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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 25.10.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-10-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19071025028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907102502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907102502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-10
- Tag1907-10-25
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Renvers einrcichen lassen, nach dem er nicht imstande sei, im Moltke-Harden-Prozeß an Ge il i ch t s st e l l e zu erscheinen. Er erklärte sich aber bereit, sich in seiner Berliner Wohnung kommissarisch vernehmen zu lassen. sS. bes. Art.) * Heute früh ist in Dresden der Vertreter des 14. ländlichen Wahlkreises Landtagsabgcordneter Kluge- Deutsch-Neudorf lKons.s gestorben. sS. Vorbei, d. Landtags.) * Muley Hafid ist aus Marokko mi: einer großen Streitmacht ausgerückt und steht vor den Toren von Mogador. * Nasr-el-Mulk bildete ein neues Ministerium in Persien. (S. Ausl.j Der Gntrr-rrrf eines neuen Berg gesetzes für Sachsen. Der dem Landtage zugegangene Entwurf eines Gesetzes zur Ab änderung und Ergänzung des allgemeinen Berggesetzes vom 10. Juni 1868 behält die Aufsuchung und Gewinnung von Steinsalz nebst den mit ihm auf der nämlichen Lagerstätte vorkommenden Salzen und die Aufsuchung von Salzquellen und ihre Benutzung zur Salzgewinnung dem Staate vor, der aber dies Recht auf andere übertragen kann. Da mit soll für das Königreich Sachsen nichts Neues bestimmt, sondern nur das geltende Recht erläutert werden. Eine solche Erläuterung war aber notwendig, weil das sächsische Berggesetz sich von fast allen andern deutschen Berggesetzen dadurch unterscheidet, daß es einen durchaus selbständigen Charakter trägt, der der geschichtlichen Entwicklung des aus den Berggebräuchen und Bergordnungen des Erzgebirges im 13. und 14. Jahrhundert hervorgcgangenen älteren Landesbergrechts treu geblieben ist. Diesen Standpunkt zu verlassen, liegt nach der Begründung zum neuen Entwurf kein Anlaß vor. Das allgemeine Berggesetz vom 16. Juni 1868 hat sich in beinahe vierzigjähriger Praxis im allgemeinen bewährt nud den Bedürfnissen des Bergbaues im Lande voll Genüge geleistet. Eine Abänderung der erprobten Grundlagen wäre, ganz ab gesehen von den Bestrebungen nach Erlaß eines Reichsb»rg8«s«tz:S, nach Ansicht der sächsischen Regierung zurzeit schon deshalb unangebracht, weil der Erzbergbau im Rückgang begriffen ist und die Kohlenflöze im Lande in der Hauptsache unter den bisherigen Rechtsverhältnissen auf geschlossen worden sind. Nicht zustimmen kann man der Regierung, wenn sie sagt, die Tatsache, daß die Sprache des Gesetzes teilweise ver- öltet ist und hier und da an sich verbesserungsbedürftig ist, sei ohne Belang. Wenn sich in der Handhabung des Gesetzes und seiner No vellen und Ausführungsbestimmungen eine feststehende Praxis heraus gebildet hat, was keineswegs bestritten werden soll, so war es um so leichter, den alten Inhalt in eine andere Form umzugießen. Man brauchte darum von der Auslegungspraxis noch gar nicht abzugehen, oder doch wenigstens nur da, wo ein ganz unbeweisbares praktisches Bedürfnis dazu zwingt. Dies ist nach der Begründung des Entwurfs der Fall bei einzelnen Abschnitten sll. und V.) des allgemeinen Berggesetzes vom 1k. Juni 1868 und der Novelle dazu vom 2. April 1884 und bei dem Gesetz über die Bergschiedsgerichte vom 5. März 1892. Um über die Tragweite der vorgeschlagenen Acnderungen einen rascheren Ueberblick zu ge winnen, wäre es rätlich gewesen, neben dem neuen Entwurf auch das bestehende Gesetz in der Vorlage mit abzudrucken, und zwar in