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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 11.10.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-10-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19071011012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907101101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907101101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-10
- Tag1907-10-11
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BezugS-Prei- itr Lrt-zia und vor»«« durch miier« kr««er und Sprditru« in« Hau» ««bracht: Lutgab« 4 (nur morgen») vtertrtjthrlich 3 M. m»-aMch l M. Autaabe S (morgen« und abend«) viertel, jährlich 4.50 M.. monailich 1.50 M. Durch dl« P»k bezogen (2 mal täglich) innerhalb Deutlchland« und der dcullchen Kolonien vie«eljthrlich 5,25 M., monatlich 1,75 M autschl. Pop- beftellgeld iür Oesterreich 9 X 66 d. Ungarn 8 L vte«eljLhrlich. ilbonnement^lnnabm«. Augustusvlatz 8 bei unle«n rrtaeru, Filialen, Spediteuren und Lnnahmestellen^ jowi« Postämtern und Die einzelne Stummer kostet ist sttfg. birdaktion »nd «rpedittou: Johamlisgaste 8. Lelevhvn Rr. 14682, Sir. 14683. «r. I46S4. iverliuer Siedaktiou« Dürr au: verlin tiW. 7 Pr^n; Soui« Ferdinand- Ktraste 1. Telephon I, Str. 9275. Morgen-Ausgabe Z. KWigerTagMM Handelszeitung. Amtsvlatt des Rates und -es Nolizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Anzeige«-Preis B« Iujerate au« Leipzig und Umgebung di« 8geipalten« Petttzeile 25 Pi., ftnanzielle Nnzeigea 80 Pt., SieNamrn IM; vm> au«wikt, SV Pf., Steklamca 1.20 M »omUu««audS0Pl., stnanz. «n,eigen75Pj. SieNameu 1.50 M. glljerate». vchärde» im amtlichen Dell 40 Pi Betlogegebübr 5 M. p. Lausend exkl. Posl- aebühr. Uieichästganzeigen an bevorzugter Stelle im Preti« erhäht. üiabatl nach Tar>« geftrrtetltr «usträge kbnnen nicht zurüll- gezogen werden. Für da« Sricheruen an bestimmten La^u uud Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen. Annahme: Augustu«pla, 8 bei limtlichen Filialen u. allen Annoncen« Atzpedttwnen de« In« und «u»laudr«. Haupt-Filiale verlt». Aarl Duack- . Herzogl. Bahr. Hosbuch. Handlung, Lützowstraße 10. tDelephon VI, Str. 46M). Freitag 11. Oktober 1907. 101. Jahrgang. Das Wichtigste vom Tage. * Der russischen Regierung wurde als Nachfolger des Botschafters Schoen der bisherige preußische Gesandte in München Graf von PourtaleS vorgeschlagen. * In der gestrigen Sitzung des Bundesrats wurde dem Ausschußbericht über den Zollverwaltungskosten- Etat für Luxemburg zugestimmt. * Die Fortsetzung des Hochverratsprozesses Lieb knecht ist auf Sonnabend 11 Uhr vertagt worden. sS. Ber.j * Die Nachrichten über das Befinden Kaiser Franz Josefs lauten sehr günstig. lS. Ausl, und Letzte Dep.j ' Ein Besuch des Königs von Spanien in Wien steht nahe bevor. * Der Schah von Persien hat die endgültige Ver fassung unterzeichnet. * In Schweden finden.starke Rüstungen für einen Krieg mit Norwegen statt. lS. Ausl.s Die Jivilpvozesznovelle. i. An der Zivilprozeßordnung ist seit ihrem Inkrafttreten an. 1. Ok tober 1879 nicht allzuviel geändert worden. Durch das Neiaisgesetz vom UO. April 1886 wurde ein Schönheitsfehler im Arrestoersahrcn beseitigt. Durch das Rejchsgesetz vom 17. Mai 1898 wurden viele Einzelheiten geändert. An den Grundfesten des Gesetzes wurde aber nicht gerührt. In der Hauptsache stellte man den Einklang zwischen dem neuen bürger- lichen Rechte und den Verfahrensvorschriften her. Nur beiher benutzte man diese Gelegenheit, um hie und da auch sonst die bessernde Hand an das Gesetz zu legen. Jetzt wird ein Entwurf vorgelegt, der in unser ganzes Rechtsleben lief einschneidet: Prnzeßordnung, Gerichlsver- lassungsgesetz, Kosten- und Gebührenwesen werden in