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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 08.11.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-11-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19071108019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907110801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907110801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-11
- Tag1907-11-08
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Be-ugS-Pre» »r Lei»,«, und «or»N, dich ««W, Lrigcr und Spediteure in» Haut -«bracht: !lergab« t (nur wer«n») oiertrljLhrlich !i ve monatlich t Di. tiuraakx ti /morgen» und abend») viertel. ILftrli» «.SV M. monatlich I SO Dt. Durch di« Past bczoee» -Ä mal ttglich) innerhalb Deutichland» und der deutichen Kolonien vierteljtdrlich °>.2S M. monaUich i.7ü M. -u»lchl. Poft neüellgeld »ür Oesterreich v L i» I». Ungarn 8 L nterteljthrlich. rboanemenl-Lnnabme Duguftu-platz 8, »ei anicren ltrtaern Filialen. Lpedttenren und AnnaluneSellen, »wie Postämtern und BmestrLgern. Die einzelne Ätummer loste» Ai Pf» Dedaktioa und LxpedUi»»: JohanniSgaste 8. lelevston Nr. iE Nr. tE> ?tr. 14694. lverliner Nedaktton» Bureau: Berlin diV i Prinz Loni« Ferdinand- Straße I. Telephon I. Nr '-275, Morgen-Ausgabe v. WMkrTWMM Handelszeitung. Nmlcvfatt des Rates and des Volizeianrkes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preid M» Juferate au» Leipzig und Umgebung .N« «gelpaltenc Petikieile 25 Pi., ftncnzielle Lnzetgen 80 Pf., Neklainen l M.; »» au »wärt i 30 Pi-, Reklamen 1.20 Pi »omLurlaudSOPl., stnanz. NnzcigeuTSPi Reklamen 1.50 M Inserat« v. «cbürden im amU,cheii TeüMP- veilagegetLbr 5 Pi. p. Tausend exkl. Post aedüdr. GelchLst»anzeigen an bcoorzvgle: Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Tarik Aefterteilte blusträxe können nicht zurück -«zogen werden. s?2r das iLr'cheiuen a- beftimmteii Tagen und Pllhen >oird keine Garantie übernonimen. Antigen.Annahme: ftlnguftu-platz 8. bei sstmtlichen Filialen n. allen Annoncen. Skveditionen de« Fn> nnd An«lande« yaupl Filiale Berlin. Tarl Dunck: Herzozl. Bahr. Hofbuch, bandlung. Lützowstraße 10. lTelepbuu Vl. Nr. 4M?>). Nr. iilss. Freitag 8. November 1907. M. Iabraaiia. Das wichtigst« vsn» Tag«. * Gstern fand in Gegenwart des Kaisers die Berliner Rekrulenvereivigung statt. (S. Dschs. R.) * Der Antrag Müller-Meiningen aus Reform der Reichs- ratSkaminer wurde von der Kammer der Abgeordnete« deS bayrischen Landtags abgelehnt. * Der UniversitätSmusikdirekior und Direktor deS NniversitatS- Langervereins zu S«. Pauli in Leipzig Max Reger wurde zum Präses sor der Musik ernannt. * Zu der Explosionskatastrophe auf dem Hulk .Blücher' wird weiter gemelcet, daß dieZabl der Toten nunmehr auf fünf zehn gestiegen »st. (S. d. Artilet unter Neues a. a. Welt.) * Die Pforte hat wegen des neuangefachten Bandenunwesens in Makedonien ernste Vorstellungen in Athen» Belgrad und Sofia erhoben. * Die schwedische Regierung läßt offiziös mitteilen, daß Nor wegen eine vorgängige Mitteilung des Gaianlie-Vertrazes unter lassen hat. (S. Auel.) * Der frühere Ministergehilfe Gurkow wurde zur Amtsentsetzung rrnd zum Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter für die Dauer von drei Jahren verurteilt. lS. Ausl.) * Das KarlSborster Parsorce-Jagd-Rennen (Ehrenpreis und IS 000 -2) gewann Ritim. v. Lcwinskis br. St. »Bellatola* mir Leutnant von Raven im Sattel. (S. Sport.) Zwischen -en Prozessen. Herrn Maximilan Harden mit Herrn Brand zu vergleichen, ist eine Geschmacklosigkeit. An Intellekt, an Wissen wie an Können, auch au Energie ist Harden dem anderen unvergleichlich überlegen. Und man dar» auch annehmen an Charakter. Denn wieviel Aergerliches auch dec Moltke-Harden-Prozeß