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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 21.10.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-10-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19071021014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907102101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907102101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-10
- Tag1907-10-21
- Monat1907-10
- Jahr1907
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Stt. 292. 10L. Aahra. gegen gesckxhcn wäre. In einem Falle ist sogar eine Bewohnersche' von mehreren Tausend Seelen durch Anwendung von Zwangsmitteln »um Islam „bekehrt" worden. Das ökumenische Patriarchat sieht die Loge für so bedenklich an, bah es den Metropoliten befiehlt, in den Kirchen bekannt zu geben, daß Eltern, die Töchter, Nichten, Kusinen usw., seien sie nun minder- oder volliährig, in muselmanischen Hausern dienen lassen, den ,'lüchriguugen der Kirche anheimsallen füllen. Das Patriarchat ersucht ferner seine Schutzbefohlenen, nicht nur in muscl- manischen Familien nicht zu verkehren, sondern cs auch zu vermeiden in der Nähe von solchen zu wohnen. Man muh sich eigentlich wundern, dah in der europäischen Presse nur immer von der Lage der Juden in Rußland viel Aufhebens gemacht, der Christen im ottomanischen Reiche, die es kaum besser haben, aber fast niemals gedacht wird. Deutsches Reich. Leipzig, 2l. Oktober. * Bülows Heimkehr. In einem Handschrciben, daö am Sonnabend in rer Reichskanzlei eiutvas, teilt Fürir Bülow m t, dah er «eine Heim reise am Dienstag nachmittag oder spätestens am Mittwoch vormittag anzulieten gedenke, um hier bald alle seine Geschäfte wieder zu über nehmen. * Tie Wirberwahl »es Grh. RaiS Tr. Meünnt zum Präsidenten der Zw-it-n Kammer wiro vou oem offiziellen Organ der kvnselvaiiven Partei, vem „B-aierlanr" dahin gedeutet, als fei sie „eine demonstrative siu.id tebuna veS Vertrauens gegenüber rcn bekannten Angriffen, vir in rcn letzten Monaten aeaen die Person veS Kammerpräsidenten ge>ichtet waren". Für wie politisch n>>o muß daS „Vaterland" seine Leser buten, w . n cS ihnen ein folches Urteil zu bieten wag». Der konjerva- r ven Fraktion lommt atü der stärksten im Landtag selbstverständlich die Be'etzuiig der Präsidrntenstelle zu, und eS entspricht alter Gewohnheit, dabei einfach Deaselben Mann wieder zu wählen, der die'e Stelle biS- ber inne batte. In di.ter Wiederwahl eines Präsidentin, der als Präsident oer Kammer sich bi währt hat, darüber b nauS eine Bernauensiundgebung für seine parteipolitische Täiigkeit als Führer dcr Konseroat ven ,u srhen — das ist eine geradezu beispiellose Perdrehung des Sachverhaltes bei dieser rein parla'.nentaruchcn Aktion, nnv wir iinv übrr.engi. daß eS Herrn Mehnerl ftlbit nur höchst peinlich berühren tann, rve" n seine Wicreiwabl >n dieser nniulälsigen parleipolitiichen Art auSgenutzt w rd. Er wird eS sicherlich auch höchst peinlich empfind.o, wenn einzelne Blatter bemüht sind, es so darzustelien, als habe der König die Wiederwahl MehnertS zum Präsidenien ebenfalls in diesem paric'politiichen Sinne gedeutet und Mehnerk dazu gratuliert. Denn aus diele Weise wird des Königs Person in ganz unzulässiger Weise in die p a r t e i p o l i t i f ch e D > S k uf sion einbezogen. Mögen jene Blätter fo gelchmacklos sein, dies zu tun — Herr Mehnerl lebst wird dIefe Ausnutzung dcr Perlon des Königs zu seinen Gunsten hoffentlich recht bald öffentlich tadeln, um auch nicht einen Augenblick d e Permntung bestehen zu lassen, als stände er derartigen, einem mo narchisch loyal Denkendem Mann ganz unmöglichen ZerlungS- manöoer