wichtigen Teilen davon betroffen. Nicht ganz dreißig Jahre sind die abzuändernden Gesetze in Geltung. Man tragt sich, ob die Ze..en sich so sehr wandelten oder ob die Gesetze von Haus aus so schwere Mängel zeigten, daß die Umarbeitung geboten erscheint. Von Haus aus ist unsere deutsche Prozeßordnung wirklich nicht schlecht. Die Reichsjustizkommissivn hat seinerzeit hervorragend Tüchtiges geleistet. Die Mitwelt sollte es den Männern wie v. Ams- berg, Lasker usw. noch heute Dank wissen, daß sie dem Vaterlande einen Rechtsgang schufen, der dem wirklichen Rechte zur Verwirklichung Hilst, einen Rechtsgang, der ungleich besser ist als der Wohl aller Kultur länder, England und Frankreich nicht ausgenommen. Frankreich, das lange unser Vorbild war, ist in eine gewisse Stagnation geraten; es ist satt; seine Gesetze bedürfen längst einer modernen Umbildung: die puristische Geistesarbeit der letzten Jahrzehnte gibt es für Frankreich noch nicht. An einer Uebcrschätzung der englischen Zustände leidet .er Kontinent seit langem. Uns bestechen die Erfolge der Engländer auf dem Erdbälle. Wir suchen gänzlich zu Unrecht die Ursache dafür in irgendwelchen Maßnahmen und Einrichtungen des Jnselreiches. Seit langem hat aber der Engländer erkannt, daß nicht Maßnahmen sondern Männer den Erfolg verbürgen. Trotz seiner rückständigen Staats einrichtungen nimmt England den breitesten Platz an der Sonne ein. Als seine Verfassung als das Ideal der Freiheit bewundert wurde, übten dort wenige Großgrundbesitzer eine Oligarchenherrichaft. Jetzt preist man die englische Erziehung als vorbildlich und übersieht, daß nur wenige sozial bevorzugte Jünglinge in Harrow on Hill und Eton zu Gentlemen erzogen werden, während in den breiten Massen das Analphabetentum wuchert. In seinen Grundlinien durchgreifender Justizreform preist Adickes die englischen Rechtszustände. Nach eng lischem Vorbilde sollen nach Adickes Meinung auch in Deutschland wenige Richter in hervorragender Stellung wirken: dadurch soll die richterliche Autorität dann von selber wachsen. Jnhulsen, v. Levieski und andere haben uns ein Bild von den englischen Rechtszuständen ge geben, das von Adickes Ideal sehr erheblich abwcicht. In England selbst ist man, wie mit vielen veralteten Einrichtungen, so insbesondere mit der Gerichtsverfassung und dem Rechtsgange, nicht mehr recht zufrieden. Die Mittel, womit dort an Richterpersonal gespart und dem rechtsuchcn- den Publikum das Prozessieren verleidet wird, halten vor unseren fest ländischen Anschauungen nicht recht stand. Darüber herrscht jetzt Klar heit, daß wir durch Kopierung des englischen Justizwesens uns nicht den Weg zur Völkergröße bahnen. Um den uns zustehenden Platz an der Sonne zu erringen, müssen wir tüchtige Männer wachsen lassen und Schiffe bauen. Am jüngsten sind die österreichischen Justizgesetze. Die Juris- oiktionsnorm und die Zivilprozeßordnung des Kaisertums datie . vom 1. August 1895. Der Vater dieser Gesetze ist der frühere Sektions chef, jetzige Justizminister Klein, wohl der glänzendste Stern am Himmel der Justizwelt um die Wende des Jahrhunderts. Er hat es verstanden, den Geist dieser Gesetze in die Praxis einzupeitschen. Mit Recht rühmt sich jetzt Oesterreich diesseits der Leitha, daß es den schnellsten Rechts gang des Abend- und Morgenlandes habe. Nun soll Friedrich der Große gesagt haben, daß er weniger eine prompte, als eine gottgefällige Justiz haben wolle. Der große König hat damit gewiß recht. Wenn die Gerichte schleunig arbeiten und dabei Fehlsprüche in Masse fabri- zieren, wird die DolkSwohlfahrt nicht gefördert. Es dient der Sache der Gerechtigkeit anderseits auch schlecht, wenn der soziale Notstand, den ein Prozeß nach KleinS Worten