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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 16.11.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-11-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19071116016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907111601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907111601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-11
- Tag1907-11-16
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AmtcbsM des Rates und des Volizeiamtes der Stadt Leipzig. ««zeige«-Preis fstr Inieru!« au» Leipzig und Umgebung bi« Sg-loall,n, Petit,eil« 25 Pi., finanziell« -l- :^eu 80 Pf., Reklamen IM.; von -u«w-rt« lslz Pf. Reklamen 1.20 M , nomÄn«land50Pi., finanz. Anzeigen75Ps.. Reklamen 1.50 M. Fnserate v. Behörden im am: lichen Teil 40 P>. Beilage,ebllhr 5 M. v Tauiend crkl. Post gebühr. Geichästsanzoigen an bevoe-ugtee Stells im Preise erhöht. Rabatt noch larO. Fefterteilte Äniträge können nicht zurück gezogen werden. Für da« Erscheinen an beftunmten Tagen und Plätzen wird keine charuutie übernommen. Anzeigen-Annahme: Augustnlplatz U, bei sämtlichen Frlialen u. allen Annoncen, «rpebitionen deö In» und Ausland««. -aupt Filiale «rrlt»: Earl Dunck: Herzogl. Vahr. H-fbuch. Handlung Lützoivftratz« 10. «Telephon VI. Nr. 4MIY. Nr. 318. Sonnabend 16. November 1907. M Jahrgang. Das wichtigste vom Tag«. » Das Befinden der Königin-Witwe Carola zeigt keine Besserung, muß vielmehr als ernst angesehen werden. (S- Dtschs. R. u. Letzte Dep.j * Tie „N ordd euts ch e AlIge mei ne Zei tung" bringt Ver öffentlichungen aus dem Reichsetat für 1908. lS. Art. auf 3. S. des Hauptbl.) * Am gestrigen Tage wurde bei der Landtagsersatzwahl in Leh e- Geestemünde der nationalliberale Kandidat Geh. Rat Witting gewählt. lS. Dtschs. R.s * Das neue Schweizer Patentgesetz, welches den Schuh auch auf die ch e m i s ch e I n d u st r i e ausdehnt, wird am 1. Januar in Kraft treten. " Eine Feuersbrunst auf der Baltischen Werft in Petersburg zerstörte oder beschädigte 4 russische Kanonenboote. s§. Ausl.s Die Litv rinh dev Ttnisev. (Von unserem Londoner ^.-Korrespondenten.) Wenn man von der Aufnahme des deutschen Kaisers in London sprechen will, so muß man mit einigen Klarstellungen beginnen. Die wichtigste besteht in dem gar nicht oft genug zu wiederholenden .Hinweis, daß die äußere Politik nicht Gegenstand parteipolitischer Kontroversen ist, wie auch der auswärtige Minister, Sir Edward Grey, ein den Unionisten sehr nahestehender Liberaler, vielleicht das am weitesten rechts stehende Mitglied des Kabinetts ist. Man wird also die bedenklicheren lonservativen Stinimen über den Kaiserbenich auf keinen Fall als taktisch angekränkelte Oppositionsäußerungen beiseite schieben dürfen. Ein solcher Versuch wäre schon deshalb ganz verfehlt, weil der Kaiser in der City nicht der Gast der Liberalen, sondern der Konservativen gewesen ist. Denn die Korporation der City of London ist leit ihrem Bestehen stets unbeirrbar konservativ gewesen. Wenn die konservativen Organe 'was reserviert gewesen sind, so sprechen sic einersc.ts die Ansicht de. auf die Dauer in England immer maßgebenden Eitykrcise auS, anderer- scits bedienen sie sich der Freiheit, welche sie vor den liberalen Organen voraus haben, die in den beiden letzten Jahren gelernt haben, wie die Unteroffiziere cinzuichwenken, wenn das Foreign Office kommandiert. Es gibt augenblicklich kein nichlossiziöseS liberales