nicht fern. * Die Fahrgeschwindigkeit der Panzerkreuzer. Tas gute Probe- fahrtsergebnis des bei Blohm L Boß in Hamburg gebauten Panzer kreuzers „Scharnhorst", dcr auf der Abnahmefahrt 24,1 Seemeilen lief, ist hoch erfreulich. Der erste, vor zehn Jahren erbaute Panzerkreuzer, „Fürst Bismarck", besitzt nur eine Fahrgeschwindigkeit von l8,7 See meilen. Mit jedem seitdem gebauten Schiffe dieses Typs ist ein Steige rung der Leistungen eingetreten. „Prinz Heinrich" brachte es auf 20 See meilen, „Prinz Adalbert" und „Friedrich Karl" erreichten 20,5 See meilen, „Nom" nnd „Aorck" 21 und 21,4; „Scharnhorst" hat jetzt mit 24,1 Seemeilen einen großen Schritt vorwärts gemacht. Er ist der siebente der deutschen Panzerkreuzer und besitzt eine Maschinenkraft, die mehr denn doppelt so groß ist als die des „Fürst Bismarck". Mit dec von „Scharnhorst" erzielten Fahrgeschwindigkeit ist diejenige Höhe er- reicht, die als Mindestmaß für alle in Zukunft zu bauenden, noch größeren Panzerkreuzer angesehen werden muß, wenn wir im Kricgsschiffsbau vor wärts wollen. * Zur Kolb-Frauk-Affäre vcröffentl cht der Reichs- nno LauktagS- abgeorencte Dr. Ludwig Frank folgende Erklärung: „Nach meiner An sicht steht die Bedeutung der Beerdigungsaffäre in teinem Verhältnisse ru vem von vielen Serien gemachten Aufwand von Worten und Ent rüstung. Ich selbst beteilige mich nicht an der öffentlichen DiSku'sion, weil ick zur weiteren Aufbauschung der Sache nicht beitragen will. Diesen Standpunkt zu verlassen, breten mir auch eie nnrichligeu und verletz-nden Bemerkungen des Genossen Bebel keinen Grund." * Soziale Fortbildungskurse. Aus Hagen i. W. wird uns geschrieben: Am letzten Sonnabend wurde der soziale Fortbildungs kursus der naiionalliberalen Partei im Beisein rer Parteileiiung er öffnet. Die Teilnehmer — es sind zehr zahlreiche Meldungen ein- elauien — gehören zumeist dem Mittelstände und der Arbeiterschaft a -. Dcr Kur'uS ist auch speziell daran, zugelchnilien und trägt einen durchaus anderen Chara'ter, wie die bislang im Westen des Vater- lrnceS abgehaltcnen derartigen Veranstaltungen. Der Bochumer Kursus ging nach seiner Anlage wohl am weitesten. Da der Kursus sich auf drei Monate erstreckte, so mußten die Teil nehmer selbstverständlich ihren bisherigen Berus für die>e Zeit uuierbrech.-!'. Das wird nicht allerorten möglich lein. Auch der Un erricht war nicht nur politisch, sondern erstreckte sich auf die Elemcntarfächer unserer Schulen. Ter Kölner Kursus unserer Partei, der vor kurzem erfolgreich beendet wurde, bot eine Unterrichts zeit von einer Woche und befaßte sich dementsprechend nur mit polililchen Lehifächern. Auch er erforderte eine Unterbrechung der Berufsarbeit. Der Hagener Kursus vermeidet diele Unterbrechung: der Unterricht wird nur an Sonnabendabenden und an Sonnlagvormittagen erteilt. Der Unterricht wiro etwa bis Weihnachten durchgeiührk und soll den Teil nehmern folgende Gebiete in gemeinverständlicher Weise behandeln : l. Abriß der preußisch-ocuischen Verfassung und ih ec Geschichte; 2. We>eu und Ziele der Sozialdemokratie; 3. des Reiches Wi,t wafts-, Webr- und Sozialpolitik; 4 politische Geschichte. Dieser Kursus ist als eine Art UnterkursnS ge dacht, IN dem vor allem geeignete Kräfte auSgeivcht und berangebiivet werden tollen, d e Intelligenz und Befähigung zur weileien nutzbringen den Fortbildung besitzen. Da die sämtlichen Vorträge als Abriß heft- wei'e im Druck erscheinen, so glaubt die Hagener Parteileitung damit weiten Kreisen der Parteifreunde Material für ähnliche Kuise bieten zu können. Nach B envigung res KurstiS lollen die bisherigen Ersah,ungen eben alls den Parteifreunden