zeitigte, wie weit auch die Rücksichtslosigkeit des Blutes den Angeklagten Harden in der Selbstverteidigung hinriß, wie übel überhaupt diese Vermengung von persönlichem und politischem Material ist — Harden kann immerhin das starke politische Wollen für nch in Anspruch nehmen. Das ist nicht zu vergessen, selbst wenn man geneigt ist, die Motive zu seinem Vorgehen gegen den Eulenburgschen Kreis in einem Konglomerat von hohen politischen Zwecken und starken persönlichen Trieben, z. B. Beifallsbedürfnis, zu suchen. Nun aber 'ollen ihm auch die politischen Ziele aberkannt, zum mindesten soll die Realität seiner politischen Voraussetzung bestritten und damit seine ganz» Aktion als Farce hingestcllt werden. Wir haben gestern geschrieben, die politische Ausbeute des Prozesses Brand sei nicht übermäßig groß. Das ist sic auch nach unserem heutigen Empfinden und nach sorgfältigster Nachprüfung des Prozeßmaterials wirklich nicht. Aber aus dem Prozeß wird bereits in einer Weise Ka pital geschlagen für ganz bestimmte politische Absichten, daß der Prozeß durch diese Ausnutzung erst über die ihm innewohnende Bedeutung hinausgehoben wird. Man les«, was die „Deutsche Tageszeitung" schreibt: „Nun hat der Fürst (Eulenburg) noch durch Eid bekräftigt, daß er nie gegen den vierten Kanzler gearbeitet habe. Damit braucht noch nicht erwiesen zu sein, daß sein persönlicher Einfluß an höchster Stelle auch nicht indirekt verantwortlichen Staatsmännern unbequem, oder daß er immer sachlich wohltätig gewesen sei. Aber das Schreckgespenst dieser singulären „Kamarilla" ist nun doch in sein Grab zurückgc- scheucht." Das ist natürlich ein Widerspruch in sich selbst. Tenn ob die Kamarilla sich direkt oder indirekt betätigt, »st ganz gleichgültig. Man darf es sogar fast als Charakteristikum des Wirkens jeder Art von Nebenregierung ansehen, daß sie zu Intrigen neigt und indirekte Operationen liebt. Aber ganz deutlich sichtbar wird ooch in diesen Zeilen das Bestreben, den Eulenburgschen politischen Ein fluß möglichst unscheinbar und harmlos zu deuten. Und wir hoffen es noch zu erleben, daß in der „Kreuzzeitung" oder einem anderen feudalen Blatte aus Grund der eidlichen Aussage des Fürsten Eulenburg von oer Nichtexistenz einer Kamarilla nächstens behauptet wird, nie hätten unverantwortliche Ratgeber in der Umgebung Hr. Majestät ihr Wesen getrieben, wie denn überhaupt die ganze Charakterbildung, der durch- dringende Verstand des allerhöchsten Herrn usw. DaS Muster zu solchem wohlberechneten Byzantinismus kann jene hochinteressante Notiz des „Berliner Lokal-Anzeigers" abgeben, die setzt vor einem Jahre etwa auftauchte, und damals den Fürsten Bülow zu der kühl geschäftsmäßigen, aber um so bedeutsameren Feststellung in der „Norddeutschen Allge. Meinen Zeitung" veranlaßte, in der es hieß: Der Kanzler habe nicht gesagt, eS gebe überhaupt keine Kamarilla, sondern: wenn dies ircmde Giftgewächs bei uns ausgetaucht sei, so nie ohne erheblichen Schaden für Fürst und Volk. Wer lesen kann, wird den Sinn dieser Worte erfassen Und auch die Urheberschaft ist llar. Denn nie hätte das halbamtliche Blatt diese abrupte Notiz, zu der gar keine äußerlich sicht bare, journalistische Veranlassung vorlag, ohne Autorisation gebracht. Im übrigen ist «s ja nach diesen wochenlangen Diskussionen überflüssig, noch einmal beweisen zu wollen, daß tatsächlich Fürst Eulenburg sich als unveranwortlicher Inspirator der Reichspolitik gefühlt und betätigt hat. Wem die Geschichte des Sturzes von drei Kanzlern, wem die Dokumente der Hohenloheschen Memoiren, wem die Wiener Audienzen deS Botschafters Graf Eulenburg vor diplomatischen Revierements nicht genügen, der ist nicht zu überzeugen. Für alle anderen politisch geschulten Menschen