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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 08.10.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-10-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19071008017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907100801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907100801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-10
- Tag1907-10-08
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Art.) * Ans das von dem Oberbürgermeister anläßlich des Stapellaufes des Kreuzers „Dresden" an den König gerichtete Huldiguugstelc- gramm ist folgendes Antworttelcgramm cingcgaugcn: Schloß Pillnitz. S. M. der -König haben sich über den glücklichen Stapeltaus des Kreuzers „Dresden" sehr gefreut und lassen Euer Hochwohlgeboren und den mit anwesenden Vertretern seiner Residenzstadt Dresden für den freundlichen Huldigunasgruß allerhöchst seinen herzlichsten Dank aussprcchen. Im Auftrag: von Wilucki, Flügeladjutant. * Der Landtag des Großherzogtums Sachsen- Weimar ist auf den 28. Oktober einberufen. * Graf Nndrassy bestätigte das Verbot der Pest er So- zialistcndcmonstration am Eröffnungstage des Reichstages. (S. Ausl.) Die Eisenbahndirektion Breslau erläßt eine Bekanntmachung über die Betriebsstörungen durch die Resistenz der öster reichischen Eisenbahner. (S. Ausl.) Gin Revirement irn Reich. Kaum ist mit den Herbsttagen der Reichskanzler Fürst Bülow aus seinem langen Sommerurlaub nach Berlin zurückgckchrt, so setzt auch das Revirement in hohen Neichsämtern ein, das alljährlich für die letzten Wochen vor dem Parlamcntdanfang vorhergesagt wird. Diesmal bringr cs freilich, wenn es auf die zunächst vorliegenden Meldungen beschränkt bleibt, keine allzu großen Ueberraschungen. Daß der 75jährige Kaiser liche Statthalter der Reichslande Fürst zu H o h e n l o h e - L a n g c n- bürg beabsichtigt, in den Ruhestand zu treten, war seit Wochen be kannt und trotz der mehrfachen offiziösen Dementis glaubhaft, und daß Herr v. Tschirschky endlich erkennen würde, daß er nicht imstande sein werde, noch eine zweite parlamentarische Saison über als Statist des Auswärtigen Amtes schweigend und duldend auf der Estrade des Bundes- rats im Wallotbau ausznharren, war ebenso gewiß. Beider Rücktritt konnte nur eine Frage des Tages sein. Jetzt meldet ihn die „Nord deutsche Allgemeine", die zuvor so oft zugunsten beider Herren Dementis erließ. Sie weiß aber auch zugleich die neuen Männer zu nennen, d.e nun, der eine Straßburg im Statthalterpalais, der andere in Berlin in der Wilhelmstraße, residieren werden. Der Kaiserliche Botschafter in Wien Graf v. Wedel soll Statthalter von Elsaß-Lothringen werden und an die Stelle des Herrn v. Tschirschky tritt der bisherige Peters burger Botschafter v. Schoen. Damit wird seit 22 Jahren zum ersten Male nicht ein Hohenlohe als Statthalter in den Rcichslanden tätig sein, und die haben sich getäuscht, die schon ganz sicher in dem Erbprinzen Ernst Wilhelm, dem Sohn des bisherigen, den kommenden Statthalter gesehen hatten. Die Zeit der fürstlichen Statthalter ist um. Mit Graf Wedel tritt ein langjähriger erfahrener Diplomat, der zugleich eine reiche militärische Vergangenheit hat, an die Spitze der reichsländischen Verwaltung. Tschirschky aber wird durch einen Mann ersetzt, der schon lange als persona jrrrrti-simn am kaiserlichen Hofe gilt. Kein Sproß aus einem alten Adelsgeschlecht, der Sohn eines hessischen Großindu striellen, ein Bürgerlicher, dem