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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 18.10.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-10-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19071018019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907101801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907101801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-10
- Tag1907-10-18
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Vezugs-Vrei» Du tt»»l»« «»»»er l-ftet W ,»d«rtt»» »»» «rpedttt»»: JohEil-Lstk 8. ria»m> «r. I4SSL, «r. 14»» «r. 14SS4. Vrrltxr Nr^GkUvLD VmeEßmr Derltn UV. / «rt»» Loui» gerdisand. «trat» 1. L«l«p--»^ Rr.MS. Morgen-Ausgabe 8. WWM.TagMlL Handclszeitnng. Amlovtatt des Rates im- des Rottzeiamkes der Ltadt Leipzig. L»zeige»-PreiS «»»»«4»» 30 Ps., Reklamen 1 M.; — -u»w4rl» M W., «ella-en 1.» M. „»«u«l-»dS0^,st»«^L^ki,eu 75 Ps. I-ser-t» ,. Veb4rd«i t» «mUNche» Le» 40 P' Vella,«,e«»r S M. ». Dau,end exN. Pcü aebühr. AejchLft^nuetgen an bevor,ugi^r Stelle im Preise erhitzt. Rabatt „ach Tara. gestertrUte »ufttSa« ttnnen aicht »urütt- ,»»,«» werte». Kür da, «rscheinni an i«ßt»u»t«» D-aea »nb Plätzen wird keine Saraati« iibernommen. Si^et,»». Lnnahnu! Uaa»ftutvla» 8 ^sämtlichen Mlial« Tüllen «nn'cen- «rpeditionen de«. Ja. und »u,landet S—tzt -Sllial« «erlt» »arl »aackr , H«r»o,l. vatzr. Hofruch. Handlung Lützowftratze 10. clelephoa VI. Rr. 4S0S> Nr. 28S. Freitag 18. Oktober 1907. M Jahrgang. Da» wichtigste vom Tage. * De« sächsischen Landtag ist alsbald nach der Eröff nung der Etat -ugegangen. lS. Art.) * Der schwedische Kriegsminister leugnet, daß die schwedischen Rüstungen gegen Norwegen gerichtet seien. (S. AuSl.) * Der Kronprinz von Japan wurde mit großem Pomp m diorea empfangen. lS. Ausl.) Dev sächsische Etat. Der Etat ist gestern dem Landtage zugegangen. Der ordentliche Etat balanziert in Einnahmen und Ausgaben mit jährlich 344 864 639 .0, d. h. mit 26 794 970 .<l pro Jahr mehr, als in der Finanzperiodc 1906/07. In materieller Beziehung ist hervorzuheben, daß der gesamte augenblickliche Etat unter dem Zeichen einer erheblichen Steigerung der persönlichen Ausgaben steht. Seit der letzten allgemeinen Neuregelung der Besoldungen im Jahre 1892 ist eine so allgemeine Verteuerung der Lebenshaltung aller Stände eingetreten, daß die Regierung trotz der in zwischen erfolgten Neuordnung der Besoldungsverhältnisse einer Anzahl einzelner Beamtengruppen und trotz der vom 1. Januar 1904 ab wirk- samen Einführung von Wohnungsgeldzuschüssen vor die Erwägung der Frage gestellt war, ob es nicht an der Zeit sei, eine Neuordnung der Ge hälter aller Beamten vorzunehmen. Wenn zunächst noch davon Ab stand genommen worden ist, das gesamte Besoldungswcsen einer Neu regelung zu unterziehen, so ist dies nach den Erläuterungen zum Etat darauf zurückznführen, daß es unmöglich erschien, auch noch die hierfür nötigen Summen neben den Mitteln zu beschaffen, die zur Deckung des Staatsbedarfes an sächlichen Ausgaben einschließlich derjenigen für Bauten aufzubringen sein werden. Die Anforderungen unabweisbarer Natur, die VÜn allen Ressorts an die Staatskasse erhoben worden sind, sind so außerordentlich hoch, daß vir Reform des gesau-leu Bcsoldungs- wesetiS noch verschoben werden muß. Um jedoch für die Zwischenzeit eine Erleichterung und Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Beamten herbeizuführen, hat sich die Re gierung entschlossen, eine Anzahl von Maßregeln vorzuschlagen, die die Staatskasse für die Finanzperiode 1908/09 mit einem Mehraufwand von jährlich über 7 Millionen Mark, für die späteren Perioden noch höher belasten werden. Es ist durch die Etateinstellung in Aussicht