Neben- einanderstellung der Paragraphenfassungen. Leider ist das nicht ge schehen, und infolgedessen ist ein Studium des neuen Entwurfs nicht ganz leicht. Am dringlichsten erscheint, wie auch in der Begründung angegeben wird, eine umfassende Revision des sozialpolitischen Teiles der sächsischen Berggesetzgebung, d. h. der Vorschriften über das Verhältnis der Berg werksunternehmer zu den Beamten und Arbeitern, sowie der Bestim mungen über das Knappschaftswesen und die Bergschiedsgerichte. Denn auf diesem Gebiete, auf dem Gerechtigkeit und Staatsklugheit ein Zu rückbleiben energisch untersagen, ist das heutige sächsische Recht, das seinerzeit mustergültig war, neuerdings durch die Reichsgesetzgebung und die Landesberggesetzgebung der übrigen deutschen Staaten, haupt sächlich Preußens, überholt worden. Da kein Grund vorliegt, den säch sischen Bergarbeitern die Schutzvorschristen, deren sich die nach der Ge- Werbeordnung und dem preußischen Berggesetz zu beurteilenden Ar beiter erfreuen, länger vorzuenthalten, so ist es an der Zeit, die bereits auf verschiedenen Landtagen gegebenen Zusagen einzulösen, wonach die Bestimmungen über den Arbeitsvertrag (Arbeitsordnung, Arbeiter ausschüsse, Arbeitsbücher, Strafen, Entlastung usw.s dem allgemeinen Rechte bei der nächsten Gelegenheit angepaßt werden sollen. Wir hätten, wie gesagt, nur gewünscht, daß die Revision noch umfassender gewesen wäre. Ein weiterer Grund zur Revision des Berggesetzes liegt darin, daß das landesrechtliche Knappschafts- und Schiedsgerichtswesen durch die Reichsgesetzgebung in einer Weise durchbrochen worden ist, daß es in vielen wichtigen Beziehungen selbst dem Eingeweihten unmöglich ist, mit Sicherheit zu entscheiden, ob das ältere Landesrecht oder das neuere Reichsrecht gilt. Denn die einfachen Grundsätze in Artikel 2 der Reichs verfassung und in Artikel 67 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch — wonach Neichsrecht vor Landesrecht geht — führen hier, wo der Reichsgesetzgeber oft nur allgemeine Anforderungen ausgestellt und die weitere gesetzliche Regelung dem Landesgesetzgeber überlasten hat, meist nicht ohne weiteres zum Ziel. Ist somit der Erlaß eines neuen Landcsgesetzes zur Notwendigkeit geworden, so leuchtet es ebenso ein, daß sich dieses materiell wie formell möglichst eng an die Reichs gesetze und die preußischen Berggesetznovellen anzuschließen und an sich zulässige Abweichungen nur dann beizubehalten oder einzuführen hat, wenn es mit Rücksicht auf die rechtsgeschichtliche Entwicklung des Lan desbergrechts und die Bedürfnisse des einheimischen Bergbaues unbe dingt geboten erscheint. Weiter hat sich eine Reformbedürftigkeit bei den Bestimmungen der allgemeinen Berggesetzes über die Beteiligung am Bergbau, d. h. über die persönlichen Verhältnisse der Bergbaubercchtigten herausgestellt. Hier hat die neuere Erfahrung gelehrt, daß die dürftigen Vorschriften des allgemeinen Berggesetzes — namentlich in bezug auf Gewerkschaften und Vertretungsbcrechtigte — teils mit den Vorschriften des Bürger- lichcn Gesetzbuchs in einem unnötigen, bez. störenden Widerspruch stehen, teils Zweifel darüber offen lassen, ob und inwieweit die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur Ergänzung herangezogen werden können. Namentlich bedarf hier die empfindliche Lücke des allgemeinen Berggesetzes in bezug auf Liquidationen dringend der Ausfüllung. Ein dritter Punkt, in dem der neue Entwurf eine zeitgemäße Um gestaltung versucht, betrifft die Bergwcrkssteucrn und das Sportel wesen. Denn insoweit haben sich die Verhältnisse seit 1864 und 1868 so wesentlich geändert, daß die veralteten, teilweise schon von der Praxis abgcänderten Vorschriften nicht