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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 01.11.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-11-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19071101020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907110102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907110102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-11
- Tag1907-11-01
- Monat1907-11
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Abend-Ausgabe v. Kezugö-Prei» Kr Leir-ta and Vorort» durch unser« «tg«r und Spediteur» tu» Hau« -»bracht: Lutgab» L (nur morgrn«) vtertrllthrlich 3 M. monatlich I vt., «u»-abe 8 (morarnd und abrndl) viertel» jährlich 4.SÜ M., mon»Iltch ILO Di. Durch di« Vvk besäen l2 mal täglich) innerhalb Deutschland« und der deutschen Kolonien vierteljährlich 5,25 M., monatlich 1,75 M. autschl. Poll bestellgeld sllr Oesterreich 8 ii. 66 d. Ungar» 8 L vierteljährlich, Ldonnemend-stlnnabme: Luguftu«olatz 8 bei unseren Drägern, Mlialen, Spebsteuren und «linatzineft^en^ sowie Postämtern und Di« eiugelne Nummer lostet 10 Pfg. Nedakttou und «Wedttt»»: Johann itgaste 8. Delrvhon Nr, 11SS2, Nr. lE, Nr. 146S4. lverltuer «»daktiou« vureau: Berlin HIV. 7, Prinz Loui« Ferdinand« Straße 1. Delephon I, Nr. 8275. ripMer TagMM Handelszettung. Ämlsvlatt i>es Rates und des Volizeiamtes der Ltadt Leipzig. Auzeigen-PreiS stdr Inserate au» Leipzig und Umgebung di« S gespaltene Petitzeile 25 Pf., finanzielle Anzeigen 3<) Ps., NeNamen l M.; von autwärt« 30 Ps., Neklamen l.2O M vomAu«land50Ps., finanz. Anzeigen 75 Pf. Reklamen I.SO M. Inserate v. Behörden im amtlichen Deil « Beilagegebühr 5 M. p. Lausend exkl. 4 gebühr. Lc'chäftianzeigen an bevorzu Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach La Festerteilte Austräge können nicht zur—- gezogen werden. Für da« Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird keine Barantie übernommen. Anzeigen-Annahme: Lugoftu«platz 8 bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Expeditionen de« In- und Autlaudr«. Haupt Siltale verliu Earl Dunck: . Herzog!. Bahr. Hofbuch handlung, Lützowftraße 10. lDelephon VI. Nr. «603). Nr. 303. Freitag 1. November 1907. 101. Jahrgang. Das wichtigste vom Tage. * Der Kaiser ist an einer Erkältung erkrankt, die sich bereits seit mehreren Tagen fühlbar machte. Zur rascheren Wieder herstellung wird der Kaiser während eines Teiles des Tages das Bett hüten. * Der „Kreuzzeitung" zufolge hat der Erste Staatsanwalt am Land- gericht I Berlin durch eine Erklärung vom gestrigen Tage die Strafverfolgung in Sachen des Grafen Kuno Moltke wider Maximilian Harden übernommen. * Die Begnadigung Haus zu lebenslänglichem Zuchthaus wird in wenigen Tagen erwartet. (S. Neues a. a. W.j * Die Deutsch-Amerikaner beabsichtigen, eine Präsi dentschaftskandidatur von Hearst zu unterstützen. iS. Ausl.s * Das meuternde Torpedoboot in W l a d i w o st o k ist in den Grund gebohrt. IS. Ausl.) Jur neuen Flottenvsrlage. Daß wir eine neue Flottenvorlage bekommen weiden und in welcher Richtung sie sich bewegen wird, geht jetzt unzweifelhaft aus folgenden Auslassungen der ministeriellen „Berliner Korrespondenz" hervor: „Schon bei den Verhandlungen über das erste Flottengesetz im Jahre 1898 ist von dem Vertreter der Verbündeten Regierungen daraus hingewiesen worven, daß die Lebensdauer der Linienschiffe mit 25 Jahren möglicherweise zu hoch bemessen sei. Die 25jähr,ge Ersatzsrist rechnet im Sinne des Gesetzes von der Bewilligung der ersten Rate des zu ersitzenden Schiffes dis zur Be- williaung der ersten Rate des Ersatzschiffes. Für die Lebensdauer der Schiffe im militärischen und technischen