bekannt gegeben werden. Auskunft erteilt vie Geschäftsstelle der nationallibcral-n Partei Hagen i. W., Bahn hofstraße 33». « " Eine ncne politische Organisation dcr Polen empfiehlt der Abg. Napieralski in dcr „Praca". Tie bisherigen Organisationen, wie das Zentrolwahlkvinitee, genügten nicht für die Entscheidung über wichtig« Frogeu von allgemeiner Bedeutung. Für die neue Vertretung des Poleu- tums solle vorläufig an dem Modus des Wahlkomitccs fcstgehalten wer den. Tie Parochialvereinc sollen Delegiert: zu einem politischen KreiS- komitee wählen, welches wieder nach Verhältnis der abgegebenen Stim men Vertreter zu einem allgemeinen Parteitage ernennt. Nehme man an, daß auf je 5000 abgegebene polnische Stimmen ein Telegierter für den allgemeinen Parteitag entfallen würde, dann setzte sich die politische Repräsentation aus 100 Bürgern zusammen. Zähle man hierzu alle Abgeordneten des Reichstages und des Abgeordnetenhauses, so würden 150 Männer heranskommen, zu denen man das Vertrauen haben könnte, daß sie gewissenhaft und verständig die Angelegenheiten der Gemeinschaft lenken werden. Von einer so zusammengesetzten Repräsentation könnte man mit Recht gute Tinge erwarten. Herr Napieralski hat dabei freilich nicht berücksichtigt, daß der von ihm vorgeschlagene „Parteitag" di» antideutsche Agitation, aus die es ihm doch vor allem ankommt, schwer lich in einer so systematischen und dcr Lesfentlichkeit so wenig auffallen, den Weise besorgen kann, wie sie jetzt von dem Mareinkowski-Verein und anderen Vereinigungen betrieben wird. Leipziger Tageblatt. Ausland. Oesl errcich-Ungarn. * p. Dschtrschktz in Wien. v. Tjchillchky und Bögenboiss äußert« sich dem Berliner Korreivondenten der „Neuen Fielen Presse" gegenüber folgendermaßen: „Es wird meiner Amtstätigkeit sehr zustatten kommen, daß ich auf rin festes Einvernehmen mit Frhrn. v. Aehrrnthal rechnen darf, init dem ich schon in Petersburg zusammrngrwirkt labe. Dieter hat mich letzt anläßlich meiner Ernennung in einem ganz be ton rrS liebenswürdigen Schreiben beglückwünscht, in kein er mir »in Zulammen, wirken im Sinne des deutsch-österreichischen Bündnisses in NuSsi.1t stellt. Ich komme alS überzeugter Anhänger Dieses Bündnisses uns reS TieibunDes nach Wien. Hier iverse rcli als Vertreter der deutschen Interessen leben, als treuer Freund Oesterreich-Ungarns und als Beobachter der dortigen Vorgänge. Aber ich werde niemals auch nur im rntseintesten daran denken, ebensowenig wie einer meiner Vorgänger jemals daran gedacht hat, mich in lic inneren Ver hältnisse Oesterreich-Ungarns einznmischen.' * Stegen Minister Forscht, ihren eigenen Landsmann, rennen jetzt die Tschechen an. Dir tschechischen Agrarier und Klerikalen verlangen sein« Entfernung. Die Jungtjchechen treten an Den Ministerpräsidenten wieder m t ihrer Politik der Forderungen deran. Wenn Diese nicht erfüllt werden, wollen sie gegen den Ausgleich stimmen, was die Stellung Der tschechischen Minister unmöglich machen würde. Die Entscheidung über das Verbleiben der tschechiichen Minister wird Mittwoch in einer Versammlung der tschechischen Abgeordneten fallen. Wahrscheinlich scheidet Forscht aus und wird durch PaSak als Handel-Minister er'etzt, an dessen Stelle der Agrarier Vraschek LanDsmaniiininisler wird. — Wir habea eS gleich gejagt: nach den Ungarn wollen nun gleich die Tschechen wieder einen Profit heransschlagen. * Antikoalition. Das seltiame Wort ist in diesen Tagen in einer Volks versammlung der Wehrschetzer deutschen Bürgerparlei gelallen und hat dort großen Anklang gesunden. Der Hauptredner, Ingenieur Reinhold Heegn, der geistige Führer des doitigen Deutschtums, machte