länger aufrecht erhalten werden können und gleichzeitig eine Erhöhung der Steuern und Kosten im Interesse der Gerechtigkeit gegenüber der Gesamtheit der Steuerzahler nicht mehr von der Hand gewiesen werben kann. Schließlich bringt der Entwurf in bezug auf den Salzbergbau, die Rechtsmittel und die Strafandrohungen neue Vorschriften, wodurch die bisherigen teils erläutert, teils mit dem heutigen allgemeinen Recht in Einklang gebracht werden sollen. Im ganzen kann danach der Entwurf, wie man sich auch zu manchen Einzelbestimmungen stellen mag, als ein Fortschritt gegenüber dem heu tigen Rechtszustand bezeichnet werden. Hoffentlich gelingt cs der Ge- setzbeputation, die sich jedenfalls mit dem Entwurf zu befassen haben wird, diesem Fortschritt noch größere Ausdehnung zu geben. Dentsches Reich. Leipzig, 25. Oktober. ** Ter Kaiser uns der Harven-Prozetz. Im Auftrage des Kaisers wohnt, wie die „Inf.- milteiU, der Reichstags-Stenograpb Dr. Neufert der Verhandlung im Prozeß Moltke-Harden bei, um dem Kaiser bald nach jeder Verhandlung eine» auSsührsichen Bericht der Vorgänge im Prozeß zu geben. Der Kaiser liest jeden dieser stenographischen Berichte, die ihm sofort nach Einlauf überbracht werden müssen, persönlich durch und läßt sich dann auf Grunv dieser eingehenden Berichte hin und wieder Vortrag halten. Neben Dr. Ne ufert »Friedenau bat auch Kriminal kommissar v. Trestow Austrag, ständig an den Verhandlungen teil zunehmen, um den Kaiser über den kriminellen Teil der Verhandlungen zu informieren. * Ter Reichskanzler und Ser -rutsche Arbeiterkougrest. Bei dem gestrigen Empfang der Delegierten des zweite» deutschen Arbeiter- Kongresses in Klein-Flottbek richtete der Reichskanzler an die Delegierte r eine Än'prache, in der er u. a. sagte: Ich werde alles tun, um die parlamentarische Erledigung des in Aussicht stehenden NeichSvereins- gesetzes und Arbeitskammergesetzes zu fördern. Was die Gegenstände Ihrer soeben beendeten Tagung betrifft, so liegt mir die Frage ter Sonntagsruhe besonders am Herzen. Seien Sie versichert, meine Herren, daß die Sozialpolitik nach rem Willen des Kaisers sortgeiiCrt werten wird. Wenn der Fortschritt auf manchen Gebieten sich nicht lo rasch vollzieht, wie Sie es wünschen, so wollen Sie dabei im Auge be halten, daß die Reichsverwaltung die Interessen der Stände wahr- zunehmen hat und daß eine gesunde und kräftige Sozialpolitik von den gesamten Volksklassen getragen werden muß. * Nur Reform -es Aiviiprozrsse». Einen außerordentlichen deutschen Än.valtSrag bat der Vorstano des deutschen Anwalt-.'- vercinS infolge eines Beschlusses des jüngstverflossenen 18. deutschen An- waltstageö in Mannheim auf Sonnabend, den 23. November (event. noch den 24. November) 1907, nach Leipzig zwecks Stellungnahme zu den die Reform des Zivilprozcfses betreffenden, unlängst publizierten Gesetzentwürfen deS Reichsjustizamtes berufen. — Das Votum der Rechtsanwaltschaft kann nicht zweifelhaft sein, nachdem der start besuchte Mannheimer Anwaltsiag vom 9. bis 12 September d. I. die Kom- pelenierhöbung der Amtsgerichte nach einem Referate des bekannten Mannheimer Rechtsanwalts Dr. Hachenburg mit allen gegen 10 Stim men verworfen hat. * Aufhebung -er Militärwerlstätten. Auf dem Handwerlertag in Eisenach war von emigen Reichstagsabgeordnelen eie Mitteilung gemacht worden, daß das Kriegsministerium die Aushebung der Mililär- handwerlstätlen plane. Bei ver großen Bedeutung der Sache für ras Feuilleton. Verächtlich ist eine Frau, die sich langweilen kann, wenn sie Kinder hat. Jean Paul. * Der Freiherr vom Stein. Zur 150. Wiederkehr seines Geburtstages. Stein wurde geboren zu Nassau am 26. Oktober 1757, als Pricks- riuus rex eben die