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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 12.11.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-11-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19071112016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907111201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907111201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-11
- Tag1907-11-12
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Nuzeigeu-Prett skr Inserate au« Leipzig und Umgedv, .. dt, «gespaltene Petit,eile S Pf., ftnanzirllr Sämige» 30 Pf., fti«Samen l Pi.; von -u«wärt« SV Ps., lkevame» US» V vom Ausland 50 Ps-, finanz. Anzeigen 7äP: Rellamin 1.S0 M. Fnserated. Behörden im amtlichen Teil 40 P" Bcilagegebübr 5 M. p. Tausend cpkl. Poi irbühr. Gejchäfttauzeigen an bevorzugt, stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Tarn ,z«fterteilte Austräg« können nicht zuruil gezogen werden. Für da» Erscheinen au destimmtrn Tagen und Platzen wird kein. Garantie übernommen. Anzeigen. Annahme, Lu-uftotzplatz bei sämtlichen Filialen u. allen Annouei i . Expeditionen de« In- und Au»lande« Haupt FUiale Berlin, Earl Duncki , Herzogs. Bahr. Hosbuch- handlung. Lutzowstrafte lO. fl-lephon VI. Rr. 4SM) Nr. 31t. Dienstag 12. November 1907. 101. Jahrgang. Das wichtigste vom Tage. * Di« „H o h e u z o l l er n" mit dem K a i s e r p a a r au Bord ist gestern »nittag 1 Uhr 30 Min. unter dein Salut der Geschütze in den Hafen von Portsmouth eingelaufen. sS. d. bes. Art. 3. S. Hauptbl.) * Ueber das Befinden des Herzogs Ern st von Altenburg ist wieder ein Bulletin ansgegeben worden. sS. Dischs. R.) * Das gestern auf der Berliner Börse verbreitete Geruch!, der Geb. Kommerzienrat Ernst von Mendelssohn-Bar tholdy werde Stengels Nachfolger, ist, wie uns aus zu verlässiger Quelle telegraphisch mitgeteilt wird, un begründet. * Der badische Landtag ist auf den 26. November einbcrusen. * Die Annexion des Kongostaates steht unmittelbar bevor. lS. Ausl.) * Der Rücktritt des französischen Finanzminijters Caillanx wird angelündigt. . * Der verurteilte Gurkv hat Berufung eingelegt. * Der oberste Patriarch und KatholikoS aller Arme- nier Mkirtitsch ist in Etschmiadzin gestorben. Allgemeine Betrachtungen zur itehrerbesol-ungsvorlage. Es ist ein altes Klagelied, daß geistige Arbeit vergleichsweise am schlechtesten bezahlt wird. Mancher ungelernte Handarbeiter würde sich entschieden weigern, für den „Hungerlohn" suin in seiner Sprache zu reden) zu arbeiten, 'ür den gar mancher geistige Arbeiter seine Zeit und Gesundheit zu Markte trägt. Sozialdemokratie und Gewerkschaften wären sofort zur Stelle, und der Streik wäre fertig. Der Grund, warum die geistige Arbeit im Erwcrvsleben <o schacht w-akommt, liegt aber auf der Hand. ES herrscht ein unverhältnis- mäßiges Ueberangebot an geistigen Arbeitern. Ein Angebot, daS die Nachfrage bei weitem übersteigt. Kein Wunder, wenn die Preise sinken. Einer unterbietet eben den andern. Das ist ein Grundgesetz der Volks- «irtschast seit allen Zeiten gewesen und wird sich auch in Zukunft nicht ändern; man mühte denn gerade an den alleinseligmachenden Zukunfts staat glauben. Auch der Staat, wenn er als reiner Privatspekulant, als Geschäfts- mann unter Geschäftsleuten, austritt, macht sich die Konjunkturen, wie sie Angebot und Nachfrage ergeben, oft und gern zunutze. Zahlreiche öffentliche Arbeiten werden im Wege der Submission vergeben. Je mehr sich melden und je weniger sie fordern, um so bester. Wird hier- be, das gesunde Masi nicht überschritten, jo ist gegen solche Verfahrungs- weis« kaum etwas einzuwenden. Der Staat musi sparen; denn das Geld, mit dem er seine Lieferanten bezahlt, ist nicht sein eigenes Geld, sondern das