genommen, die Wohnungsgeldzuschüsse durchgängig zu verdoppeln und auch sonst die Vorschriften darüber günstiger zu gestalten, das D i e n st- altersstufensystem allgemein durchzuführen, die Besoldung der Lehrer an den höheren Lehranstalten, der Aufsichtsbeamten und der Lehrer an den Volksschulen, der Lehrer an der Turnlehrerbildungo- anstalt und den Taubstummenanstalten und einer größeren Anzahl von Beamten, insbesondere der untersten Kategorie, wie Packer, Portiers, Bahnwärter, Straßenwärter, Pfleger und Pflegerinnen bei der Landes- anstatt u. a. m. aufzubessern, auch sonst eine Anzahl aus besonderen Gründen dringlicher Erhöhvngen von Gehältern vorzunehmen, und die Gehälter der Diener, sowie die Dienstverhältnisse der bei Staatsbehörden beschäftigten Maschinenschreiberinnen, Stenographinnen, Telepho nistinnen neu zu regeln. Außerdem sind bei verschiedenen Verwaltungen vor allem im Ge schäftsbereich der Ministerien der Justiz und des Innern, sowie bei der Staatsbahnverwaltung in größerem Umfange Stellenvermehrun- gen vorgesehen. Der Betrag der im ordentlichen Etat angeforderten WohnuvgSgeldzuschüsse beziffert sich auf jährlich 6 624 484 ^l, also etwa JA Millionen Mark mehr als im vorigen Etat. Der Mehraufwand von Besoldungen beziffert sich im ganzen auf 4 841 295 ^l, so daß an Besol- düngen und Wohnungsgeldzuschüssen der Beamten ein Jahresaufwand von 8810543 eingestellt ist. Nach Maßgabe der Einstellungen de- ziffert sich der Mehrbetrag, der den Beamten infolge der allgemeinen Durchführnng deS Dienstalterssystems in der Etatsperiode 1908/09 tat sächlich zufließt, auf jährlich 1M8080 ^l. Neben diesem Mehraufwand an persönlichen Ausgaben ist im Etat eine neue sächliche Ausgabe vorgesehen, deren Einstellung den Ansprüchen, die die Pflege von Kun st nvd Wissenschaft an den Staat stellen, Genüge leistet und der Erfüllung von Kultur aufgaben, darunter der Befriedigung der Bedürfnisse deS Schul- und Fürsorgeerziehungswesens, sowie deS Lohneinkommens der Arbeiter tn den Staatsbetrieben, dienen sollen. Es ist ferner eine Erhöhung der Mittel zur Gewährung von Wegebau-Unterstützungen und der Beihilfe zur Regulierung von Flußbauten, sowie der UnterhaltnngSbeiträge an landwirtschaftlichen, gewerblichen und Han delsschulen in Aussicht genommen. Die Universität Leipzig figuriert im Etat mit jährlich 593260 Einnahmen und einem Zuschuß von 3047901 d. h. jährlich mehr 544146 Der Bedarf für staatliche neue Erweiterung». und Umbau 1 eu, für deren innere Ausstattung und für de» Ankauf vo» Grundstücken zu Zwecken der Staatsverwaltung ist i» den ordentlichen Etat ausgenommen worden, mit Ausnahme einer größeren Anzahl Auf wendungen der bezeichneten Art, die sich im Geschäftsbereich der StaatS- eisenbahnverwaltung notwendig machen. Alle Ausgaben zu Eisenbahn zwecken, die dem ordentlich«» Etat zuzuweisen find, iu diesen eivzustelle«, hat sich noch nicht erreichen lassen. Immerhin ist S möglich gewesen, «inen größeren Betrag an einmaligen Ausgaben zu Zwecken der Eisen- bahnoerwältung auS ordentliche» Mitteln zu decken, als in» Etat 1906/07 geschehe», während sich allerdings der diesmal dem außerordentliche» Etat znzuweisende Betrag höher als im vorige» Etat stellt, aämlich auf 30 417 800 4. Der durchschnittlich« LilguagSsatz der Staatsschuld, die sich Ende d«S Jahre» 1907 ohne Berücksichtigung der noch nicht begebe nen Recteuauleihe» des Gesetzes vom 4. Juli 1902 im Betrage von 100 Millionen Mark a»f 917765160 belaufen wird, wird in» vor liegende» Etat auf 1Z8 Prozent festgesetzt. Do» inS Auge gefaßte Ziel, die Tilgungsquote für die gesamt« Staatsschuld oder doch wenigstens /4> für den zu Eisenbahnzwecken aufgenommenen Teil auf 1,5 zu bringen, ist ebensowenig