Blatt in England! Hierzu kommen noch einige Zeitungen mit besonderer Stellung, wie z. B. die ..Times ", die jetzt Plötzlich den Kaiser über den grünen Klee lobt, nachdem sie bis vor acht Tagen gegen das Deutschtum und seinen Kaiser das Gift wahrhaftig nicht gespart hat. Die Dcutschenfeindschaft der „Times" ist so traditionell, die Politik dieses Blattes ist immer so zielbewußt, daß jedermann, der in der Naturgeschichte der engluchen Preße einige Erfahrung gesammelt hat, die plumpe Absicht merken und verstimmt werden muß. Den Fürsten gegenüber, die ihr den Willen tun, ist die englische Presse von einem ebenfalls traditionellen, aber darum nur noch abstoßenderen Byzantinismus. Was man aus dem Kontinent er. lebt, ist Kinderspiel im Vergleich mit den Ausschreitungen selbst ernster Blätter. All dies ist die kleine Münze der Schmeichelei, die genau so wie der Bluff zum Werkzeug deS täglichen Lebens in England gehört. Genau wie den Bluff nimmt auch die Liebenswürdigkeiten hier niemand allzu ernst. Es erwartet auch niemand, daß der Empfänger alles für bare Münze nimmt. Es würde nur zu Enttäuschungen führen, wollte der deutsche Michel seine Ehrlichkeit über den Kanal exportieren. Deshalb muß dagegen protestiert werden, wenn die offizielle Berichterstattung selbst zu Organen ohne jeden Leserkreis, wie dem Harmsworthschen „Observer", in dem alle möglichen Reptilien schreiben, hinuntersteigt, um Deutschfreundlichkeiten zusammenzubringen. Man muß auch auf allerlei Merkwürdigkeiten der offiziellen Historiographie über den Emp fang selbst aufmerksam machen. In der englischen Presse erschien am Morgen nach der Ankunft des Kaiserpaares eine englischer. seitS autorisierte Erklärung, die hohen Herrschaften seien über den warmen Empfang durch das englische Volk sehr befriedigt gewesen. In Wabrbeit hatten die Majestäten bis zu jener Zeit vom englischen Volke noch gar nichts gesehen. In Portsmouth war das Landungskal kür alle Zivilisten abgesperrt. In Windsor liegt der Bahnhof der Great Western von der Einfahrt zum Königlichen Schloß keine 500 Schritte entfernt. Und bei jeder anderen Gelegenheit würde „das englische Volk" sich auch energisch dafür bedanken, mit den vaar tausend Hoflieferanten und Königlichen Stiefelputzern des „Königlichen", also noch nicht einmal mit toller Selbstverwaltung begabten Fleckens verwechselt zu werden. In der City wurde denn auch dieser Nebercifer, den Erfolg der deutschen Visite dokumentarisch zu haben, sehr belächelt. Dieser Uebereifer ist um so unangebrachter, als er gar nicht nötig war. In der City ist der Kaiser wirklich bester ausgenommen worden, als man erwarten konnte, wenn auch unabhängige Beobachter der verschieden, sten Politischen Färbung darin übereinstimmen, daß der Empfang keines wegs herzlich war. DaS durfte man ja auch nicht erwarten. Die Krügerdevesche ist nicht vergessen, der Deutsche bleibt doch der wenigst gern gesehene unter den Fremden. Wenn die Aufnahme des Monarchen doch noch befriedigend ausgefallen ist. lo trugen dazu drei Faktoren bet. Der erste ist der sportSmännstche Respekt deS Engländers vor jedem energischen und patriotischen Mann) in dieser Beziehung steht in Groß britannien wohl niemand in höherer Schätzung, als Wilhelm II. Der zweite Faktor war die vorzügliche Regie, verbunden mit einem kräftigen moralischen Druck auf säumige Behörden. So bat z. B. der Lonoon Countv Couneil erst am Vorabend deS Citybesuchs dazu gebracht werben können, eine