den Verlamineltrn, die über die Wahlreform berieten, die Mitteilung, daß sich eine Reihe ungarländischer Parteien zusammengeschlossen habe, um die sofortige Einführung des allgemeinen Wahlrechts energisch zu betreiben; eS sind folgende: Die Nationalilälenpartei, die radikale Bürgerpartei in West- Ungarn, die ungarländilche deutsche Voltspartei, die magyarische Bauern partei im ungarischen Tiefland, die Kroaten und die Sozialdemokraten In derselben Veriammlung der Wehrschetzer Bürgel Partei wurDe Verwahrung dagegen eingelegt, daß die Gemeindeschulen durch die Vorherrschaft der magyarischen Sprache ihrem Zweck als Bildungsstätten vollständig entsremdel werden. Es wurde beschlossen, an den rümi'ch-katholijchen Kirchencat eine Zu- Ichrist zu richten, in der , nachdrücklichst gefordert wird, daß der obligatorstchc deutsche Religionsunterricht in allen Bollsichulen sowie in Dec MLdchenbürger- schule nnverzugltch eingeführt werden soll." Auch Die Wehrschetzer Schulkommiision soll schriftlich ersucht werden, „dafür zu sorgen, daß die deutschen Schulkinder Leien, Schreiben und Rechnen in ihrer Muttersprache erlernen". Frankreich. * Die Armee. Aussehen erregt ein Buch des Drvuti.rten Humbert, DaS den Titel sührt: „Sind wir verteidigt?" Tas Buch beginnt mit einer Prüfung des Seclenzuslaiides Der Armee. Nach Ansicht des Verfassers jagen sich viele Offiziere im geheimen: „wir dienen Frankreich aber nicht der Re publik"; Dagegen seien die Soldaten im Kern vorzüglich, die Unteroffiziere in leder Hinsicht vorlrefilicb. Aber diese Vorzüge kamen nicht zur Geltung, da die Armee kein richtiges Kommando trabe. Humbert schildert nun die allmächtigen Bureaux und die Kommissionen; ec nennt sie die Gebultsstätten jeder Ver schleppung und Begünstigung, die Gräber sür alle Neuerungen. Er weist darauf hin. daß alle Verfasser von Berichten vergebens von diesen Schäden gesprochen hätten. Tann geht er auf Letaitsragen ein Er behauptet, daß die Artillerie nicht genug Mitrailleusen hal>e, daß die Zustande in den Festungen an dec Osigrenze unhaltbar seien. Hier führt er Beispiele an. die fast unmöglich cr'cheinen. Er jchließt mit Angabe Der Mittel, Die zur Besserung dienen sollen, und unter denen sich anher Militär- teämischen Vorschlägen auch Die materielle und inoraliiche Hebung Der Lage von Oifizier.n und Unteroffiziere» und die Ablchaffung Der logenannten technischen Komitees befindet. Tas Buch macht nicht Den Eindruck, als sei es auf Sensation hin geschrieben. ES wird in Frankreich und im Ausland mit Aufmerksamkeit gelesen werden nnd zu vielen Diskussionen Anlaß geben. * Algerische Anleihe. Finanzminister Caillaux hat im Einvernehmen mit Ionnort, den Gouverneur von Algerien, die Vorlage fertiggesiellt, nach welcher ei?e Anleihe für diese Kolonie in Höhe von l?ä Millioiwn Frnnes aufgenemmen wird. -Hundert Millionen sind für Ausbau der bestehenden uns Anlage neuer Bahnlinien bestimmt. In der Hauptsache bandelt es sicb darum, den äpzerrscherr Innenhandel mit dem Seeverkehr in möglichst günstige Verbindung zu bringen. Holland. * Tie blribenk Nach einer halbamtlichen Meldung wird die Ablehnung des Regierungsantrngcs über den Ausbau und die Vollendung dec „Stelling Amstercain" durch die zweite Kammer weder dem Geiamlmiuisrerinm «och dem Kciegsmiuisikr Anlaß zur Einreichung eines Entlaff ingsgejucheS geben. Rußland. * Das Sterben von Lodz. Die in der letzten Zeit so ost vom Un- glück hermgejuchle Stadt Lodz, das russische Manchester, befindet sich augenblicklich in einem bedauernswerten Zustande, der von krmgcweihten als „Agonie" bezeichnet wird. Denn seitdem Lodz die kolossalen Streiks, die nnerhörren