der Adel erst verliehen wurde. Er steht im 56. Lebensjahr, geboren 18-51, hat als Kriegsfreiwilliger den Deutsch- i'ranzösisckien Feldzug mitgemacht, dann in einem hessischen Dragoner regiment gedient und ist 1877 in den diplomatischen Dienst getreten. Nach fünf Attachejahren sahen ihn Athen, Bern. Haag, Paris als Legations sekretär, Kopenhagen und Petersburg als Gesandter und Botschafter, dazwischen war er (1896—1899) Oberhofmarschall am Hose von Koburg und Gotha. Daß Fürst Bülow viel auf ihn hält, bewies die Berufung nach Petersburg. Und daß er einen Tschirschky ersetzen wird, namentlich auch im Parlament, steht zu hoffen, wenn auch die Urteile über ihn weit auseinandergchen. Wir behalten uns vor, auf dieses Revirement noch näher zurückzukommen. Hier aber seien noch die Personalien der anderen kommenden und gehenden Herren vermerkt. Fürst Hermann Ernst zu Hohenlohe-Langenburg wurde am 31. August 1832 geboren, studierte in Berlin die Rechte und trat darauf zuerst in würtlembergische, später in österreichische Militärdienste machte den Feldzug gegen Frankreich in Italien mit, übernahm ein Jahr darauf nach dem Tode seines Vaters die Verwaltung seiner Herrschaft. Den Feldzug von 1870 machte er beim badischen Korps mit, wurde 1871 in den Reichstag gewählt und wurde dessen zeitweiliger zweiter Vize- vräsideni. Eine Wiederwahl lehnte er 1879 ab und zog sich abermals auf die Verwaltung seiner Herrschaft zurück. Als Fürst Chlodwig 1894 den Statthalterposten in Straßburg verließ, den er als Nachfolger Manteuffels seit 1885 innehatte, übernahm Hohenlohe diesen Posten, de« er seither verwaltet hat. Sein Nachfolger Graf Karl v. Wedel ist 1842 in Oldenburg ge boren. Er diente zuerst als Leutnant in der hannoverschen Armee, irat dann nach 1866 in preußische Dienste über, wo er zunächst bis zum Major (1876) avancierte, dann den russisch-türkischen Krieg mitmachte und hierauf bis 1887 Militärattache in Wien war. Nach Deutschland zurückgekehrt, war er Kommandeur des 2. Gardeulanenregiments, dann der I. Gardekavalleriebrigade und 1889 Kommandeur der Leibgendarmerte, tat von 1889 bis 1892 als Flügeladjutant deS Kaisers Dienste und wurde hierauf im diplomatischen Dienst verwendet. Von 1892 bis 1894 war er Gesandter in Stockholm, 1897 bis 1899 wieder Gouverneur von Berlin, dann 1899 bis 1902 Botschafter in Rom, hierauf bis zu seiner jetzigen Berufung auf den Statthalterposten Botschafter in Wien. Der ihn dort ersetzen soll, ist der bisherige Staatssekretär im Auswärtigen Amte Heinrich Leonhard v. Tschirschky und Dögendorff, ein Sachse von Geburt, geboren 1858 in tzosterwitz bei Dresden. Er hat nach dem Besuch deS Vitzthumschen Gymnasiums in Leipzig und Berlin studiert, trat zuerst in den sächsischen Justizdienst, dann in die diplomatische Laufbahn. Sie führte ihn als Attache nach Konstan tinopel, in das Auswärtige Amt und nach Wien. Darauf war er Privotsekretär bei Herbert v. BiSmarck, darauf wieder bei den Gesandt schaften in Wien, Athen, Bern, Konstantinopel, Petersburg. Darauf in Luxemburg und Vertreter der preußischen Negierung bei Mecklenburg und den Hansastädten, begleitete den Kaiser häufig als Vertreter des Auswärtigen Amtes auf seinen Reisen, bis er im vorigen Jahre di« Leitung dieses Amtes als Staatssekretär übernahm. Die Versetzung -es Grotzherzogs Friedrich von Vaden. Gestern vormittag fand die Bcisetzungsfeier für den Großherzog von Vaden in Karlsruhe statt. In der Hofloge der Schloßkirche hatten die Herren und Damen des