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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 01.10.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-10-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19071001029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907100102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907100102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-10
- Tag1907-10-01
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Abend-Ausgabe 8. I.7S «. «utgabe L abeot») viertel» «ch ILV«. (2 mal und der 5,2^«., d^steltgrld ftdr OeDerrelch v Ungarn S il vtrrteljLhrl>ch. Briefträger». Die ein^lne «mmner koftet jO-Ptz. «edaMo« u»d LxPeLNt»»! JshamuLgajft 8. rclu-bo» Nr. «0S2, Nr. 1«WV, Rr. LS«. Berliner Nedavtonr Bureau: Berlin ^vv. 7. Prinz Loni« Ferdinand- Straße 1. Telephon I, Nr. W75. riWgtrTaMM Handelszeitung. Amtsblatt des Rates «n- -es Nolizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Anzeige«-Preis flir-, Inserate au« Leipzig »ad Umgebung di« Sqespattene Petitzeile 25 Pf., finanzielle Anzeigen 30 Pf., Reklamen l M.; von au-tvLrt» Ul) Pf., Reklamen 1.20 M. vamAusland50Pf., siuanz. Anzeigen75Pf. Reklamen 1.50 M. Inserate v. Behörden im amtlichen Teil M Pf. Beilagcgebübr 5 M. p. Tausend ex kl. Post gebühr. Geschäftianzeizen an bener'-ngrer Stelle im Preise erhöht. Rabat! nach Turn. Fcsterteille Aufträge können nicht zurüch- gezagea werden. Für da« Erscheinen an bestimmten Tagen unk Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: Arrgustusplatz 8. bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Eipeditiouc» des Ja- und Anslaude«. Haupt Filiale Berlin Sarl Dunck: , Herzogl. Bahr. Hofbuch handlung, Lützowstraßc 10. «Telephon VI, Nr. 4603). Nr. 272. Das wichtigst« vonr Tag«. 'PrinzJohannGeorg vonSachsen und Gemahlin sind als Graf und Gräfin Wesen st ein in strengstem Inkognito in Cetinje eingetroffen und als Gäste in der Deutschen Botschaft ab gestiegen. * Präsident Roosevelt hielt eine neue Rede gegen die Trusts in Can ton-Ohio bei Gelegenheit der Einweihung deS Mc-Kinleh-Denkmvls. (S. Ausl.) * Die Nachrichten von neuen Meutereien in Sebastopol sind sehr übertriebmi. iS. Ausl.) Tagesschau. Das Reichs-Apothekengesctz. Daß der im Reichsamte des Innern aufgestellte Entwurf eines Neichs-Apothekengcsetzes den Reichstag in seinem nächsten Tagungs abschnitte nicht beschäftigen wird, wird als ziemlich sicher angesehen. Ein mal liegt dem Reichstage bereits eine große Fülle von Gesetzentwürfen zur Beratung vor. Es werden außerdem die verschiedensten anderen notwendigen Entwürfe vorbereitet. Man wird schon deshalb auf die Einbringung nicht gerade dringender Vorlagen verzichten. Sodann ist der Entwurf auch noch gar nicht so vorbereitet, daß er in naher Zeit schon den gesetzgebenden Körperschaften vorgelegt werden könnte. Zu nächst wird er an der Hand der vorliegenden Gutachten einer Durchsicht und etwaigen Umarbeitung unterzogen werden. Von den Handels kammern liegen eine große Zahl solcher Gutachten vor. Namentlich aber fallen die Beratungen ins Gewicht, die der Deutsche Apothekerverein selbst sängst auf seiner Hauptversammlung über den Entwurf gepflogen hat. Das Neichsamt des Innern hat besonders um die Ucbermittelung dieser Sitzungsberichte ersucht. Auch sie werden einer eingehenden Prüfung unterzogen nnd gegebenenfalls benutzt werden. Es ist danach llar, daß auch das Stadium, in dem sich die Arbeiten an dem Entwürfe eines Reichs-Apothekengesetzes befinden, eine Einbringung des letzteren beim Reichstage, der übrigens doch eine Beratung und Beschlußfassung im Bundesräte vorausgchen müßte, während des nächsten Tagungs abschnittes schwerlich ermöglichen läßt. Tie Hauptversammlung des