Sinne lomuit aber ein erheblich größerer Zeitraum in Betracht. Der militärisch-technische Geburtstag eines Schiffes ist nicht der Tag der Bewilligung der ersten Rate, sondern der Zeitpunkt der endgültigen Festsetzung der der Konstrullion zugrunde zu legenden militärischen und technischen Anforderungen. Ferner erfolgt die Ausrangierung eines Schiffes nicht dann, wenn die erste Rate des Ersatzschiffes bewilligt wird, sondern erst dann, wenn das Ersatzschiff fertiggeslelll ist und in den Frontdienst eintritt. Jnsolgedessen sind die Liuiemctnffe bei ihrer Aus rangierung nicht 25, sondern in Wirklichkeit etwa 30 Jahre alt. Sie sind daun, wie die Erfahrung in allen Marinen gelehrt bat, völlig überaltert und rur Verwendung in der Schlacht in den letzten Jahren nicht mehr brauchbar gewesen. Dies ist begründet durch die schnellen Fortschritt«, die auf allen Gebieten der Schiffbau-, Maschinenbau» und Waffentecknik andauernd gemacht werden; ihnen muß jede Marine Rechnung tragen. Nach den Erfahrungen, die seil dem ersten Flottcngesetze gc- jammelt worden sind, muß die Lebensdauer der Linienschiffe verkürzt werden, wenn die Schiffe bis zu ihrer Ausrangierung zur Verwendung in der Schlacht geeignet bleiben sollen. Hervorragende Fachmänner fremder Marinen sind der Ansicht, daß die Lebensdauer eines Linienschiffes 15 bis 20 Jahre nicht überschreiten sollte. Wenn man die Lebensdauer der Linienschiffe in der bisherigen Berechnungsweise auf 20 Jahre festsetzt, beträgt die wirkliche Lebens dauer bis zur Ausrangierung immer noch etwa 25 Jahre. Dieser Zeit raum ist in Anbetracht der andauernden Fortschritte der Technik noch so lang, daß an dessen Ende ein Linienschiff für die Verwendung in der ersten Schlachtliuie kaum noch in Frage kommen wird. ES muß auch darauf hingewiesen werden, daß durch die Verkürzung der Erjatzsristen der Linienschiffe letzteren die gleiche Lebensdauer zuteil wird, die für die Kreuzer bereits jetzt festgesetzt ist. Bisher Hat ein gewisser Widersinn darin gelegen, daß den Linienschiffen, dem Kerne der Flotte, eine längere Lebensdauer zuerkannt war als den Kreuzern, die für die Flotte immerhin eine geringere Bedeutung als jene haben." Die Auslassungen bringen an sich nichts neues. Aber sie bestätigen jetzt amtlich, waö bisher mehr oder weniger halbojsiziös gesagt worden war und darum sind sie wichtig. Dar Branntweinmonopol. lieber die Einzelheiten der jetzt im Reichsschatzamk liegenden Vor lage über das Reichsbranntweinmonopol erfährt das „B. T." von unter richteter Seile noch folgendes: 1) Die Gesamtproduktion an RohspirituS, welcher in den Brennereien hergestelll werden darf, wird festgesetzt aus 370 Millionen Liter reinen Alkohols. 2) Die Errichtung neuer Brennereien wird von der BedürfniSsrage und von der Erteilung einer Konzession abhängig gemacht. 3) Die Maischbottichsteuer fällt fort, den Brennereien soll ein Minimalpreis gewahrt werden, welcher sich auf zirka 35 L für 100 Liter reinen Alkohols stellen wird. Hierzu kommen anstatt 20 Kontingent (Liebesgabe) wie bisher nur noch 10 für das Hektoliter reinen AlloholiontingentS, und zwar nur noch auf die Dauer von zehn Monaten, alsdann soll das Kontingent vollständig abgesckafft werden. — Ter Reichsmonopolverwaltung wird ein Beirat der Brennereien beigegeben, welcher bezüglich der Preisfestsetzung in jedem Jahre sein Gutachten abgeben soll. 4) DaS Spilitussyndikat wird vom Reich überrommen. Die Sprit fabriken werden vom Resiü erworben. Die Spritfabrikbetriebe werden auf Grund der im Durchschnitt der letzten drei Jahre erzielten Rein gewinne durch eine Entschädigung abgefunten, deren Höhe dem jechs- prozcnligen Kapitalwert des jährlichen Reingewinns entspricht. 