wie 1906/07 erreicht worden. In der Belastung der Bundesstaaten mit ungedeckten Matrikularbeiträgen ist trotz des Zustandekommens der ReichSfinanzreform von 1906 keine Besserung, sondern eine Verschlechte, rung eingetreten. Die in den allgemeinen Erörterungen zum Etat 1906/07 ausgesprochene Hoffnung, daß die finanziellen Beziebungen der Bundesstaaten zum Reich unter Umständen sich schon in der Periode 1906/07 günstiger gestalten würden, hat sich nicht bestätigt. In den außerordentlichen Staatshaushaltsetat sind 30 417300 .4s eingestellt worden, die ausschließlich auf die Staatseisenbahnen entfallen. Darunter befinden sich für Her- stellungen an den bereits bestehenden Eisenbahnen 25 087 300 für Eisenbahnnenbauten einschließlich der bereits bestehen, den Linien 5 330 000 .<l. Die Ausgabereservate beim außerordentlichen StaatshaushaltSetat werden sich Ende des Jahres 1907 auf etwa 3S Millionen Mark belaufen. Diese Summen und der Betrag von 30 417.300 F, den der außerordentliche Etat für die Finanzperiode 1908/09 aufweist, insgesamt also 69117 300 bedürfen der Deckung. Für den Umbau der Leipziger Bahnhöfe wird im außer ordentlichen Etat die vierte Rate mit 5 465 000 Mark gefordert und folgendermaßen begründet: Die für den Umbau der Leipziger Bahnhöfe erforderliche Gesamtsumme ist auf 49 500 000 Mark zu veranschlagen. Davon sind bis jetzt 29150 000 Mark beansprucht worden. Von dieser Summe werden bis Ende 1907 voraussichtlich rund 28 852 000 Mark lieferbar sein, so daß noch ein Betrag von 300 000 Mark verfüg bar bleiben wird. Von den 7 Bauabschnitten, in die der Umbau der Leipziger Bahn höfe zerfällt, werden in der Hauptsache vollendet sein: der Rangier lahnhof Engelsdorf mit Verbindungsbahn nach Schönefeld, Bahnhof Plagwitz-Lindenau nebst Verbindungsbahn nach Großzschocher, Bahnhof Gaschwitz und die Verbindung von Engelsdorf nach Stötteritz und die Umbauten an der Verbindungsbahn Leipzig—Hof. Außer den Ab schnitten I und V sind die Bauten noch im Gange. In den Abschnitten Personenbahnhof und Giiterbabnhos sind di« Erdgeschoß- und Oberbau arbeiten sertiggestellt worden. Die Anträge waren, den Personenverkehr der Leipzig-Dresdner Linien und der Leipzig-Geithain-Chemnitzer Linien nmzulegen, ferner den Platz für den Güterbahnhof nach dem Leipzig- Geithainer Bahnhof. Die in der Finanzperiode 1908/09 auf diesen Bauabschnitt auSzu- siihr:nde« Besten sollen hauptscchlich da,u diene», r.nnmehr entsprechend den n»it Preußen getroffenen Vereinbarungen den Bauplatz zu den preußischen Bahnhöfen freizulegen und die Einführung der sächsischen Linien nach dem neuen Empfangsgebäude vvrzubereiten. Hierbei han- delt es-sich für die Finanzperiode 1908/09 um völlige Fortführung der Erd-, Schleusen- und Oberbaueinrichtungen, Fertigstellung des Güter bahnhofes durch Ausführung der übrigen Verwaltungsgebäude und Getreidespeicher, und ferner um die Vollendung des Verwaltungs gebäudes I an der Brandenburger Straße. Außer diesen im Haupt anschlag vorgesehenen Herstellungen wird sich noch die Erbauung einer kleinen Betriebswerkstätte für Wagenreparaturen nötig machen. In die Finanzperiode 1908/09 fällt endlich die I n a n g r i f f n a h m e des neuen Empfangsgebäudes, des Querbahnsteiges, der Bahnsteig anlagen und der Bahnsteighalle, soweit die Anlagen für die Eröffnung auf dem ersten Teil des neuen Bahnhofes im Jahre 1910 gebraucht werden. Zum Grunderwerb kommt der Ankauf derjenigen städtischen Flächen in Betracht, die zum neuen Empfangsgebäude erforderlich sind, und die Uebernahmr des preußischen Areals, das vertragsgemäß an Sachsen überzugehen hat. Die Bauarbeiten an der Linie Leipzig- Dresden sollen auf der Strecke von Station 25 bis 38 zum Abschluß