Deutschen Apothekervereins zu Dort mund 1906 batte den Vorstand ersucht, an geeigneter Stelle vorstellig zu werden, daß bei einer Revision des preußischen Gewerbesteuergesetzes dte in Apotbekerkreisen besonders schwer empfundene Bestimmung, daß Zinsen von Geschäftsschulden nicht vom Einkommen abgezogen werden dürfen, beseitigt werde. Bei näherer Prüfung der Sachlage hat es sich beransgestellt, daß cs sich nicht empfiehlt, diesem Ersuchen Folge zu geben. Der Vorstand hatte daher, unter Inanspruchnahme der ihm zustebenden Befugnis, einstimmig beschlossen, von der Ausführung dieses Beschlusses der Hauptversammlung Abstand zu nehmen. Die diesjährige Hauptver sammlung hat dieses Verhalten als berechtigt anerkannt und nachträglich genehmigt. Rußland und Finnland. Seitdem der sinnländische Generalgouverneur Senator N. N. Ger- bard von seinem Urlaub in Petersburg nach Hclsingfors zurückgckehrt ist, hat-er alle Hände voll zu tun, um die russische Zentralregierung von den friedlichen Absichten Finnlands zu überzeugen, an die die Russen nach verschiedenen Anzeichen nicht recht glauben wollen. Man fürchtet an der Newa, daß Finnland die ihm zngestandencn Rechte und Freiheiten so weit ausdehnen wird, daß es der russischen Regierung unbequem werden könnte. Daher sieht man in den russischen Regierungstreuen mit gewisser Spannung der Lösung der Frage der Militärkontribution von 20 Millionen Rubel entgegen, die gewissermaßen als Prüfstein an gesehen wird, und von der auch das Sein oder Nichtsein Gerhards als Generalgouverneur von Finnland abhängt. Indessen suchen die Russo- Dienstag 1. Oktober 1907. Philen das Feuer zu schüren, sie entwickeln eine lebhafte finnlandfeindliche Agitation, geißeln die vom Zaren verliehenen Zugeständnisse an Finn land und bemühen sich, die russische Regierung gegebenenfalls zu Repressalien zu bewegen. Sie wollen diejenigen staatsmännischen Er wägungen nicht einsehen, die seinerzeit gleichzeitig mit der Auflösung der ersten Reichsduma eine Verkündung weitgehender Zugeständnisse an Finnland erforderten und so radikale Aenderungen in der Frage der Be ziehungen des Russischen Reiches zum Großfürstentum Finnland heraufbeschworen. Nach ihrer Behauptung ist nur ein Modus möglich: entweder stellt das Großfürstentum Finnland einen unzertrennbaren Teil des Russischen Reiches dar, dann müßte aber diese Einheit in be- stimmterForm zum Ausdruck gmracht werden, was indessen in den bis herigen Manifesten nicht geschehen ist; oder Finnland ist eine selbständige und selbstherrschende Macht, wenn auch mit Rußland in gewissem Sinne verbunden, und dann hat Rußland keine Ursache, irgendwelche Sorge um das Wohlergehen Finnlands auf sich zu nehmen, zumal in dieser schweren Zeit. Daher wird in den eingeweihten russischen Kreisen daran scstgehalten, daß das jetzige eigenartige Verhältnis zwischen Rußland und Finnland zur Entscheidung drängt. Nnd man besteht darauf, diese finn ländische Frage der neu einzuberufenden Reichsduma sobald als möglich zu unterbreiten, inzwischen aber dafür zu sorgen, daß die finnländische Frage den Volksvertretern entsprechend beleuchtet und dann in einer für Rußland ersprießlichen Weise endgültig gelöst wird. Finnland war seit 1157 an Schweden ungegliedert, und führte seit 1581 die Bezeichnung „Großfürstentum". Freilich füllten Kämpfe mit der Republik Nowgores, später mit den Zaren von Moskau alle Jahr hunderte aus. Der Anschluß an Rußland geschah erst 1809, als der schwache Schwedenkönig Gustav IV. das heldenmütig sich verteidigende Volk im Stiche gelassen hatte. Aber Alexander I. bekräftigte im Manifest des 27. März feierlich, „die Religion und die Grundgesetze, Privilegien und alle Rechte" erhalten zu wollen. Noch Alexander II. blieb