5) DaS Gesetz tritt am l. Oktober 1908 in Kraft. 6) DaS Reich soll 70 Millionen Mark Mehreinnahmen aus dem Branntwein herausschlagen. Aus den Kreisen des Spiritusgroßhandels wird gemeldet: Es sind etwa 80 große und etwa lOO kleine Sprilfabriken vom Reiche zu über nehmen. Hierzu kommen noch eine beträchtliche Anzahl Lagerhäuser im Betriebe von Großhändlern, außerdem Kessel, Wagen, Fässer usw., zu deren künftiger Uebernahme seitens des Reiches etwa 250 Millionen Mark erforderlich sein dürsten. Die an die Spritsabrilen und Händler zu zahlende Abfindung kann mit etwa 750 Millionen Mark veranschlagt werden, so daß feilens des Reiches etwa 1000 Millionen Mark zur Einführung des Monopols erforderlich sind, welche Summe, falls sie in Form einer Anleibe ausgenommen wird, «irre Verzinsung von ca. 40 Millionen Mark crso.derlich macht. Gs ist erreicht! Eine Geisterzitation muß man bekannilich dreimal aussprechen. Drei Wahlen sind nötig gewesen, bis eine Duma nach dem Herzen der russischen Regierung geschaffen ist, Geist von ihrem Geiste. Schon sitzen >66 „Monarchisten" in dem baufälligen Taurischen Palais, dessen frische Siuckbekleirung bei allem ihrem hübschen Anseben das geheime Grauen der Sachverständigen erregt und noch mebr derjenigen, die unter dieser „schlafenden Löwin" zu tagen verdammt sind. „Monarchisten!" Es klingt so unschuldig, so staatsbürgerlich solide aus jeden Fall. Leider weiß die Welt, daß unter diesen Monarchisten der „Bund wahrhaft russischer Leute" zu verstehen ist, die eigentlich keinen besseren Ruf besitzen, als die roten Terroristen, ja im Grunde einen weit schlimmeren: „Er schwärmt für Freiheit, wenigstens wie er sie In feiner teuflisch kochenden Brust verstand; Tu glühst für Knechtschaft. ." für Knechtschaft, für Rassenhaß und Rassenhetze, sür den Völkermord in seiner schrecklichsten Gestalt, der selbst der lallenden Kinder, der kommenden Geschlechter unter Mutters Herzen nicht schont. Es ist kern guter Geist, den der Beschwörer am Newastrande aus dem Pfuhl des Entsetzens heraufbeschworen hat. War das die Absicht? Ist das wirklich Geist vom Geist Stolypins? Er selber sagt nein, und was man von ihm soi gehört hat, läßt die Möglichkeit offen, daß seine Unrufrievenh. ehrlich gemeint ist. Aber seine Taten, feine Verschlechterung d— ohnehin engbegrenzicn Wahlrechts ganz besonders, baden diesen Erfolg gezeitigt. Mußte die zweite Duma aufgelöst, mußten die Versuche, mit ihr zu einem Verständnis zu gelangen, so schnell abgebrochen werden — haben wir am Tage der Auslösung gefragt, unv fragen es noch. Wir wollen einmal Stolypin ein ehrliches Wollen zugestehen ; aber den Verdacht einer schwächlichen Nachgiebigkeit gegen die zum Konflikt drängende reaktionäre Hospartei hat er nicht von sich abzuwenden verstanden. Imme» hin möchte ein Gefühl der Erleichterung die Geburt einer „arbeitsfähigen", d. b. einer dem Ministerium erträglich dünkenven Duma begrüßen. Wenn nur nicht ver allzu begründete Argwohn bestände, daß Herr Parischkjewitsch und seine Kumpane, die sich jetzt verhundertfacht haben, ihr Bestreben fortsetzcn werden, die Duma als Institution über haupt zu diskreditieren, um die noch ungeborenen weniger monarchischen Dumas der Zukunst im Schoße der Gegenwart zu vernichten! Wenn ferner nur nicht, nachdem LaS parlamentarische Ventil der demokratischen Opposition geschloffen ist, die Verschwörungen, Meutereien und terro ristischen Greuel in vervielfachtem Umfange wieder ausleben werden! Schon haben diele Rubriken in den Tagesberichten unheimlich anzu wachsen von neuem begonnen: Verhaftungen, Morde, Hinrichtungen! Deutscher Reich. Leipzig, 1. November. * Zur Kaiscrrctfe. Die