Ausschreitungen von rechts und links zu bestehen hatte und die Ermordungen zahlreicher Personen in verantwortungsvollen Stellungen in erschreckender Weise zunahmen, da kehrten die maßgebenden Fabrikanten mit ihrer Familie dcr Stadt Lodz den Rücken und zogen mitsamt ihren Kapitalien fort, während die Betriebe allmählich nach den anderen Orten verlegt oder ganz ausgegeben sind. Dadurch aber verlor Lodz fast alle großen Märkte, und es blieben ihm nur noch solche Kun den, die Moskau „nicht nimmt", wie die Russen zu jagen Pflegen, d. h. solche Kaufleute, die starken Kredit in Anspruch nehmen und ihn fast nirgends erhalten. Dazu kommt noch, day die Arbeitslöhne in Lodz um etwa 40—50 Prozent gestiegen sind, so daß die Preise sür die Waren bedeutend erhöht werden mußten. Dadurch aber erhielt der Käufer sür dasselbe Geld in Lodz weit schlechtere Waren als z. Ä. in Moskau. Kein Wunder daher, daß viele Lodzer Fabrikanten kolossale Lager von solchen Waren haben, die von den Bestellern unter allen möglichen Vorwänden zurückgeschickt sind. Infolgedessen sehen sich auch die Lodzer Fabrikanten gezwungen — so schwer es ihnen auch fallen mag — die Zahl der Arbeits lage zu beschränken, was eine Reaktion seitens der Arbeiter hervorruft, da letztere bestrebt sind, wöchentlich ein Fixum zu haben anstatt des jetzt üblichen Stückpreises. Dagegen wehren sich die Lodzer Fabrikanten nnd ziehen nun vor, wie dies Posnanski und Konsorten getan haben, Lodz gänzlich zu verlassen. " Tie russischen Muselmanen Die in Rußland lebenden Muselmanen galten in den Zeilen vor der Einberufung der ersten ReichSduma insofern als regierungsfreundlich gesinnte Eiemenle, als sie die russische Reaktion zu unter stützen bestrebt waren, mindesten- zn die em Zwecke iebr leicht gewonnen werden tonnten. In der ersten unv erst recht in der zweiten ReichSduma traten jedoch muselmanische Reichsdumamitg lieber für ein energisches uns in jeder Beziehung völlig unabhängiges Vorgehen der in Rußland lebenden Muselmanen aut, und da Vie Zahl der muselmanischen ReichSdumamitglieder eine ver hältnismäßig große war, nnv sie auch ziemlich einig vorgingen, so konnte die muielmanische ReichSDumasraltion auch gewisse Erfolge aufweisen. Nach der Auslösung cer zweiten Reichsduma und insbesondere nach vem In krafttreten des neuen Wahlgesetzes änderte sich DaS Bild, und die jetzige Wahl agitation zeigt, wie weit die Mauserung der russischen Muselmanen gegangen ist. Abgesehen davon, daß fast alle russischen Muselmanen auch nicht im geringsten daran denken di« russi che Regierung oder deren Plätrr zn unterstützen benutzen jetzt Die mnelmanischen Agitatoren Die Gelegenheit, um die in Nuß- land lrbrnDen Muselmanen oppositionell zu stimmen und für keinen Regierungs- kandidaten einzutrrlen. „Es nähert sich ein Moment", heißt cS in einem Aufruf, . wo bei wir, Muselmanen, zeigen müssen, daß wir in der Lage sind, würdige Männer zu wählen, die als wahre Repräsentanten unserer Wünsche austreten können und die zn gleicher Zeit die Bedürsnisse VeS Volkes eben'» gut kennen, wie die eigenen " Dabei weisen lie muselmanischen Agilaloien in flammenden Worten auf all die reaktionären Maßnahmen und die hoaistiäubenden Unterkrückungen hin, die speziell den rujsiichen Muselmanen gegenüber zur Anwendung kommen. Eine solche Mauserung brr russischen Muselmanen aber, selbst wenn letztere in der dritten ReichSduma auch nicht so zahlreich vertreten sein werden, kann der russischen Negierung keineswegs gleichgültig sein, sodaß sich Minister Stolypin wohl rechtzeitig entschließen dürfte, die von ihm bereit- wiederholt ge machten Versprechungen de» russischen Muselmanen