zum Teil sauer verdiente Geld seiner steuerzahlenden Bür ger. Ganz anders dagegen hat sich der Staat zu verhalten, wenn es sich am eigentliche Staatsaufgaben höherer Art handelt, nämlich um Auf- gaben der Staatsverwaltung und Wohlfahrtspflege. Nur Dinge, die dem reinen Geschäftsleben angehören, lassen sich rein kaufmännisch be handeln. Arbeiten auf rein geistigem Gebiet dagegen sind keine Ge- schäftsangelegenheiten. Dinge, wie Heer, Kirche, Schule, Justiz, Ver waltung, Kunstpflege nach reinen Geschäfts- und Finanzgcsichtspunkten behandeln, heisit sie mißhandeln. Ein Staatsmann, der Arbeiten auf diesen Gebieten rein spekulativ nach Angebot und Nachfrage regulieren wollte, würde wenig staatsmännisch handeln. Niemanden fällt es ein, bedeutende Kunstwerke in Submission zu geben oder eine Staatsstelle an denjenigen zu verdingen, der die geringsten Gehaltsansprüche stellen wird. Gerade das entgegengesetzte Verfahren ist das richtige. Je mehr der Staat für dergleichen Aufgaben zu opfern bereit ist, desto gröbere Auswahl kann er treffen. Je wichtiger also eine Staatsaufgabe ist, destoweniger darf er rein finanzielle Gesichtspunkte in den Vorder grund rücken. Nicht die Staatsverwaltung wirtschaftet am besten, die am meisten Ersparnisse gut macht, sondern diejenige, welche die besten sachlichen Erfolge erzielt. Ein gutes Heer-, Schul- und Justizwesen kann, darf und muß Geld kosten. Schon mancher Staat hat die Erspar nisse bitter bereut, die er in früherer Zeit etwa auf dem Gebiete des Heerwesens gemacht batte. Wir möchten hier ganz besonders auf einen Punkt aufmerksam machen. Ein schlecht bezahlter Beamter ist fast immer auch ein un- msriedener Beamter. Was aber ein unzufriedener Beamter besagen will, daS braucht kaum noch näher auseinandergesetzt zu werden. Lust und Liebe, sagt Goethe, sind die Fittiche zu grosien Taten. Wo Lust und Liebe fehlt, da geschieht alle- nur kümmerlich, vielleicht nur halb. Ein Beamter, der nur seine Pflicht und nichts als eben gerade seine Pflicht tut, ist ein schlechter Beamter. Ein Staat, der mit solchen Beamten zu wirtschaften gezwungen ist, musi schlecht wirtschaften, auch wenn er billig wirtschaftet. ES scheint fast so, alS habe unsere Staatsregierung diese Richtlinie hier und da völlig auS den Augen verloren. Erst kürzlich mutzten wir Klagen auS den Kreisen der Justiz vernehmen, die, wenn sie begründet sind, allerdings zu ernsten Besorgnisten Anlatz geben. Gegenwärtig sind eS die VolkSschullehrer, die sich mit vollem Recht verletzt und zurückge- jetzt fühlen. In der amtlichen Begründung der von der Regierung den Ständen vorgelegten Vorlage, betreffend die Erhöhung deS AnsangS- gehalteS der VolkSschullehrer, heisit eS wörtlich wie folgt: „Die Bei behaltung d«S bisherigen AnfangSgehalteS von 1200 erschien untun lich, da, ganz abgesehen von den Erwartungen der Lehrerschaft, die all- gemeine Preissteigerung sich gerade bei den Einkommen am schärfsten geltend macht, die sich über daS sogenannte Existenzminimum nur wenig erheben. Wenn die AnsangSgehalte einer gröberen Zahl der unteren StaatSdienergruppen lDiener, Hausmeister, Portier-, Heizer usw.) auf 1800 F neben freier Wohnung festgesetzt find, so wird den ständigen Ährern, die für ihre Ausbildung immerhin erhebliche Opfer gebracht haben, «in gleiche- AnfangSgehalt nicht versagt werden können, zumal «S erst nach vollendete« SO. Lebensjahre eine Steigerung erfährt." Die Enttäuschung, ja Erbitterung, die über diese Auslassungen in unseren Leserkreisen herrscht, ist durchaus verständlich. Die Lehrer — dieselben Männer also, denen man erst vor kurzem die Befähigung zum einjährig-freiwilligen Dienst zugesprochcn hat, fühlen sich mit Recht in ihrem Ehrgefühle empfindlich zuriickgcsctzt. In der Tat scheint es