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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 29.10.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-10-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19071029028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907102902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907102902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-10
- Tag1907-10-29
- Monat1907-10
- Jahr1907
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Bezug»-Preit Ar Leipzig und Vororte durch misrre Lrtger u»b Spediteur« in» Hau« gebracht: Lulgab« L (nur morgen«) vierteljährlich 3 «., monatlich 1 Autgabe » (morgen« und abend«) viertel, jährlich 4.5Ü M., monatlich l.ov vt. Durch Li« Poft bezoaeu (2 mal täglich) innerhalb Deutschland« und der deutschen Kolonien vierteljährlich 5,25 M.. monatlich 1,75 M. auelchl. Post, destellgeld sür Oesterreich s L Sv d, Ungarn S L vierteljährlich. Lbonnement-Annabme: Uuguftnäplatz 8^ bei unseren Lrtgern, Mltalen, Spediteuren und Annahmestellen^öwte Postämtern und Li« einzelne Stummer kostet jg Pfg. vedatt to n und ErpeLttio»: Johannitgasse 8. lelevhou Nr. 14692. Nr. I4RV, Nr. 146S4. Berliner Redaktion« Bureau: Perlin HIV. 7. Prinz Loui« Ferdinand- Straße 1. Telephon I, Nr. 9275. Ävend-Nlusszabe 8. KiMgerTagMalt Handelszeitung. Nmtsvfatt des Rates und -es Volizeiamles -er Lta-t Leipzig. Nr. 300. Dienstag 29. Oktober 1907. Auzeigea Preis sttr Inserate au« Leipzig und Umgebung d>, Sgespaltene Petitzeile 25 Ps., finanzielle Anzeigen 30 Ps., Reklamen l M.; von au-wärts 30 Ps., Reklamen 1.20 M,. vomAu»land50Ps., finanz. Anzeigen 75 Ps.. Reklamen l.5i M. Inserate v. Behörden im amtlichen Teil 40 Ps. Beilagegebühr 5 M. p. Tausend ex kl. Post- gebühr. «^chäftSanzeigen au bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Taris, gesterteilte Austrüge können nicht zurück gezogen werden. Für das Erscheinen an bestimmten Tagen und Platze» wird keine Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: AuguftuSplatz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Expeditionen des In- und Auslandes. Haupt - Filiale Berlin Earl Dunckt , Herzog!. Baqr. Hofbuch handlung, Lützowslraße 10. (Telephon VI. Nr. 4S03). M. Jahrgang. Das wichtigste vom Tags. * In dem heute morgen verkündeten Urteilsspruch des Schössen- gcrichteS wnrde Harden freigesprochen. Die Kosten wurden dem Privatkläger zur Last gelegt. sS. Art.) * Die Ernennung des Domherren Kloske zum Erz. bischof vonGnesen wird mit großer Bestimmtheit angekündigt. iS. Dischs. R.) * Die Reich sbank hat den Diskontsatz heute um 1 Pro zent, auf 614 Prozent, und den L o m b ard z i n s f u ß auf 7Z/s Prozent erhöht. (S. Handelsztg.) * Nach einer Meldung aus Salzburg liegt der Großherzog von Toskana im Sterben. lS. Ausl.) * Die Prinzessin Pia Monika wird morgen in Tivoli den Abgesandten des sächsischen Hofes übergeben werden. lS. Neues a. a. W.) * Die Lavaausb-rüche des Vesuv haben einen derartigen Umfang angenommen, daß die Bevölkerung von Neapel in großer Erregung ist. Harden freigefprochen! Die Begründung des Urteils. Harden wurde in dem Prozeß freigesprochen, weil das (i-cricht den Vorwurf der Homosexualität, der dem Grasen Moltke in vier Artikeln der „Zukunft" gemacht worden sei, als begründet annahm. Der Wahrheitsbeweis sei dem Angeklagten ge lungen, und zwar auf Grund der Aussagen der Frau von Elbe, ihres Sohnes und der Bekundungen des Sachverständigen. Auch sei ein ge- wisser femininer Einschlag im Wesen des Grafen unverkennbar. Da- gegen sei ein Vorwurf der Unwahrhaftigkeit gegen den Kläger wicht zu erheben, das Gericht habe im Gegenteil