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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 13.11.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-11-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19071113024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907111302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907111302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-11
- Tag1907-11-13
- Monat1907-11
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BezugS-Prrtt Mr Leip»ta »ad Borortr durch »User« Lrä««r und chpedtl«»« tat Hau« gebracht: Lusaab« « (»ar morgea«) dierteljthrllch 3 «. moaaüüb l Lu«gabe 8 (morgen» u« abead«) viertel» jihrltch 4.50 M. monatlich 1.50 M. Durch di« chvk bezogen <2 mal iLgltch) innerhalb Leutichland« und der deutich-n Kolonien vierteltthrlich 5,25 M., monatlich 1,75 vv aallchl. Pop» destellgkld iür vesterrnch S L Sü d. Ungarn 8 L vierteljährlich. Lbonnement-Lnaabme. «lugukulplatz H bei unseren Trägern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, tzwte Postämtern und Briefträgern. Die einzelne Nummer kostet 10 «edakliou und Lrveditton- JohaauirgLste 8. Televhon Nr. 14692. Nr. 14693, Nr. 14SS4. vrrltner Nedaktton« Durra«: Berlin V 7 Prinz Louit Ferdinand- Strahe I. Telephon I, Nr. 9273. Abend-Ausgabe 8. WWgerTageblM Handelszeitung. Amtsvtatt des Rates und -es Volizeiamtes -er Lla-t Leipzig. Lnzeigeu-Preit svr Inserate au« Leipzig und Umgebung di« 6gespaltene Petitzeil« 25 Pf., ftnanzielle Antigen 30 Ps., Neklamen I M.; von -utwätt« 30 Ps., Reklamen 1.20 M. vomLutland dOPs, finanz. Anzeigen 7b Ps. Reklamen 1.50 M. Inserate v. Behörden im amtlichen Teil «O Ps Bcilagegebüdr 5 M. p. Tausend exkl. Post gebühr. iSeichästianzeigen an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Taris. Frsterteilte Austräge können nicht zurück gezogen werden. Für da« Erscheinen an brstunmten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: PuguftuSplatz 8 bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen» Ezpeditionen de« In- und Autlande«. Haut» Filiale Berlin Kari Dunck: Herzog!, vaqr. Hofbuch- handlung Lützowstraste 10. «Telephon VI. Nr. 4603). Nr. 315. 101. Iabraansi Mittwoch 13. November 1907. Das wichtigste vom Tage. * Heute besucht der Kaiser London. Der Monarch wird ln den nächsten Wochen nicht auf der Insel Wight wohnen, sondern auf einem Schlosse in Hampshire. lS. Art.) * In der französischen Kammer begann gestern die Marokkodebatte. Minister Pichons Rede hatte einen Ach tungserfolg- lS. Ausl.) * Der Schah leistete gestern den Eid auf die Verfassung. lS. Ausl.) * Der amerikanische Kriegsminister fordert 33 Millionen Dollars für Befestigungen, von denen 7 Millionen auf den Philippinen verwandt werden sollen. * Vor dem vereinigten zweiten und dritten Strafsenat des Reichs gerichts begann heute vormittag die Verhandlung gegen den Dentist Anton Bogacki aus Warschau wegen Verrats militärischer Geheimnisse. lS.. Gerichtssaal.) Die Ttaiserfahrt nach England. Die Trinksprüchc. Bei der gestrigen Tafel brachte König Eduard folgenden Trinkspruch aus: Bei Begrüßung Eurer Majestät des Kaisers und ihrer Majestät der Kaiserin an den britischen Gestaden sei es mir vergönnt, im Namen der Königin und für mich selbst der großen Freude und Ge nugtuung Ausdruck zu geben, die es uns gewährt, Eure Majestäten hier in diesem alten historischen Schlosse zu bewirten. Seit langer Zeit hatte ich gehofft, diesen Besuch zu empfangen, und noch kürzlich befürchtete ich, daß er infolge der Unpäßlichkeit nicht stattfinden könnte. Glücklicherweise sehen Eure Majestäten jetzt beide so voller Gesundheit aus, daß ich nur hoffen kann, Eurer Majestäten Aufenthalt in Eng land, wenn auch nur kurz, werde