aber ist es unerschütterlich, daß man lange Jahre in dem Schloßherrn von Liebenberg eine Art heim lichen Kanzlers zu sehen hatte. Daran ändert auch die eidliche Aussage des Fürsten Eulenburg nichts. Ueber Worte, über die Auslegung des Ausdrucks Kamarilla, läßt sich trefflich streiten. Und überdem hat ja Fürst Eulenburg seine Worte sehr fein gewogen. Er hat nicht etwa jegliche auheramtliche volinsche Beeinflussung der Reichspolitik bestritten, sondern die Existenz einer Kamarilla und eine direkt betätigte Animosität gegen den Kanzler, 'einen Freund den Fürsten Bülow. In dieser ostentativ betonten Freundschaft hat man vielleicht den feinsten Schachzug deS Diplomaten zu sehen. Maa könnte hiernach fast vermuten, daß Fürst Eulenburg sein, Rolle noch uicht für auSgespielt hält und zum mindesten eine äußerliche Retablierung erhofft. Um auch daS zu erwähnen, so hat doch auch der Kanzler unter seinem Eid ausgesagt, er habe „erst in den letzten Jahren von homo sexuellen Neigungen des Fürsten Eulenburg und des Grafen Hohenau gehört". Also doch auch gehört und nicht erst aus der Hardenschen „Zu kunft" erfahren. Das erscheint immerhin wichtig zur Beurteilung Hardens. Trotzdem kann natürlich nicht verkannt werden, daß vor läufig dieser eben beendete Prozeß die Situation Hardens nicht ver bessert hat. Die Frage der Homosexualität des Fürsten Eulenburg ist nach dem am Mittwoch geschworenen Eid weit diffiziler geworden. Und vielleicht, sogar wahrscheinlich, läßt sich das Gericht in dem noch ausstehenden Hardcn-Prozeß überhaupt nicht mehr hierauf als auf ein tlreina probanckirm ein, sondern hält sich einfach an den Schwur, ohne aus Varietäten und Nuancen, ans unbetätigtc normwidrige Neigungen, überhaupt cinzugehen. Das ist um so eher möglich, als Herr Dr. Magnus Hirsch feld nun nicht nur als Sachverständiger, sondern auch als Geschichten erzähler einigen Nnf gewonnen hat. Auch ist schon jetzt ziemlich deutlich geworden, daß in dem künftigen Hardenprozeß doch die Beweisaufnahme ganz anders begrenzt werden wird, als vor dem Schöffengericht. Man wird sich weder auf „normwidrige, wenn auch ideelle Männersrcund- schäften", noch auf die hohe Politik einlassen und damit bei» Angeklagten ungleich schlechter stellen als vorher. ES sei denn, daß Harden das Wort seines Verteidigers Dr. Bernstein wahr macht, der vor Gericht gesagt hat: Würde Fürst Eulenburg bestreiten, daß er homosexuell ist, so wür- den wir das zu beweisen suchen. Nnd Harden selbst hat ja mehr als einmal auf das noch nicht verwertete Material hingewiesen. Er hat ja auch mit Emphaie erklärt: Ich schone ja die Herren bis letzt nur. Nun wird wohl eine Phase kommen, in der Schonung Selbstmord wäre. Das hat, bei aller Widerwärtigkeit des Themas, doch das eine Gute, daß nun restlos und gründlich ausgewaschen wird, und daß dann nicht mehr mit dunklen Andeutungen von wohlwollend verborgen gehaltenem Material operiert werden kann. Nebenbei sind diese anderthalb Jahre Gefängnis aber auch ein recht heilsames Menetekel für alle, die es gelüsten sollte, in den Branwchen Fnßtapscn zn wandeln. Ans dein sächsischen Landtag. Der zweite Tag der Etatsdebattc hat zwar zum Teil recht lange Reden, wie die des Abg. Günther aber doch wenige bedeutsame Momente gebracht. Er war so wenig wie der erste Tag ein großer Tag. Am bemerkenswertesten war das rückhaltlose Vertrauensvotum, das der kmsiervativl, Führer ^vitz sdem ^-«nouzminist«^ Roger ndete. Und man wird nicht fehl gehen, wenn man cs weniger dem Finanz minister, als dem konservativen Minister gespendet an sieht. Nicht als sollte damit gesagt sein, daß Opitz dem Finanzminister nicht für besten Spezialressort das Vertrauen aussprechcn wollte; aber sieht man sich die ganz; politische Situation