kommen. Es schien geboten, zwischen den Hauptgleisen der Linien Leipzig—Hof und Leipzig—Dresden eine Verbindungskurve herzustellen. Durch diese ist die Möglichkeit gegeben, Züge der Leipzig—Dresdner Linie, die entweder nach der Magdeburger oder Thüringer Linie durch- gehen sollen, ohne Ueberkreuzung weiterer sächsischer Gleise sowohl auf preußische Gleisseite als auf die unmittelbar neben den preußischen Gleisen gelegenen sächsischen Gleise zu bringen. Der Gesamtbedarf für die in der Finanzperiode vorzunehmenden Bauten beziffert sich hiernach auf 5 763 000 .E. Nach Abzug des im Ein- gang erwähnten, noch zur Verfügung stehenden Betrages von 300 000^1 ist daher eine vierte Rate von 5 465 000 .11 in den Etat einzustellen. Am Anschluß hieran gedenkt der Etat noch deS Wettbewerbes, der zur Erlangung vonEntwürfenfürdaSneueEmpfangs- gebäude eingeleitet worden ist. Hierbei hat sich gezeigt, daß das Ge bäude für den im Hauptanschlag von 1903 vorgesehenen Betrag nicht herzustellen sein wird. Der Mehraufwand wird sich indes erst nach Fertigstellung der in Arbeit befindlichen Zeichnungen genau beziffern lassen. Ferner hat sich bei der weiteren Ausarbeitung der Pläne für den Hauptbahnhof herauSgestellt, daß für eine Beschleunigung und Er leichterung des UebergangsverkehrS -wischen den sächsischen und preußi schen Anlagen noch mehr gesorgt werden möchte. Die Verhandlungen -wischen Sachsen und Preußen sind darüber noch nicht abgeschlossen. Obwohl hierfür allenthalben Mehraufwendungen entstehen wer den und die in der letzten Zeit gestiegenen Löhne und Materialpreise die Kosten der »och auszuführenden Bauten beeinflussen müssen, wird doch die in dem Hauptanschlag vom November 1903 berechnete Gesamtsumme vo« 49hß Millionen voraussichtlich nicht überschritten werden, da nach dem derzeitigen Stande die Abrechnungen von einem Minderaufwand von rund 2^ Millionen Mark bei de» fertigen Ausführungen berechnet werde». Arrs -en Anliffen -es EifenbnhnerstVeik». fyon unserem Londoner L.-Aorrrfpoadenten.) ES ist das gemeinsame Unglück aller Eisenbahnstreiks, daß sie als eme Art teuflicher Erfindung zum Umsturz nicht nur deS Staates, son- der» schlecht»« jeglicher Menschenrechte hingestellt werden. Nirgends ia alle» mit Streiks geseaaetea Ländern der mir bekannten Erde, habe ich aber derartige Konterfeis der Streitlustigen zu sehen bekommen, wie gegenwärtig in der englischen, von der Sozialistensurcht besessenen Presse. Weder in den großen französischen Streiks, noch in Italien, wo der passive Widerstand der Eisenbahner erfunden wurde, in keinem von diesen beiden HeimatSländern öeS Rentenbürgers und des Pfaffen tums gab eS jemals eine derart uuhailige Verunglimpfung eines Berufs- stände-, dessen unter steter Gefahr dargeboten: Dienste alle Welt ge- dankenloS annimmt, und gegen den eigentlich niemand etwas ciazuwende» hat, solange die Gemütlichkeit «richt gestört wird. lische Ausgeburten geschildert, damit man der cuge flicken kann, falls sie einschreiten rsird angen, ist etwas, das in allen übrigen Jn- t und sich überall, am meisten im Bergbau, In Amerika Pflegte das Publikum für die Straiker und gegen die Gesellschaften Partei zu nehmen, zum mindesten aber mit gutem Humor die unumgänglichen Leiden des Streikzustandes in den Kauf zu nehmen Auch in England steht das Publikum zu der Streikfrage so; die in allen angelsächsischen Ländern zum Volksgeist gehörige leidenschaftliche Teilnahme für den von Uebermächten Gedrückten, der „Kamvf zeigt", flammt auch jetzt wieder auf. Ganz abgesehen von den Schädigungen, die der kommerziellen Welt im Streikfalle drohen, steht doch auch diese, wenn nicht den Streikern sympathisch, so doch den Eisenbahnern nicht un sympathisch