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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 01.10.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-10-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19071001010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907100101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907100101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-10
- Tag1907-10-01
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Morgen-Ausgabe v. MMMMMatt Handelszeitnng. Amtsvkatt des Rates und -es Nolizeiamtes -er Lta-t Leipzig. ««a», »K. «c«x Nr. 272. Da» Wichtigst« vorn Lag«. * Der Kaiser wird am 7. Oktober -u den Beisetzungsfeier, lichkeite» iu Karlsruhe eintreffen. * Laut amtlicher Bekanntmachung im „Dresdner Journal" wird der sächsischeLaudtag auf den 15. Oktober einberufen. * Dernburg wird heute von seiner Reise im Usambara» zebiet nach Tanga zurückkehren. Die Reise hat ihn nach Besich tigung der Farmen von Muhesa und der Prinz AlbrechtS- Vlantage nach Amant, WilhelmStal vnd dem Schume- vald geführt. * In Magdeburg wurden die Verhandlungen des Vereins für Sozialpolitik eröffnet. Prof. B ü ch e r - Leipzig sprach über die »erufSmiißig« Vorbildung der volkswirtschaftlichen Beamte«. sS. Bericht.) — * Auf de» Wiener Konferenzen ist beschlossen, daß die Abgrenzung der mazedouischen WitajetS ohne Rücksicht auf Erfolge der Bandeukämpfe geschehen soll. sS. AuSl.) * Heute werden die Ausgleichsverhandlungen in Pest wieder ausgenommen werde». * Hll«iPascha beabsichtigt, seine Entlassung nachzusuchcn. lS. AuSl.) Jur Labakbesteusrrrng. In fast alle» Kulturstaaten, in denen man eia auf indirekten Steuern basierendes Finanzshstem hat, sind drei Warengruppen immer ganz besonders gern als Steuerobiekte erwählt worden: der Zucker, die alkoholischen Getränke und der Tabak mit den Tabakfabrikaten. Volkswirtschaftlich am weuigsten zu rechtfertigen ist darunter ent schieden die Zuckerbesteuerang. Sie mochte solange vernünftig erscheinen, als man in» Zucker ein entbehrliches Genußmittel erblickte. SeiN-m aber die Wissenschaft mehr unk mehr die Ueberzeugung gewinnt, daß er eia unentbehrliches Nahrungsmittel ist, fallen die Vor aussetzungen für seine Besteuerung zu Boden — denn ein wich tiges Nahrungsmittel soll man nicht besteuern. Wie aber steht es mit Alkohol und Tabak? Man wird zugeben müssen, daß diese beiden Stoffe, wenn man überhaupt indirekte Steuern will, die dafür weitaus geeignetsten sind. Alle beide sind sie entbehrlich — der Alkoholgennß ist in vielen Fällen nachteilig für die Gesundheit, der Tabak zum mindesten, wenn in zu starkem Maße genvsseu, ebenfalls. Der Konsument, der sich durch die Steuern auf diese Waren gedrückt fühlt und durch Verbrauchs beschränkung eine Steuerersparnis herbeiführen will, wird also nicht zur Unterernährung oder sonstigen gesundheitlich bedenklichen Maß nahmen veranlaßt. Trotzdem besteht in den weitesten Volkskreisen, besonders in Deutsch land, eine heftige Abneigung gerade gegen diese beiden Steuergruppen, und eine Regierung, di« sie erhöhen wollte, verfiel bislang noch immer der Unpopularität. Trotzdem aber veranlaßt die Finanznot d«S Reiches daS Reich-schatzamt aufs neue, Alkoholika und Tabak mit Vorschlägen für Steuererhöhungen Heimzusuchen. Würde