Franzoien bei Roßbach geschlagen und dem deutschen Nationalgefühl dadurch einen mächtigen Ansporn gegeben hatre. Bei Nassau erhob sich auf einem Berge die Stammburg des reichsfreiherrlichen Geschlechts. Sie war jedoch schon verfallen, und Karl vom Stein ver lebte seine Jugend in dem prächtigen Stadtschloß der Familie im Städt chen Nassau. Er sah, als er heranwuchs, die beständigen Streitigkeiten seiner Familie mit den zu Reichsfürsten gewordenen ehemaligen Grafen von Nassau, die die reichsunmittelbare Ritterschaft ihres Gebietes unter ihre Landeshoheit beugen wollten. Und er sah die Ohnmacht des Kaisers in allen Angelegenheiten des Reichs und die Unsicherheit der Rechtszustände im Reiche. Im Alter von 16 Jahren bezog er die damals berühmte Universität Göttingen, um Neichsrecht zu studieren, was nir gends besser vorgetragen wurde. Er wollte sich für den Reichsverwal tungsdienst vorbereiten, denn als jüngerer Sohn einer wenig begüterten Familie brauchte er einen Beruf, der ihn nähren könne. Seinem Ziele schien er sich zu nähern, als er sich am 30. Mai 1777 in die Matrikel des Reichsgerichts zu Wetzlar einschrieb: aber es kam anders: nach längeren Reisen, die ihn an die süddeutschen Höfe und bis nach Wien führten, trat er 1780 in preußische Dienste. Der Minister Heinitz war es, dem er seine Anstellung verdankte; ihm verdankte er auch weitere Förderung, äußere im Dienste und wisten- schaftlich-praktischc in reichem Maße. Heinitz war ein trefflicher Be amter der Friderizianischen Schule, fleißig und gewissenhaft, er war aber mehr: ein hervorragend befähigter, wissenschaftlich wohlorientierter Wirtschastsorganisator. Er ist der Vater des preußischen Bergbaues und der preußischen Industrie. Der Schüler hat als Re- serendarius beim Bergwerks- und Hüttendepartement wie dann als Oberbergrat, als Direktor der westfälischen Berg werke und Fabriken und als Rat bei der Kriegs- und Do mänenkammer in Hamm und Kleve die Grundsätze des Meisters zur Geltung gebracht. Und diese Grundsätze waren nicht mehr die merkanti listisch-protektionistischen Friedrichs des Großen, sondern die physio- kratischen, die eben von Frankreich herübergekommen waren. Ihnen folgend, hat Stein schon in seinen ersten Jahren im Westen des preußi schen Staates die Maßnahmen eines wirtschaftlichen Liberalismus durch geführt, oder wenigstens vorbereitet, die er später für die ganze Mon archie, auch den Teil östlich der Elbe, durchgesetzt bat. Sein Wunsch ging schon damals auch dahin, den wirtschaftlich-sozialen Gegensatz, der zwischen dem Osten und dem Westen der Monarchie bestand, zu mildern. Im Jahre 1787, als Friedrich der Einzige — wie Stein ihn nannte — schon nicht mehr die in mancher Hinsicht einander widerstrebenden Teile des Staates zusammenhielt, wurde Stein Direktor, später Präsi dent der märkischen und klevifchen Kammer, als letzterer der oberste Ver waltungsbeamte in diesen Gebieten. Als solcher hat er eine treffliche Finanz- und Verkehrspolitik ins Werk gesetzt, auch Verwaltungsreformen insofern schon eingeleitet, als er auf eine Selbstverwaltung der Ort schaften, Kreise und Provinzen hiuwirkte und in ihnen ständisches Wesen begünstigte. Unterdessen hatte der Kampf gegen das revolutionäre Frankreich am Rhein begonnen. Stein sorgte in mustergültiger Weise für die Verpflegung des preußischen Heeres. Umsonst; nach schwäch- sicher Kriegführung wurde 1795 der elende Baseler Friede geschlossen. Stein wird Oberpräsident in Minden und dann in Münster. Er beseitigt die Erbuntertänigkeit der Tomänenbauern, vereinfacht die Ver waltung, reformiert Zoll und Steuerwescn und erstrebt „gänzliche Frei heit der Person und des Eigentums." Er gliedert die Territorien, die