diplomatischen Korps und die Abgesandten der fremden Fürstlichkeiten Platz genommen, im unteren Raum der Kirche die Oberhof- und Hofchargen, die Mitglieder des Staatsministeriums und die Präsidien des Landtages, auf der Tribüne links hinter dem Altar der Erzbischof von Freiburg mit zwei Domkapitularen, unterhalb der Hofloge das Präsidium des Reichstages; hinter dem Altar stand die Geistlichkeit beider Konfessionen. Punkt 11 Uhr erfolgte die feierliche Einführung der Fürstlichkeiten in die Schloßkirche. Voran schritt der Kaiser, welcher die Groß herzogin Luise führte. Tann folgten der Großherz acg mit der Königin Carola von Sachsen, der Kronvrinz von Schweden mit der neuen Großherzogin von Baden, der König vonSachsen und die Kronprinzessin von Schwe den, der König vonWürttemberg und die Herzogin von Anhalt, Großfürst Nikolaus Michajlowitsch und Prinzessin Max, der Herzog von Connaugth und die Prinzessin Friedrich Karl von Hessen, Erzherzog Leopold Salvator und Herzogin Wera von Württemberg, Prinz Gustav von Schweden und Herzogin Johann Albrecht von Mecklenburg, Prinz Ludwig von Bayern und die Fürstin zu Fürsten berg, Prinz Heinrich der Niederlande und die Fürstin zu Leiningen, Prinz Albert von Belgien und Prinzessin Amelie zu Fürstenberg, der Kronprinz von Rumänien, Prinz Wilhelm von Schweden, Prinz Max, der deutsche Kronprinz, die Großherzöge von Hessen, Sachsen, Olden burg und Mecklenburg-Schwerin, Prinz Heinrich von Preußen, die kaiserlichen Prinzen und andere fürstliche Personen. Vor Beginn der Trauerfeier legten General v. Plessen namens des Kaisers und Fürst Bülow namens des Bundesrates je einen Kranz am Sarge nieder. Nachdem die Herrschaften ihre Plätze rechts und links oom Sarge eingenommen hatten, begann der Gottesdienst mit dem Choral „Was Gott tut, das ist wohlgetan". Geheimrat I). Helbing hielt eine kurze Ansprache. Nach dem Gebet folgte der Choral „Jesus, meine Zuversicht", die feierliche Einsegnung durch v. Helbing und § wieder ein Choral, womit die Feier in der Kirche ihr Ende erreicht t halte. Darauf sand die Ucbcrsührung der Leiche nach dem Mausoleum im Faianengartcn statt. Die Fürstlichkeiten folgten dem Sarge zu Fuß, an der Spitze der Großhcrzog zwischen dem Kaiser und dem Kronprinzen von Schweden, währe, o sich die fürs'l.chcu Damen zu Wagen nach der Grabtapelle begaben. Auf dem Wege zum Mausoleum bildeten die Truppen der Garnison, Verein: und Korporationen Spalier. Während der Ueberführung wurden die Glocken geläutet und ein Trauerjalut gefeuert. In der Grabkapelle hielt I). Hclbiug eine kurze Gedächtnisrede und nahm eine abermalige Einsegnung vor. Segen beschloß die Feier, die gegen -^2 Uhr I beendet war. Der Kaiser hat gegen 4 Uhr nachmittags nach herzlicher Verab schiedung vom Großherzog Karlsruhe verlassen. Auf dem Bahnhofe waren außer dem Großhcrzog erschienen: d:e Gesandten v. Eisendecker und Graf Bcrckheim, sowie die Generale von Hoinrngen und von Reib- nitz. Kurze Zeit darauf erfolgte die Abreise des Kronprinzen. Der König von Württemberg hat Karlsruhe gegen 5 Uhr nachmittags verlassen. Zur Verabschiedung von ihm auf dem Bahnhofe waren der Großherzog und Prinz Max von Baden erschienen. Der König von Sachsen reiste kurz nach 8 Uhr abends ab. Der R eichs- kanzlerist gleichfalls gestern abend abgereist. Freiherr r>. Marschall zur Sehiedsgerrchtsfrage. Am Sonnabend hat Frhr. v. Marschall Deutschlands letztes Wort in der Schiedsgerichlöfrage gesprochen. Nicht für alle Zeiten das letzte Wort, aber für