Adresie für den Kaiser zu votieren, die infolgedessen nicht mehr künstlerisch anSgefübrt werden konnte. Dabei kam eS noch zu einem Zwischenfall, weil der Vorsitzende den sozialistischen Alderman SanderS, die rechte Hand von John BurnS, und einen alten Berliner Studenten, unter einem Vorwand aus dem Saale lockte, um die Ab stimmung einstimmig zu gestalten und eine sozialistische Demonstration zu verhindern. Vor dieser Demonstration hatten die Arrangeure über- Haupt große Sorge. Die Absperrungsmaßregeln wurden mit einer Ri» gorosität durchgeführt, wie eS bei Fürstenbesuchen in der City sonst nie geschieht. Alle Seitenstraßen waren mit Kavallerie zugestopft. An den Straßenecken, wo die Kavallerie-Eskorte den kaiserlichen Wagen vor fahren lassen mußte, war das Publikum entfernt worden. Unter Leitung der Spitzen der Polizeiverwaltung wurden alle Leute in Arbeitskleidung aus den R-chen drr Zuschauer entfernt, oft mit Gewalt. Später kam es auch noch zu einem richtigen Gefecht zwischen Polizei und Sozialisten. Ich habe in vielen Jahren die Londoner Polizei nicht so aufgeregt ge- sehen. Der dritte Faktor, der den Empfang begünstigte, war das herrliche Wetter, das ein heftiger atlantischer Nachtsturm, der die Nebel des Dienstag in die Nordsee blies, uns beschert hatte. Im Hellen kalten Sonnenlichc gaben die bei Fiirstcnempfängen üblichen Citydekorationen ein hübsches Bild. Ueberall spielten die Militärkapellen, um daS Publikum in guter Wartestimmuna zu halten. Die Schaulustigen hatten sich zahlreich einnefnnden) namentlich die Damen. In Holdorn und Cheapside, wo besonders viele deutsche Firmen Hausen, war am meisten geschehen: deutsche Shakespeare-Sprüche schmückten die Häuser und das unvermeidliche Grammophon schmetterte deutsche Volkslieder herav. Die deutschen Hurras und Hochs übertönten vielsach die englischen Cbeers. Ein einigermaßen uubeüochenes Ohr konnte deutlich den Unter, schied zwischen den Cbeers für den Prinzen von Wales und den sehr beliebten Herzog von Connaught und den Cbeers auf den lästerlichen Gast feststellcu. Tas isl eine Beobachtung, die sich vielen Zuschauern auidröngie. Der Kaiser selbst, der seine Engländer kennt, nahm eine treülich der Situation anaemeckene Haltung ein. Er grüßte die Menge gelegentlich mit kühler Freundlichkeit. Es war jedenfalls kein Ferien gesicht. Ein kleiner Zeitungsverköufer in Cheapside bemerkte in un verfälschtem Cockney: „llo rstnt' ark n sckorn blake:" — was einiger maßen wörtlich übertragen heißt: „Das ist aber ein imponierender Knude." Der kleine Mann traf das Richtige. Auch in der Guildball war der Kaiser kühl, bestimmt und böslich, fast möchte man sagen: ge- schästlich. In diesem Sinuc will auch die ganz vorzüglich aus das be sondere Cityempfinden zugeschnittenc Rede gelesen sein. Insbesondere wur- den die aus die Erhaltung des Friedens bezüglichen Worte in einem lang samen. fast möchte man sagen wohlwollend warnenden Tone gesprochen. Der Eindruck wurde dadurch, wie ich mich bald darauf ans Gesprächen mit verschiedenen Würdenträgern der City überzeugen konnte, nur er- höbt. Viele ernste Männer, die hier noch an der friedlichen Gesinnung des Kaisers zweifelten, sind durch den tiefen persönlichen Eindruck, den sie von seiner Guilbball P/be emvr'roen baden, bekehrt worden Dos Au'trcieu des Kaisers in oer City ist überhaupt das Beste an der ganzen fürstlichen Entrevue. Dies gestehen sogar seine enragicrten englischen Gegner zn. . . Daß die