seinen Verpflichtungen gegen Finnland leidlich treu. Aber zuerst Mexander HI., scit1890,begann des Landes Rechte zu beugeu.Der schwersteKonflikt begann mit der Abschaffung der finnischen selbständigen Militärverwaltung, seit dem Reskript vom 19. Juli 1898, also erst unter dem jetzigen Zaren. Es folgte das wüste Regiment des brutalen Bobrikow. Nach dessen Ermor dung durch Eugen v. Scheumann im Juni 1904 und dem Ausbruch der russischen Revolution mußte Nikolaus H., der Not gehorchend, nicht dem eigenen Triebe, einen Teil der geraubten Freiheiten zurückgeben. Europas Staatsschulden und Militärausgaben. Dem internationalen Institut für Statistik hat Alfred Neymarck einen ausführlichen Bericht über die Höhe des mobilen Kapitals in den europäischen Ländern erstattet, in dem er auch Angaben über die Staats schulden und Militärausgaben für das Jahr 1906 und frühere Jahre macht. Nach diesem Bericht gestoltete>sich die Entwickelung der Staats schulden, der Zinscnlaft aus diesen Schulden nnd der Ausgaben für Heer und Flotte in den europäischen Ländern seit 1866, wie folgt: Staatsschulden (Nominalbetrag) . Zinsenlast Militärausgaben 1866 1870 1887 1906 in Milliarden Francs 66 75 117 148 2,4 3 5Z 6 3 3,5 4F 6,7 Von allen Staaten hat Frankreich die größte Staatsschuld; sie be trug am 1. Januar 1907 29,177 Milliarden Francs, mit einer Zinsenlast von 1F32 Milliarden. Es folgt Rußland mit 22,959 Milliarden, deren Verzinsung 1,010 Milliarde erfordert. An dritter Stelle steht das Deutsche Reich mit 21,1 Milliarden und einem jährlichen Zinsendienst von 825 Millionen Francs. Ueber 10 Milliarden Francs Staats schulden haben dann noch Großbritannien (19,725), Italien (13,022) und Oesterreich 110,090). Nach der Höhe der Militärausgaben geordnet, ist die Reihenfolge der Länder eine andere. Hier steht Großbritannien mit 1,554 Milliarden Francs oben an. An zweiter Stelle kommt Rußland mit 1,275 Milliarden. Tie dritte Stelle nimmt wieder das Deutsche Reich, und zwar mit 1,258 Milliarden Francs ein. lieber eine Milliarde hoch (1,044) sind noch die Militärausgaben Frankreichs. In weitem Ab stand folgen dann Italien mit 416 und Oesterreich-Ungarn mit 375 Millionen Francs. W. Jahrgang. Deutsches Reich. Leipzig, 1. Oktober. eck. Der Reichskanzler. Der auf der Reise nach Flotlbeck in Altona eingrtrosfene Reichskanzler Fürst Bülow ist, wie der Berichterstatter der »Neuen Hamb. Ztg.* melvct, ausfallend gealtext. Sein Haupthaar sei schneeweiß geworden. Auch zeiate ver Gang des Kanzlers groß: Müdigkeit. Der Fürst gedenkt 14 Tage im Parlbotel zu Altona zu bleiben. Nach einer Berliner Meldung der „Franks. Zrg." verlautet zuverlässig, daß Fürst Bülow gegen ken Verfasser e ues Flugblattes, in welchem auch er der Homosexualität beschuldigt wird, Strafanzeige er stattet habe. Der Verfasser ist der durch seine Agitation für die Auf hebung des ß 175 bekannte Schriftsteller Brand in Frievrichsbagen bei Berlin. Er hat vor mehreren Jahren durch das Hcrabwerfen von Flug blättern von der Rcichstagstribiine Aufsehen erregt. * Zum Tode des badischen Grotzhcrzogs. Die Ueberiübrung der Leiche des Großherzogs aus dem Slerbeziuimer nach der Schloßtirche hat gestern abeud 6 Uhr stattgesunden. 8 Lakaien trugen den Sarg; ein schwarzes Bahrtuch war darüber gebreitet. Voran schritt im Ornat Dr. Helbing, der Präsident te-Z badischen Oberlircbenratcs. Dem Sarge folgte tiesvcrschleiert in schwarzer Wiiwenkleicung die Großherzogin- Witwe, zur Rechten ging der neue Großherzog, zur Linken der Kron prinz von Schweden; auch die fürstlichen Damen lolgicn dem Sarge. Der Sarg wurde auf ein Heines Podium vor dem Altar niedergeletzt und die Kränze zu beiden Seiten gruppiert. Dann hielt Dr. Helbing eine kurze Predigt, nach deren Beendigung zwei Hauptleute vom badischen Infanterie-Regiment Kaiser Friedrich III. Nr. 114 vor dem Sarge die Wache übernahmen. — Der König von England hat den Herzog von Connaught mit seiner Vertretung bei der Leichenfeier iu Karls ruhe beauftragt. * Dom ReichdvercinSgesctz. Wie das „B. T.