die Auffassung von einer zu großen Wahrhaftigkeit an dem Grafen gehabt. Ferner sei absolut un bewiesen: sowohl daß der Graf sich homosexuell betätigt, wie daß er von dem Treiben der Homosexuellen in seiner Umgebung auch nur Kenntnis gehabt habe. Es sei jedoch als erwiesen zu betrachten, daß der Graf nicht imstande gewesen sei, seine homosexuellen Eigenschaften vor Dritten verborgen zu hallen. Dafür spreche das Zeugnis der Frau von Elbe und ihres Sohnes. Der Wahrheitsbeweis sei also gelungen und Harden sei freizusprechen. Straßenszene nach der Urteilsverkündung. Vor dem Amtsgericht in der nordwestlichen Gegend von Berlin, in dem der Prozeß stattfand, hatten sich heute morgen viele Tausende von Menschen zusammengeschart. Ganze Schutzmannskompagnien und eine Anzahl berittener Schutzleute hielten die Passage bis zum Urteil frei. Als dieses gesprochen war und der Freigesprochene herauskam, durchbrach die Menschenmenge unter fürchterlichem Geschrei, Gejohle und Hochrufen die Schutzmannskette. Es entstand ein wirres Durch einander. Die berittenen Schutzleute wurden zum Teil auf die Bürger steige gedrängt. Harden selbst suchte sich in eine nahegelegene Wein- stube vor den Gaffern zu retten, doch hielten die Massen noch stunden lang vor dem Lokal und dem nahegelegenen Gericht stand. Erst ganz langsam trat wieder die gewohnte Ordnung der Straße in Kraft. * „Petit Parisien" berichtet, daß der frühere Botschaftsrat in Berlin, Lecomte, nicht mehr auf seinen Berliner Posten zurückkehren, sondern vielmehr auf einen anderen, gleichwertigen Posten versetzt werden wird. * * Tie Prozetz - Berichte. Entgegen einem Dementi erfährt die „Inf.* aus bester Quelle, daß über den Prozeß Moltke-Harden dem Kaiser tatsächlich von vem Zivilkabinett ein ausführlicher Bericht vor gelegt wird, nachdem er schon täglich nach jeder Verhandlung eingehend informiert war. Dieser Nachricht wird noch die Meldung hinzugesügt, daß auch der Kronprinz sich täglich Bericht erstatten ließ. Oersonaletat -er sächsischen Staatserfenbahnen. . -st,- Für die Finanzperiode 1908/09 sind in den Etat 16 424 Stellen mit einer Anschlagssumme von 29 754 644 .il eingestellt worden, das sind 558 Stellen und 1637 689 mehr als im Voretat, wo 15 866 Stellen mit 28116 955 .jl vorgesehen waren. Die Vorteile, die den Beamten nach dem vorliegenden Etat gewährt werden, bestehen vornehmlich in der Verdoppelung des Wohnungsgeldzuschusses, sodann in Verbesserung der Besörderungsverhältnisse durch Stellenvermehrungen, Verkürzung der Ausrückungssristen von 4 auf 3 Jahre für Beamte mit einem Höchst gehalte bis zu 3600 .4l und von 3 auf 2 Jahre sür solche mit einem Höchstgehalte bis zu 2400 .E, soweit es sich in letzterem Falle um Durch gangsstellen handelt. Gehaltserhöhungen sind nur bei wenigen Be amtenklassen in geringem Umfange vorgesehen. Von der Verkürzung der Ausrückungssristen von 4 auf 3 Jahre werden die Bahnhofsinspek- toren 2. Klasse, Güterverwalter 2. Klasse, Güterkassierer, Fahrgeld- kassierer, Jnspektionsassistcnten, Bahnverwalter 2. Klasse, Eisenbahn- sekretäre, Bausekretäre, Heizhausvorstände 1. und 2. Gruppe, Werk- meister, sowie Stationsassistenten und Stationsverwalter 1. Klasse be troffen, während sich die Verkürzung von 3 auf 2 Jahre nur auf die technischen Dureauassistenten 2. Klasse, die Bureauassistenten, sowie auf die Stationsassistcnten und Stationsverwalter 2. Klasse erstreckt. Das Dienstaltersstufensystem ist, mit geringen Ausnahmen, allgemein durch, geführt worden. Es werden mehr eingestellt: 1 Bauinjpektor des Maschinenbaufaches, 10 Eisenbahn-Obersekretäre, 7 Bauobersekretäre, 1 Baynhofsinspektor 1. Klasse, 