nicht der ausgesprochene Privatunternehmer- standpunkt zu sein, den die Regierung hier zu vertreten für gut findet? Lausen nicht die Ausführungen der offiziellen Denkschrift in der Tat auf das hinaus, was wir zu Eingang unseres Artikels darlcgten? Wenn ein Privatunternehmer seinem Markthelser höheren Lohn zahlt als seinem Buchhalter, einfach deswegen, weil Markthclfer vielleicht ge sucht, Buchhalter aber zahlreich wie Sand am Meere sind, so mag. ihm das hingchen; dafür ist er eben Geschäftsmann, und in Geschäftsange- lcgenheiten hört bekanntlich die Gemütlichkeit auf. Der Staat aber sollte anders denken. Ja, die Regierung sollte schon den Klotzen Anschein meiden, als glaubte sic Männern, denen sie die Erziehung der natio nalen Jugend anvertraut, nicht schon ohne weiteres den gleichen und höheren Gehalt schuldig zu sein, als ihren Heizern, Lampenputzern und Aufwärtern. ES ist lies bedauerlich, datz eine amtliche Auslassung, wie die mitgcteiltc, ihren Weg in die Oessentlichkcit und in die autzcrfächsische Presse hat finden können. Wir geben uns der Erwartung bin, datz die Volksvertretung diese offenbare Zurücksetzung nicht allein unserer Lehrerschaft, sondern unserer mittleren sund höheren) Beamtenschaft überhaupt nicht unwidersprochen lasten wird. Tic Volksvertretung ist das dem Lande schuldig, dessen Lcbensinteressen sie vertritt. klLvotaw reßlom »nd Enzyklika. Aus München wird uns geschrieben: Die Enzyklika gegen die Modernisten hat in Bayern wieder einen Streit und Kampf aüfleben lassen, der so alt wie die bayerische Ver fassung vom Jahre 18l8 ist. Ein Jahr vorher war das Konkordat mit der Kurie geschlossen worden, welches hauptsächlich durch die Tätigkeit des damaligen bayerischen Gesandten in Nom, des Kardinals Häfielin, sich für die Kirche sehr günstig gestaltet hatte. Im vorgenannten Reli- givnsedikt, das als Beilage der Verfassung einoerleibt wurde, trug man für die Rechte des Staates, für die Wahrung seiner Kirchenhohcit Sorge. Seitdem wurde non der Kirche und dem ganzen Ultramontanismus die Rcchtsgültigkeit dieser Bestimmungen bestritten, wurde behauptet, datz dem Konkordat der Vorrang vor dem Religionsedikte gebühre. Ein trotz seiner Heftigkeit, trotz aller Vorwürfe des Rechts- und Vertragsbruches ganz müßiger Streit. Denn das Religionsedikt besteht als Bestand est der Verfassung zu stEckit nud <. lt selbst«-.«rKär.dli'l? st Ve sa strnos- gesetz dem. Kontoroare, einem Staatsvertrage, vor. Das Religionseditt brachte nun auch das ?Iacetum re8»um, näm lich die Bestimmung, datz für alle Gesetze der Kirchengewalt, und zlvur ohne Unterschied zwischen Kirchen» und Disziplinärgcictzen. ai>o auch für die gus die Glaubens- und L-ittenlehre bezüglichen, seitens des Episkopats die königliche Genehmigung zu' ihrer Verständigung geholr werden müsse. Die Bestimmung ist, um das gleich zu sagen, ein Schwert ohne Klinge, eine sogenannte lex impeeiects, denn cs fehlt dem Staate, wie cs sim bei dem Unfehlbarkeitsdogma besonders gezeigt hat, an der Möglichkeit, bei Zuwiderhandlung gegen die Bischöfe einzuschreiten. Immerhin gewährt sie gegebenenfalls einen großen Vorteil: der Staat braucht nur solchen Kirchengesetzcn seine Schutzpilicht angedeihcn zu lasten, für deren Publikation die königliche Erlaubnis nachgesucht und erteilt wurde. Die Bestimmung gilt selbstredend auch für die protestantische Kirche, bei der sich, schon aus dem Sninuscvcskopat der Krone heraus, niemals die geringste Schwierigkeit ergeben hat. Seit vielen Jahren ist nun das Plazet in praktischer Befolgung der Proteste von der katholischen Kirche nicht mehr eingeholt worden. Der letzte Fall geht auf das Jahr 1871 zurück, wo der Erzbischof von Bam- berg um das Mazet für das Unschlbarkeitsdoama nachsuchte, es aber nicht