* von gut unter richteter Seite hört, befindet sich in dem Entwurf des ReichsvereinS- und Versammlungögesetzes, den der Staatssekretär des Innern Beckmann- Hollweg in der kommenden Session dem Reichstag vorlegen wird, die einschränkende Klausel, baß Versammlungen, in denen in fremder Sprache verhandelt wird, einer schärferen polizeilichen Kontrolle unter liegen sollen. Bei solchen fremdsprachigen Versammlungen wird künftig nicht nur die Anmeldung, sondern die ausdrückliche Genehmigung seitens der OrtSpolizei gefordert werden. * Die Neuordnung der Bcamtenbczüge. Der in Ausarbeitung be findliche Ortszulageu-Taris — der Ausdruck „WohunngSgeldzuschuß" wird in „Oriszuschuß" verändert werden — soll, wie das „B. T.* meldet, den Beamten mit Familie ein Drittel höhere Orkszulagensätze bringen als den Beamten ohne Familie. Ec soll jolgenvc Gestalt erhalten: Für Beamte mit Familie: Für Beamte ohne Familie: höhere mittlere untere Ortsklasse I. 2000 1660 1200 720 480 II. 1600 1280 960 576 384 - III. 1200 960 720 432 288 - IV. 1000 800 600 360 240 V. 800 640 480 288 192 höhere mittlere untere Ortsklasse I. 1500 1200 900 540 360 II. 1200 960 720 432 288 III. LOO 720 540 324 216 IV. 750 600 450 270 180 V. 600 480 360 216 144 Der jetzt gültige WohnungSgeldzuichuß-Tarif geht bei den höheren Beamten von 1500 bis zu 420 bei den mittleren von 540 bis zu 216 bei den unteren von 360 bis zu 108 herab. Der neue Tarif bringt also unverkennbare Vorteile — wenn er wirklich solche Sätze enthält! Feuilleton. Mit Dernbrrrg nach Derrt-ch-Gstafrika. vn. Zum Lunch erreichen wir Nairobi. Der Sitz des Gouverneurs von East Africa ist eine, wie alle die Orte von nun an, sehr ausgedehnte junge Anlage von Wellblechbäufern und anch eleganten Wohnhäusern im Tropcnstil. Der Ort ist jung, nicht älter als die Bahn, und ist ur sprünglich nur als Stützpunkt für den Weiterbau an nicht besonders günstigem Platz in einer während der Regenzeit sehr feuchten Talmulde angelegt worden. Eine ältere Handelsniederlassung hat an dieser Stelle nicht bestanden, wie überhaupt die Ugandabahn nicht als Vervollkomm nung eines bestehenden Handelswegs zum Viktoriasee, sondern als groß artig angelegter Versuch zur Ablenkung der durch unser Gebiet führen- den alten Handelsstraßen über Tabora nach Dar cs Salam nnd Äaga- mojo ousznfassen ist. Ich erwähne diese Tatsache in Parenthese an dieser Stelle, weil sie die Notwendigkeit und Dringlichkeit des Ausbaues der deutschen Mittelbahn dartut. Das Vorhandensein der Ugandabahn ist uns einstweilen, wie schon angedeutet, mehr von Nutzen als schädlich; für die Dauer werden wir indessen nur dann Vorteil von jbr haben, wenn wir durch den Bau der Mittelbahn dafür sorgen, daß der Verkehr seinen alten und der Bevölkerung gewohnten Bahnen nicht allzusehr oder gar vollständig entfremdet wird. Haben wir erst die Bahn, w werden beide Konkurrenten, das englische Protektorat wie das deutsche Schutzgebiet, an dem Wachstum des Güterverkehrs und der Gütererzeugung, wie sie bei beguemeren Verkehrswegen für Ostafrika zweifellos zn erwarten sind, unter voller Wahrung des ckir pls> in angemessener Weise teil nehmen. Wenigstens ist dies die Ansicht aller im Land ansässigen Prak- tiler. die ich gesprochen habe. Nairobi gedeiht und bat glänzende Aussichten für die Zukunft. Die Wüstenzone ist mit ihm überwunden. Es fostit der landschaftlich reizvollste Teil der Strecke. Die Bahn steift weiter; sie