durch den Neichsdcputatioushauptschluß l1802> an Preußen gefallen sind, der preußischen Verwaltung ein. Er hat sich längst zur Klarheit in allen Fragen seiner Zeit durchgcrungen; in den Fragen der Kultur wie besonders natürlich in den der Politik nimmt er scharf Stellung. Er stützt sich dabei aus eine sichere geschichtliche Anschauung; die Geschichts betrachtung gibt ihm das unerschütterliche Gleichgewicht und Gleichmaß in seinem Handeln. Er ist aufrichtig fromm, aber ohne kirchliche Ge bundenheit. Er schätzt jeden ehrlichen Glauben, auch den katholischen, solange er sich nicht mit Gewalt ausdrängt. Nur dumpfer Zwang ist ihm zuwider: „Ich gestehe, ich hakte die Kloster anstalten für den Sitz des Aberglaubens oder eines dummen Hinbrütens oder der Dissolution und Insubordination; ihr Geist ist im Widerspruch mit dem Geist wahrer Religion und der ersten Pflicht des Menschen: gemeinnütziger Tätigkeit. Als Ausfluß des Mönchtums ist der Katholi zismus wahre Gcisteslähmung." Und so kämpft er gegen jede Art von Zwang und Knechtung: gegen den monarchischen Absolutismus, gegen die „routinierte und intrigante Burcaukratic, die den Eharakter des Volkes vernichtet." Und gegen die Willkür der vielen kleinen Potentaten im Reiche. lEinem von ihnen hat er zur Verwahrung gegen Rechtsbruch einen geharnischten Brief geschrieben.) Und er kämpfl weiter gegen den Zwang der Zünfte: „Eine weise Staatsverwaltung ist bemüht, den Geist der Innungen zu zerstören und den Kodex von Verordnungen, den Hab sucht und Unwissenheit geschmiedet, zu vernichten." Und kämpft gegen die Bedrückung der Bauern. So kam die schwerste Zeit des preußischen Staates heran. Stein war mittlerweile Minister im Generaldirektorium geworden, in der Zentralbehörde. Da hat er nun die Finanzen Preußens gründlich re- tormiert. Und als die Ehre gebieterisch eine Auseinandersetzung mit Napoleon forderte, da hat er durch seine finanziellen Maßnahmen die Kriegführung ermöglicht. Ja, er war es, der eigentlich den Ansporn gab zum Verlassen der Politik der Schwäche. Es kam der Zusammenbruch von 1806. Stein bewahrte alle Besonnenheit; er rettete die «Staatskassen. Er war die Hoffnung der Einsichtigen. Dre Leitung der auswärtigen Angelegenheiten lehnte er freilich ab, weil er sich nicht geeignet glaubte für Diplomatenarbeit, aber nichtsdestoweniger fühlte er sich als den Mann des Tages. Und auch der König war schließlich gezwungen, trotz seiner Antipathie gegen Stein, ihn ins Auge zu fassen. Lange wurde zwischen Friedrich Wilhelm III. und seinem Minister verhandelt. Stein stellte Bedingungen: bas unverantwortliche königliche Kabinett sollte ab geschafft, ein ausschließlich Verantwortlicher und entscheidender Minister rat sollte eingerichtet werden. Immer wieder machte der König Schwie rigkeiten. Stein weigerte sich, die Staatsangelegenheiten in die Hand zu nehmen, bevor der König seine intrigierenden Kabinettsräte entlassen habe. Die Vermittlung der Königin führte nicht zum Ziele. Ta gab der König Stein die Entlassung, am 4. Januar 1807. Er hielt ihm, am 3. Januar, in einem denkwürdigen Briese, angebliche Unschicklichkeiten vor und schrieb ihm zuletzt folgendes: „Aus allem diesen habe ich mit großem Leidwesen erleben müssen, daß ich mich leider nicht anfänglich in Ihnen geirrt habe, sondern daß Sie vielmehr als ein widerspenstiger, trotziger, hartnäckiger und ungehorsamer Staatsdiener anzusehen sind, der, auf sein Genie und seine Talente pochend, weit entfernt, das Beste des Staates vor Augen zu haben, nur durch Capricen geleitet, aus Leidenschaft und aus persönlichem Haß und Erbitterung handelt. ... Es tut mir wahrlich wehe, daß Sie mich in den Fall gesetzt haben, so klar und