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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.10.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-10-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190410307
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19041030
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19041030
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-10
- Tag1904-10-30
- Monat1904-10
- Jahr1904
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.10.1904
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04. i i>«u!>r«s ,«s8lc>i.^ 665 e. in prorsnl. .0^40 58.— ». 00.60 6- Vi»i8«nö» W.S5«. ^90«- >4.40«. Vnnnillz, üriod. intizis Z.so ,5V Z8 10 10 >0 0 4.95 s. i,OSll. s ) j.4O ).— >.so >,50 >.10 4.10 9'25 D.30 ?9.- 11,60 >IbO 19.— DkzuqS-PrktS i» d« Hanvterpedition oder deren Nu?k,akv- slellea abgedol,- vteneliLhrlich ^4 3.—, bei zweimaliger iSgltcher HuileUuaa in» Hau« 3.76. Durch dir Pasi bezogen für Deuilch- land u. criierreich virrielchbritch 4.K0, jür dir übrigrn LSndrr laut üeilunasprritlitte. Diese Rnmmer koste» ou» ollen vovndvirn und bei den ü'iiung-.Berküuirrn Aebaktton und Er»>kdittom IK3 Fernsprecher L«L Iobannl»gaslr S. Filialerpcdtttouen: Alfred Kahn, Buchdaudlg., Univrrllilltrstr.8 lFrrnjpr. Nr 40461, L pülche, Laiharinen- slrabe 14 tFrrnsprrchki Nr. 2N-3Ü1 u KSnig». Platz 7 tFeniiprechrr Nr. 7ö0üj. Haupt-Filiale Dresden: Mariensirake34lF«rnlprrcher Ämi i Nr. 1713). Hanvt-Filiaie Berlin: TarlDvnckrr, verzgl.Bavrvoibuchbandlst, Lüyoivslrohr lOlFerusprecherAmt V l Nr.46oit)> Anzeiger. AmtsklalL -es königlichen Land- und -es Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Aales un- -es Volizeiamtes -er L1a-1 Leipzig. Anzklflen-VrelS die 6 gespaltene Penrzeile 28 Reklame» »nter dem Redaktion«slrich lsgrfpaUeoj 76 »ach den FamUierulach» richte» lkgelvaltr») KO Tabellarischer »nd >slffernla- entsprechen» Hotz«. — Gebübrr» nir Nochweiiuageo »nd Lsserteoanaabme LL Vnnadmrschlus» für lluzetiear Abrab-Äulgode: vormlNag» 10 lldr. Morgra.-u-gob«: »achmUiag» 4 Uhr. ErN«-Beil»Oe« lgrsolzt). »»r mt» der Morgen.Ausgabe, oda« PostbesSrdervng ^4 60.—. mit Postbrsördrrunq ^1 701—. Anzeigen sind stet» an vir Expedition zu richte«. Tie Expedition ist wochentags ununterbrochev geoisnr« von früh 8 bi» abends 7 Uhr. Druck and Verlag von ll- Pol» in Leipzig Qnh. Qr. v, St. st Ä. «ltothardt). 98. Jahrgang. Sonnig den 30. Oktober 1904. vsr Aicdligrle vom Lige. * Die Meldung von der bevorstehenden Der. lobung des Prinzen Johann Georg mit einer bayrischen Prinzessin wird dementiert. * Der lippische Thronfolge st reit soll an gebt ch auf Vorschlag des Neickskanzlers vor ein Fürstenschieüsgericht unter Vorsitz des Groh. Herzogs von Vaden gebracht werden. (S. Dtsch. Reich.) * Nach einer Haager Meldung deS Ncuterschen BureauS wäre die für den englisch-russischen Konflikt zu ernennende Kommission nur e ne Unters uchunaSkommjssion ohne dichter, liche Befugnis. (S. den bss. Art.) * D'e englischen Schlachtschiffe „Jupiter" und „Magn'ficent" und nach Tangerin See aegangen, wo 3 russische KrieaSichiffe. 7 russische Tor- vedaborte mit Kohlensch ffen eingetrosfen sind. (T. den bes. Art.) * Der Admiral Aleresew und sein yesamter Stob verlassen heute (Sonntag) Cbarb'n und treten am 14. November in Petersburg ein Alereiew soll neue Pläne für den Feldzua in der Mantschurei ausarbei. ten. kS. russ.