führt durch in den Busch eingesprengte blühende Pflan zungen, die teils von Europäern, teils von Eingeborenen betrieben werden. Auf den Bahnhöfen werden von europäischen Früchten Aepfel und Erdbeeren, die hier gebaut werden, zum Verkauf angeboten. Beide sind reich an Aroma unv wohlschmeckend; die Aepfel allerdings einst weilen ziemlich teuer. Die ersten Viehherden, meist böckrigcS Massai- Vieh, werden sichtbar. Daneben Schafe und Ziegen. Ueberall kommen Eingeborene, namentlich Frauen mit jubelnden Kindern, aus dem Busch an die Bahnstrecke-sie begrüßen den Zug. Ueberall lugen auch die runden Schilsdächcr von Negcrhutten durch daS dichte Grün. Dies Land hier, Kikuju, ist reich, aber sehr dicht von Eingeborenen bevölkert und in dieser Beziehung eine Insel inmitten deS an Einwohnern armen und darum dem deutschen gegenüber minderwertigen englischen Besitzes. Soll das Gebiet von Kirnzu intensiv, d. h. durch Europäer bewirtschaftet werden, so wird die Landfrage große Schwierigkeiten machen. Die Bahn senkt sich hinter Escarpement in jähem Fall zu einer der tiefen, für die große afrikanische Hochebene charakteristischen Bodensenkungen, dem „Graben". Die Zahlen sind bereits angegeben. Man weiß nicht, was man mehr bewundern soll, die Landschaft oder die Arbeit der Ingenieure, ihren Triumph über die Natur. Durch den ersten dichten Wald geht cs. Ge waltig reckt sich ringsum Baumricse an Baumricse, ragen Zypressen, den heimatlichen verwandte Laubbäumc, ferner Eukalyptus und Euphor- bienarten gen Himmel. Zu ihren Füßen wuchert, als ob cs einander erdrücken wollte, strauchartiges Unterholz, sproßt die wilde Banane, zeigt sich vielfach auch eine buschartige, großblätterige Verwandte unserer heimischen Linde. Unter dem Unterholz wieder machen sich die eigent lichen holzloscu Gewächse breit, Farnkräuter breiten ihre Wedel, groß blütige Winden, NochEchaitcnarten klettern aufwärts. Hoch von den Acsten der Bäume herab senken sich dann, ununterbrochen als eigentliche Beherrscher der Situation, prächtige Schlingpflanzen. Die Intensität des Grüns, die Blütenpracht — leuchtendes Gelb, zartes Lila. Blau und Not — sind unerhört. Dabei ist das Ganze nicht unübersichtlich, alles ist kulissenartig gestellt, gewissermaßen Woge um Woge an den Be- chauer heranbrandcnd wie das Meer. Kanarienfarbcnc Webervögel lottern und zwitschern ringsumher. Man empfindet am Hellen lichte Tage msselbe Gefühl, wie wenn man im Stockfinstcrn auf unbekanntem Boden gehen soll: denn man sieht nirgends auch nur eine Spur Erde und weiß nickt, ob sic einen Fuß oder einen Meter beim nächsten Schritt unter einem liegt. Doch sa, glatt durch diese Undurchdringlichkeit hin durch gebrochen, wie täglich frisch besätet und von jedem Eindringling befreit, liegt dünn, endlos und ohne Vegetation der rostbraune Streifen der Bahnstrecke vor uns. Wir fahren am Rand von Abgründen dahin und hinweg über schäumende Gicßbäcke. Wo der Abhang sich besonders steil senkt, bleibt die Pflanzenwelt plötzlich unter uns; über die Kronen des Urwaldes hinweg öffnet sich ein Durchblick von blendender Schönheit in eine weite, weite Ebene, auf Täler und Höhen. Auf einem Berg gegenüber einem solchen Durchblick Hot sich inmitten all der majestätischen Einsamkeit ein europäischer Far mer angesiedclt; monatelang mag er keinen Weißen sprechen, aber er schwenkt grüßend den Tropenhelm, so oft der Zug drüben vorüberrollt und ihn an seine Beziehungen zur Welt erinnert. Tüchcrschwenken von den Wagcnfenstcrn aus nnd ein Pfiff der Lokomotive, der lustig durch den Wald gellt, geben die Antwort. Hundert Fuß unter uns kreuzt ein fremdes Geleise im spitzesten Winkel unsere Fahrtrichtung. Was soll daß? Ein fremder Schienenstrang? Eine -weite Bahn? Gemach, ge