Euren Majestäten recht wohl tun. Ich habe die verschiedenen Besuche, welche Euer Majestät hier von frühester Jugend an abgestattet haben, nicht vergessen. Es ist mir schmerzlich, daran zu denken, daß Euer Majestät letzter Besuch so traurig war. Ich werde niemals, so lange ich lebe, die Güte und Sympathie vergessen, welche mir von Euer Majestät erwiesen worden ist, in der Zett, als die große verehrte Königin verschied. Eure Majc- stät mögen versichert bleiben, daß Eurer Majestäten Besuche in diesem Lande stets eine aufrichtige Freude sind, sowohl für die Königin, für mich als auch für mein ganzes Volk. Ich hege nicht nur die innige Hoffnung für das Gedeihen und das Glück des großen Reiches, über das Euer Majestät herrschen, sondern auch für die Erhaltung des Friedens. Ich trinke nun auf die Gesundheit Seiner Maje stät des Kaisers und Ihrer Majestät der Kaiserin und bitte dabei, noch einmal der aufrichtigen Freude Ausdruck geben zu dürfen, welche uns dadurch gewährt wird, daß wir Eure Majestäten als unsere Gäste empfangen." Der Kaiser antwortete mit folgendem Trinkspruch: „Die überaus freundlichen Worte des Willkommens, die Euer Majestät an die Kaiserin und mich gerichtet haben, haben mich tief gerührt. Die Bande enger Verwandtschaft und vieler teurer Er innerungen an vergangene Tage verbinden mich mit Eurer Majestät Familie. Unter diesen Erinnerungen steht an erster Stelle die Gestalt meiner verehrten Großmutter, der großen Königin, deren Bild meinem Herzen unauslöschlich eingegraben ist, während die Erinne rung an meine geliebte Mutter mich zurückversetzt in die frühesten Tage einer glücklichen Kindheit, die ich unter dem Dach und unterhalb der Wälle dieses großen alten Windsorschlosses zugebracht habe. Die Reize alter Erinnerungen sind jetzt erhöht worden durch den warmen Empfang, den Euer Majestät uns aus Anlaß unseres gegenwärtigen Besuches bereiteten. Es ist auch mein ernstester Wunsch, daß die enge Verwandtschaft, welche zwischen unseren beiden Familien besteht, si^ widerspiegeln möge in den Beziehungen unserer beiden Länder und so den Frieden der Welt bekräftigen möge, dessen Aufrechterhal tung ebenso sehr Euer Majestät beständiges Streben, wie es mein eigenes ist. In diesem Sinne danke ich Eurer Majestät sehr warm im Namen der Kaiserin und für mich selbst für die freundlichen und huldvollen Worte, mit denen Sie uns begrüßt haben, und in diesem Sinne erhebe ich mein Glas auf das Wohl Eurer Majestät und Ihrer Majestät der Königin und auf das Wohlergehen aller Mitglieder des Königlichen Hauses, meiner nahen und geliebten Verwandten." Die Trinksprüche sind ganz in dem familiären Geiste gehalten, in welchem der erste Besuch des Kaisers, 6 Jahre nach dem Tode der Mutter seiner Mutter, nach beiderseitigem Willen gedacht war. Die politischen Wendungen erheben sich nicht über die einfachsten Anfor derungen der Etikette und das Bekenntnis zur Friedensliebe, welches nun einmal bei solchen Gelegenheiten bräuchlich geworden ist, obwohl im Grunde solche Selbstverständlichkeiten nicht nur ein unnützer Ballast sind, sondern auch durch zu häufige Wiederholungen ihren Wert ver lieren. Auch Freiherr v. Schön erklärte einem Reuterschen Sonderberichterstatter in einem Interview, der Besuch Kaiser Wilhelms habe keinen besonderen poli tischen Zweck. Zwischen England und Deutschland schweben keine besonderen Fragen, um deren Beilegung es sich handeln könne. Er hoffe jedoch, der Besuch werde zur Herstellung herzlicher Beziehungen, dio freundschaftlichsten Resultate zeitigen. Dies sei aber nicht dahin zu verstehen, als ob es sich um die Schaffung eines Vertrages oder eines Uebereinkommens handele, sondern in dem Sinne, daß man die Her stellung ebenso