deutlich zu Ihnen reden zu müssen. Da Sie indessen vorgeben, ein wahrheitsliebender Mann zu sein, so habe ich Ihnen auf gut Deutsch meine Meinung gesagt, indem ich noch hinzufügen muß, daß, wenn Sie nichr Ihr respektwidriges und unanständiges Benehmen zu ändern Willens sind, der Staat keine große Rechnung auf Ihre ferneren Dienste machen kann." Tas war ehrlich, aber auch deutlich. Stein forderte in einem Briefe voller Ironie seinen sofortigen Abschied, und er erhielt ihn, wiederum in sehr verletzender Form, ober besser gesagt Formlosigkeit, am 4. Januar 1807. Es handelte sich in dieser Angelegenheit um nichts mehr und nichts weniger als die Abschaffung oder Beibehaltung der absoluten Monarchie in Preußen. Stein wollte als Minister nicht einen bedingungslos ab hängigen Kommis twie er sich selbst ausdrücktes darstellen. Interessant wäre es auch noch, die Beziehungen der Königin lLuises zu Stein zu untersuchen. Sie hatte bei PersonalangelcLenheucn oft ihre Hände im Spiel. Und daß sie dem Freiherrn vom Ltein im Innersten doch nicht recht geneigt war, wegen feiner strengen, harten Staats- und Lebensauffassung, ist ja sicher, obwohl sie in der Not ihn beim Könige unterstützte. Stein war entlassen, und die Lage des preußischen Staates ver schlechterte sich in jeder Beziehung immer mehr. Helfen konnte nur eine umfassende Organisation aller wirtschaftlich-sozialen Kräfte des Staates, und eine solche durchführen konnte nur Stein. So mußte sich der König entschließen, ihn doch wieder zu rufen. Und Stein, nur die große Sache im Auge, vergaß die Kränkungen, die man ihm zuaefügt, und kam im August 1807. Nun beginnt die große Reformära in Preußen; eingeleitet und im Plan vorgezcichnet von Stein, sind die Reformen doch nur bruch stückweise von ihm durchgeführt worden. Nur 15 Monate, bis in den November 1808 hinein, stand er an der Spitze der Verwaltung. Dann mußte er, von Napoleon geächtet, seine Wirksamkeit aufgeben. In der kurzen Zeit seiner Verwaltung sind jedoch wenigstens ausgeführt worden die Bauernbefreiung, die Städtebefreiung und die Neuorganisation der Zentral- und Provinzialbchörden. Am 9. Oktober 1807 erschien das Edikt, betreffend „den erleichterten Besitz und den freien Gebrauch des Grundeigentums und die persönlichen Verhältnisse der Landbewohner." Es brachte die allgemeine Bauernbefreiung in Ostelbien. Ergänzt wurde cs durch das Edikt vom 28. Oktober 1807, das im besonderen die bezüg lichen Verhältnisse auf den Domänen regelte. Der Widerstand der adligen Großgrundbesitzer wurde gebrochen, wenn er auch htnreichtc, das Werk in mancher Beziehung zu korrumpieren. Tie Verhältnisse der Städte wurden geregelt durch die Städtcordnung vom 19. November 1808. Sie brachte den Städten Selbstverwaltung innerhalb gewisser Grenzen und legte die Grundlagen, die heute noch zum guten Teile sich als tragfähig erwiesen. Nachdem Stein wiederum hatte aus dem Dienste scheiden müssen, ging er, um vor Napoleon sicher zu sein, nach Oesterreich: dort hat er in Prag und Brünn gelebt. 1812 war er Berater Alexanders. Dann nahm er leidenschaftlichen Anteil an den deutschen Befreiungskriegen. Die Art freilich, in der die deutschen Fragen nachher auf dem Wiener Kongreß behandelt wurden, gefiel ihm keineswegs. Mißmutig kehrte er der hohen Politik den Rücken. In seinen letzten Jahren lebte er zurückgezogen und still auf seinem Gute Kappenbcrg in Westfalen. Er bedauerte, daß die große französische Staatsumwälzvng Deutschland so wenig vorwärts gebracht auf dem Ge biete staatlichen Lebens. Denn sein Ideal war ein kräftiges Verfassungs leben, wie er es in der Jugend schon in England kennen und schätzen ge-
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