man dabei nun Ernst machen mit einer gründlichen Reform der SpiritnSbesteuerung, so könnte daS Publikum diese Absicht nur begrüßen und die Vorschläge der Regie rung darin einer scharfen aber prinzipiell wohlwollenden Prüfung un terziehen. Statt dessen versuchen die Schatzsekretäre des Deutschen RstcheS immer wieder, zunächst den Tabak heranzuziehen. Dafür haben sie allerdings ein starkes Argument: die Tatsache, daß im Deutschen Reich der Tabak im Vergleich zu anderen Staaten verhält nismäßig gering belastet ist. Auf den Kopf entfällt in an Tabakzoll an Tabak ¬ und Steuer verbrauch Deutschland 1H0 2 ea. 1,67 Kg Frankreich 6H0 ^l ea. 0L8 kg; Großbritannien 5,70 ^l ea. OLO ks Italien 3L5 ^l ea. 0H7 kg Oesterreich 2^0 ^l ea. 1L6 kg Bereinigte Staaten 3,75 ^l ea. 2,15 kg Rußland OM) ^l ea. 0H4 ks Niederlande 0/» Ul ea. 8,— kg Abgesehen von den Holländern, die sehr wenig Einnahmen avS dem Tabak ziehen, und den Russen, bei denen der TabakSkonsum ldeS Ziga- rettearauchea» wegen) wenig in» Gewicht fällt, haben also die Deutschen absolut «ich relativ die niedrigste Labaksteuerlast zu tragen. Auch hat daS Reich an den 100 Millionen Kilogramm Tabak, die daS deutsche Volk jährlich verbraucht, mit ea. 90 Millionen Mark noch durchaus keine »»verhältnismäßig stark in Ansprnch genommene Gteuerquelle. Frank reich zieht auS seinem Tabakmoaopol jährlich ungefähr 350 Millionen Franken, auch Oesterreich-Ungar« wird All Millionen Kronen erreichen, trotzdem der Totalverbrauch in diesen Länder« weit hinter dem deutschen zurückbleibt. Nachdem uun die »ft diskutierten Idee« «iuer Tabakfabrikalsteuer »ach russische« oder amerikanischem System, wie sie schon Miquel ein- führen wollte und wozu »an mit der Zigaretteusteüer einen ersten Schritt getan hat, von allen Interessentenkreisen auf da» entschiedenste bekämpft wurde», sind bekanntlich vor einiger Zeit Gerüchte aufgetaucht, wonach die ReichSregieruug de» alte« Projekt eiaeS Tabakmonopols wich« «ähergetrete« sei» soll oder doch de» Tabak weit höher be- steuer» will. , Bo» rei» fi«a»ztech»ische« Standpunkt a»S und unter einseitiger Berücksichtig»»- der Interesse» der RrichSkass« läßt sich gege» das Projekt - Dienstag 1. Oktober 1907. M Jahrgang. nicht» Stichhaltiger sagen. DaS muß ehrlicherweise zugegeben werden. Um so angreifbarer aber erscheint eS vom sozialpolitischen und allgemein volkswirtschaftlichen Gesichtspunkt auS betrachtet. Deutschlands Tabakindnstrie produzierte im Jahre 1903 für 383,8 Millionen Mark, in 8603 Betrieben mit 146 694 Arbeitern, denen ea. 80 Millionen Mark Löhne gezahlt wurden, also etwa 545 Mark pro Kopf. Dazu treten die ihrer Zahl nach nicht genau zu bestimmenden Arbeiter in den Nebenbetrieben sEtiketten- und Kistenfabriken, Transportgewerbe usw.). Diese Ziffern geben uns die bislang immer siegreiche Waffe in die Hand, mit der noch jeder Angriff auf die Freiheit des Tabakgewerbes in Deutschland zurückgeschlagen wurde. Was soll im Fall etn«r leute. sparenden Zentralisierung der Industrie in Staatsbetrieben auS den an nähernd 100 000 Arbeitern bezw. Arbeiterinnen werden, die dann ihr Brot verlieren? Schon die ni«drige Lohnhöhe von 545 zeigt ja, daß in der Tabakindustrie ganze Scharen von minderwertigen Arbeitskräften Unterkommen finden, daß auch viele anderswo nicht ausreichend