darstellt, erst in den Zustand deS chronischen Leiden- übergeleitel und dann nur in Hängen und Würgen über Jahr und Tag geheilt wird. Für die jetzige Prozeßgesetzgebung find nicht so sehr hervorgetretene Mängel als finanzielle Erwägungen von Bedeutung. Der Finanz- reserent im preußischen Justizministerium ist darum der Vater der Vorlage. Auf eine Prozeßbeschleunigung hätte man ohnc Gesetzes änderung hinwirken können. Die vor einiger Zeit vielberusene Prozeß verschleppung war so arg nicht. Die Justizverwaltung ist niraends Ueberschußverwaltung: st« erfordert allerwärts Zuschüsse. Unser Wirt- 'chastSleben hat sich in den letzten Jahrzehnten gewaltig entwickelt. Die Bevölkerung ist gewachsen. Mit Naturnotwendigkeit mußte die Geschäfts last bei den Gerichten zunehmen. Ihr entsprechend mußte das Per- jonal vermehrt werden. Der persönlich« Aufwand verschlang von Jahr zu Jahr größere Summen. Man suchte auf alle Weise zu sparen. Man griff zu den Mitteln, die man im Erwerbsleben Lehrlingszüchterei und Lohndrückerei nennt. Man stellte keine etatmäßigen Beamten an; statt der ordentlichen Richter ließ man Unmassen von Assessoren bei geringem Lohne als Hilfsrichtcr arbeiten; in den Kollegien erfand man den Toppelvorsitz, wobei der minderbesoldete Landrichter, Landgerichtsrat oder Oberlandesgerichtsrat an Stelle des höherbeloldeten Landgerichts direktors oder Senatspräsidentcn fungierte: die mittleren Beamten ließ man in niedrigen Gehaltsstaffeln alt und grau werden und stellte große Mengen von jungen Leuten ein, die dann als „Nemuneraten" schlechter bezahlt wurden wie gleichaltrige Kopisten, aber doch Expedienten geschäfte verrichteten. So hat man in unweiser Sparsamkeit nach und nach einen kleinen Notstand geschaffen. Abhilfe mußte werden. Jetzt wird sie mit dem neuen Gesetze geschaffen. Es soll noch im einzelnen betrachtet werden. Es enthält manches Nützliche. Wenn man aber die Personalpolitik der Justizverwaltung mit ihren leidigen Folgen >ns Auge faxt, so muß man bei der Durcharbeitung des Gesetzentwurfs an den Doktor Eisenbart denken, der die Zahnschmerzen heilt: Er schoß ihn raus mit dem Pistol. O, Gott, wie war dem Mann so wohl! Die Veränderungen in der Ersten Ranrincr. Die Erste Kammer des sächsischen Landtages erfährt zu Beginn vieler Session größere Veränderungen, als solcke sonst in der Regel ein treten. An sich ist die Zusammensetzung dieser Kammer e ne ziemlich merkwürdige. Die Zabl der Mitglieder 'st nämlich kerne sestüehende. Den jeweiligen Vertretern der Stanvesberrschasten, Rittergutsbesitzer, Slärterc., insgesamt 46, treten noch die volljährigen Prnnen des königlichen Hauses hinru Gegenwärtig kommt nur ein Prinz, Johann Georg, in Betracht. Die Kammer zählt also 47 Mitglieder. In den letzten Jalren König Alberis waren es aber drei Prirnen: Georg, Friedrich August und Jolrann Georg. Damals batte also die Erste Kammer 49 Mitglieder. Wenn daher ein Dresdner Blatt von der „verfassungsmäßigen" Zahl von 47 Mitgliedern lpijcht, so befindet er sich in einem Irrtum. Von den vorerwähnten 46 Kammermitgliedern sind nun ll Vertreter von ver schiedenen Siandesherrschasten und Stuien, ferner Inhaber von geist lichen Stellen, Vertreter der Universität Leipzig rc. Weitere 12 Ab geordnete weiden den Ri' er.ulvl'.si^e n ec. gewillt. Sodann gibt eS 8 Vertreter von Städten, und zwar sind Dresden und Leip.ig verfassungsmäßig vertreten, während die übrigen sechs Städte der König bestimm!. Als Regel bat sich hierbei berausgcbildet, daß Bautzen, Ebeiunitz, Plauen und Zwickau ver reten sind und die zwei anderen Städte wech'estr; doch hat auch hienn der König völlig freie Vertilgung. Vom König zu ernennen sind 12 Rittergutsbesitzer, lowic 5 nach freier Wahl