diese, die zweite Konferenz. In seinem Schlußwort hat unser Vertreter in Aussicht gestellt, daß auch seine Regierung ihren Wag, SU dem „edlen Ideal eines allgemeinen und uni versellen Schiedsvertrages" forrsetzcn werde. Nur die Methode wird verworfen, nicht das Zie l. Jene Methode, die vom Schema ausgcht und dann abwarten will, ob die Dinge sich unter das Schema-einstigen lassen. Es ist bemerkenswert, daß gerade von deut scher Seite dem Schematismus widersprochen wird. Macht man doch gerade der inneren Gesetzgebung Deutschlands so oft und jo oft nicht mit Unrecht den Vorwurf des Schematismus. Freilich Herr v. Mar schall ist niemals ein Mann nach dem Herzen der Burcaukratie gewesen. War doch auch seine eigene politische Laufbahn ein Greuel für alle Prinzipienreiter des Befähigungsnachweises wie für eine haßerfüllte Fronde, welche aus persönlichen Gründen es seinerzeit für gut fand, an zubeten, was sie dereinst verbrannt hatte! Was gesagt werden mußte, um Deutschlands Opposition gegen ein Hauptstück der diesjährigen Konferenzberatungen zu rechtfertigen, zu rechtfertigen vor Freund und ehrlichem Feinde, das hat Herr v. Mar- schall gesagt. Gesagt, daß es niemand besser sagen konnte. Wir können unserseits nichts Besseres tun, als den Text der Rede mit geringen Verkürzungen wiederzugeben. Herr v. Marschall sagte: Indem ich das Wort ergreife, um die Beschlüsse des Redaktionskomitees zu bekämpfen, bin ich mir klar darüber, daß ich gegen eine ziemlich starke Strömung schwimme. Ich spreche dabei nicht von einer Strömung, welche diese Beschlüsse trägt, denn ihre Stärke scheint mir recht mäßig, aber ich befinde mich einem in- und außerhalb der Konferenz mehr oder minder verbreiteten Gedanken gegenüber, daß die Konferenz, nach dem sie sieb mit einer Reihe von Fragen des Krieges beschäftigt hat, etwas für den Frieden tun müsse. Die Worte, es müsse etwas getan werden, sind mir in Dingen der Gesetzgebung stets äußerst antipathisch gewesen, und noch mehr fürchte ich ihren Einfluß, wenn eS sich darum handelt, das internationale Recht abzuändern. Die Mehrheit des Komitees hat die Materie als reif angesehen. Ich bin der entgegengesetzten Ansicht und werde nun in voller Freiheit das unverletzliche Recht der Minderheit ausüben: die Kritik. Ich werde dies in der wohlbegründeten Ueberzeugung tun, daß der vorliegende Entwurf weder der Sache des Friedens noch der Institution deS Schiedsgerichts nützlich ist. DaS obligatorische Schiedsgericht ist eine große edle Idee, welche von denjenigen, die sich in den Dienst des Frie dens und der Zivilisation gestellt haben, mit Feuereifer verbreitet wird. Es ist aber auch ein ziemlich verwickeltes Problem sür Staatsmänner und Juristen, welche berufen sind, diese Idee auf das praktische Gebiet zu übertragen und in Paragraphen zu fassen. Außerhalb der Konferenz ist daS Wort obligatorisch eine Art -Lchiboleth für die von großen MenUblichkeitsiseen durchdrungenen Geister geworden. Als Anhänger der obligatorischen Schiedssprechung habe ich dem jüngst abgeschlossenen italienisch-argentinischen Schiedsvertrag lebhaft Beiiall gespendet, und von dem gleichen Standpunkte aus werde ich die Gründe darlegcn, welche den Entwurf des Komitees unannehmbar machen. Das ist kein rednerisches Paradoxon. Nm die obligatorische Schiedssprcchung in die Praxis umzusetzen, gibt es zwei Systeme, das individuelle und das mondiale System. Nach dem ersten System behält sich jeder Staat die individuelle Freiheit vor, seine Kon- trektanten zu