1. Gruppe, 2 Bahnhofsinspektoren 1. Klasse, 2. Gruppe jdurch Umwandlung), 1 Güterverwalter 1. Klasse, 5 Bahnverwalter 1. Klasse, 2. Gruppe, 70 Eisenbahnsekretäre, 10 Bausekretäre, 1 Heizhausvorstand, 20 Oberbahnmeister, 1 Obertelegraphenmeister, 1 Werkmeister, 20 Bau assistenten, 78 Bahnmeister, 2 Telegraphenmeister, 50 Lokomotivführer, 230 Bureauassistenten, sowie Stationsassistenten und Stationsverwalter 2. Klasse, 2 Telegraphenaufseher, 20 Werkführer, 200 Bureauschreiber, sowie Stationsschreiber und Stationsaufseher, 5 Wagenrevisoren, 30 Weichenwärter 1. Klasse, 5 Bureaudiener, 2 Maschinenwärter 1. Klasse, 61 Feuermänner 2. Klasse, 40 Bahnsteigschaffner, 2 Stein drucker, 2 Materialausgeber, 6 Maschinenwärter 2. Klasse, 63 Weichen wärter 2. Klasse, 16 Eisenbahngehilsinnen, 29 Packer, 1 Wächter. 210 Stellen, die entbehrlich geworden sind, kommen in Abgang. Die Gehaltssätze der Bauinspektorcn werden von 4200 bis 6000 aus 4200 bis 6600 .4l, die der Regierungsbaumeister von 3000 bis 3900 aus 3000 bis 4200 erhöht. Für die Regierungsbaumeister sind, da disie Stellen als Durchgangsposten anzusehen sind, zweijährige Ausrückungs fristen vorgesehen. Ferner sind die Anstellungs- und Besoldungsverhält- nisse der mittleren Techniker, insbesondere der des bautechnijchen Dienstes, günstiger gestaltet worden, um sie gegenüber den häufigen An erbietungen für den Gemeinde- und Privatdienst im Staatsdienste zu erhalten. Den im Staatseisenbahndienste beschäftigten Majcylnen- schreiberinnen, Stenographistinnen und Telephonistinnen ist die Mög lichkeit der Erlangung einer etatmäßigen Anstellung dadurch geschaffen worden, daß 16 Stellen für Eisenbahngehilfinnen mit 1000—1400 Ein kommen geschaffen wurden. Die Gehaltssätze der Portiers und Packer werden von 960 bis 1500 auf 1050 bis 1500 F unter Verminderung de? Dienstaltersstufen um eine und die der Bahnwärter, Rottenführer und Wächter von 900 bis 1260 auf 960 bis 1320 .ll erhöht. An Titeländerungen sind folgende vorgesehen: Eisenbahn-Obersekre- tär für Eisenbahnsekretär, Eisenbahnsekretär für Betriebssekretär, Bau- obersekretär für Technischer Eisenbahnsekretär, Bausekretär für Tech nischer Betriebssekretär, Bauassistent für Technischer Bureauassistent. Diejenigen Bahnwärter, welche Verkehrsstellen verwalten, erhalten die Bezeichnung „Stationswärter". Deutsches Reich. Leipzig- 29. Oktober. * Erzbistum Gnese». Wie bestimmt verlautet, steht die Ernennung des Leiters des Gnesener Priesterseminars, Domberrn Kloske, zum Erzbischof von Posen und Gnesen an Stelle des verstorbenen Dr. von Stablewski unmntelbar bevor. Amerikanischer Botschafter in Berlin. Wie wir von maßgebender amerikanischer Seite erfahren, bält man es sür vollständig ausgeichlossen, daß der Schwiegersohn des Präsidenten Roo'evelt Mr. Longworth amerikanischer Botschafter in Berlin werden dürste. Eine solche Er nennung würde den Präsidenten Roosevelt um jedes Ansehen bringen. Man würde ihm verwerfen, daß er, der die Protektionswirtschafl so bekämpfe, nun mit einem Male selbst die größte Protektionswirtschaft betreibe. * Aus Südwcst zurück. Die nächsten Truppentransporte aus Süv- westasrika treffen am 16. November und 1. Dezember in Stärke von je 400 Mann nick Woermann-Dampfern in Cuxhaven ein. * Tie Börsen-Novelle. Tie Bundesratsausschüsse haben die Be ratung der Börsenvorlage beendet. Die Novelle entspricht in ihren Grundzügen den Vorschlägen der beteiligten Ressorts und den Entwürfen des preußischen Handelsministeriums. Die Beschlußfassung des Bundes rates wird wahrscheinlich in der nächsten Donnerstagssitzung erfolgen. Dem Reichstag dürfte die Börsengesetznovelle Kalo nach