 vtrs rvi", der Tod Ganaanellis habe den Stempel der göttlichen Rache an sich getragen und die Prophezeiung jener Nonne zu MontestaSconc erfüllt. Er führte seine Ansicht sehr ausführlich aus. Uebrigens fand sich später in den Händen des Beichtvaters von Clemens XIV. ein Widerruf der Aufhcbungsbulle, datiert vom 29. Juni 1774, und die Erklärung vor, daß er nur widerwillig seinen folgenschweren Schritt getan habe. Ihre Authentizität ist sehr zweifelhaft. Man darf nicht vergessen, daß man in jener Zeil sehr geneigt war, den Jesuiten manches in die Schuhe zu schieben, an dem sie erweislich unschuldig waren. Wenn sie nun gewiß auch ein Interesse am Tode des Papstes hatten, so konnten sie schließlich bei seinem hohen Alter auch auf sein natürliches Ende warten. Außerdem hatte Clemens infolge seines selbstlwrrlichen Wesens und seiner Sparsamkeit auch noch viele andere Feinde. . . Man wird also kaum über die Jesuiten ein Schuldig sprechen können, sondern sic höchstens als verdächtig bezeichnen und als schlimm sten Verdachtsgrund ansühren, daß sie beflissen gewesen sind, ihn zu ver unglimpfen und zu verleumden. * Berliner Musik. Die Sönlql. Oper hat am 27. September als erste Novität der Saison PucciniS „Madame Butterfly" zur Aufführung ge bracht. ES war die erste Aufführung in deutscher Sprache. DaS Werk hat bereits seine Schicksale gehabt. Bei seiner Uraufführung im Februar 1904 in der Scala zu Mailand wurde eS vom Publikum abgelehnt: der Komponist, die Textvrrfasser BelaSco uud Jllice, sowie der Verleger Ricoedi zogen ,S danach zurück und die bereits festgesetzte Aufiübrung in Nom unterblieb infolge deS Mailänder Fiaskos. Puccini veränderte einiges an der Musik und ließ die Oper einig« Monate in BrrScia ausführrn, wo sie eineu starken Erfolg erzielte. Dann wanderte „Madame Butterfly" nach London, wo Frl. Destinn und Caruso die Hauptpartien sangen, von dort nach Paris und New Aark. Nun bat sich Berlin deS Werke- angenommen und das hiesige Publikum hat ihm eine freundliche, aber keine herzliche Aufnahme gewährt. Nur noch dem sehr stimmungsvoll schließenden zweiten Akte, der mit dem dritten durch ein orchestrales Zwischenspiel verbunden ist, setzte ein lang anhaltender Bestall ein. „Madame Butterfly" ist die dritte Opcr PucciniS, die in Berlin zur Aussübrung gelangt; die „Bohäme", rin außerordentlich lebens- volles und musikalisch fesselnder Werk, hörten wir im Neuen Kgl. Opernhause unter einer Sommerdirektion, die „Tosca" in der Komischen Over und nun hat das Schmerzenskind des Komponisten an der vornehmsten Stätte in Berlin, im Kgl. Lpernhauie das Licht der Rampen erblickt. Auf wie lange. Las bleibt abznwarten, das Mailänder Publikum dürfte s. A. richtiger geurteilt haben als daS in BrrScia, mag man noch so bereitwillig die Eigenart d«S neueren italienischen Opernstil- gegenüber dem deutschen berücksichtigen. Daß es Puccini wesrr an melodischer Erfindung noch an leidenschaftlichem Empfinden gebricht, ist ouS seinen früher bekannt gewordenen Opern genugsam ersichtlich, nno für nicht- und wieder nichts erringt sich ein Komponist nicht daS dohe Ansehen, dessen Puccini sich in Italien zu erfreuen hat. Aber in dieser „Madame Butterfly" wuchert die melodische Phra e so üppig, daß unter dem Wust von nichtssagenden Tonfolgen die wenigen bemerkenswerten und charak teristischen musikalischen Gedanken völlig ersticken. Daß Puccini zur Belebung de- lokalen Kolorits einige lapanische Melodien verwendet, würde man ihm nicht verübeln, wenn nicht durch daS Fremdartige dieser Tonsolgcn ein schier nnül>erbruckbarer Gegensatz zu der ganz anders gearteien italienischen Melodik berbrigrführt würde. Daß übrigen- in der sinfonischen Verarbeitung der Themen und Motive Puccini eine Meisterhand beinnvet, sei rühmend hervor- gehoben, wie an4, dir Behandlung de» Orchesters una die Harmonik eine Fülle an sich schöner Einzelheiten aufweisen, zu denen allerdings pan-, zwecklote, schlecht klingende, aber ostentativ angebrachte Ouintrnfolgen nicht zu zäblen sind. Daß eine derartige Musik auf rin naiv empfindendes, tünstlerisch anspruchloses Publikum immerhin ihre Wirkung auSzuüben vermag, ist ganz verständ lich, aber in dieser Hper bebt die überaus dürftige Handlung auch diese Wirkung auf. ES l, Höelt sich um eine japaniicbe Geisha, die von einem amerikanischen Schi,iLlapitäa zur Fran begehrt wird und in der rin« ernste, tiefe Liebe zu dem Manne entbrennt. Nach japanischem Gesetz aber ist dir ehemalige Geisha rechtlos, wenn Ler Mann, dem sie angetrant würbe, sie verläßt. Dir Ehe gilt dann als aufgelöst. Nun nachdem der erste Liebesransch verflogen ist, verläßt Kapitän Linkerwn sein Weibsen, das sich einen langen Akt bmdurch nach ihm sehnt und der Zuversickt lebt, daß er nach dreijähriger Abwesenheit znrücklchre» und sie die Freude haben werde,
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