Englandreise des Deutschen Kaiserpaares wird, wie jetzt feststeht, über Vlissingen geschehen. Am 8. November wlrd dort die „Hobenzollern" mit den Kriegsschiffen „Scharnhorst", „Königsberg" und „Sleipner" auf der Reede ankommen. Di« „Hoben zollern" wird am 9. an den Kai kommen, und nachmittags wird sich das Kaiserpaar, das mit einem Sonderzug eintrifft, an Bord der Jacht begeben. Am Sonntag, den 10. November, morgens erfolgt die Abreise. Dre Kaisrrjacht wird von denselben Marinesahrzeugen eskortiert sein, wenn sie am 19. aus der Reede von Dmuiden eintriffk, und diese werden auch die Fahrt nach Amsterdam am Morgen des 20 mitmachen. Die „Hohenzollern" wird in Amsterdam am Handelskai nnter dem Donner der Geschütze der holländischen Kriegsschiffe „Noordbrabant", „Ine land", „Köningin RegenteS" unv „Piet Hein" frstlegrn. In einem G bäude des Halendienstes, das zu diestr Gelegenheit festlich geschmüui wird und durch einen überdeckten Korridor mit dem Kai verbunden wird, wird der Empfang statlfinden. Ueber das Programm des Tag-S ver nimmt die „Deutsche Wochenzeitung", daß am Nachmittag vor dem Besuch im Reichsmuseum ein Empfang der Mitglieder des Ministeriums und der höheren Behörden geplant ist. Es wild noch erwogen, ov ein Empfang des diplomarischen Korps und eia Besuch der Deutschen Kaiser-Wilhelm-Schule stattfinven werden. * Sürst vülsw un» »er Zentralverban» Deutscher Jii»uftttrllrr. Der Reichskanzler ließ dem Zentralverbande Deutscher Industrieller auf das Telegramm der Delegiertenoersammlung vom 28. Oktober folgende Antwort zugehen: Berlin, 29. Oktober. Dem Zentralverbande Deutscher Industrieller danke ich verbindlichst für das freunvliche Begrüßungs telegramm des gestrigen Tages. Es ist für mich von hohem Wert«, wenn die Vertreter der industriellen Arbeitgeber sich so einmütig zu meinen Anschauungen über die Fortführung unserer Sozialpolitik be kennen. Die Bereitwilligkeit der Delegiertenversammlung zur Ueber nahme neuer Lasten auf diesem Gebiete beweißt mit, daß die deutsche Feuilleton. Es ist keine Kunst geistreich zu sein, wenn man vor nichts Respekt hat. Goethe. Neue Ausgrabungen -er Deutscyen Orient-Gesellschaft in Aegypten. Man schreibt uns: Das soeben erschienene neue Heft der „Mittei. lungen der Deutschen Orient-Gesellschaft" bringt wieder einen inter essanten Bericht über die Grabungen des letzten Winters. Den Anfang macht ein« Mitteilung von S. Möller über die im Oktober und No vember mit Unterstützung der Rudolf Virchow-Stiftung unternommenen Grabungen auf dem vorgeschichtlichen Friedhöfe bei Abusir-el-meleq, unweit Kairo. Im ganzen sind noch 257 vorgeschichtliche Gräber ge öffnet worden. Zum ersten Male kam eine größere Anzahl von den Instrumenten zutage, mit denen di« vorgeschichtlichen Aegypter ihre Gräber im Wüstenboden aushöhlten. Es sind Tonscherben, etwa von der Länge und Breite einer Hand, die wie die kleinen Sandschaufcln unserer Kinder gebraucht wurden. Die stark abgenutzten Ränder zeigen, daß in dem teilweise von sehr harten Gipskristallen durchzogenen Boden die Arbeit keine leichte war. Unter einzelnen Funden fällt ein Fcuersteinmesser mit völlig erhaltenem Holzgrisfe aus, sowie ein Alabasternapf in Gestalt eines geflochtenen Körbchens. Auch zu der Gruppe der frommen Fälschungen fügen die neuen Funde wiederum ein interessantes Stück. Den im Vorjahre ge fundenen, aus Nilschlamm und Mehlkleic zusammengckneteten „Schein broten" entsprechend, ist diesmal „Scheinmchl" als Grabbeigabe nach gewiesen worden. In mehreren Gräbern standen große Krüge, die bis zum Rande mit feinem Weißen Sand gefüllt waren. Eine Gruppe dieser vorgeschichtlichen Gräber unterschied sich von der sonst