Fürsten und die Kabinette sich bester gesunden haben, daß die Figur des Kaisers, den man zum Zerrbilde gemacht hatte, einem Teile der englischen Oligarchie jetzt der Wirklichkeit entsprechender nahegebracht ist, darf als Ergebnis des Empfanges festgestellt werden. Daß in dem Empfinden des Volkes sich etwas geändert habe, kann der Beobachter ani Platze nicht ,»geben. Daß die Presse dauernd eine ehrlichere Haltung cinnehmen werde, muß er aus guten Gründen bezweifeln. Das Nach spiel der Kaiscrreise dürfte enttäuschen, in England und in Deutschland, wenn größere Wandelungen erwartet werden. Daß sie nicht erwartet zn werden brauchen, ist vielleicht für uns Deutsche die beste Enttäuschung. DevAustiz-ienftlinöseiireArrrsichten. Am 7. November hat der Justizministcr v. Otto im Landtage ange geben, daß nach der Etatisierung der im Voranschlag vorgesehenen neuen Richterstcllcn nur noch rund 150 Hilfsrichter bei 670 Richtern und Staatsanwälten vorhanden sein würden, daß also von einer unzulässigen Hilssrichterwirtschaft nicht mehr die Rede sein könne. Es lohnt, die Angaben des Justizministers an der Hand des „Staatshandbnckes" und des „Justizministerialblattes" nachzuprüsen. Zurzeit beschäftigt der sächsische Staat im Justizdienstc rund ck'O Assessoren, die freilich nicht alle selbständige „.Hilfsrichter" sind. Neber die Zahl halte t'ch also der Abgeordnete Goldstein richtig unterrichtet. Ein Teil davon hat kein selbständiges Amt inne, sondern arbeitet „ans Resolution", wie man in wachsen sagt, d. b. er erledigt nur einzelne be sonders zugewiesene Geschäfte nach der Weisung und unter Aufsicht eines Vorgesetzten. In dieser Weise werden insbesondere Assessoren bei den Staatsanwaltschaften und Vormundschaftsgerichten als Hilfs- arbeitcr beschäftigt. Die Dienstzeit der einzelnen Assessoren ist verschie den lang. Es dienten weniger als 1 Jahr: 44, zwischen 1 und 2 Jahren: 73, zwischen 2 und 3 Jahren: 62, zwischen 3 und 4 Jahren: 52, zwischen 4 und 5 Jahren: 45, zwischen 5 und 6 Jabren: 37, länger als 6 Jahre: 32 Assessoren. Zu Richtern oder Staatsanwälten wurden ernannt 1905: 2l>, 1906 : 53, 1907 bislang 13 Assessoren. Nach dem „Staatshandbnchc" für l907 waren als selbständige „Hilssrichter" angestellt im Landgerichtsbezirke Bautzen 19 Assessoren „ „ Chemnitz 34 „ „ Dresden 55 „ .. „ Freiberg 18 „ L e i p z i g 66 ,. „ Plauen 28 „ - Zwickau 22 „ insgesamt 242 Assessoren. Man sieht also, wie erklecklich doch noch die Zahl der Assessoren und wie ansehnlich die der Hilssrichter ist. Der Justizminister hatte stark nach unten abgerundet. Der Assessoren, die nicht Hilfsrichter sind, bat er gar nicht gedacht. Indem er so nur einen Teil der Assessoren zählte, gab er kein ganz genaues Bild von den Verhältnissen. Die Sacke ist freilich nicht so 'chlimm, »ne die Ablehnung der Verantwortung für die Beamtencrnennungen, die sich der Justizminister trotz des 8 43 der Ver- fassungsurkunde vor einem früheren Landtage aus Anlaß einer Inter pellation gestatten konnte, ohne aus der Mitte des Hauses Widerspruch zu finden. Der Arbcitsmarkt im Justizrcssort ist überaus ungünstig. Man sieht, daß 32 Juristen länger als 6 Jahre als Assessoren tätig sind, cckne zu Richtern oder Staatsanwälten befördert zu werden. Man erwäge, daß die zweite juristische Staatsprüfung gewöhnlich im Lebensalter von 28 Jahren abgelegt wird. Wer also 6 Astessorcnjahrc hinter sich hat. ist in der Regel seine 34 Jahre alt. lind was verdient er? Ganze 