-japan. Krieg ) ' In einem Kohlenbergwerk bei Terz'o (Kolorado) fand eme Ervlosion statt. wob"i 60 Perscnen getötet wurden. kS. auS aller Welt.) psMftcbe lvocdenrcl>au. Die Fischerschlacht auf derToggerbank hat auf die europäische Politik gewirkt wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Man hatte von der baltischen Un glücksflotte. die schon vor dem Auslaufen so unliebsam von sich reden machte und ihre Abreise immer wieder verschieben muhte, von vornherein nichts Gutes er wartet. Don Kennern, denen ein autoritative? Urteil zu steht, haben wir immer wieder versichern hören, es sei so gut wie ausgeschlossen, dah die baltische Flotte bis nach Wladiwostok gelangen werde. Aber dah sie gleich im Anfang ihrer Reise eine so phänomenale Dummheit begehen und auf Fischerboote, wohlgemerkl auf eng lische Fischerboote, eine Kanonade eröffnen werde, das hatte man ihr doch nicht -ugctraut. Man muh sich immer wieder fragen: WaS haben sich eigentlich die Russen dabei gedacht, als sie die englischen Fischer mit Granaten und Maschinengewehrkugeln überschütteten? Aber nur ein Narr wartet auf Antwort. Tenn man mag immer an nehmen, dah die TiSziplin aus den russischen Schüfen sehr viel zu wünschen übrig läßt, mag nun selbst der Schnaps oder Champagner eine entsprechende Rolle bei diesem Heldenstückchcn gcspielt haben, so kann man sich doch nicht gut denken, dah gleich ein halbes Geschwader sinnlos betrunken gewesen sein soll. Oder haben die Russen Gespenster gesehen? Es komnit ja vor. dah nicht bloh irgend eine Landratte in den Nachtnebeln auf der breiten Wasserfläche gespenstische Schiffe zu sehen glaubt. Auch die alten Seebären wissen vom fliegenden Holländer und ähnlichen Gespenster schiffen viel zu erzählen. Auch Admiral Noschdjcstwenski hat ja, nachdem er endlich seinen Mund auftun muhte, die fatale Sache aus dieses Geleise geschoben. Er will sich rm Kampfe mit zwei javanischen Torpedobooten befunden und das eine davon sogar in den Grund gebohrt haben. Das würde anTonOuirotc erinnern, der cincWindmiihle für einen Niesen und eine Hammelherbe für eine Ritter schar ansah. Nur bat dieses „Töntje" leider kurze Beine. Denn so viel ist doch ganz klar, dah die Begegnung der russischen Flotte mit japanischen Torpedobooten in der Nordsee ein Ereignis von allcrgröhter Wichtigkeit ge wesen wäre. Wo zwei javanische Kriegsschiffe sind, da können auch zwanzig sein, wenn man auch nicht recht ein- sieht, wie sie plötzlich in die Nordsee gelangt sein sollen. In jedem Falle war cS die unerläßliche Pflicht deS russischen Admirals, über diesen höchst bedeutsamen Vor fall seiner Negierung auf dem schnellsten Wege Nachricht zu geben. Aber er schickte nicht bloh kein Tepelchenboot, sondern er war, wie die russische Regierung behauptet, sogar eme ganze Woche lang noch völlig unerreichbar. In der Nacht von, 21. zum 22. Oktober ereignete sich der Vorgang mit der Fischerslotte von Hüll. Und Noschdsestwenski fährt ruhig bis Vigo, ehe er endlich auf eine Anfrage der ruisischen Regierung seine faulen Ent schuldigungen vorbringt. Nur ein sehr starker Mann kann unter diesen Umständen an die zwei