erhielt. Leine Antwort war die — Veröffentlichung. Nun hat »ich ein neuer Fall begeben. Mit Beginn des Novembers überraschte die „Augsb. Postztg.", das führende Zentrumsorgan, mit der Mitteilung, daß ein Bischof das Plazet für die kincyliliks pascencki clominici Fregis erholt hat. Daran knüpften sich scharfe An griffe, indirekt gegen den Bischof, direkt gegen die Zentrums fraktion des Landtags. Deren Vorsitzender, Dr. von Daller, erklärte daraufhin im gleichen Blatte, die Fraktion könne nichts dafür, wenn ein bayerischer Bischof das Plazet wieder ausleben lasse. So nannte der Prälat Dr. von Daller auch neulich in der Kammer die Erfüllung einer Pflicht gegen Staat und Verfassung. Hier sind parlamentarische Vorgänge aus den Jahren 1889 und 1890 cinzuschalten. Die Zentrumsfraktion hatte damals beantragt, die Re gierung sei durch die Krone anzuweisen, datz das Plazet sich aus die Glaubens, und Sittenlebre nicht erstrecke. Die Regierung trat diesem Ansinnen entgegen, und der Antrag wurde von der Kammer der Reichs räte abgclehnt. Das Merkwürdige an der Beratung war, daß, wir ge- brauchen die Worte Seydels, die Lekre der Regierung von der Bedeutung des Plazets eine neue Fassung erhielt. Nach der Erklärung des Mi nisters Lutz in der Zweiten, des Ministers Freiherr»! von Crailsheim in der Ersten Kammer habe man niemals daran gedacht, Glaubenssätze zu gestatten oder zu verbieten, datz sie gelehrt würden. Das Ziel des Plazet sei nur, datz die Regierung prüfe, ob sie der Kirche ohne Schaden für den Staat den weltlichen Arm zur Verfügung stelle» könne. Hiernach würde also die Nichteinholuna des Plazets nicht als Verfastungsverletzuna, sondern nur als Äerzichtleistung auf den Welt- lichen Arm sich darstellen. Gegen diese neue, zweifellos unzutreffende und lediglich aus Opportunitätsgründen gewählte Auslegung wurde intercstanterweise auch von ultramontaner Leite sofort mit der wichtigen Begründung Widerspruch erhoben, daß das Religionsedikt, falls feine Bestimmung auf die Glaubens- und Sittenlehren bezogen werde, diese der Genehmigung des Staates unterwerfe und vor deren Erlangung der Geistlichkeit die Verkündung und Befolgung untersage. An diese Regierungserklärung erinnerte die Zentrumspresse, um daraus zu folgern, datz nunmehr der Staat durch die Erteilung des Plazets verpflichtet sei, der Durchführung der Enzyklika gegen Wider spenstige, insbesondere, wie triumphierend verkündet wurde, gegen die Professoren, seine Macht zur Verfügung zu stellen, lind wenn auch des Scheines halber prinziviell an der Verwerflichkeit des Plazets fest- gehalten wurde, so war doch die Freude an der Einholung in diesem Falle als an einem Meisterstücke diplomatischer Klugheit unverkennbar. Es ist jedoch anzuerkennen, datz daS führende Zentrumsblatt konsequent bleibt, indem es das Nachsuchen um das Plazet in diesem wie jedem Falle auf das schärfste verurteilt. Mittlerweile hat am Sonntag der „Bayer. Kur." unter weiteren Erklärungs- und B-'schönigungsversuchen bekanntgegeben, wer sich eigentlich des Verbrechens gegen die Majestät der Kirche schuldig gemacht hat. Es ist der Erzbischof von München, der zweifellos ohne alle ihm untergeschobenen Motive nur seiner Pflicht gegen die Krone genügen wollte. Aus Grund der oben erwähnten Regierungserklärung, die übrigens bezüglich der Schutzpflicht des Staates nichts Neues sagte und keineswegs für alle Zukunft bindend sein könnte, hat fast die ganze liberale Preise gegen das Ministerium, speziell geacn den Kultus- Minister, heftige Vorwürfe wegen der Erteilung des Plazets erhoben. Mi: Unrecht, mntz Ihr Korrespondent sagen, der gewin nicht rm Ver- dachte steht, ein Schildträger deS Ministeriums Podewits und insonder beit des Kultusministers Wehner zu sein. Ganz abgesehen