2400 Mark! Welck-er Handlungsgehilfe, der nur einige Kenntnisse bat, be gnügt sich in dem Alter mit dem Gehalte? Viele gelernte Arbeiter bringen cs früher zu einem solchen Einkommen Man bat von einer Prv^tarisierung des Beamtenstandes gesprochen. Das Wort kling! nicht schön, und doch ist es nicht inhaltlos. Alle Lebensbedürfnisse: Brot. Fleisch, Schuhe, Kleider, Wohnung usw. steigen im Preise. Die Beam- teugehälter werden aber von der Aufwärtsbewegung nicht ergriffen; wenn sie steigen, so folgen sie der Allgemeinbewegung nur langsam und bleiben weit hinter ihr zurück. Ter Arbeiter kann seinen Lohn höher bringen. Der Beamte ist dazu^ nicht gleicherweise imstande. Man fragt sich: soll der Staat etwas tun, um die ungünstigen Be- ioldungs- und Bcsörderungsverhältnissc der Justizbeamtcu zu ver bessern? Wäre der Staat einem privatwirtschaitlichen Arbeitgeber gleichzustellen und wäre nur auf den Bürger in seiner Eigenlast a!" Steuerzahler Rücksicht zu nehmen, so würde man einfach sagen: da der Staat Arbeiter genug erhält, so hat er keinen Anlaß, den Ärbeitömarkt zurzeit zu beeinflussen. Das Angebot von juristischen Arbeitskräften ist groß, a!io sind sie billig. So furchtbar einfach liegen die Dinge aber nicht. Der Staat ist kein rein privatwirtschastlicher Arbeitgeber: das g'.lt schon dann, wenn er Gewerbe betreibt, und gilt noch mehr, wenn es sich um die Lösung spezifischer Staatsaufgaben wie um die Rechtspflege handelt. Hier kommt es daraus an, daß die Arbeiterschaft vom reckten Geiste durchdrungen ist. Das Gefühl der wirtschaftlichen Abhängigkeit darf nicht zu rege gemacht werden, wenn man rechte Arbeitslust und Be- ruisfreude herrschend leben will. Man überlege sich, was 2400 Mark beute sind und was sic vor 30 Jahren waren. Gewiß findet jetzt eine Neuregelung der Besoldungsverbältnissc der Richter statt, aber den .Hilssricktern wird damit nicht geholfen. Das unverhältnismäßig!! Angebot an Arbeitskräften wirkt nach vielen Richtungen schon jetzt nachteilig. Wie die Prüsuugsziffern lehren, steigt das Angebot weiter. Die geplante Aenderung der Prozeßordnung will die Entscheidung vieler Rechtsstreite vom Dreimännerkollegium au^ den Einzelrichter übertragen, allo den Personalbedarf und persönlichen Aufwand der Rechtspflege verringern. Schon jetzt wird mancher Be werber kaltlächelnd von der Schwelle des Justizministeriums gewiesen Er fragt sich drgußen, wohin? Der Anwaltstand ist nicht mehr ain- nohmesähig. Die Aenderung der Zivilprozeßordnung und der Wechsel- orduung verringert die Einnahmen der Rechtsanwälte und Notare ganz bedeutend. Die Proletarisierung der Anwaltschaft schreitet vor. Vielleicht kann man die Proletarisierung gewisser Mittelstandsgruppen, insbesondere der gelehrten Berufe, als einen Zug der Zeit erkennen. Nachdem in Deutschland die gelehrte Bildung lange Zeit überschätz! wurde, zeigt sich jetzt in den Tatsachen eine Wendung der öffentlichen Meinung. Dem Justizministerium liegt die Verpflichtung ob, auf die un günstige Lage des iuristischcn Arbeitsmarktes immer wieder binzuwci'en Eine verspätete Warnung ist völlig wertlos. Ein junger Mensch, der eine oder beide juristische Staatsprüfungen bestanden bat, ist zu einem Berufswechsel durchgängig zu alt. Der Starke und Tüchtige ringt sick auch bei großem Wettbewerbe durch. Aber der Schwache kommt unter die Räber. Man muß die Verzweiflung solcher Leute gesehen haben dir nach Ablegung der zweiten juristischen Staatsprüfung sich