beschäf tigte Leute namentlich durch Zigarrenmachen ein Nebeneinkommen sich erwerben, die in Not verfallen müßten, wenn man ihnen diese Hilfs quelle verstopft«. Der an sich sehr willkommene Untergang der Heim arbeit in der Zigarrenindustrie, den daS Monopol herbeiführen würde, kann für die Gefahr der Arbeitslosigkeit nicht entschädigen, die einer so großen Zahl von Händen droht. Auch würde die Wirkung der Monopol einführung auf den deutschen Tabakhandel einfach seine Vernichtung sein. Das hat di« Bremer Handelskammer schon 1878 in einer Denkschrift aus führlich begründet, und das damals Gesagte gilt auch'heute noch. Auch jede erhöhte Besteuerung des Tabaks hat ihre großen Be denken, wi« wir noch auszusübren Gelegenheit haben werden, wenn ein solches Projekt in greifbarer Gestalt vor unS steht.*) Doch freilich, daS Reich braucht Geld! Warum nimmt man eS denn aber nicht daher, wo es noch zu finden ist, ohne daß man unendliche» soziales Unheil anrichtet, oder wenigstens di« Gefahr für solches herauf- beschwört? Einkommen und Vermögen bat das Deutsche Reich noch nicht besteuert, Erbschaften nur ganz unvollkommen. Hier sehe man zu nächst die Steuerschraube an, verschone aber eine Industrie, die 80 Mil lionen Mark Löhne zahlt, vor allem mit fortdauernder Beunruhigung. Unter der Form einer konstitutionellen Krisis hat der Kampf um die Herrschaft des Holländertums auch in der Kapkolonie nunmehr ein entscheidendes Stadium erreicht. Acußerlich kehlt eS nicht an Parallelen zu dem mutterländijchen Ringen zwilchen Unterhaus und Erster Kam mer. Als Dr. Jameson, der ehemalige Transvaalraider und gegen wärtige Testamentsvollstrecker Cecil Rhodes, nach den Hauptwahlen t om Februar 1904 ans Ruder kam, verfügte er im House of Assembly lUnter- haus) über eine Mehrheit von nur 7 Stimmen, im Oberhaus lLegis- lative Council) unter 26 Mitgliedern nur über 1 Stimme Majorität. Die Bedeutung dieser Schwierigkeit war um so größer, als auch der Legislative Council aus direkten Wahlen hervorgeht; die auf 7 Jahre gewählten OberhauSmitglieder haben nur eine erheblich größere Be- sitzqualifikation zu erbringen, als die 5 Jahre sitzenden Commoners. Schon dadurch wird das landbesitzende Holländerelement begünstigt. Die Bondverwaltung hatte aber die Wahlkreiseinteilung noch zu ungunsten des städtischen Britenelements verschoben. Deshalb war nach Jamesons Amtsantritt eine der ersten Maß- regeln des neuen Kabinetts die Additional Representation Act. Ucber diese kam es zu außerordentlich heftigen Kämpfen. Die Obstruktion des Unterhauses konnte nur durch den „Verrat" des Speakers Berry ge brochen werden, der die Opposition durch Nachtsitzungen erschöpfte. Die Akt erhöhte die Vertretung der größeren Städte wie Capetown, Wood stock, Port Elizabeth und East London, also der britischen Bevölkerung, der Progressiven, gab aber auch dem Bond in einzelnen Städten, wie Paart und George, ein weiteres Mitglied. Die Reform galt vom pro- gressistischen Standpunkt für unvollkommen. Capetown z. B. sollte nach der BevölkerungSzahl 12 Abgeordnete inS Parlament senden, verfügt aber nur über 7 Sitze. Obwohl nun daS Jameson-Kabinett sich groß mütig und versöhnlich zeigte und dem Bond entgegenkam, indem es im August 1906 7000 nach dem Frieden von Vereeniging ihre- Stimmrechtes