seinem Zusammentritt 'zugehen. tb. Eine Reform Scs Patent- und Warenzeichengesetzes wirv im Reichsamt deS Innern vorbereitet, dürfte den Reichstag in ter nächsten Session aber noch nicht beschäftigen. * Zentralverband deutscher Judustricllcr. Handelsminister Dr. Delbrück, der als Vertreter des Finanzmiuisters v. Rheinbaben auf der Tagung des Zentralverbandes erschienen war, ist in sehr bemerlens- werler Weise von der etwas überschroffen „Richtung Kirdorf" abgeriicki. ES wird über den Vorgang berichtet: Anläßlich der Tagung des Zentralverbandes deutscher Industrieller fand in Berlin ein Festmahl statt, an dem teilnahmen der Staatssekretär des Innern v. Bekhmann- Hollweg, der Handelsmiaister Dr. Delbrück, Eisenbahuminister Breiten bach und anvere hohe Beamte. Nach einem Kaiserhoch des Vor sitzenden, HüttenbesitzerS Vopelius, begrüßte Geheimer Kom merzienrat Kirdorf die Ehrengäste. Kirdorf betonte in seiner Rede die Notwendigkeit der Geschlossenheit innerhalb der Industrie, besonders des geschlossenen Kampfes gegen die Umsturzparteien. Der Umsturz gehe nicht nur von den Sozialdemokraten, sondern auch von anderen Arbeiterorganisationen aus, deren Zweck sei, Feindschaft zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu säen. Diesen Bewegungen gegenüber den Herrenstandpunkt gewahrt zu haben, sei nach seiner Ueberzeugung richtig gehandelt. Die Leiter der Industrie nähmen keine andere Stellung ein, als daß sie die ersten Beamten der Industrie seien. Mögen die Vertreter der Regierung überzeugt sein, daß die Vertreter der Industrie es sür nötig gehalten Feuilleton. Mein Trost bleibt: nirgend hak man mich aus den Schild gehoben, und so kann ich denn auch nicht herunter fallen. Hoffmann v. Fallersleben. * Die Vuehbin-ekunst -er alten Meister. sZur Ausstellung im Deutschen Buchgewerbemuseum.) Die Geschichte des Bucheinbandes ist eins der interessantesten Ka- pitel alten Kunstgewerbes und zugleich eng verknüpft mit der werden den Kultur unseres gesamten Geisteslebens, besten Grundlage im eigentlichen Sinne das Buch ist. Gibt es einige bedeutende Wende punkte, die scharf den Uebergang vom Mittelalter zur Neuzeit kenn zeichnen, so ist wohl kaum ein zweiter von so nachhaltigen Folgen sür die Entwicklung unserer modernen Welt gewesen, wie die Erfindung der Buchdruckerkunst durch Gutenberg. Erst in dem Momente setzt eigent lich die Volkskultur im weitesten Sinne des Wortes ein, erst der Buch druck ermöglichte eine Verbreitung machtvoller Ideen, auf deren Grund lagen sich Neuzeit und Zukunft ausbauen. Erst er gab dem Menschengeist die Mittel in die Hand, fruchtbringend in die Breite zu wirken, und man kann kaum einen krasseren Gegensatz zwischen mittelalterlicher und neuzeitlicher Kultur erkennen, als gerade jenen durch die Er findung der Buchdruckerkunst bedingten Unterschied zwischen der Bil- düng des einzelnen und dem werdenden Aufstieg immer breiterer Volksschichten zum Verstehen jener eigentlichen Ideen, die den Zeitgeist bestimmt haben. Auch sür den Bucheinband im besonderen sind die Unterschiede augenfällig. Erscheint der Einband vor der Erfindung Gutenbergs im großen gesehen als einzelnes Kunstprodukt, an dem so viel tiefe Liede iein.es Verfertigers hängen bleibt, so bezeichnet die Buchdruckerkunst das Entstehen des sogenannten Massenbandcs, dessen letztes Ende in dem maschinengemäß hergestellten Verlegerbande unserer Tage zu suchen ist. Diese allgemeine Entwicklungslinie ist sehr leicht zu begreifen, wenn sie sich auch im einzelnen sehr allmählich vollendete und die Kunst des Bucheinbandes eigentlich erst in den Tagen nach Gutenberg ihre stolze Höhe erreicht. Dem