an, wie sie sich nnn ein- mal zur Zeit gibt, dann gewinnt dieses auffällig warme BekennrmS der konservativen Partei zur Person und der Amtsführung des Ministers Rüger seine politische Bedeutung. Man erinnere sich nur, daß seit der offenbaren Kontroverse der Minister Hohenthal und Rüger über die Ausführungen des Legations» rates von Nostitz zur Frage der Schiffahrtsabgaben im Dresdner kon servativen Verein von einer mehr oder weniger offenbaren Minister krisis die Rede ist. Wir haben seiner Zeit darauf hingewiesen, daß ge wisse Differenzen bestehen, glaubten sie aber nicht so hoch einschätzen zu sollen, wie das in einer Reihe von sächsischen Blättern geschehen ist. Mag auch die Möglichkeit vorliegen, daß diese Differenzen zunehmen werden. Wenn aber nun gerade in einer Zeit, in der solcher Konsliktsstosf in der Region der Ministerien sich anzuhäusen scheint — eine solche Ver- trauenskundgebung durch die st ä r k st e F r a k t i o n desLandtages z u g unsten des einen Ministers erfolgt, während man zugleich weiß, daß dieselbe Fraktion dem anderen Minister wegen seines Landtagswahlgcsetzes nicht allzu hold gesinnt ist — so wird man er messen können, was Opitz' Rede bedeutete. Sie wächst an Bedeutung über den Rahmen einer bei Etatsberatungen üblichen Vertrauenskund gebung zum Finanzminister hinaus. Sie proklamiert den Minister v. Rüger zum Vertrauensmann der Kon servativen in eben dem Gesamtministerium, dessen Minister des Innern mehr als einem Konservativen ein Dorn im „agrarischen Auge" ist. Nnd darin möchten wir die Bedeutung der gestrigen zweiten Sitzung der Etatsberatung sehen. Daß in ihr zugleich der Vertreter der Sozialdemokratie, der Abg. Goldstein, dem neuen Minister des Innern vorwarf, Hohenthal verfolge wie sein Vorgänger die Politik der Nadelstiche in der Bekämpfung der Sozialdemokratie, war so deplaciert wie möglich. Denn der Minister konnte mit Recht darauf Hinweisen, wie er über Versprechungen hinaus durch Anordnungen an seine Beamten bemüht gewesen ist, diese klein liche Politik einzustelleu. Und wenn irgend etwas gleich zu Anfang der Tätigkeit dieses neuen Ministers geeignet war, ihn: das Vertrauen politisch freiheitlich gesinnter Kreise zu erwerben, so ist es eben diese Ab kehr von einer verfehlten polizeilichen Maxime gewesen. Das sollte auch die Sozialdemokratie nicht verkennen. Aus der Rede GüutherS ist besonders hervorzuheben die Kritik an dem Verhalten der preußischen Ensenbahnverwaltung Sachsen gegen über. Damit hat der freisinnige Redner der Volksmeinung beredt Ausdruck verliehen. Er forderte, die sächsische Regierung möge darauf dringen, daß die offenkundig ungerechte Behandlung Sachsens durch Preußen endlich aufhöre. Der Redner verlangt ferner, daß die sächsische Regierung ihren Einfluß im Bundesrate zur Beseitigung der Fuhr- kartenstener einsetzen solle. Damit würde sich allerdings Sachsen ein Verdienst erwerben. Neber die Notwendigkeit eigener sächsischer Ge sandtschaften sprach der Redner sich sehr kühl aus. Habe doch die sächsische Regierung von ihrem Münchener Gesandten die Stellung der süddeutschen Staaten zu den Schiffahrtsabgaben nicht erfahren können. — Staatsminister Graf v. Hohenthal erwiderte auf diese letzte Aus lassung, daß die Regierungen nun einmal so seien. Die Sachen, die sie verschweigen wollten, würden von ihnen nicht mitgetcilt, und Spione seien die sächsischen Gesandten nicht. Auf der anderen Seite betonte er die Wichtigkeit der Gesandtschafen, deren Arbeitsgebiet groß genug sei, um ihr Fortbestehen zu rechtfertigen. Hatten alle Redner betont, eS gelte, die Teuerungszulagen und Besserungen der Beamtenbesoldungen über den Etat hinaus durchzufiihren, so suchte Dr. Rüger dem entgegen zustellen, daß man leicht fordern