verlustig erklärte Kaprebellen wieder in ihre vollen Bürgerrechte ein setzt«, trauten die Holländer der Regierung einen weiteren Hauptschlag, die Neueinteilung der Wahlkreise, zu. Eine -um Schlagwort gewordene Bemerkung Jameson» „DaS kommt nachher" scheint mißverstanden wor den zu sein. Jameson, der energievollste Vorkämpfer der „Vereinigten Staaten von Südafrika", meint« mit „Nachher" die Föderation, über welche im Februar 1908 mit den Eisenbahn- und Zollkonferenzen die Verhandlungen faktisch beginnen. Die Holländer faßten daS „Nachher" dahin auf, sie sollten nach der Bewilligung der Finanzvorlagen vor Schluß der Session überrumpelt werden. Der Legislative Council obstruierte daher den Finanzgesetzen mit der Erklärung, 3 Millionen Pfund Sterling provisorisch zu bewilligen, falls Jameson baS Parla ment auflös«. Beides ist nunmehr geschehen. Gleichzeitig hat Jameson mit den Nachbarstaaten um Verschiebung der FöderationSkonferenzen zu verhandeln begonnen, da ba» neue Parlament nicht vor Mär- 1908 bei sammen sein kann, »nd der Wahlausfall recht fraglich ist. Die Jameson-Regierung hat «S noch zuletzt mit ihren eigenen radi kale» Anhängern durch ein Zugeständnis an die Holländer verdorben, durch den Gesetzentwurf, welcher größere Freiheit de» AlkoholverkaufeS an die Kaffirarbeiter genehmigen sollte, aber vor dem Proteststurm der Progressisten zurückgezogen werden mußte. Im übrigen trägt da» Jameson-Kabinett den üblen Nachruf seiner Verdienste. ES fand da» Land in einer finanziellen Krisis. Sir Gordon Sprigg hatte ei» großes Programm öffentlicher Arbeiten, namentlich unrentable Nebenbahnen, auS-uführen begonnen, von denen hauptsächlich die holländischen Farmer profitierten. Der Bond verlangte stürmisch deren Fortsetzung. Aber e» fehlte an Mitteln, und die Depression nach dem Kriege hatte auch den Kredit verschlechtert, verteuert, ja zeitweilig abgeschnitten; die Haupt- steuerlast lag auf de» englisch Lewohnten Städte». Die Regierung stellte die Arbeiten ein, erhöhte die unprofitablea Eisenbahntarife, kürzte de« Stab der holländischen Regierungsbeamten und reduzierte, freilich *> Näheres über Tabaksteuern »nd Tabakmonopol in Grotewold, Di« Tabak,ndustrie. «Erscheint im Oktober bei Ernst Heinrich Moritz, Stuttgart.) Preis geh. L50 ^l. auch den Briten, die Gehälter. Die finanzielle Lage deS Staates ist heute gesund, aber di« Regierung nicht sonderlich beliebt. Fällt nun bei den Neuwahlen daS Jameson-Kabinett, dann ist in allen südafrika- nischen Kolonien daS holländische Element wieder obenauf, und die Frage der Föderation kann nicht mehr im Sinne d«r Engländer gelöst werden, sondern wird im Sinne des Bond, wenn überhaupt, in Angriff genommen werden. DaS wird aber nicht ohne schwere Erschütterung möglich sein. Denn um dies zu verhüten, hat England dcn Buren- krieg begonnen. Deutsches Reich. Leipzig, 1. Oktober. * Fürst Bülow. Bei seinem Besuch in England, der vom 1t. bi» 18. November dauert, wird der Kaiser nach einem Berliner Telegramm der Londoner „Tribüne" vom Fürsten Bülow begleitet sein. — Wi« daS „B. T." erfäbrt, kehrt Fürst Bülow von Norderney nicht direit nach Berlin znrück. Er wird vielmehr heute nachmittag im Parthotel Klein-Flottbek bei Hamburg erwartet, wo er 14 Tage Aufenthalt zu nehmen gedenkt. * Zum Tode deS GroßherzogS