Mittelalter fehlten — so sehr der Einband auch Einzelprodukte darstellt — die technischen Möglichkeiten zur Steigerung gewisser künstlerischer Momente, wie sie beispielsweise bei dem italieni schen Einband des 16. Jahrhunderts sehr schön zutage treten. Diese derbkantigen Bretter mit ihrem starken Lcderbezug und ihrer oftmals reichen Beigabe plumper Beschlagstücke bewegen sich zum größten Teil in einem starren Kompositionsschema, in das nur die mit dem er- wärmten Streicheisen gezogenen Linien kräftigere Nuancierung hinein bringen. Figürliche und heraldische Zutaten tragen ihr Teil dazu bei, den künstlerischen Eindruck zu erhöhen. Deutschland geht in dieser Zeit in der Kunst des Bucheinbandes allen übrigen Ländern voran. Der große Umschwung erfolgte im 16. Jahrhundert durch die Kunst Venedigs, der großen Vermittlerin des Orients nach dem Okzident hin. Die stolze Republik an der Adria hat ihr Antlitz dem Osten zugewandt und alle Farbenwunder des Morgenlandes feiern hier ihre Auferstehung. Verglichen an den starren konstruktiven Schematen, die der Bucheinband in Deutschland liebt, wirkt der venezianische Prachtband des 16. Jahr hunderts wie eine Erzählung aus Tausend und eine Nacht. Die Sara zenen besitzen jenes wundervolle Leder, das zur farbigen Jllusionskunst wie berufen erscheint und das als Maroquin oder Chagrinleder noch heute bei den Bibliophilen besonders beliebt ist. Als neues Element tritt die Vergoldung auf. Jenes wundervolle Liniengefüge, unter dem sehr bezeichnenden Namen Maureske bekannt, mutet an wie eine auf Papier gebrachte Umdichtung der entzückenden ornamentalen Kompo sitionsgedanken, die uns heute noch in den Säulengängen der Alhambra jo leibhaftig vor Augen treten. Tie Schnur- und Knotenmuster, die uns fast regelmäßig bei den venezianischen Einbänden dieser Zeit be gegnen, sind durchaus orientalischen Uriprungs. Venedig ist auch die Heimatstätte des ersten großen Verlegers Aldinus, der aber als solcher auch schon den ersten Umschwung in der Geschichte des Einbandes bezeichnet: denn die von ihm herausgegcbenen Werke tragen in der Tat jenen Verlegerband, der sich durch seine Gleichförmigkeit als solcher auswcist. Ohne jene beiden großen Bibliophilen des 16. Jahrhunderts, deren Namen ruhmvoll in der Geschichte des Bucheinbandes verzeichnet sind, wäre der Einband vielleicht schneller seinem herben Schichal verfallen, und die Kunstgeschichte wäre um die ichönsten Erzeugnisse neuzeitlicher Bindekunst ärmer. Es sind Jean Grolier und Tommaso Maioli, die ersten Bibliophilen großen Stiles. Vor allem der erstere. Grolier, der seit 1510 als Schatzmeister des französischen Heeres in Italien lebt, hat das große Verdienst, die Kunst des Bucheinbandes nach Frankreich gebracht zu haben. Immer kräftiger und mutiger treten bei den Grolier- bänden die Farbengedanken hervor. Aehnlich das Wirken Maiolis. In dessen Bänden reden die Kompositionsgedanken der Renaissance ein kräftiges Wort mit. Als dritter im Bunde wäre auch ein deutscher Bücherfreund zu nennen, Herr Nikolaus von Ebeleben, der 1543 in Bologna studierte, jener Universität, die ein deutsches Tuskulum war, wovon heute noch die zahlreichen Studentengräber ähnlich wie in San Domenico in Siena beredtes Zeugnis ablegen. Indes den wichtigsten Einfluß hat Grolier gehabt, der in Franz I. einen verständigen Helfer feiner künstlerischen Ideen fand. Ihm verdankt Frankreich bis in die Neuzeit hinein das Vorgewicht auf buchhändlerischem Gebiete. Die orien talische Linienaebung schwindet mehr und mehr. Der echte Grolier- band zeigt verschränkte Bandwerkrahmen, oder er trägt ein weit maschiges, aus kleinen Bandrähmchen