japanischen Torpedoboote glauben, die angeblich da- russische Ge schwader angegriffen haben sollen. Aber noch mehr. Tie Heldentat gegen die Fischer- flotte von Gull war ja nicht die einzige, deren sich da? baltische Geschwader schon jetzt rühmen kann. ES hat noch viel mebr Unfug angcrichtet. Schon im Skagerrack hat es bekanntlich den Helsingborger Dampfer „Aldebaran" mit einem Kugelregen überschüttet, und später bat e? auch den Geesicmünder Fischdampter „Sonntag" beschossen. Man kommt also kaum um die Annahme herum, dah Admiral Noschdjestwenski seine Aufgabe ungefähr mit dem Verantwortlichkcitsgcfllhl eines unmündigen Jungen du-chführt, dem man leicht, fcrtigerweiso einen geladenen N-volvcr in die Hand ge geben hat. Er läht blind drauflos schießen, wie ihm gerade zu Mute 'st, unbekümmert um die Folgen seiner HandlungSn^cise. Dah England über diese Schießerei au? dem Häuschen geriet, da? kann man ibm wirklich nicht verdenken. Dabei mögen auch manche Uebertreibungen mit untergelaufen sein, die aber in dem starken Selbstgefühl des englischen Volke- ihre natürliche Erklärung finden. M-n muh auch leider sagen, dah die russische Tiplomatir den peinlichen Fall doch allzu sebr auf die leichte Achsel geno-imcn hat. Ter Kaiser von Ruhland brauchte einige Tage, ehe er dazu kam, sein Bedauern über den Vorgang auSzu- sprechen, und WaS von den offiziösen AuSl^ssi'ngcn Nuß- lands bekannt wurde, daS konnte dem empfindlich verletzten Ehrgefühl England? in keiner Weise genügen. Eine Entschuldigung für den Angriff und eine Ent- schädigung für den anqcrichtctcn Schaden können in diesem Falle wirklich keine ausreichende Sübne bilden. Daß Rußland die schuldigen Offiziere nicht bestrafen will, ohne sie gehört zu haben, ist begreiflich; nur hätte es sich etwa? niehc mit der Untersuchung beeilen können. End lich ist e? auch begreiflich, dah England eine Garantie für die künftige Sicherheit der englischen Schiffahrt haben will. Für ein Land, das die Meere beherrscht, kann es ja in der Tat nickst gleichgültig sein, ob irgendwo auf belebten Wasserstraßen drei Dutzend Kriegsschiffe umher wimmeln, deren Kanonen zur Unzeit loszugehen pflegen. Ta Rußland auch in dieser Hinsicht versagen zu wollen scheint, so war die Zuspitzung des Konfliktes im Laufe der Woche unvermeidlich. Wäre es nach den englischen Hetzblättern gegangen, so hätte die englische Negierung an Rußland schon längst ein Ultimatum stellen oder gar den Krieg erklären müssen. Tas hat sie bis jetzt schön bleiben lassen, sich vielniehr bemüht, auf friedlichem Wege Genugtuung zu erhalten. Aber gleichzeitig hat sie ihren ungeheuren Marineapparat in einer Weise in Bewegung gesetzt, die einer Mobilisierung recht ähnlich sah. Zugleich wurden bei Gibraltar und Malta aus reichende Kräfte konzentriert, um gebotenen Falles der russischen Flotte ein Halt! zurufen zu können. Zum äußersten haben es beide Teile nicht kommen lassen. Schon steht die Ucberweüung an ein Sckieds- gericht prinzipiell fest. Frankreich, das wie Buridans Esel zwi'chen dem englischen und dem russischen Heu bündel schwankt, batte durch leinen Londoner Botschafter Canibon dem Lord Lansdowne seine guten Tienste zu diesem Zwecke anbieten lassen, und so wurde eine Lösung des Konfliktes gefunden, ehe die ultima