von der pvliti sehen Konstellation, welche die Regierung einen folchcn Schritt, auch wenn er geboten wäre, ganz gewiß nicht wagen ließe, wäre die Verweigerung des Plazets in diesem Falle ungeschickt und unzulässig gewesen. Es handelt sich bei der Enzyklika, auch m ihrem disziplinären Teile, nm innersircv lichc Vorschriften, die das staatliche Leben nicht berühren. Der Staat kann die kirchliche Exkommunikation, mit welcher der besonders eifrige Bischof von Schlör in Würzburg mit dem von der dortigen thcvlo gischen Fakultät preisgekrönten Äenefiziaten Engesth bereits den An- fang gemacht, nicht hindern, so wenig wie Maßnahmen, welche die Theo- logen indirekt zwingen, die Vorlesungen mißliebiger Professoren zu meiden. Auch die Regierung hat in den letzten Tagen das Wort genommen. In einer längeren Erklärung legt sie dar, daß die Enzyklika in zwei Teile, in einen doktrinären und in einen praktischen, disziplinären zerfällt, und daß selbst der Zentrumsantrag vom Jahre 1889 das Plazet für Disziplinarvorschriften nicht aufgehoben wissen wollte. T>c Schlußsätze der Erklärung lauten: Um den kirchlichen Vollzug der disziplinären Maßnahmen der Enzyklika auch für den Fall der etwa erforderlichen Inanspruchnahme einer staatlichen, nach Maßgabe der verfassungsmäßigen Bestimmungen zu gewährenden Mitwirkung zu sichern, war die Erholung und Erteilung des "Plazets eine unerläßliche Voraussetzung. Durch das erteilte Plazet haben aber die kirchlichen Stellen in keiner Weise das Recht erkalten, bei dem Vollzüge der Enzyklika in die staatliche Rechtsiphäre, in die staatlichen Hohcitsrechte oder in die staat» tiche Gesetzgebung cinzugreifen. DaS heißt zu dcutich: Ter Staat ist durch die Erteilung des Plazets gebunden, soweit die Verfassung der kirchlichen Disziplinargewalt nicht cntgegensteht. er wird aber jedem Versuche entgeacntrcten, in die RechtS- svbäre des Staates und so insbesondere in die Rechte der Staatsdiener, also namentlich der Professoren, cinzugreifen. Vielleicht wird die Rc gierung bald in die Lage kommen, den Beweis zu liefern. Jedenfalls ist es auf die Erklärung hin im ultramontanen Blättcrwalde merkwürdig still geworden. LairrpbeU-Vanneriiraiis Gurl-Hall-Beöe bar nach englischem Brauch Englands gesamte äußere und innere Politik abgchandelt. Die Worte der Begrüßung für unseren Kaiser batte dci Draht schon übermittelt. Von den weiteren Ausführungen des Redners, welche vorzugsweise das Ergebnis der Haager Friedenskonferenz kritisch beleuchteten, bringen wir einen Auszug. Der Minister sagte: „Wir können uns dazu beglückwünschen, daß wir vor einem Aus stand per Eisenbahner und damit vor einer nationalen Kata strophe bewahrt worden sind. Was die Haager Friedenskonferenz anbetrifft, so ist es ohnx Zweifel wahr, daß ihr Ergebnis lebhafteren Hoffnungen nicht ent sprachen bat. Wir hatten gehofft, daß ein großer Schritt vorwärts gemacht werden würde in der Richtung, dem wachsenden Wetteifer dc> Rüstungen Einhalt zu tun. Wir sind enttäuscht worden, und doch freue ich mich, daß wir unsere Hoffnungen zu hoch gespannt hatten. Wir sprachen sür ein Volk, das gegen seine Nachbarn keine aggressiven Pläne hegt, sondern in Frieden mit ihnen zu leben wünscht." Der Premier minister sprach dann die Hoffnung aus, daß der unheilvolle Wettlaui in den Kriegsrüstunyen, die sür die gemeinsame Zivilisation eine Geißel bildeten, aushören inöge. Tas Ergebnis der Friedenskonferenz sei durchaus nicht bedeutungslos. Hinsichtlich der Errichtung eines Weltschiedsgerichtes hätten die englischen Delegierten alles ge- tau. was in ihren Kräften stand. Wenn man es aber »nit Gewalt ein zufiibrcn suche, würde ein solcher Schritt ein negatives Resultat ergeben voer noch schlimmere Reibungen herbeiführcn. Was den inter