herzlicher Beziehungen zwischen den beiden Regierungen erwartet, wie sie zwischen den beiden Herrscherhäusern bestehen. Dasselbe war schon längst vor der Reise gesagt: darum kann auch die Negation einer eigentlich politischen Bedeutung des Kaiserbcsuches in der englischen Presse nicht verletzend wirken. Wohl aber das Ge tue mit der englisch-französischen Entente, wie wir es besonders in der „Times" finden. Diese schreiben nämlich: Der allgemeine Eindruck im Lande ist der, daß Frankreich durch eine Besse- rung der Beziehungen zwischen England und Deutschland nur gewinnen kann. Das Vertrauen des französischen Volkes auf die Lebenskraft der Entente Eordiale ist sehr stark, und so soll es, und so muß es auch sein. Man hofft, daß in Zukunft die deutsche Diplomatie die französische Empfindlichkeit etwas mehr schonen wird, als dies bisher geschehen ist. Der letzte Satz itt geradezu eine Ungezogenheit. Häßlich macht es sich auch, wenn „Daily Mail" ihre Befriedigung darüber ausdrückt, daß der Kaiserbesuch bei den Franzosen keinen Mißton und keine Beun ruhigung hervorgerufen habe. Die englische Nation sollte zu stolz sein, um nach Frankreich hinüber zu schielen, während sie den Deutschen Kaiser als Gast bei sich hat. Der Besuch Londons findet heute statt. Bis zum späten Abend waren gestern die Hand werker tätig, um die Ausichmückungsarbeiten zu vollenden. Auf dem ganzen Wege von Paddington bis zur Guildhall wehen zahllo'r Fahnen; an einer Stelle der Oxford-Street erhebt sich ein 60 Fuß hoher Bal dachin aus schwarzem Atlas mit Goldstickerei, überragt von der Hohen- zollernkrone. Die Säulen, die den Baldachin stützen, sind mit Schil den geziert, welche die Namen berühmter englischer und deutscher Künstler und Gelehrten tragen. Am Ende der Säulenhallen, durch welche der Kaiser seinen Einzug hält, erhebt sich ein goldfarbener Adler, überragt durch das Motto: „Unser gemeinsames Ziel ist Friede, Fort schritt, Zivilisation." Auf dem ganzen Wege sind Zahlreiche Sinnspriiche und passende Zitate aus Shakespeare in deutscher Sprache angebracht. Leider geht es nicht ohne einen Mißton bei diesem Besuche ab. Im Londoner Grafschastsrate protestierte der sozia listische Alderman Sandey gegen die Begrüßungsadresse an den Kaiser. Indessen wurde seine Rede von lauten Entrüstungsrufcn be gleitet und ein Antrag von Sir John Benner, den Protest des Vor redners zu Protokoll zu nehmen, einstimmig angenommen. Uebrigens wird der Kaiser am 16. November zum zweiten Mal nach London kommen, dieser Besuch aber einen rein privaten Charak ter tragen und von der Kaiserin nicht begleitet sein. Nicht ganz erfreulich ist, daß gestern ein Kehlkops - Spezialist den Kaiser untersucht hat. Es war Sir Felix Scmon, dessen Name schon gestern in einer Depesche genannt war. Er fuhr nach der Konsultation mit dem Leibarzt des Kaisers, Dr. Jlberg, nach Trogmore, um das Königliche Sanatorium zu besichtigen. Der Kaiser wird auch entgegen der ursprünglichen Absicht nicht auf der Insel Wight, sondern in Highclisfe Castle oder Christ church in Hampshire, welches der Oberstallmeister Wortley dem Monar chen zur Verfügung gestellt hat, am Montag zu einem vierzehntägigen Aufenthalt eintreffen. Der deutsche Botschafter, Graf Wolff-Metternich ist gestern in Hinton-Admiral cingetroffen, um die notwendigen Arrangements in Highclisfe Castle oder Christchurch zu treffen. Ordensregen. Der Kaiser verlieh Earl Beauchamp, Viscount Sethorp, Sir Dighton Probyn, Lord Kolly, Earl Granad, Admiral Lambton den Roten Adlerorden erster Klasse; Lord Acton, Sir Henry Ewart den Kronenorden erster Klasse; Oberst Legge den Stern zum Roten Adler- vrden zweiter Klasse; Sir Douglas Dawson. Sir Charles Frederick den Roten Adlerorden