könkte, wen»» man nicht an die Deckurig denke. Geld zu neuen Forderungen sei nicht vorhanden, da gesetzmäßig die Ueberschüsse dazu nicht verwendet werden dürften. Aber damit ist denn doch diefe Frage nicht so leicht abgetan. Hat die Regierung durch ihre Zustimmung zu unserer neuen Zolltarifpolitik an der allgemeinen Verteuerung mitgeholsen, so muß sie auch erkennen, daß diese vermehrte Fürsorge für die Beamten in die Wege zu leiten eine ihrer Hauptauf gaben bleibt, und der Landtag wird darum hoffentlich die ablehnende .Haltung des Finanzministers .»och zu überwinden wissen. Der Aaiserbesrrch und -ie Vagdadbahrr. lVon unserem Londoner ^-Korrespondenten.) Seit einiger Zeit schon ist es in diplomatischen Kreisen bekannt, daß bei der Anwesenheit des Kaisers in Windsor auch die mit der Bagdadbahn zusammenhängenden Fragen besprochen werden dürs tcn. Nach dem anglo-russischen Garantieabkommen über Persien har man sich in England bezüglich der Stellung Großbritanniens im persi schen Golf sicher zu suhlen begonnen. Man erinnert sich, daß in russi- scheu Blattern vielfach die Rede war von einem geheimen Para graphen in den anglo-russischen Abkommen. Dieser Paragraph »st von dein englischen Auswärtigen Amt abgcleugnet worden. Er braucht auch gar nicht zu bestehen. Tatsache ist, daß vor Abschluß des persischen Abtommens eine völlige Verständigung zwi- schenEnglandund Rußland überalleFragen der Po litik im naben Orient stattgefunden hat. Diese Ver ständigung ist so eingehend gewesen, daß auch das letzt veröffentlichte russisch-bulgarische Abkommen vom Prinzen Ferdinand selb st hier in London mit dem Auswärtigen Amt durchgesprochen worden ist. In Berlin glaubte man allen diesen Dingen ruhig zuseheu zu können, da man wußte, daß England, mit einer russischen Garantie in der Hand, bereit sein werde, über einen südpersischen Terminus für die Bagdadbahn mit sich reden zu lassen. Man hat aber dabei über sehen, daß England uns in Rußland durch die Teilung Persiens, auf einem nunmehr endgültig dem Moskowiter als Interessensphäre zu- gewicsenen Gebiet einen höchst unbeguemen, einen territorialen Nachbar und Nebenbuhler, verschafft hat, der uns aus tausenderlei Rücksichten, besonders aber aus delikaten dynastischen Grün den, der Gegenstand besonderer 'Rücksicht ist. Rußland wird ganz sicher das Werk der Baydadbahn mit allen Mitteln zu hindern oder mindestens zu verlangsamen suchen. In Berlin hat man es für unmöglich gehalten, daß Rußland so bald an neue Abenteuer denken könne. Die vom Großfürsten Wladimir vor Jahresfrist in Pari mit Eduard VII. besprochene neue Orientpclltik Rußlands nnd die Vereinbarungen mit Bulgarien und Rumänien müssen aber diese Illusion letzt zerstören. Rußland denkt an neue tür- ki s eh e A bc n t e u - r. Es trifft alle Anstalten, die Türkei von Klein asien aus zn bedrohen. Früher oder später wird der Krieg von dieser ürert' kommen müssen. Eine strategische Linie wie die Bagdadbahn oder nocb mehr deren Fortsetzung wäre ein höchst unbequemer Bundesgenosse des Sultans gegen den russischen Anmarsch. . . In zwei, der britischen Regierung nahestehenden Organen ist die Bagdaobahnfrage ernstlich und in inspirierter Weise in den letzten Tagen erörtert worden und beide sprechen sich »n höchst bezeichnender Weile aus. Di: , Edinburgh Review" greift die antideutsche Partei in England an, welche Deutschland an der Ausführung eines derartigen Unternehmens zu hindern suche, wie es Großbritannien selbst in Indien und Aeyvptcn bewältige. Tic ministerielle „Tribüne" nimm, daS Thema eifrigst auf und such: der Wilhelmstraße nocl, deutlicher klar zu machen, wie nützlich es sei, ein internationales Abkommen zu haben. Man will offenbar ein umgekehrtes N a n g t s c - A b k o m m