gewöhn lichen Art durch eine Anzahl von Schwellen, die. aus ungebrannten Ziegeln aufgemauert, parallel die Graber durchschnitten. Auf diesen, wie auf einem Rost, lag di« Leiche in der bekannten bockenden Stellung, mit an das Kinn empovgezogenen Knien. Gegen Ende der Grabung stieß man, ganz im Norden des Friedhofes, auf eine unberührte Grab anlage der römischen Kaiserzeit. Eine von Osten nach Westen in die Tiefe gehende Treppe führte zu einem rechteckigen Raum, von dem sich wieder sechs Kammern abzweigten. Zwei von ihnen waren nie benutzt worden. In den anderen fanden sich im ganzen 19 Leichen, sämtlich sorg fältig einbalsamiert und mit der in dieser Zeit beliebten Wickelung mit zierlich ausgeführtem Kassettenmuster. Die Holzsärge waren meist zer fallen. Einer, der noch ganz geborgen werden konnte, war als Schrank mit Flügeltüren gebildet und oben mit geschnitztem Urnensries gekrönt. ganz in der Art, wie Dr. Rubensohn auf demselben Friedhof ge sunden hat. Am Schluß der Grabung wurde das Ziegelhaus, in dem die Teilnehmer der Expedition nun während zweier Winter gewohnt hatten, dcfintiv verlassen. Der so ertragreiche Friedhof von Abusir-el-meleq rann nunmehr als erledigt betrachtet werden. Voll von Hoffnung sür die Zukunft ist der folgende Bericht von L. Borchardt, dem Direktor des neugeschaffenen Kaiserlich deutschen ägyptologischen Instituts in Kairo, über eine „Voruntersuchung von Tell-el-Amarna im Januar 1907". Die Bedeutung dieser Ruinenstätte, an deren Stelle um 1500 v. Ehr. der berühmte „Ketzer könig" Amenophis IV. Hof hielt, der mit der polytheistischen Tradition seines Volkes brach und nur ein« einzige Gottheit, die allen Wesen Leben spendende Sonne, anerkennen wollte, ist ja bekannt. Die ungeheure Ausdehnung dieses einst der Sonnenverehrung geweihten Stadtbezirkes l-cträgt an der breitesten Stelle, vom östlichen bis zum westlichen Ge birge, 24 Kilometer. Eine Anzahl sehr schöner Antiken aus der Zeit des „KctzerkönigS", die im vergangenen Jahre, offenbar aus Raub grabungen von Eingeborenen, in den ägyptischen Handel kamen, richteten von neuem das Interesse auf die Ruinen von Teil el-Amarna. Das führte zu der genannten „Voruntersuchung", die Borchardt im Auftrage der Deutschen Orient-Gesellschaft unternahm. Zunächst wurde eine all gemeine Orientierung über das ganze Ruinenfeld vorgenommen. Ganz lm Norden, wo das Gebirge dicht an den Fluß herantritt, liegt auf den Vcrhügeln schon eine Ansiedelung aus der Zeit Amenophis' IV., aus einigen Ziegelhäusern bestehend. Sie diente vielleicht als Garnison für die Wachen, die hier die Straße am Nil beaufsichtigten. Von hier aus südlich mehren sich dann die Hausruinen. Man unterscheidet viereckige, von Mauern umgebene, durch Straßen getrennte Gehöfte. In ihrer Mitte jedesmal die Ruine eines großen Hauses, dessen Mauern ost noch bis 3 Meter hoch stehen. Diese nördliche Niederlassung ist bisher über haupt noch nicht svstematisch untersucht worden. Ein gutes Stück weiter südlich liegt die Ruine der eigentlichen Stadt Amenophis' IV., des ..Sonnenhorizonts", wie er sie nannte. Ihre Längenausdehnung be trägt etwa 3, ihre Breite etwa 114 Kilometer. Hier ist allerdings viel fach gegraben worden, aber keineswegs überall gleichmäßig. Am meisten durchforscht ist die am Fluß gelegene Innenstadt. Weiter nach Osten, wo die Stadt nach der Wüste hin sich allmählich verlief, liegen ausgedehnte Viertel noch völlig unversehrt. An allen diesen Stellen wurde der Spaten angesetzt, und überall gab es gute Resultate. Am '.nreresscmtesten sind die Ausgrabungen zweier Häuser von Vornehmen in der eigent- jichen Stadt. Die Anlage ist bei beiden im wesentlichen die gleiche, die