gegenüber. Der Personenverkehr auf den großen Durchstrccken einiger Bahnen ist ja ganz gut in Ordnung, aber auch teuer. Bei allen übrigen hat man sich die Errungenschaften der letzten 25 Jahre noch !'icht zunutze zu machen verstanden. Es gibt z. B. nur auf zwei Zügen im Anschluß an den kontinentalen Verkehr im Winter geheizte Wagen; der Korridor- wagen ist nur in den Luxuszügen zu finden, obwohl dem Preise nach alle englischen Züge Luxuszüge sind; und der Speisewagen verkehrt nur in zwei anderen Zügen, aus ganz kurzeStrecken, und ist auch nur fürMillio- näre erlchwingbar. Daß die Bahnen wissen, was nottut, geht daraus her vor. daß sie im Anschluß an die großen transatlantischen Dampfer söge- nannte „Amerikazüge" fahren, die mit allem Komfort ausgestattet sind; die Iankees würden sich nicht bieten lassen, was der geduldige John Bull in keinem Phlegma hinnimmt. Bei allen diesen Unterlassungssünden haben die Eisenbahnen ein enormes Kapital aufaehäuft, auf das sie keine oder geringe Dividenden zahlen; ihre Aktien sind in einem seit Jahr und Tag andauernden Entwertungsprozeß begriffen; alle Versuche, welche die Aktionäre mit Hilfe amerikanischer Eisenbahnexperlen gemaast haben,, neue Betriebsmethoden durchzusetzen, sind von den wenigen Großaktionären, die das Heft in Händen haben, stets abgeschlagen wor den, obwohl der erste Eisenbahnsachmann des Landes, Sir Charles Gibb, bei der Great Northern gezeigt hat, daß eine leichte Modernisierung der Betriebsführung sich glänzend bezahlt macht. Als nationales Güter- bewegungsinstitut versagen die Bahnen immer mehr, vor allen Dingen wieder, weil cs am regsamen modernen Geiste fehlt. Die Mehrzahl der englischen Güterzüge ist noch aus Fünftonnenwagen mit Handbremsen zusammengesetzt; keine englische Bahn besitzt einen Einheitstarif; alle Frachten werden noch von jeder Station nach jeder Station berechnet. Alle Frachten sind vor allen Dingen übermäßig hoch. Könnte eine Re vision der Frachten nach unten durchgesetzt werden, so würde es über haupt keinen Protektionismus mehr geben. Mr. Lloyd George, der Präsident des Handelsamtes, hat unter der lebhaftesten Zustimmung der ganzen englischen Reederei anerkannt, daß hier eine große Aufgabe des srcihändlerischen Liberalismus liegt, und er hat eine Kommission mit den Vorarbeiten zur Klärung aller Eisenbahnprobleme behufs gesetz geberischer Aktion betraut. Eine freiheitliche und großnationale Eilen- bahnpolitik ist ein Gladstonesches Vermächtnis an die herrschende Partei. Von der sozialfürsorglichen Seite betrachtet, sind die Eisenbahnen ihren Angestellten praktisch alles schuldig geblieben. Bei sehr schwerem und vielstündigem Dienst — 12 Dienststunden für Lokomotivführer sind durchaus keine Ausnahme —. bei sehr rücksichtsloser Kritik der körper lichen Leistungsfähigkeit der Beamten sind die Lohn- und Besoldungs verhältnisse, vor allen Dingen aber die Pensionsverhältnisse schandbar schlecht. Gerade die angestrengtesten Beamten werben erst mit 25 bis 28 Diensijahren pensionssähig, bei früherer Untauglichkeit aber einfach auf die Straße gesetzt. Sechzig- bis siebzigjährige Lokomotivführer trifft man häufig auf den wichtigsten Expreßzugen. Sicherlich tragen diese Zustände außerordentlich viel zu den zahllosen schweren Eisenbahn unfällen bei, unter denen England fast noch mehr als die amerikanische Union zu leiden hat. Trotz alledem ist die Agitation der Eisenbahner bisher in durchaus bescheidenen Schranken geblieben. Gerade die Eisenbabnervereine haben bislang dem Eindringen des Sozialismus in das Gewerkschaftswesen den erfolgreichsten Widerstand geleistet. Der Führer der Eisenbahner, Mr. Bell, M. P., bat erst in diesem Sommer, den von Keir Hardie für den