zweiter Klasse mit Eichenlaub; Oberst de Lisle, Major Ponsolby, Sydney Grevillc den Roten Adlerorden zweiter Klaffe. Deutsches Reich. Let-zig, 13. November. * Prinz Arnulf von Bayern s. Der gestern abend nach kurzer, schwerer Krankheit in Venedig, fern von der Heimat, verstorbene Prinz Arnulf von Bayern war am 6. Juli 1852 als das vierte Kind und jüngste Sohn des Prinz- Regenten Luitpold von Bayern geboren. Seit dem 12. April 1882 war er mit Theresia Prinzessin von und zu Liechtenstein vermählt. Er hinterläßt einen Sohn, den Prinzen Heinrich, der 1884 geboren ist. Prinz Arnulf war in erster Linie Militär. Als 18jähriger Prinz machte er in der Stellung eines Ordonnanzoffiziers im Stabe des Generals von der Tann den Feldzug gegen Frankreich mit. Nach dem Krieg stieg er auf der militärischen Rangstufe bis zum bayerischen Generaloberst mit dem Rang eines Generalfeldmarschalls empor und führte längere Zeit das I. bayerische Armeekorps als kommandierender General. Ein Magenleiden veranlaßte ihn aber im April vorigen Jahres, aus dieser Stellung auszuscheiden. In diesem Jahr trat er kurz nach der Feier seiner silbernen Hochzeit eine mehrmonatige Reise nach Zentralasien an. Ende November wollte er wieder in München eintreffen. Da befiel ihn auf der Heimreise in Venedig eine schwere, mit Lungenentzündung ver knüpfte Influenza, der er gestern abend ^8 Uhr erlag. Seine Leiche wird in aller Stille nach München gebracht, dort in der alten Schloß» kapelle aufgcbahrt und dann in der Hofkirche St. Cajetanus beigesetzt werden. — Zum Tode des Prinzen wird aus München gemeldet: Tic Trauer um das Hinscheiden des Prinzen Arnulf ist allgemein. Von allen Seiten gehen in der Residenz und in dem Palais des Prinzen Arnulf Kundgebungen herzlichster Teilnahme ein. In der Abgeord» netenkammer widmete zu Beginn der Sitzung Präsident Orterer dem Feuilleton. Die orientalischen Religionen. Von Paul Seliger (Leipzig). Nachdem der von mir an dieser Stelle besprochene vierte Band der ersten Hauptabteilung der großen, monumentalen, von Professor Paul Hinneberg herausgegebenen und im Teubnerschen Verlage erscheinenden Enzyklopädie „Die Kultur der Gegenwart" die „christliche Religion mit Einschluß der israelitisch-jüdischen Religion" behandelt hat, beschäftigt sich der vorliegende Band IÜ, 1 mit den sonstigen orientalischen Religionen. Sein vollständiger Titel lautet: „Die orientalischen Re- ligionen von Edw. Lehmann, A. Erman, C. Bezold, H. Oldenburg, I. Goldziher, A. Grünwedel, I. I. M. de Groot, K. Florenz, H. Haas. 1906. Berlin und Leipzig, Druck und Verlag von B. G. Teubner sVII, 267 S., Preis in Leinwand gebunden 9 -<l), und zwar schreibt Edward Lehmann über „Die Anfänge der Religion und die Religion der primitiven Völker" lS. 1—29), Adolf Erman über „Die ägyptische Religion" (S. 30—38), Carl Bezold über „Die babylonisch assyrische Religion" (S. 39—50), Hermann Oidenberg in zwei Beiträgen über „Die indische und die iranische Religion" (S. 51—76 und 77—86), Ignaz Goldziher über „Die Religion des Islams" lS. 87—135), Albert Grünwedel über den „Lamaismus" lS. 136—161), Johann Jakob Maria de Groot über „Die Religionen der Chinesen" lS. 162—193), die Religionen der Japaner endlich werden von zwei Gelehrten behandelt: „Der Shintoismus" von Karl Florenz lS. 194—220) und „Der Buddhis mus" von Hans Haas lS. 221—254), den Schluß des Bandes lS. 255—267) bildet das sorgfältig bearbeitete Register. Man sieht, es ist in dem Bande eine geradezu überwältigende Stoffülle auf äußerst knappem Raume znsammengedrängt, und wenn auch mancher vielleicht eine etwas eingehendere Darstellung der ein- zelnen Religionsshsteme gewünscht haben dürfte, so wird doch in der Per sönlichkeit der Verfaffer, die