gebildetes Netz, dessen Maschen von maureskem Rankenwerk ausgefüllt sind. Die Bände, die für Heinrich II. gefertigt wurden, könnte man als symbolisch sür die Art dieses lebensfrohen letzten Valois hinnehmen. Namenmonogramme erinnern an die Gattin Katharina von Medici, aber auch an die heiß blütige Geliebte des galanten Herrschers. Diana von Poitiers. Und diese Verwendung des Monogrammes neben dem der Wappen bleibt in der Folgezeit eine Eigentümlichkeit der französischen Bände. Unter Heinrich III. wird jener a In Fanfare genannte Einband Mode, der ein Jahrhundert lang seine Herrschaft behauptet hat, dessen charakteristi sches Kennzeichen ein weitmaschiges Bandrähmchennetz ist, das von feinen Rankenspiralen und Lorbeer- und Palmzweigen ausgefüllt wird. Es sind kulturgeschichtlich vielsagende Merkmale, die einem dagegen beim deutschen Renaissanceeinband begegnen, der mit Vorliebe das derbe Schweinsleder verwertet. Der Charakter bleibt durchaus linear symmetrisch. Die Mitte der Decke wird von einem Plattcnstempcl aus gefüllt, der das Bild eines Fürsten oder hervorragenden Mannes zeigt. Die Farbe ist bei den deutfchen Bänden durchaus verpönt. Jakob Krause, der kursächsische Hofbuchbinder, ist der Hauptmeister dieses Stiles. Seine Meisterschöpfungen sind jene in Gold prangenden fauch die Farbe gewinnt bei ihm zum ersten Male auf deutschem Boden hervorragende Bedeutung) Kalbledereinbände^ die mit den köstlichsten Schnitten geschmückt sind. Auch die orientalifche Art greift der begabte Meister auf. Goldranken übertönen in sonorem Äikord das reiche Farbenbild. Es ist uns hier nicht möglich, die Geschichte des Einbandes, der vor allem in Frankreich seine höchste Blüte erlebt, eingehender zu ver folgen. Wer genauer informiert sein will, der lese den anregenden Führer, den der Direktor des Deutschen Buchgewcrbemuseums, Dr. Willrich, zu der Ausstellung alter Bucheinbände geschrieben hat. Er ist besonders nach der technischen Seite hin instruktiv und unentbehrlich für alle, die mit wirklich künstlerischem Genuß diese einzigartige Aus stellung erleben wollen. Der Hauptschatz der im Buchgewcrbehause ausgestellten Bände entstammt der Sammlung Becher, doch haben auch größere Bibliotheken, wie die Kgl. Bibliothek zu Berlin, die Groß herzogliche Bibliothek zu Darmstadt, die Universitätsbibliothek zu Leipzig u. a. ihre reichen Schätze hergcliehen, die erst einen lückenlosen Ueberblick über das gesamte Gebiet ermöglicht haben. Ihren besonderen Wert hat die Veranstaltung für den Fachmann, denn die Auslage von Werkzeugen, Stempeln uiw. gewährt erst den rechten Einblick in das eigentlich technische Verfahren, ähnlich wie das ausgelegtc Material, und speziell die Buntpapiere, besonders in- struktiv für den Laien sind. Daß der Ausstellung eine kleine moderne Abteilung der hiesigen Akademie angeglicdert ist, fall ebenfalls crwähnk werden: denn gerade sie öffnet den Blick in die Errungenschaften unserer modernen Buchkunst, die wahrlich auch bei den veränderten Lebens bedingungen vor den Musterschöpfungen der Alten nicht zu erröten braucht. Hoffen wir zum Schlüsse, daß diese verdienstvolle Veranstaltung, die der Zentrale des deutschen Buchhandels so durchaus würdig ist, ihren Eindruck nach außen hin nicht verfehlen wird, daß alle Gebildeten die Gelegenheit benützen, einem Gebiete, das sonst abseits der eigentlichen Interessensphäre liegt, näher zu kommen. Ein hervorragendes Hilfs mittel zum richtigen Verständnis bieten in erster Linie die wöchentlich angeschten Führungen durch den Direktor des Deutschen Buchgewerbe- museums. Dr. Oeorv Livrmaiui.
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