gegenüber nun endlich auch wenigsten- testweise zu verwirklichen. * Deutsch« Tchule in Riga. Dir Albertschule VeS deutschen Vereins in Livland zu Riga veröffentlicht soeben ihren ernen Jahresbericht, der rin erfreu- liche- Bild brr kraftvollen Entwickrlnng vieler von der Opsrrwilligkrit deS schwer getroffenen baltischen TeutschiumS in Livland zeugenden Schule enthält Die Schule wurde aus den Misteln de» deutschen Verein- am l. September 1906 al- eine Mtltellchule mit Real- uns Gymnasiatkloffen eröffnet. Sie erhielt ihren Namen zum Gedächtnis des Bischofs Albert von Bremen, der die Stadl Riga gründete, und Der Apostel christlicher und deutscher Kultur in Livlan) war, währen» Die gleichzeitig vom deutschen Verein eröffnete erste deutsch» Elementarschule im Andenken an die geistliche Tästgkeit de- Dichter- Herder m Riga den Namen „Hrrderschute" erhlzi». Trotz der notwendigen Höhe deS Schulgeldes. da§ inr Kinder von BereinSmit- Montag, 21. Oktober 1967. gliedern erst auf 60, dann auf 80 Rubel, für Kinder von Nichtmttgliedern aus 120 Rubel festgesetzt werden mußte, wuchs dir Schule erfreulich empor. Sie wurde eröffnet mit einem Schülerbestand von l-1 Schülern. NachDem mit dem Schluß des ersira Schuljahre- die ministerielle Erlaubnis erhalten war, ihr sowohl zwei Vorbereitung-klassen wir auch eine Obrrklassr, Sekunda, anzugttrdrrn. «ritt dir Schule mit iasgesamt 30l Schülern in ihr zweite- Jahr rin. Sämt lich« Schüler bis auf einen geben die deutsche Sprach« als Mutter- und Uiw gangtsprache an, und auch der Konfession nach gehörte nur ein Schüler zur griechisch-orthodoxen, L zur römisch, kat.otischrn Kirche, alle übrigen find Protestanten. Der Unterricht findet in allen Fächern, mit Ausnahme ker russischen Sprache, der Geschichte und der Geographie Rußland-, die in russischer Sprache unterrichtet werden, in deutscher Sprache statt. * Die Jnvensrage. lBon unserm Petersburger js-Korrespondenlen.) Ter Ministerrat ist sich immer noch nicht schlüssig darüber, ob eS angebracht sei, das Gesetzesprojekt über die Judensrage in der Form, wie es vom Ministerium des Innern ausgearbeitet wurde, vor die dritte Reichsduma zu bringen. Das „neue" Projekt ist nämlich durchaus nicht neu. Es täust durchaus nicht darauf hinaus, die Juden der übrigen Bevölkeiung rechtlich gleichzustellen, sondern be trifft nur die Freizügigkeit der Juden, mit anderen Worten also di« Aufhebung be log. AnsiedlungSrayonS. Ist also Las neue Gesetzesprojekt so zu verstehen, daß den Juden in Zukunst dieselben Rechte im ganzen russischen Reiche zu stehen sollen, meiste ihnen bisher nur im Ansiedlungsrayon zu eigen waren, >o dürste Damit tür sie nur wenig gewonnen jein. Die Juden dürsen im Rayon nur in den Städten und Flcck n wohnen, Handel treiben, auf Lein flachen Lande jedoch ist ihnen der Aufenthalt und jede BcrufSubung untersagt. Nur diejenigen, welche in irgendeinem Dorfe vor Erlaß der temporären Bestimmungen vom 3. Ma! 1882 sich niedergelassen hatten, dürfen dort, aber auch nur in lenem Dorse, weiterblciben. Will ein zu dieser .stotegorie gehöriger Jude oder eines seiner nächsten Familienmitglieder nach einem anderen, in der nächsten Nähe belrgenrn Torfe umsiedeln, so besitzt er kein Recht hierzu. Der Rayon weist noch gar viele einschränkende Bestimmungen auf. Selbst die jüdischen Handwerker, denen DaS bekannte Allerhöchste Gesetz vom Jahre 1865 lie Freizügigkeit im ganzen Reiche gewährt, durften bis zum Erscheinen des Allerhöchsten Manifestes vom 11. August 1905 auf dem flachen Lande im Rayon nicht wohnen und ihrem Berufe nachgehen. Durch die Aufhebung der Handwerksämter und die Unmöglichkeit, „Diplome" zu beschaffen, ist