rritio ra-ruin in die Erscheinung zu treten brauchte. Aber dah England durch die Seeschlacht von Hutt noch enger an die Seite seines Verbündeten Japan getrieben und dah es nie wieder die Sceherrschaft Rußlands tm Stillen Ozean zulassen wird, ist klar. Sehr spaßhaft ist bei alledem wieder, dah Nuhlond mit freuudwilliger französische Unterstützung auch sitzt wieder den Versuch macht, Deutschland zum Sündenbock zu stempeln. Wir sollen den braven Roschdjcstwenski durch unsere Warnungen vor geheimen Anschlägen der Japaner nervös gemacht haben. Diese Behauptung ist dumm, aber sie predigt wieder eindringlich die Lehre, die deutschen Finger von dieser ganzen Angelegenheit zu halten und uns nicht etwa in da? schiedsrichterliche Amt zu drängen, daS dem Konflikt zwischen Rußland und Eng land ein Ende machen sott. Auch allzu häufige Freund schaftsbeweise können zudringlich erscheinen. Tie Vorgänge in der Nordsee haben für einen Augen blick die Aufmerksamkeit von dem Kriegsschau plätze beiMukden abgelenkt, zumal in der letzten Woche die beiden feindlichen Heere fast untätig verharrten. Und doch ist es klar, daß sich dort von neuem große Er eignisse vorbereiten. Nur wenige Kilometer trennen die Gegner von einander. Wenn zwei Wolken, mit positiver und negativer Energie geladen, einander gegenüber stehen. dann muß die Entladung mit Naturnotwendigkeit erfolgen. In der Situation am Schahs wird eS nicht weniger geschehen. Noch ist ja die Entscheidung nicht ge fallen. Kuropatkin hat zwar seine mit großem Tamtam angekündigte Offensive nicht durchführen können, aber auch den Japanern ist es nicht gelungen, ihn entscheidend zu schlagen. Tie Ernennung Kuropatkin? zum Ober befehlshaber aber zeigt, daß die russische Regierung ihm mebr als je vertraut, dah sie jedenfalls keinen besseren Mann an seiner Stelle weiß. So hat sie ihn endlich au? der Botmäßigkeit NlerejewS befreit. Kuropatkin wird da? Vertrauen zu rechtfertigen suchen, so weit er kann. Jedenfalls muß man mit einer neuen großen Schlacht vor Anbruch de? Winter? rechnen. Ob sic endlich die Ent scheidung zeitigen wird, da? steht zwar nach den bis herigen Erfahrungen dahin; aber wenigsten? wird sie klarstellen, ob die Russen die mantschurische Kaiserstadt Mukden halten können oder den siegreichen Japanern verlassen müssen. Auf dem Gebiete der inneren Politik setzte besonders die Verhandlung deS preußischen Abgeordnetenhauses über die M i r b a ch - I n t e r p e l l a t i o n die Federn und Köpfe in Bewegung. Es ging mit ihr, wie es so ott mit großen Ereignissen zu gehen pflegt, die vorher monatelang nach allen Seiten erörtert worden sind: die Verhandlung bfteb hinter den Erwartungen weit zurück. Daß Freiherr v. Hammerstein eS vermocht hätte, dis zahl losen gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu entkräften, wird kein Unbefangener behaupten wollen. Seine Recht- fertigungSveriuche machten sogar einen kläglichen Eindruck und brachten vor allen Tingcn die Frage nicht zum Schweigen, weshalb er daS alle? nicht schon tm Juni gesagt hat. Tenn daß er damals wirklich nur ge- schwiegen habe, weil er noch nicht wußte, wie man an höchster Stelle über den Mirbach-Fall dachte, das sollte man doch von einem preußischen Minister nicht an- nehmen. Oder läge hier