beiden Haupträume, durch eine Tür miteinander verbunden, sind die .breite Halle" und die „tiefe Halle". Die erstere entspricht etwa unserem Vorzimmer. Sie wirb durch ein großes, nach Norden gerichtetes Fenster erhellt, durch das im Sommer der kahle Nordwind einsallt. Der Fensterwand gegenüber sind kleine Bänkchen aus Ziegeln angebracht die man sich als Platz sür die Stühle des Hausherrn und seiner Gäste zu denken hat. Die Wände des Zimmers waren mit Blumengirlanden, zwischen denen Gänse aufgehängt sind, bemalt. Die „tiefe Halle", die unserem Eßzimmer entspricht, war auch ausgemalt, aber in merklx geänderter Farbenstimmung. Sie enthält auch die Erhöhungen für d Sitze. Ein in den Boden eingelassener Topf enthielt im Sommer dc Sprengwasser für die Kühlung des Zimmers, und für die Kälte d Winters ist sogar ein tragbarer Ofen vorgesehen. Es ist eine große runde Schale aus gebranntem Ton, in der sich noch Aschereste fanden, Wohl der älteste Vorfahre unserer tragbaren Petroleumöfen! Hinter der „tiefen Halle" liegt das Schlafzimmer, das an der Nisch« für das Bett deutlich zu erkennen ist, und an das sich eine richtige Badestube an schließt. Dies ist eine aus Kalksteinplatten gepflasterte, kleine Kammer mit einem Abfluß im Boden, der das gebrauchte Wasser mittels einer Rinne in ein kleines, außerhalb des Hauses gelegenes Reservoir bringt, in dem es Wohl balb auftrocknete. Kleine Nebenräume der Badestube werden zur Kleiderablage gedient haben. Das Bad bestand jedenfalls aus einer Uebergießung, die man aus großen Tonkrügen vornahm, jedenfalls eine höchst interessante hygienische Einrichtung im 15. vor christlichen Jahrhundert! Eine größere Anzahl von Nebenräumen, Speichern und Stallungen vervollständigt die Ausstattung eines solchen Herrensitzes. Gleichzeitig mit diesen Ausgrabungen wurden in der inneren St' kleinere Untersuchungen des von den Engländern ausgegrabenen „Palastes" vorgenommen. Borchardt glaubt, daß es sich hier um die Neste bes mit Pylonen und Säulen reich ausgestatteten Sonnentempels des „Ketzerkönigs" handelt, von dem der sogenannte „Palast" nur einen eingebauten Teil darstcllt. Unter den Elnzclfunden ist ein auf den ersten Blick unscheinbares Stück einer Rundskulvtur von besonderem Interesse. Es ist die Ferse der linken Hinterpranke eines angeschossenen Löwen. Die uns bisher nur aus Reliefs bekannten Darstellungen d Königs auf der Löwenjagd müssen also auch in Standbildern von stat lichcr Größe existiert haben. Alles in allem erweist sich also das Resu tat der „Voruntersuchung" in Tell el-Amarna als ein überraschend günstiges. Mehr als ein Drittel des großen Ruinenfeldes ist noch gar nicht oder wenig durchforscht worden, und schon die Grabungen, die in bei kurzen Zeit von nicht ganz drei Wochen unternommen werden konnten, haben eine Fülle von interessanten Resultaten geliefert. Eine gründliche Ausgrabung des ganzen Gebietes muß also als überaus lohnend und wünschenswert bezeichnet werden. Die „Mitteilungen" schließen mit einem Bericht, ebenfalls von Di rektor Borchardt, über die vom Januar bis Juni j9O7 unternommenen Ausgrabungen an den Totentempeln der Könige Neferer- kere und S a h u - R e sum 2500 v. Ehr s bei Abusir-er-Rirah. Der merkwürdigste Fund in dem ersten dieser beiden Totentempel war eine Anzahl von Prunkscheingefäßen, die ein bisher unerklärte« Rätsel in überraschender Weise lösten. Schon bei früheren Grabungen en derselben Stelle waren eigentümlich bell- und dunkelblaue Favcncestücke zutage gekommen, teils in länglicher „Fingerform", teils als Hiero- glophenzeichen gearbeitet, über deren einstige Bedeutung man vollständig
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