wählen, um mit ihnen im allgemeinen oder für besondere Fälle eine Kompromißklausel abzuschließen. Man bestimmt genau, man wählt Angelegenheiten, welche sich für eine Schiedssprechung zu eignen scheinen, man baut auf einem wohlbekannten, wohlgcebneten Grunde und erweitert nach Bedürfnis organisch und fest das Gebäude. Das mondiale System, welches vom Komitee angenommen wurde, verfolgt den entgegengesetzten Weg- man beginnt mit der Aufstellung des denkbar größten Rahmens, nämlich der ganzen Welt, und dann sucht man Mate rial, um den Nahmen auszufüllen. Jeder Staat setzt seinen Namen in eine Rubrik und erfährt später, mit welchen Staaten er für das Schiedsgericht gebunden ist. Eine Wahl der Kontrektanten ist ausge schlossen. Vom juristischen Gesichtspunkte ans ist dieses Schema unangreif bar, aber als Staatsmann muß ich diese Neuerung entschieden be kämpfen. Tas innerste Wesen der Schiedssprechung ist das gute Ein vernehmen. Die Wahl der Kontrektanten auszuschließen und Verträge vermittels eines starren Schemas abzuschließen, heißt den idealen Kern, welcher in der Schiedssprechung liegt, zerstören. So dann erörterte Freiherr von Marschall die ersten Artikel des Entwurfes über den obligatorischen allgemeinen Welt schiedsvertrag, welche auf „juridische" Fragen Anwendung finden sollen. Man habe dadurch „politische" Angelegenheiten ausschließen wollen. Eine solche Abgrenzung zwischen den beiden Worten vorzunehmen, sei in einem Weltocrtragc unmöglich, es gäbe rein juridische Materien, welche im Augenblicke des Zwistes politisch werden. Die Klausel, daß jeder Teil selbst über die Ausnahmen entscheidet, welche er geltend machen will, verkleistert ein wenig dieses Nebel, aber es tritt das andere Nebel zutage: daß keine Verpflichtung mehr besteht. So werden zwei Artikel ausgearbeitet, welche zwischen den äußersten Polen der Verpflichtung und des freien Ermessens bin und herschwan ken, und diese Bestimmungen will man der Welt als das sicherste Mittet zur Regelung internationaler Streitigkeiten empfehlen. Meine Einbildungskraft ist durchaus nicht imstande, sich einen Streitfall betreffend die Verträge über den Tonnenyehalt der Schiffe, betreffend Maße und Gewichte oder die Hinterlassenschaften verstorbener Matrosen auszumalen. Die ernsteste Aufmerksamkeit jedoch verlangen andere Punkte, z. B. der Arbeiterschutz. Der Schiedsspruch kann da Abänderung der diesbezüglichen Geietzgeibnng eines Staates fordern. Kein Parlament wird in gesetzgeberischen Angelegenheiten di« künftigen unbekannten, von der Exekutivgewalt gewählten Schiedsrichter als Kon kurrenten annehmcn wollen. Der Artikel des Entwurfs sagt, daß der Schiedsspruch interpreta tiven Wert haben werde. Nun, die nationalen Gerichte werden die Interpretation nur dann als authentisch annehmen, wenn das Urteil Gesetzeskraft hat. Es handelt sich da um das Ansehen der nationalen Gerichtsbarkeit. Was die Bestimmung über die Vertragskündigung anlange, so wird jeder Staat im Wege der Kündigung die Anwendung des Vertrages ans die Staaten seiner Wahl beschränken können. Es ist aber ein großer Unter- schied zwischen dem Nichtabschluß eines besonderen Vertrages und der Kündigung eines gllgemeinen feierlich auf einer Friedenskonferenz ab geschlossenen Schiedsvertraaes. Tas wäre, um mich maßvoll auszu- drücken, ein wenig freundlicher Akt. Der Entwurf bat den in gesetzgeberischen Ange legenheiten und in Vertragsangelegenheiten schlimmsten Fehler: er macht Versprechungen, welche er nicht erfüllen kann, er