wirklich des Rätsels Lösung? Aber so schwach die Verteidigung des Minister? sein mochte, der Mehrheit diese? .Hauses genügte sie. Die ganze Rechte deS HauseS zeigte sich bemüht, nach dem Lutherschen Katechismus zu handeln und alles zum Besten zu kehren. Daß sie sich dabei von christlicher Liebe leiten ließ, ist freilich weniger sicher. Aber sie wollte wohl nicht ihre Aussichten gefährden, indem sie eine Frucht vom Baume zu schütteln versuchte, die noch nicht ganz reif war. Munkelt man doch ohnedies, daß in kurzer Zeit Freiherr v. Hcrmmerstcin einem noch entschiedeneren Ver- treter deS preußischen Junkertums Platz machen soll. So etwas läßi ein kluger Parteiführer an sich herankomiuen, zumal er weiß, daß heute ein unbedachte? Wort genügen kann, dem ganzen Kurs eine andere Wendung zu geben. Graf Bülow quält sich unterdessen noch immer mit den H a n d e l? v e r t r ä y e n ab. Die Verhandlungen mit der Schweiz sind ;chon wieder auf einem kritischen Punkte angekommen und die Unterhändler bedürfen diplomatischer Nachhülfe. Noch schlimmer stehen die Tinge mit Oesterreich. Nicht bloß, daß die deutschen und die österreichischen Forderungen nicht zusammen stimmen wollen, auch die Differenzen zwischen Oesterreich und Ungarn bereiten Schwierigkeiten, da die Zollgenieinschaft der beiden Staaten nur bis 1907 fcstgestcllt ist. So kann es schon jetzt als sicher gelten, daß dem Reichstage vor Neujahr keine Handelsverträge mehr zur Beratung zu- gehen werden; man rechnet bereit? auf den nächsten Sommer und vielleicht auf den Herbst. Und dabei sotten die Verträge sckon am 1. Januar 1906 in Kraft treten. Daß diese Unsicherheit für unsere Industrie und unseren Handel von unheilvollster Wirkung sein muß, liegt auf der Hand; und das um so mehr, als anscheinend dec agrarische Charakter der Verträge bei den Verhandlungen unserer Vertreter mit den auswärtigen Staaten noch be sonders unterstrichen wird. Graf Bülow kann unter diesen Umständen von Glück sagen, daß die auswärtigen Verwickelungen seine Position wesentlich erleichtern. Wie weit es unserer Politik gelingt, daraus Vorteile zu ziehen, ist freilich eine andere Frage. Ick. vrr lurrired-engMcde sionMt. -n. London, 28. Oktober. Der Kabinettsrat tagt heute nachmittag in der offiziellen Belwujung des Slaatsschapsistretärs, in Dow- ning-Street; eine dichte Menschenmenge umlagert die Versamiiilungsstätte, in der so gewichtiae EnttMeidungen fallen sollen. Nach den bisherigen Vereinbarungen wird der Premierminister in Beaulieu Gast des Lord Montag» sein: vermutlich aber werden ihn die Geschäfte eilends nach London zurückrufen. Es steht jetzt fest, daß alle Meldungen von einer „begrenzten Frist" für die russische Antwort, von einem ..Ultimatum" in keiner Weise be- gründet sind. Ebenso apokryvh ist die Angabe, Lord Charles Bercford habe Ordres erhalten, die weitere Fahrt des russischen Gescknvadcrs zu verhindern, und auch die durch die Admiralität verkündete Parole gehl mcku über den Befehl einer „tvechselseitigen Unterstützung" und eines „Zusammenwirkens" hinaus. In Peters burg vor allem scheint man von einem Katastrophen- Bewußtsein ganz und gar frei zu sein; man ist stumpf, grob, manchmal sogar zynisch. Tie klägliche Tat von Hutt wird darpestellt. als ob cs sich um