extrem-sozialistischen Flügel der Labour Party unternommenen Ver such, die Mitglieder der Amalgamated Society of Railway Servants und ihre Parlamentarier einzufangen, mit heroischen, persönlichen Anstren- gungen zurückgesihlagen. Und dies war die erste positive Schlappe de? Sozialismus. Es ist also ganz ungerechtfertigt, wenn die konservative» Blätter die Eisenbahnerbewegnng mit dem Radikalsozialismus in eine» Topf werfen. Der „Standard", der früher ein vornehmes Blatt war, geht sogar so weit, aus der angeblichen Eigenschaft der Eisenbahner a>s Sozialisten auch noch die Folgerung zu ziehen, „daß sie Atheisten, Ver herrliche! des Diebstahls und auf die Abschaffung des den Frauen von der Moral zugebilligten Schutzes bedacht sind". Dabei haben die Eisen- bahner erst vor 5 Jahren gestreikt, nm sich einen Sonntagvormitlag- Gottesdienst zu sichern? Nein, die Eisenbahner werden als Sozialisten und die Sozialisten als hö liberalen Regierung am 5 Was die Eisenbahner ver dustrien bereits erreicht il „ . bewährt bat, wo seitdem Friede herrscht, und kontinuierliche Arbeit a» Stelle der ewigen Streiks getreten ist: Die Anerkennung der Gewerk- schaftsorganisatron zum Zwecke des friedlich-schiedlichen Nebeneinander- lebens. Die Regierung wird nicht dulden, daß wegen dieser Frage der nationale Verkehr zum Stillstand kommt. Wie vor 5 Jahren die kon servative Regierung brutal abgelehnt hat, sich als Schiedsgericht zu kon- stituieren, so werden die Liberalen die Gelegenheit mit Freude ergreifen. Die im Jahre 1811 von Peel-Gladstone geschaffene und seitdem nie wider rufene Bestimmung besteht noch zu Recht, wonach gegen den 25fachen JahreSertrag die Bahnen mit einmonatiger Kündigung vom Staate über, nommen werden können; das würde heute ziemlich billig werden. Tie Regierung braucht aber mit diesem großen Revolver gar nicht zu droben. Die Eisenbahnen sind ganz willig, sich den Schiedsspruch der Regierung gefallen zu lassen. Denn sie erinnern sich, daß schon einmal sogar ein konservativer Board of Trade sich anschickte, „die Eisenbahnen mit drasti schen Mitteln zur Vernunft zu bringen". Das war erst im Jahre 1893, als der zwangsweisen Eisenbahntarifreform von den Gesellschaften da durch obstruiert wurde, daß sie auf alle Artikel ohne Ausnahme die höchsten für die betreffenden Warenklassen gesetzlich zulässigen Tarife zur Anwendung brauten. Damals kam die Railway and Canal Traffic 1964 zustande. In dieser wurde ei» „Gericht der Eisenbahnkommission" ge- schaffen, vor dem jeder Verfrachter sich über Frachterhöhungen beschweren kann, die seit dem 1. Januar 1903 vorgenommen worden sind. Die Last der Rechtfertigung liegt dann bei den Bahnen. Die Situation von 19' 3 stellt also im englischen Frachtenwesen praktisch den Höchststandard dar. Seitdem sind aber die Betriebskosten der Bahnen außerordentlich ge- stiegen. Sie verlangen daher ihre Zustimmung zu einem Schieds gericht, das sicher die Anerkennung der Gewerkvereine anordnen und damit im weiteren Verlause Lohnerhöhungen, gesteigerte Pensionslasten usw. bringen wird, eine Gegengabe. Diese Komvrnsation soll in einer Erhöhung der Maximalgrenz« für Frachten bestehen. Der Einfluß der Eisenbahnen im Parlament ist w daß die Negierung nur zu wollen braucht, um eine überwältigend« Mehrheit für die Aenderung des Akr von 1893 zu erzielen. Tesdaib lasten die Ei'enbahncn es auf den Streik ankommen, ja, sie treiben daraufhin. Sie könnten sich aber in der Re gierung doch sehr täuschen. Tariferhöhungen stehen nicht im liberalen Programm. Der Handelsstand würde den Liberalismus bei den nächst, jährigen Dahlen in Grund und Boden stimmen, ließe er sich in dieser Falle fangen!
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