von Badea. ES steht jetzt folgende» Programm für die Ueberführung der Leiche deS GroßherzogS von der Mainau nach Karlsruhe am Mittwoch fest. Nachdem früh 7 Uhr in der Schloßkirche ein Gottesdienst stattgefunden hat, wird der Sarg -um Dampfboot „Kaiser Wilhelm" getragen, welches Lrauergala trägt. Am Landungskanal, der Mainau, wie in Konstanz, wird eine Ehren- kompaanie des Infanterie-Regiments 114 Ausstellung nehmen. DaS Damvtboot mit der Leiche verläßt um 8 Uhr die Insel und trifft um A9 Uhr in Konstanz ein. Sodann wird der Sarg in feierlicher Weise nach dem Bahnhof zum bereitstehenden Ertrazug gebracht. Dieser nimmt um 9 Uhr semen Weg über Immendingen, Stühlingen, Walds- Hut. Säckingen, Schopfheim, Lörrach, Leopoldshöhe, Freiburg und Offenburg nach Karlsruhe. In der Residenz bewegt sich der Trauer kondukt durchdie Karl Friedrich-Straße nach der Schloßkirche. Diese Straße, der Marktplatz, das Rathaus und die Schlotzplatzstraße erhalten Trauerschmuck. Nähere Dispositionen sind noch nicht getroffen. Die Leiche wird heute in der Schloßkirche aufgebahrt. Von 9 bis 10 Uhr bat der Hofstaat und die aus der Umgebung Geladenen Zutritt. Um 10 Uhr wird die Kapelle dem allgemeinen Publikum geöffnet. * Die preußischen BolkSschullehrer. Gegenüber einer Meldung der „Freis. Zta", nach der dem Landtag in der nächsten Session noch kein Lehrerbesoldnnasgesetz vorgelegt werden solle, erklärt die „Nordd. Allg. Ztg" die Bernaudlongen -wischen oeu Ressort» wegen Aufbesserung dce Gehälter der BollsschulleIrcr sticn im vollen Gange; ob aber die Vorlage bis zur Landtagssession zustande kommt? HI Sine Bremer Senatorenwahl. Man schreibt nnS auS Bremen: Es wird anderwärts vielleicht einiges Aufsehen erregen, daß hier ein Mann -um llebenslänglichenj Senator gewählt ist, der kirchlich auf der alleräußersten Linken steht. Der neue Senator, bisherige Landgerichts- Präsiden' Kirchhoff ist s«it langen Jahren Bauherr sd. h. Vorsitzen der des Gemeindevprstandcs) der Martinigemeinde. Diese letztere hat seit vierzig Jahren die liberalsten Prediger angestellt, die sie erlangen konnte. Deren Namen Schwalb, Kalthoff, Lipstus und Felben sind der Orthodoxie nicht bloß in Bremen ganz besonders verhaßt. Am weitesten links stand wohl Kalthoff, der den Vorsitz im Häckelfchen Monistenbunde übernommen hatte, woran viele Leute besonders deshalb Anstoß nahmen, weil er zugleich Prediger einer christlichen Gemeinde war. Felde« war bisher Prediger einer freireligiösen Gemeinde in Mainz. Er ist erst vor kurzem zum Prediger in der Martinigemeinde gewählt. Als das geschah, bot die Orthodoxie alles auf, um den Senat zur Versagung der Bestätigung zu bewegen. Allein dazu gibt die Verfassung dem Senat nur aus äußeren Umständen das Recht, aber niemals auS Gründen des Glaubens. Daher ist denn Felden bestätigt worden. Vorsitzender des Gemeindevorstandes dieser Gemeinde ist der neue Senator Dr. Kirch- hoff. Er war auch persönlich nahe befreundet mit dem verstorbenen Kalthokf. Bei der Wahl in den Senat hat der Senat selber daS Recht, einen ihm ««erwünschten Kandidaten fernznhalten. Er hat davon keinen Gebrauch gemacht. Im Plenum der Bürgerschaft, die die entscheidende Wahl vorznnchmen hat, erhielt Kirchhoff 97 gegen 36 Stimmen, welch letztere ani 2 Gegner fielen. Im Senat war bisher schon eine starke libe- rale Meh.heit. Sie ist also erhalten geblieben; verstärkt kann man nicht sagen, weil auch der ausscheidende Senator sehr weit links stand. Politisch steht Kirchhoff auf dem Boden des Liberalismus. 