einen „Unfall aus der Nordsee" gebandelt habe. Sehr verschnupft hier, daß so gar der „New Bork-Gerald" in einem Leitartikel bemerkt bat. die Engländer, mit denen sein Londoner Korrespondent bedingungslos sympathisierte, gehörten zu den launischsten und unvernünftigsten Völkern. — Gestern bat aus dem westlichen Kirchhof inGull die Be stattung des Kapitän Smith und des William Legrott stattgcfundcn. denen von den russischen Geschützen die Köpfe abaerisien worden sind. Die Stadt zeigte tiefe Trauer. Flaggen hingen von den Kirchtürmen, den Ge- schästSlädcn. den Klubhäusern. Fischer und Heilsarmee- soldoten waren im Trauerzuge, der etwa eine Meile lang sich hinfchlcppte. Etwa auf 100 000 Zuschauer wird er abgeschätzt. Diele Aeußerunaen gegen die Russen ver rieten, wa- die Scharen bewegte; der russische Vizckonsul legte auch einen großen Kranz mit Chrysanthemen und Lilien nieder. Dann rief man Gott und Gnade für die Witwen und Waisen an. O Tie Artikel de» Haager Uebereinkommen», die in der Tcbatte als Basis bezeichnet worden sind, lauten: Bei internationalen Stre tigke ten, die weder die Ehre ncch wesentliche Interessen berühren und einer verschie denen Würdigung von Tatsachen ent springen, erashten d e Signatarmächte e? für möglich, daß die Parteien, die sich auf d.plomatischem Wege nicht haben e nigcn können, sowe t e? die Umstände gestatten, eine internationale Untersuchungskom- Mission einjctzen m t dem Auftrage, die Lösung d eser Streitigkeiten zu erle chtern, indem sie durch eine unparteiische und gewissenhafte Prüfung die Tatkragen aufklären. Art. 9.) Die internationalen Unter- suck'unaskomniissionen werden durch besonderes Abkom men der stre tenden Teile gebildet. Tas UntersuchungS- abkonvmeu bestimmt d'e zu untersuchenden Tatsachen und den Umfang der Befugnisse der Kommissare. E? regelt dos Verfghren. D-e Untersuchung erfolgt kcn- t r a d i k ta t o r i sch. Die zu wahrenden Fermen und Festen werden, soweit sie nicht durch das Unter- suchungSabkonu»»n festgesetzi sind durch die Komm'ssion selbst best mmt. (Art. 10.) De» SchiedSrichtergmt kann einem einzigen Sch edSrichler oder mehreren Schieds richtern übertragen werden, die von den Parteien noch ihrem Bel eben ernannt oder von ihnen unter den Mit- , gliedern deS durch dieses Abkommen errichteten ständigen 1 Sckuedshofs gewählt werden. In Ermangelung einer B ldung des Schiedsgerichts durch unmittelbare Ver ständigung der Parteien wird in folgender Weise ver fahren: Jede Partei ernennt zwei Schiedsrichter, und d r'e wählen gemeinschaftlich einen Obmann. Bei St mmengleichheit wird die Wahl de» Obmanns einer dritten Macht anvertraut, über deren Beziehung sich die Parteien ewigen. Kommt eine E nigung hier über nicht zustande, sc bezeichnet jede Partei eine andere Macht, und d e Wahl des ObmannS erfolgt durch die so bezeichneten Mächte in Uebereinstimmung. (Art. 32.) In den Kreisen, d e Beziehungen zum Haager Schiedsgerichtshos haben wird, noch einem Reutertelegramm, daraus binaewielen, daß die nach der Haager Konvent'on zu ernennende Kommission für den Zw'ick'ensgtt in der Nordsee nnr e'ne Unter- su-hungskommission ohne richterliche Befugnis wäre. Die „Nsrd-eutsche Allgemein« Zeitung" begrüßt die Beilegung des Streite? mit folgenden Zeilen: „Mit