nationalen Prisengerichts Hof beträfe, so sei es notwendig, daß die Hauptsecmächtc über wichtige Punkte zu einem Einvernehmen gelangten. Tie Errichtung eines icstchcn Gerichts mit feststehenden Normen habe einen bemerkenswerten Fortschritt gemacht. An der Ab schaffung der Kriegskonterbande und der Beschränkung der Verwendung schwimmender Minen hätten die britischen Delegierten ehrenvollen Anteil gehabt. Die Haltung der britischen Dele gierten hätte eine Reihe von Fragen für künftige freundschaftliche Er örterung offen gelassen und die anderen Mächte überzeugt, daß Eua- land ohne irgendeinen politischen Hintergedanken in die Besprechung dieser Fragen einzutreten wünsche. Ter Premierminister ging dann auf den englisch-russischen Vertrag ein, den er als eine bedeutende weitere Sicherheit sür der Weltfrieden betrachtet, da er die Grenzfragen dein Argwohn entziebe. was ein klarer Gewinn für die Zivilisation sei. Sir Henry Campbell- Bannerman gedachte darauf der in Indien herrschenden Hungersnv'. und Pest. „Die dortigen politischen Unruhen", so sagte er, „fordern sicherlich untere Aufmerksamkeit. Wenn wir di- Unordnung mit fester .Hand unterdrücken und dabei gleichzeitig freie Diskussion .zulasten, so weit sie nicht den Umsturz bezweckt, erfüllen wir damit die Aüniche der Bewohner dieses Landes und geben ihnen ein höchst bedeutendes Zeichen von Vertrauen. Ueber den Kongostaat muß ich mit großer Reserve sprechen, weil das belgische Parlament kürzlich gefragt wvrdcn ist, untcc welchen Bedingungen es den Kongostaat übernehmen will. Tie Regierung des Königs hat nicht die Absicht, sich einzumischen, sie ist aber tief von dem Gefühl der Verantwortlichkeit durchdrungen, die sie mit anderen übernommen hat dafür, datz der Kongo wie die Kolonien anderer Nationen regiert wird und in Uebereinstimmnng mit den Ver- trägen, unter denen der Kongostaat ins Leben trat." Weiterhin führte der Premierminister aus: „Die Besuch- i< und von fremden Ländern seien im Zu nehm en bc- griffen; durch sie werde nichts als Gutes ge sch assen, vorausgesetzt, datz sie nicht mit politischen Plänen verquickt würden. England habe mit Befriedigung eschen, daß seine Verträge mit Japan nunmehr ergänzt seien durch Verträge anderer Länder mit Japan, die geeignet seien, den Frieden zu sichern. Der Sinn und Zusammenhang der letzte» Sätze ist nicht reckst klar Sind die Journalistenbesuche usw. zu verstehen unter den „Besuchen st und von fremden Ländern", oder gar die Reisen König Eduards uni Vie Besuche, welche er empfängt? Die letztere Beziehung ist natürlich undenkbar: sie würde durch die angehängtc Voraussetzung cinfach^zu einer Grobheit entweder gegen den eigenen König oder gegen dessen heutigen Gast, falls einen der beiden Monarchen doch die Lust an wandeln sollte, die Begegnung mit politstchen Plänen zu verquicken Nichtsdestoweniger scheint der „Standard" in dem gestern wicd-rgegrbcncu Artikel diese Deutung versucht zu haben. Da uns aber der Wortlaut un genau überliefert dünkte, so hatten wir den fraglichen Sah sortgelaifcn Wir halten uns also an die Beziehung der Worte Sir Henrys auf die privaten Besuche in und aus England. Daß die mit bestimmten poli tischen Plänen verquickt gewesen wären, bat -inn freilich noch niemals ein Mensch behauptet. Um io mehr merkt man die Absicht, jeder engeren politischen Verbindung über den geschloßenen Ring der hcntiqen „emt«nt«^-Mächte hinaus rechtzeitig abzuwinken. Die Sprache de-* englischen Premierministers aus der liberalen Partei, die manche Leute vor zwei Jabren silr deutschfreundlicher ausgeben wollten als ibrrn Widerpart, ist kalt bis zum Einfrieren - ogar in den Tagen da Tentschlands Kaiser ans Englands Boden erwartet wir».
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