8«. Parteitag der Deutschen Volkspartei. In Konstanz trat am Sonntag unter außerordentlich zahlreicher Beteiligung der 27. Par teitag der Deutschen Volkspartei zusammen. Im Mittelpunkt der Politi- schen Verhandlung stand das Referat deS Reichstagsabgeordneten Payer über: Die politische Lage. Der Redner ging von dem Ausfall der Reichstagswahlen, aus, bei denen die Deutsche Volk-Partei im Bunde mit den anderen liberalen Parteien und in bitterster Feindschaft mit den Sozialdemokraten gekämpft habe. Die Sozialdemokratie habe in sinn loser Wut und beklagenswerter Kurzsichtigkeit den erbittertsten Gegner des politischen Fortschritts, das Zentrum, fast überall den Liberalen vor gezogen. Dadurch sei weiten Kreisen ein tieferer Einblick in sozialdemo kratisches Denken und Fühlen eröffnet worden als je zuvor. Redner erörtert sodann den derzeitigen Stand der liberalen Parteien im Lande. Zwar sei eine Einigung der drei freisinnigen Parteien noch nicht erfolgt, doch dürfe man getrost sagen, daß der richtige Geist gefunden sei, um die Form der Einigung lebensfähig zu machen. Deshalb ichuldeten die frei- sinnigen Wähler im Lande Ehre und Dank dem guten Willen der Führer zur Einigung. Dem Block gegenüber seien alle Freisinnigen nüchterne Geschäftsleute. Di« Verhältnisse im Deutschen Reich« liegen augenblick lich so, daß vorläufig alle Hoffnungen der Liberalen auf politischen Fort schritt nur auf diesem Block beruhen. Dazu gehört die Reform d«S Ver- einSaesetzeS und vor allem auch die Abschaffung de» Klassenwahlrechts in Preußen. Die politischen Abmachungen erforderten natürlich auch Vorbesprechungen. Es sei ein Fortschritt, daß zu diesen Vorbesprechun gen in Norder»«» auch liberale Politiker heranaezoaen worden seien. Sein, Redners, Besuch in Norderney habe ungebüyruche Beachtung in der Presse gefunden. Leider sei e» heute noch ganz verfehlt zu glauben, daß damit süddeutsche» Wesen und demokratischer Geist im Norden maß- gebend geworden se,en. An dem guten Willen des Fürsten Bülow bei der konservativ-liberalen Vereinigung sei aber nicht zu zweifeln. In der preußischen Wahlrechtsfrage habe die konservattve Presse den Süd deutschen geraten, den Mund zu halten, veil «S sie nicht» anginae. Aber daS Dreiklassenvablrecht in Preuße» sei die schlimmste politische Krank heit Deutschlands überhaupt. Er hoffe dabei, daß man dem großen Ziele de» demokratischen Gedanken» und de» demokratischen Programm» immer näher kommen Verde. — In der Diskussion stellt« zunächst Re- dakteur Dr. Roeßler lFrankfurt a. M l namen» de» demokratischen Verein» m Frankfurt de» Antrag, der Parteitag möge de» Ausschuß der Deutschen VolkSpartei und deren Vertreter in Berlin, sowie den EinigunaSauSschuü der drei freisinnigen Parteien auffordera, dahin zu wirken, daß di« schon lange in Aussicht genommen«, immer wieder ver schoben« große EinigungSverfqmmlnng in Frankfurt a. M. uoch vor Er öffnung de» Reichstage» im November zustande komme. — Nachdem Re,ch»tag»abgeordn«ter Payer erklärt hatte, daß alle freisinnigen Par-
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