sämtlich zu den maßgebendsten Vertretern ihres Spezialfaches gehören, sowie in den jedem einzelnen Beitrage angefügten Literaturangaben, die eine kritisch gesichtete und systematisch geordnete Uebersicht über die hauptsächlichsten einschlägigen Werke bieten, die beste Gewähr geboten, über einzelne, ihn besonders interessierende Punkte sich weitere, erschöpfende Belehrung verschaffen zu können. Im folgenden sei auf einige Hauptpunkte etwas näher eingegangen, und zwar zunächst aus die einleitende Abhandlung: „Die Anfänge der Religion und die Religion der primitiven Völker" von Edward Leb- mann. Der Verfasser geht davon aus, daß die „Anfänge der Religion" und die „Religion der primitiven Völker" heute für uns verwandte Begriffe sind. Dies sei jedoch nicht immer so gewesen; jedes Zeitalter habe im Gegenteil darüber seine eigenen Hypothesen ausgestellt, tue sich immer genau nach den Lieblingsideen des Zeitgeistes bildeten. Bis in das achtzehnte Jahrhundert stand die von Paulus begründete, später von Augustinus weiter ausgestaltete und sowohl von der katho lischen wie von der protestantischen Kirche angenommene historische Anschauung im wesentlichen unangetastet da und übt auch außerhalb der Theologie bis auf den heutigen Tag bedeutende Nachwirkungen aus. Dieser Theorie zufolge hat Gott sich ursprünglich dem kindlichen Men schengeschlecht offenbart; aber nur das Volk der Offenbai ung ist in dieser unmittelbaren Gotteserkennrnis geblieben, die Heiden haben sie — die edleren halb, die niedrigen ganz — vergessen. Der bedeutendste neuere Vertreter dieser bei ihm allerdings stark modifizierten Anschauung ist Max Müller, der als Begründer der modernen Religionsgeschichte den von seinem Lehrer Schelling als uransängliche Religion ausgestellten „relativen Monotheismus" oder „Henotheismus" in die neue Wissen schaft hineir.drachte. Im schroffen Gegensatz zu solchen mehr oder weniger biblisch be einflußten Theorien steht die Evolutions- oder Entwickelungsthcoric, deren historisch bekannter Urheber Hume ist. Ihm stand cs fest, daß die frühesten Vorstellungen von der Gottheit der ersten Entwickelungs- stufe der Menschheit angemessen gewesen sein müssen, so wenig die Men- scheu Paläste früher als Hütten gebaut oder Geometrie vor Ackerbau getrieben haben, so wenig ist es denkbar, daß ein reiner Monotheismus jenen verworrenen Vorstellungen zeitlich vorangegangen sei, die wir im Polytheismus beobachten und die uns überall, wo wir die Sache historisch anfassen, als daS früheste und erste begegnen. Aber die Zeit war für solche Anschauungen noch nicht gekommen; das achtzehnte Jahr hundert übertrug die Idee der Entwickelung und des Wachstums, der es sonst in bezug auf die Kulturgeschichte huldigte, leider nicht auch aus das Gebiet der Religion, und selbst Lessing machte in seiner „Erziehung des Menschengeschlechts" nur einen kleinen und halben Versuch, eine andere Betrachtung anzubahnen, der nicht viel an der Sache änderte. Erst Herder, in dessen Geist die Ideen des neunzehnten Jahrhunderts überhaupt ihre Vorfeier hielten, war es Vorbe halten, die Geschichte der Religion zur wirklichen Geschichte zu erheben. In seinen „Ideen zur Geschichte der Menschheit" sso lautet der Titel seines berühmten Werkes, und nicht „Ideen zur Philosophie der Ge schichte der Menschheit" wie er gewöhnlich zitiert wird und wie ibn auch Lehmann hier anführt*) macht er Fortgang und Entwickelung zum historischen Leitmotiv. Die Beschuldigung der Teufelei, der Dumm- heit und der Betrügerei, mit der die Aufklärung so eifrig wie die Kirchen lese dasHeidentum gebrandmarkt hatte, weist er energisch zurück und laßt jede Religion, selbst die niedrigste, mit gleichem Recht nach den ^.eichen Gesehen