großer Befriedigung wird man in Deutschland die Kunde ausnehmen, daß es der Weisheit der Re gierungen von England und Rußland gelungen ist, eine Verständigung zur Beilegung des Ltre:l,alles wegen der Beschießung englischer Fischerboote herveizufühcen. den Frieden Europas vor Er- schultcruug zu bewahren. Wenn, von den beiden un mittelbar beteiligten Mächten abgesehen, ein Staat Anlaß hat, diesen Ausgang zu begrüßen, so ist es Deutsch land. dessen Llaalstunsl »eil einem Menschenalter auf Erhaltung des Friedens gerichtet ist, welcher die not- wendige Voraussetzung ist für die Entfaltung und Festi gung der Wohlfahrt unseres Volkes." Die Sprache des deutschen Negierungsorgans ist würdig und ernst. Noch würdiger allerdings wäre es, wenn das Auswärtige A ni t auch den Fall des deutschen Fischdampfers in Geestemünde, für den gleichfalls die beglaubigten amtlickxm Unterlagen durch die vor dein Hafenmeister abgelegte Erklärung zur Stelle sind, prompt und rückhalt los erledigte. Bezüglich der Affäre dieses deutschen Dampfers, des „Sonntag", schreibt das „Berl. Tagebl.": „Vorstellungen von deutscher Seite in Petersburg sind nur für den Fall zu erwarten, daß die deutsche Flagge verletzt worden ist, d. h., daß die Russen dann noch aus das Schiff feuerten, als der Kapitän bereits die deutsche Flage gehißt hatte. Ist dies nicht der Fall, so liegt eine Verletzung des Völkerrechts und damit ein Grund zum Einschreiten nicht vor. Stellt sich indessen heraus, daß die deutsche Flagge verletzt »vor- den ist, so werden die amtlichen Stellen unge säumt die nötigen Schritte zur Er langung von Genugtuung unternehmen." Unter -en autzeramtlichen Londoner Lretzpolitikern äußern die „Daily News" ihre Genugtuung, daß der Friede ohne Schande für eine der beiden Parteien ge wahrt worden sei. Rußland könne sich der Entscheidung seines Kaisers ohne Verlust an Würde beugen. Tie Lösung sei die beste Leistung der Balfourjchen Politik. Der „Daily Telegraph" glaubt versichern zu können, daß Delcass 6 und der französische B o t s ch a s t e r in London eine chrenvolleRolle bei dieser Lösung spielten. Tie englische Regierung habe nicht .mr die Ehre ihres Reiches, sondern auch aller neutralen Nationen gewahrt. Tie „Time?" sagen, die An kündigung Balfours werde nicht nur im ganzen Reiche, sondern wahrscheinlich auch in der ganzen civili- sterten Welt mit ernster Zustimmung ausgenommen werden. Da? Blatt betont die moralische Unter stützung, die die Lösung der Streitfrage durch die Meinung der anderen Länder erhalten habe. Tie Lösung fei in großem Matze den neuen Beziehungen zwilchen den Kabinetten in Paris und London zuzuschre'ben. Tie „Morning Post" ist natürlich wenig zufrieden. Tas Blatt sagt am Schluffe seiner Besprechung eS könne sich des Gedankens nicht erwehren, daß die Mittel der Staatskunst in diesem Falle doch eine promptere Lösung hätten ermöglichen können, und zwar eine Lösung, die geeigneter gewesen sein würde, die Kolonien auf die Flagge stolz zu machen, worunter sie leben. Der „Standard" urteilt sehr abfällig. Er sagt: „Wir sind einem Kriege mit Rußland, der eine schreckliche Kalamität gewesen wäre, entgangen, aber den Streit unter solchen Bedingungen zu vermeiden, wa-
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