auf Lebenszeit ernannte Mitglieder. Erledigt waren gegenwärtig fünf Mandate, nämlich durch Ableben das Mandat des Kammerherrn v. Earlowitz auf Kte ndchsa. Es ist das ein Wahlmanoat der Rittergutsbesitzer in der Ober lausitz. Weiter sind erledigt durch Ableben die Sitze des Domherrn Trützschler, Frhrn. zum Falkenstcin, sowie des vormaligen StaatS- MinisterS v. Nostitz-Wallwitz, ferner durch Mandatsniederlegung die des einstigen langjährigen Kammerpräsidenten Grafen v. Könneriy und des Geheimrat« Dr. Georgi. Alle vier Sitze find durch den König zu besetzen. An die Stelle des Domherrn Tiützsckler und de« Grasen Könnentz, die vom König erwählte Rittergutsbesitzer waren, sink (wie schon mitaeleilt) ernannt worden Kammerherr Burgk in Schönfeld und Kommerzienrat Höock in Hütten bei Königstein, während an Stelle des ehemaligen Ministers v. Nostitz-Wallwitz der Minister de« Kgl. Hauses v. Metzsch und an die Stelle de« Gcbeunrats Dr. Georgi der Leipziger Handelskammer präsident Zwciniger treten werden. Zum Schluß feien noch einige Daten über das neue Leipziger Mit glied der Ersten Kammer mitgeteilt: Gustav Zweiniger, geboren am 31. Januar 1841, widmete sich dem Kauimannsstande und ist fest langen Jahren Teilhaber der 1850 begründeten Firma F. E. Gottlieb, Garn- und Kommifsionsgefchäft. In der Oesfcntlichkeit betätigte er sich al« Stadtverordneter, namentlich aber durch seine Vertretung der Interessen des Hanvelsstandes. Seit dem 17. Oktober gekört er der Leipziger Handelskammer an, die ihn nach dem Ausscheiden Thiemes am 4. Juni 1896 zu ihren Präsidenten wählte. Delegiert zum Deuifchen Hanresistage, ist er gegenwärtig als 3. Vorsitzender im Vorstande desselben. Besondere Verdienste hat er sich um die Begründung der im April 1898 eröffneten Leipziger HanvelShochschule erworben; sem Interesse kür dieieS Institut läßt sich daran erkennen, daß er noch gegenwärtig Vorsitzender res Senats der Handelshochschule ist. Vom König Albert wurde er 1898 ausgezeichnet durch die Ver leihung des Albrechtsordens I. Klaffe, sowie res Kommerzienratstitels, und König Georg ernannte ihn bei einem Besuche in Leipzig znm Geh. Kommerzienrat. Unser König hat diesen Auszeichnungen nun die Berufung in die I. Kammer hinzugesiigt. Politisch ist Zweiniger, der der nationalliberalen Richtung angehört, wenig hervorgetrelen. Er ist aber zweifellos Vertreter des freien Handels und der industriellen Interessen. Abdul Aziz in Rabat. Der schcrifischen Majestät haftet noch immer ein gewisses Nomaden tum an. Hieß doch einst das Volk in Afrikas Nordwest in der griechisch- römischen Welt „Numidier", Nomaden. Auch heute sind die Wohnsitze der Bevölkerung außerhalb der Industriestadt Fez und der Handels plätze noch nicht so ganz fest geworden: die Viehzucht überwiegt den Ackerbau auf dem zukunftsreichen Fruchtboden, und der Besitz des Vieh züchters läßt sich so leicht durch das Recht des Stärkeren verbessern. Ein großer Teil der alltäglichen Stammeskriege ist durch die mangel haften geographischen Kenntnisse verirrter Kamele verschuldet und durch die Abneigung der Finder, die zugelaufenen Tiere im Wochenblättchen zu annoncieren. Auch die scherifische Majestät klebt nicht <m der Scholle. Sie hat nich" bloß aus den Zeiten des Toppelreiches her zwei Hauptstädte: Fez und Marokko Marrakesch!, sondern liebt cs, ihr Hoflager oft monate lang an andere Orte zu verlegen, wie unsere frühmittelalterlichen Könige von Pfalz zu Pfalz zogen. Heute ist es ja ein freudiges Er- eignis für die ganze Stadt, wenn Kaiser Wilhelm längere Zeit in Wies baden, in Straßburg, künftig einmal in Posen Hof hält: der Fremden zufluß bringt riesige Gelder in die beglückten Ortschaften. Aber wir wissen au- unserer Geschichte, daß