nennt sich obligatorisch und ist es nicht, er rühmtsich, einen Fortschritt zu be deuten und ist eS keineswegs, er gibt vor, ein wirk- samcs Mittel zur Regelunainternationaler Strei tigkeiten zu sein, und in Wirklichkeit bereichert er unser internationales Recht mit einer Reihe schwer zu lösender Probleme. Deutschland bat auf der Grundlage des individuellen Systems obligatorische Schiedsverträge in allgemeiner Form und für besondere Angelegenheiten abgeschlossen. Es wird diesen Weg auch in Zukunft gehen. Wenn wir aus dem Haag nicht daS Instrument eines internatio nalen Vertrages mitbringen, so werden wir unseren Regierungen eine Arbeit vorlegen, die ihnen helfen wird, in voller Kenntnis der Sach lage ihren Weg zu dem edlen Ideal des allgemeinen und universellen Schiedsvertrages fortzusehen. Es ist wahr, daß die von mir befür wortete Methode weniger glänzend sein wird. Mer wir können unS mit dem Bewußtsein trösten, daß wir auf sicherer Straße gehen, und daß unsere selbstlose Arbeit der großen Sache dienen wird, welche uns allen teuer und gemeinsam ist. Zur Reform des Zivilprozetzrechts. Wir geben im folgenden eine Uebersicht über die hauptsächlichsten Vorschläge, die nach den Veröffentlichungen im „Reichsanzetger" der Gc- setzentwun zur Reform des Zivilprozeßrechtes enthalten soll. Ta der Entwurf sich in seiner äußeren Form als eine Novelle zu dem GerichtsversasfungSgesetze, der Zivilprozeßordnung, dem Gerichtskosteu- gesetz und der Gebührenordnung für Rechtsanwälte darstellt und nach der GesetzcStechnik nicht anders sich darstellen kann, liegt es in der Natur der Same, daß die einzelnen Bestimmungen nur verständlich werden, wenn man die sonstigen Vorschriften jener Gesetze z-ur Vergleichung heranzieht. Das amtliche Blatt gibt für das größere Publikum eine Uebersicht über die wichtigeren Vorschläge des Entwurfs. Entsprechend der von feiten der Regierung bei der zweiten Lesung des Justizetats im Reichstag am 20. Februar d. I. abgegebenen Er klärung beschränkt sich die in Aussicht genommene Reform in der Haupt sache auf die Umgestaltung deS amtsgerichtlicheu Verfahrens und auf die Erhöhung der amtsgerichtlichen Zuständigkeit, sie geht über diesen Rahmen nur in einzelnen Punkten hinaus. — Für die Ab- grenzung der amtsgerichtlichen Zuständigkeit kommt in Betracht, daß einerseits die Vorteile, die die Neiorm des Verfahrens den Parteien bieten will, einem möglichst weiten Kreise der rechtsuchendcn Bevölkerung gesichert werden sollen, anderseits aber an eine durchgreifende Aenderung in der Organisation der Gerichte zurzeit jedenfalls nicht gedacht werden kann. Deshalb wird eine Erhöhung der amtsgerichtlichen Zuständigkeit von 300 auf 800 ^l vorgeschlagen (Art. 1 Nr. 1j. Durch diese Kompetenzverschiebung soll auch einer weiteren Neberlastung der höheren (Berichte vorgebeugt, der jetzige Bestand der Gerichtshöfe aber nicht in Frage gestellt werden. Die Zahl der Obcr- landesgerichte wird nach der Begründung nicht veränderter werden, vor- aussichtlich auch nicht die Zahl der Landgerichte. Die Zahl der Stellen an diesen Gerichten wird etwas verringert werden können, die Zahl der Richtcrstellen an den Amtsgerichten aber eine Vermehrung erfahren. Das Verfahren vor den Amtsgerichten soll vor allem dadurch beschleunigt und verbilligt werden, daß nach dem Vorgänge des Gewerbcgerichtsgesetzcs und des Gesetzes über die Kauf- mannsgerichte au Stelle deS Parteibetriebes der Amtsbetrieb dis zum
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