mach; es ist unser eigenes Gleis, dos unS von vorn entgegenkommt. Das Terrain bringt cs mir sich, daß wir auf kleinem Raum scharf nach der Richtung hin, aus der wir kommen, bei starkem Gefälle wenden müssen; die Ingenieure haben ihre Aufgabe durch eine Schleife nach vorne gelöst. Wir sind auf der Sohle des Grabens. Bei Kijabe sehen wir zurück aus die herrliche Gebirgslandschaft auS der wir hcrauskommen. Herde um Herde belebt das Gelände. Bei Sonnenuntergang wird am Horizont eine breite Silberfläche sichtbar. Es ist der Süßwassersee von Naivasha. An seinen Usern betreibt ein Lord Delaware ausgedehnte Viehzüch- tereien; seine Herden stehen auf durch Stacheldraht eingcfriedeten Niesen terrains; Warnungstafeln verbieten die Annäherung von Massaivieh. Der Eingeborene, der sie mißachten wollte, würde des Todes sein; man ist hier somit genötigt, sich mit den allerschärfstcn Mitteln gegen die Ein schleppung der Rinderpest zu sichern. Die Viehseuchen, weit mehr noch als die Tsetse^ deren Verbreitungsgebiete beschränkt sind, sind, wie auch in unserem Schutzgebiete, das Kreuz des Landes; wären sie nicht, so könnte man mit großer Leichtigkeit beliebig viel Viel lediglich auf den Export der Felle hin zückten. Staatssekretär Dcrnburg ist auf dem ganzen Wege von Mombassa bis Port Florence von den englischen Behörden mit der größten Auf merksamkeit und Zuvorkommenheit behandelt worden. Wo Askari stan den, erschien eine Ehrcnkompagnie am Bahnhof; so in Mairobl, wo der Staatssekretär einen Tag Aufenthalt nahm, bei seiner Ankunft wie bei seiner Abreise. Der höchste Zivilbeamte und der Militärkomman- dcur begrüßten den Leiter der amtlichen Kolonialpolitik Deutschlands; das „Heil Dir im Siegerkranz" erklang, wobei alle Häupter sich ent blößten; „Jambo, Askari!" („Guten Tag, Soldaten!") rief der Staats sekretär, „Jambo, Bana Mkuba!" („Guten Tag, großer Herr!") klang es zurück, und die Kompagnie präsentierte das Gewehr. Exzellenz Dern- burg erschien bei diesen Gelegenheiten im Reisekostüm ohne Orden. Vielleicht verdient es Erwähnung, daß die englischen Askari, auch wenn sie in Parade stehen, unbeschnht sind. Das sicht komisch a«S, entspricht aber den Gewohnheiten deS Landes. * Die Eingeborenen der Gebiete, durch die wir fuhren, zu sehen, hatten wir auf den Stationen ausgiebig Gelegenheit. Es ist wie auf den klei nen Stationen in ganz Europa: die Durchfahrt der Züge bildet auch für die Schwarzen, Damen und Herren, ein Ereignis, dem sie auf dem Bahn steig promenierend cntgcgenscben. Keine Bahnsteigsperre beschränkt sie in dem Genüsse dieses Vergnügens. Bis Nairobi unterscheiden sich die Stämme nicht wesentlich von den Schensis der Küste, obgleich jeder ein zelne sein Ehraktcristischcs hat. Wenn die ersten Massais auf der Bild fläche erscheinen, wird die Sache anders. Es sind dürre, häßlich«, waden lose Burschen, deren körperliche Leistungsfähigkeit trotz ihres klapprigen Aussehens, wie ihre Kricgszüge zeigen, gewaltig ist. In ihren Dogen nnd Pfeilen, ihren haarscharfen, gegen die Spitze hin verbreiterten Schwertern unk ihren Lanzen besitzen sie für den Buschkrieg sehr gefähr liche Waffen, die jeder einzelne ständig bei sich trägt. Ich habe hier vielfach empfehlen hören, ihnen, wie allen Stämmen, die diese Waffen führen, Vorderlader und so mel Pulver, als sic nur irgend haben wol len, zu verkaufen, um siezum Verzicht auf die ihnen angestammte Be waffnung zu bringen. Mit den Gewehren könnten sie weit weniger Unfug aurichten. Obgleich es in ihren Bergen, namentlich des NachtS, bitier kalt und auch am Tage, wenigstens in der gegenwärtigen Iah- reszeit, nicht allzu warm ist, sind die Massais in bezng auf Bekleidung
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