das FreizügigkeitSrecht der jüdischen Handwerker übrigens zu einem toten Buch staben geworden. TaS Recht, Immobiliarbesitz zu erwerben, bewegt sich in ganz engen Grenzen. Vollständig unerfindlich aber ist eS, weshalb sür die wisseiiSdurstige jüdische Jugend selbst La die Pjorten der Lehranstalten geschlossen bleiben, wo die Schulen infolge der überwiegenden inkischen Bevölkerung halb leer stehen. Tie gänzliche Ausschließung der Juden von der Teilnahme an der städtischen Verwaltung muß man als schweres Unrecht bezeichnen. Es ist vorgekomine», daß i» manchen Städten des NayonS Der weitaus größte Teil der würdigen Stadtväter aus Analphabeten besteht, weil die intelligente jüdische Bevölkerung, deren Interessen weit mehr mit dem städtischen Haushalte verknüpft sinü und ost geführte! werden, nur eine Zuschauer rolle zu spielen bat. Wenn die Regierung vor hat, alle diese rechtlichen Unzu- länglichleiten, anstatt sie auszumer.zrn, nur auf ein weiteres Gebiet zu verleiten, jo dürfte Irr Wert des neuen IudcngesetzrS recht niedrig einzu'chätzeu fein. * Eine neue Eisenbahn im Altajgebiet. Dem russischen Finanz ministerium ist ein grandioses Eisenbahnprojekt unterbreitet worden, nämlich die Errichtung einer mehr denn zweihundert Werst langen Eisenbchn in dem reichen Altajgebiet. Die Bedeutung einer solchen Altajbabn ist eine enorme, denn sie ist dazu berufen, wie die Katharinen, bahn in Sndrnßland, eine ebensolche Nolle in icncr an Naturschätzen ungemein reichen Gegend Sibiriens zu spielen. Aus der dem russischen Finanzministerium zur Prüfung vorgelegten Denkschrift geht u. a. her vor, daß diese Altajbahn der russischen "Regierung eine Menge bedeutender Vorteile bieten, die Leistungsfähigkeit und somit auch die Rentabilität der großen sibirischen Bahn beben wird, während die Unkosten der sibirischen Babn bezüglich dcr Frachten für Heizmaterial usw. bedeutend reduziert werden könnten. Die Rentabilitätsberechnung der projektierten Altajbabn stellt sich wie svlgt dar: Es wird angenommen, daß jährlich 110 000 Passagiere mit 40lV0 Pud Gepäck, 140 000 Pud Eilgut und 45 450 000 Pud Frachtgut befördert werden, was insgesamt mehr als drei Millionen Rubel bringen muß. Das Obliga- ticnskapilal zum Rahnbau ist mit 20 Millionen Rubel au- geilöitiikefi' "kvödbeck. Dä ' die Konzession auf 81 Jahre er teilt werden lvli, io ist jährlich an Zinsen, Amortisation usw. etwa ei^ue Million Rubel zu zahlen, auch dürste dcr Betrieb etwas über eiste Million Rubel erfordern. Somit würden die Gcsamtunkosten für die neue Altajbahn nur rund zwei Millionen Rubel betragen, während die erhofften Einnahmen mindestens drei Millionen Rubel ausmachen, so daß jährlich ein llebcrschuß von etwa einer Million Rubel zugunsten dcr Eisenbabngcsellschast verbleiben kann. Diese — nebenbei gesagt von ernsten russischen Fachleuten ausgestellte Kalkulation — hat nun da russische Vcrkehrsministcriiim sowie das Finanzministerium veranlaßt, eine besondere Kommission cinzusetzen, um das Projekt der Altaibabn sofort genau zu prüfen nnd einen Beschluß darüber zu fassen. Es fragt sich nun, ob die russische Regierung sich dazu verstehen wird, den Bau der Altajbahn einer Privatgesellschaft zu überlassen; in diesem Falle würde die Altajbahn die erste Privatbahn in Sibirien sein. Türkei. * Ter Zwischenfall ans Lamos. Es bestätigt sich nunmehr, daß die ber den Einwohnern von Samos bestehenden Bestrebungen, welche aus eine enD- gültige Losleibung Der Insel aus dem Bestand Les ollomanischen Reiches und ihie Angliederung an Griechenland abzielen, die Pforte dazu veranlaßt haben, Den Fürsten Karatheobory obzusetzen und an seiner Stelle