aus ihren natürlichen Bedingungen hervorgehen. Dieselbe * „Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit" ist ein Pleonasmus, der eine Tautologie enthält; die „Ideen zur ineschichle der Menschheit", sind eben eine „Philosophie der Geschichte der Mensch- heit", wie Herder auch selbst die Einleitung zu seinem Werke „Prä ludien zur Philosophie der Geschichte der Menschheit" genannt hat. historische Betrachtungsweise beherrscht die Religionsphilosophic Hegels, die gleichfalls die Reihe der Religionen von unten aufsteigcn läßt, ohne irgend eine höhere Entfaltung des Weltgeistes als Anfangs stufe zu kennen. Zu der Stufenfolge: Fetischismus, Polytheismus, Monotheismus sehen wir dann den Theologen Schleiermacher wie den Begründer des philosophischen Positivismus Auguste Comte sortschrciten. Diese Hypothesen vorahnender Geister haben durch die Ergebnisse der Forschung auf den Gebieten der prähistorischen Forschung, des Folk- lviismus und der Völkerkunde die glänzendste Bestätigung gefunden. Neberal! machen wir die gleiche Erfahrung: der Anfang niedrig, die Entwickelung schrittweises Sichhinaufarbeiten zu menschenwürdigeren Zuständen. Und was von den Kulturanschauungen im allgemeinen gilt, dasselbe läßt sich von den religiösen Ideen dieser frühesten Menschheit im besonderen behaupten. Auch hier scheinen, je tiefer wir in die graue Vorzeit zuriickgehen, die Vorstellungen über Leben und Tod, über Jen- seits und Götter, um so dürftiger gewesen zu sein. Tief unter den alt orientalischen wie unter den klassischen Kulturen enthüllen sich uns un- zweideutige Uederbleibsel von Totenkult und Menschenopfern, Speise- opfern, den Abgeschiedenen oder den unheimlichen Unterirdischen dar gebracht. Selbst von Kannibalismus finden wir Spuren: scheue Furcht vor Ungeheuern und Gespenstern geht aus den Zeichen und Formeln der ältesten Beschwörungen wie aus alten Sagen und Märchen hervor. Rohe, kaum menschenähnliche, häufig tiergestaltete Idole, plumpe Fetische, primitive Opferstätten scheinen überall derjenigen Form des Kultus vorausgegangen zu sein, die den in den schriftlichen Urkunden der alten Religionen uns cntgegentretcnden Vorstellungen entspricht. Im folgenden legt der Verfasser nun kurz den Weg dar, den die religiöse Entwickelung der „primitiven" Völker genommen hat, d. h. der kulturell zurückgebliebenen Völker und Volksschichten, denen es nicht gelungen ist, sich über eine wesentliche Abhängigkeit von der sie um- gebenden Natur zu erheben, wobei er namentlich den Einfluß betont, den die religiösen Vorstellungen dieser Völker auf die Entwickelung ihrer moralischen und rechtlichen Anschauungen gehabt haben. — So bietet Professor Edward Lehmann in seinen Aussiihrungen eine wohl knappe, aber durchaus erschöpfende Darstellung sämtlicher Gesichtspunkte, von denen aus die neuere und neueste Forschung bis hin zur unmittelbaren Gegenwart die Lösung des großen zur Erörterung stehenden Problems unternommen hat. Von den in dem vorliegenden Bande behandelten einzelnen Re- Iigionssystemen besitzt für uns außer dem Islam nur noch der Buddßis- mus praktische Bedeutung, der in der Gegenwart eine ungeahnte Wiedergeburt erlebt und sogar nach Europa übergrcift, während bis dabin nur die Religion der Europäer, das Christentum, das Vorrecht zu haben glaubte, in anderen Erdteilen — oft unter Anwendung sehr fragwürdiger Mittel — Anhänger zu gewinnen. Wir wollen daher an tiesil Stelle noch in kurzen Worten aus ibn einyehen. Nach der Darstellung Hermann Oldenbergs in seinem Beitrag über die indische Religion erscheint PuddbaS Gestalt der Phantasie — nicht nur der seiner Gläubigen — in geheimnisvoller, über ungeheueren
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