alles Unglück der letzten Salier am letzten Ende von der Heinriche Vorliebe für den schönen Harz herrührte, weil das schlimme Sachsenvolk nicht so „bis in die Knochen monarchisch" war, daß es die Ehre, den deutschen König in seiner Mitte zu bergen, nach Gebühr zu schätzen wußte, vielmehr nach Philisterart an den Kosten des ihm zur Last fallenden Hofhaltes der Herren vom anderen Stamm kerumrechnete und mäkelte. In Marokko liegen die Verhältnisse noch heute ähnlich, und die Roboter würden gewiß nicht gerade blutige Tränen vergießen, wenn den bei seinem Eintritte vorschriftsmäßig be jubelten Sultan plötzlich die Laune anwandelte, das Pfefferland zu bereisen. Die Tageschronik Pflegt die Reisen der marokkanischen „Macht haber" sonst nicht als Weltereigirisse ersten Ranges zu behandeln und mit derselben Genauigkeit zu registrieren, wie etwa König Eduards Stationen. Diesmal ist's anders, und an Rabat haften wirklich einmal die Augen der Welt. Hat sich doch Marokko seit drei Jahren die Ehr« erobert, als „Wetterwinkew den Balkanländern gefährliche Konkurrenz ru machen. Und die Nabatfahrt ist unter ganz besonderen Sternen von- statten gegangen: Marokko hat wieder zwei Sultane statt einen, und aus dem Boden des Landes hat der Europäer festen Fuß gefaßt. Das sind zwei gewitterschwangere Wolken, die sich über dem Wetter winkel zusammengeballt haben. Drohend für das Land, dessen Unab hängigkeit, dessen Existenz aufs schwerste bedroht ist. Aber auch keine Freude für Europa. „Europa ist kein Begriff, ist keine Partei. Gerade w.r dürfen gar nicht leugnen, daß wir ein fürchterliches Losbrechen des Wetters über das Haupt der Eindringlinge on sich gar nicht ungern lehen würden. Gewiß nicht, wenn wir die Sicherheit hätten, daß der tötende Blitz wirklich die Eindringlinge treffen wird, und nicht das für seine Existenz zitternde Volk, mit dem wir vor Jahren sympathi sieren gelernt haben, dem gegenüber wir bis zu einem gewissen Grade Ver pflichtungen eingegangen sind. Verpflichtungen, Versprechungen, die sich in einem Kaiserwort verdichtet haben. Natürlich durften wir nicht Frankreich in den Arm fallen, als es seine Aktion in Eaiablanca begann. Jenes „Europa", welches nicht in un serem Lager steht, und welches Deutschland so gern am Zeuoe flickt, hätte das in den schwärzesten Farben als ein« Unterstützung -er am Fraiizo'eiimord schuldigen Pöbelrotten ausaelegt. Aber wir haben das unbestreitbare völkerrechtliche und moralische Recht, Frankreich heute zu befragen, wann es Casablanca wieder zu räumen ge- denkt. Was geschehen ist, war nur eine Strafexvedition und hat keine unwiderruflichen Tatsachen geschaffen. Frankreichs Waffenehre ist bis beute in keiner Werse engagiert. Frankreich kann noch mit vollen Ehren aus Casablanca zurück. Aber Frankreichs politische Ehre ist für dielen Rückzug engagiert, festgelegt durch den feierlichen Ver trag, den es vor Jahresfrist mit den Mächten Europas nach langem Hader abgeschlossen hat. Ganz besonders erscheint es Deutschland gegen über gebunden, dessen Herrscher sein Kaiserwort in Tanger für die In tegrität Marokkos eingesetzt hat. Deutschland, das eine Ze't sehr wohl- begründete Rechte auf eine eigene Einflußsphäre gerade bei Casablanca geltend machte, und dessen Landeskindern man ihr Hab und Gut beim Bombardement zerschossen hat. Frankreich muß Casablanca wieder räumen in absehbarer Zeit. Sultan Abdul Aziz fordert eine solche Zusage. Der Sultan ist in einer ungemein schwierigen Lage. Ein Geoensultan ist gegen ihn aufgestanden, fein eigener Bruder, in der zweiten Landeshauptstadt, während im Osten des Landes noch immer, schon seit einer ganzen Reihe von Jahren, der Prätendent in Waisen steht. Freilich scheint es ein