Georgiades zu ernennen. KaratheoDvry batte während seiner Ver waltung DaS Mögliche getan, nm die Verwaltung km Einklang mit den Aspirationen der Bevölkerung zu führen, und namentlich war er bestrebt, sämtlich« Privilegien der Snini-r den Ucbergriffcn der otloma- nischen Negierung gegenüber ungeschmälert aufrecht zu erhalten. Ten letzten Anstoß zu iriiier Abletzung bildete die Tatiache, daß er daS von der gesetzgebenden Gewalt auf Samos angenommene Gesetz über Erlitt tung einer Staatsbank sanktioniert hat, trotzdem Ferid Pascha ihm dies untersagt hatte. Es uurd be richtet, Laß die Einjührung DeS neuernannlen Fürsten Georgiades zu ergötzlichen Zwischenlällen geführt hat, indem unter anderem die ver schiedenen Verwaltungsbehörden, dem Beschlüsse der gesetzgebenden Ver iammlung entsprechend, die Ankunft des neuen Herrschers vollkommen ignoriert haben. Sogar Die Pforten und Türen des fürstlichen Palais warm verriegelt und verschlossen, so daß man sie mit Gewalt rrbreben mußte. Wahrend drei Tagen hat d r neue Fürst mit der geietzgibenden Kammer Ver handlungen gepflogen, und man kam lchließlich nur durch die Intervention der Delegierten des Sultans, und nachdem diese auf ausdrücklichen Befehl les Herrschers die Versicherung gegeben hatten, daß sämtliche Privilegien der Insel leiten- der türkischen Regierung rejpeltiert werden würden, zu einer Einigung. Anerkennenswert ist es, daß die Garantiemächte Frankreich, England und Ruß land sich trotz der aus Samos an sie gerichteten Bittschriften nm den Zwischen fall gar nicht gekümmert, und die Schlichtung der strittigen Angelegenheit der Machtvollkommenheit des Sultans überlassen haben. Serbien. * Die Vertagung dcr Lknptschtina wird regierungsseitig mit dem Wunsche begründet, inzwischen die Handelsvertragsverhandlungen mit Oesterreich zum Abschluß zu bringen. Der Opposition wird diese Auslegung schwerlich genügen. Daß der Unwille sich gegen die Person des Königs richtet, wie gemeldet wurde, ist ein iehr beinerlbares Zeichen. König Peter hat nun einmal ebensowenig Kapital an Autorität und Sympathie zuzusctzen, wie er bares Kapital in seinem Geldschranke birgt. Marokko. * Desertierte Frrmdenlegtoniire. In Rabat sind noch fünf in Casa blanca desertierte Fremdenlegionäre deutscher Nationalität dem deutschen Vize konsul von den Marokkanern übergeben worden. Es sind jetzt zusammen neun. Sie sollen mit dem ersten deutschen Dampser in die Heimat befördert werden. Brasilien. * Fünfzigjähriges Jubiläum. Vor kurzem feierte dirdeutich-evangelische Kirchengemeinre in Blumenau unter großer Beteiligung DeS sndbrasilianijchen evangelischen Deutschtum- idr fünfzigjährige» Jubiläum. Ihre Entwicklung bat mst dem Empmblühe» der Kolonie Blumenau selbst gleichen Schritt gehalten. Ti« ersten Gottesdienste wurden vor fünfzig Jahren in einem brctternen Einwandererschupprn gehalten. Nach einigen Jahren errichtete die Ge meinde ein rbrnsallS brelkrrnrS BcthauS. Im Jahre >877 wurde die auf einem von Irin Gründer der Kolonie Blumenau geichen'ten Grundstück im gotischen Stil errichtete steinerne „Heilige Geist'-Kirche eingeweiht. Die Gemeinde en twickelte sich schnell. Die Zahl der Konfirmanden, die 1881 147 betrug, war 1884 schon auf 237 angrwachsen. Heute sind aus Der einen Gemeinde Blumenau 7 evangelische Gemeinden mit mist Geistlichen geworden, Darunter eine selbständige Gemeinde der Kolon» ation-gesrlllchast Hansa unter dem bekannten P. Tr. Aldiager. Mit Dem 5. März 1906 ist die Ge meinde Blumenau der preußischen Landeskirche angeschlossen. Sie bildet den Eckpfeiler de- Deutschtum- tin Staate Santa Catharina.
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