en erzielen. „Die Aufgabe", sagte die „Tribüne", „welche Deutschland auf sich genommen, ist die schwierigst-' von allen. Das erste Drittel der Strecke von Konstantinopel narn Bagdad verfügt jetzt über einen Schienenweg. Ader dies ist der am wenigsten aussichtsreiche Teil deö ganzen Projekts. Abgesehen von der Ebene von Konia, die Bewässerung in ein großes Kornland ver wandeln mag, nnd abgesehen von den metallreichcn Pässen des Taurus besteht wenig Hoffnung für ein kräftiges Wachstum an Bevölkerung und Industrie. In den reichen Ländern zwischen Euphrat und Tigris liegt die Zukunft der deutschen Ingenieur» und Finanzkunst." Iluv nun koinmt die wichtigste Stelle dieses außerordentlich geschickt bereg neten Artikels. „Es ist indessen ein gewaltiges Unternehmen und en. Wurf, dessen unmeßbare Segnungen aufgehallen und vernichtet werden können, wenn Deutschland einem Dauerfeuer frem- der Kritik unterworfen bleiben soll." Um das ganz klar zu machen, bedient sich die „Tribüne" eines Vergleiches aus eine» englischen Kindersabel. In diesem Märchen liegt der Hund aus dem HcubünSel in der Krippe. Er kann das Heu zwar nicht selbst verzehren, aber er will wenigstens die Genugtuung haben, daß das Pferd auev nicht fressen kann. „Es ist Unsinn", sagt das ministerielle Blatt, „wenn sich Franzolen nnd Engländer über deutsche Obstruktion beklagen - es hat an gutem Grund '-u solchen Klagen in der Ver gangenheit nicht gefehlt — solange sie selbst den Hund in der Krivoe spielen wollen." Die „Edinburgh Review" batte sich gestellt, als fürchte sie eine direkte Annexion Kleinasiens durch Deutschland. Die „Tribüne" mach: aber darauf aufmerksam, daß Sie Natur unüberwindliche Hinderviste jedem Versuche einer unmittelbaren deutschen Herrschaft cntgegenstelle. Je mehr yingcgen deutsche Ideen und je weniger türkische .zdeen »n der Entwickelung Kleinasiens den Ton angebcn, desto mehr profitiere die Welt dabei. Die „Tribüne" umschreibt schließlich ganz klar, wie weit die englische Regierung beim Kaiserbcsuch zu gehen geneigt in. „Wenigstens die Versicherung wohlwollender Neutra lität ist der billigste Preis, den wir für den Nupen zahlen können, den uns ein deutscher Erfolg von irgendwelchem Belange bringen kann Es ist von großem Nutzen, sich gegenüber io merkwürdig liebens würdigen Angeboten die Frage vorznlegen, was- Englands letzte Ziel- in Konstantinopel selbst sind. Wir wissen, welckien wachsenoen wir», schaftlichen Einfluß sich England in den letzten zwei Jahren de» bei hohen Pforte zn sichern verstanden bat. Das persisch-russifchc Abkom- men bat Großbritannien für den Sultan sicherlich weit interessanter gemacht. General French ist auf der Reste nach dem Bosporus, um dem Sultan ein Handschreiben König Edwards zu überbringen. Eng- lands kotegoriifche Unterstützung der russischen Politik in Mazedonien hat seine besondere Wirkung auf die türkischen Finanzen und damit aur Sen empfindlichsten Teil im türkischen Staatsmcchauismus ausgeüd» Als Hüterin des Gladftoneschen Vermächtnisses ist die heute in England herrschende liberale Parte», ohnehin zu eincr Experimentalpolitik mit dem Ziel bereit, die türkische Herrschaft i n Europa zn beenden, wenn ihr eine andere Macht das Krieg führen und die Kosten eines Feldzuges abnimmt. Selbst die fricdsame „Tribüne" gibt dies zu und macht kein Hebl daraus, daß diese Po litik eines Tages mit der v o n D e u t s ch l a n d v e r f o l g- ten, die türkische Herrschaft in Kleinasien durch Reformen und Moser- nisierung zu stützen, zus a m m e n sto ß e n werde. Es ist klirr, daß man die Haltung der deutschen Politik dadurch zuixunften Englands zu beeinflussen sucht, daß man das „große Geschenk" eines Bagdad-
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