elendes Gewächs zu sein, dieser „Roghi", dieser „Vater der Eselin" lBu Hamaras. Eine Puppe Frankreichs, die an der Strippe des Landesseindes gegängelt wird. Aber im Norden steht noch Rai'uli ungebändigt, wenn auch zurzeit weniger einflußreich, Raisuli, die Reinkultur des marokkanischen Patriotismus. Die größte Gefahr droht gegenwärtig von Muley Hafid. Zwar schützt Abdul Aziz der Schild der Legitimität, und keine Macht hat es gewagt, mit dem Geschöpf der Revolution in Verhandlungen einzutreten. Der bedränaie legitime Sultan sieht sich aber eben durch diese Erhebung genötigt, sich an die Franzosen anzulehncn, deren Freundschaft ihm ohnehin trotz alles natürlichen Haffes begehrenswerter wird, je mehr ihm die Hoffnungen aus einen wirksamen Schutz von einer anderen Seite schwinden, auf die er einen Augenblick rechnen zu dürfen sich schmeichelte. Aber je enger er sich mit den Franzosen zusammenschließt, um so drohender wird die Gefahr, daß der Abfall des eigenen Volkes sich vergrößert, daß jeder, in dessen Adern noch ein Tropfen echten Marokranerblutes rollt, zu dem nationalen Muley Hafid übertritt. In dieier Zwickmühle steht Abdul Aziz in Rabat. Er m u ß Casa blanca zurückkordern. will er nicht den Makel des Schwächlings, de« Verräters au» sich laden. Und Frankreich muß sich entscheiden. Es frommt kein Mnndspitzen mehr, es will gepfiffen sein. Mit dem blauen Bändchen der Ehrenlegion, das Herr Regnault dem Sultan nmgchängt hat, ist kein Casablanca zu bezahlen. Deutscher Reich. Letvrtg, 11 Oktober. * Der vlbmger Kaiser Wilbrlm - GedLchtniStnrm. Vorgestern nachmittag 3 Uhr begab sich der Kaiser mit Gefolge nach dem Kaiser Wilhelm-Gcdäcktnisplav in Elbing, wo ihm die Entwürfe für den dort zu erbauencen Kaiser Wilhelm-GedächtniSturm vorgelegt wurden Die Zustimmung des Kaisers fand der Entwurf deS Geheimrats Messel Der Turm soll eine Erinnerung sein an die Flucht des jungen Prinzen mit seiner Mutter nach Mcmrl, bei welcher Gelegenheit er an diesem Platz vorübergekommen ist. * Infanterie und Maschinengcwehrabtcilung. Eine bedeutsame Neuerung, die von allergrößter Bedeutung zu werden verspricht, ist am 1. Oktober in der Armee probeweise zur Einführung gelangt. Es bandeli sich nämlich um eine Kombination von Infanterie und Maschinengewekr- abteilung, die versuchsweise bei dem jetzt neu nach Bromkerg verfehlen Infanterieregiment Nr. 118 vorgenommen wuroe. Diese Maschinen- gewehrabteilung unterscheidet sich von den bereits bestehenven dadurch, raß sie nur über 4 Geschütze verfügt, die vom Bock aus gefahren werten, während die bestehenden Maschinengewchrabteilunaen 6 Geschütze bake» und vom Sattel aus gefahren werden. Da die Mittel dazu noch nickt bewilligt sind, wurde das Personal lediglich aus kommandierte» Offi zieren unv Mannschaften zusammengesetzt. Der Führer ist demgemäß auch nicht ein Hauptmann, sondern ein Oberleutnant. * Tas Koalition-recht »er Beamte« tn Preußen. Ein Erlaß des EiienbahnnlinisterS über die Gründung eines Verbandes der köderen technischen Verwaltungsbeamten batte m Bedenken Anlaß gegeben, weil dadurch die Koalitionsfreiheit der Beamten illusorisch werde Die „Nordd. Allg. Zta." sucht letzt den Minister zu rechtfertigen. Es seien an sich gegen den Zusammenschluß der höheren Techniker zu einem StaneeSverein Bedenken nicht zu erheben. Im vorliegenden Falle jedock hatte man die Ueberzeugung gewonnen, daß es dem Verbände in erster Reibe daraus ankommt, durch Entfaltung einer weitgebenden Agitation bisher nicht erfüllte Forderungen der höheren technischen Beamten gegenüber der StaatSeiienbabnverwaltung durch- zusetzen, wobei eine Verschärfung de- Gegensatzes zwischen den einzelnen
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