vergeblich beim Staate, den Gemeinden. Anwälten, Berück erungsaustcckten una Banken nm Beschäftigung bei bescheidenen Anivrüchen bewarben! Erstwenn man solches loh, kann man die ganze Nnbaltbarkeit der ietziaen Zustande begrünen. Staatsdienst und Anwaltschaft kennen im Deutschen Re-cke leine Fre'znaiokeit. Im Gemcindedieuste besteht sie doch bietet sich nur gerinne Abflußmöglichkeit, z. B. nach ostmärk^'chen Städten. Vor der Hand muß man jeden jungen Mann, der vor der Berufs- wähl steht, von der Juristerei abraten. Deutsches Reich. Leipzig, 16. November. VV. Tie Königin-Witwe Karola ist, wie wir schon in der gestr'gen Abendnummer meldeten und jetzt erneut durch ein Telegramm erfahren, schwerer erkrankt, als zuerst in der Ocffenilickkeit angenommen wurde Sie leidet an einer Zellgewebsentzündung am Kopf, die man auch „tausche Rose" nennt. Es werden küble Umschläge von frischer, nicht getrübter 8proz. essigsaurer Tonerde gemacht. Die Patientin hat viel Sckmnzen, daher auch die tchlaflose Nackt, das getrübt« Allaemeinbefindcn, die Schwäche. Man darf sick nicht verhehlen, daß der Zustanv nickt leicht zu nehmen ist, namenilich angesichts des hohen AlierS der Patientin. Sie darf das Bett nicht verlassen. * Herzog Einst von Altenburg. Nachdem die vergangenen Nächte durch Hustenreiz vielfach gestört waren, brachte die letzte Nacht (vcm 14./I5. November) erquickenden Schlaf. Der noch vorhandene Äuswurf ist locker. Der Herzog verbringt jetzt mehrere Stunden außer Bett. * Ein weiterer Beitrag zur vtcsch chtc der katliolilchen Fakultäten. Eine Berichtigung Prof. SchroerS in d m „Wests M." bringt zum Thema „Bilckof und Professor" neue Gesich spunkie: Danack Kat Karvinal Fischer dem Professor das Verbot seiner Vorlefun.e» für die Theologiesturierenten überhaupt nickt bekonntgegeben. Der Professor begann an dem bctressenven Tage seine Vorlesung, olne eine Aknung von dem Verbot zu baden. Vor Abfassung seiner Schrift bat er sich freiwillig und schriftlich erboten, d-r kirchlicken B.Hörde den geiamten Inhalt zu unterbreiten. Daraus bat er überhaupt keine Antwort erhalten. DaS die Bebandlungswcise. die ein Erzbisckv' gegenüber einem pieußstchen Professor beliebte. Sehr bemerkenswert ist dann folgender Punkt in der Berickiigung: „Kardinal Kreyicny babc ihn gezwungen, seine akademiicke Stellung in Freiburg auszu eben, nach Bonn überzusiedeln; ebenso fei er gezwungen worden, eine ipäierc Berufung nach auswärts abzulehnen uns in Bonn zu verbleiben." Dieser Eingriff in die Freizügigkeit preußischer Professoren vervoll ständigt vas Bild des kircklichen Zwanges, unter dem die kaiholisken Gelehrten hierzulande ihr Lehramt auSzuüben haben. — Was nun die Modalitäten der Beilegung des Streit.S beirissr, so will die katholische Presse jede Neugier verbannt w ssen, wobl, weil die jetzige Nachgiebigkeit des Kardinals allzmvenig zu den strengen Worten seines bekannten Erlasses paßt. Weniger Interesse am Totickweigen haben aber die n>cht uliramontanen Parteien, im Abgeordnetenhaus« wird darum die Gelegenheit zu einer recht eingebenden Besprechung des Falles und seiner Schlichtung wahrgenvmm'n werden müssen; renn sür das Verhältnis der kalboätckcn Fakultäten zu den kirchlichen Bebo»den behält der Fall unter allen Umständen seine eminente Bereu'una. Zumal die Str ei tick ritt mit ihrer Fülle von Anllaien selbst durch die Aushebung des Boykotts nickt berührt wirk. Der Kardinal Hai in Düsseldorf erklärt, daß er die Be'ckwerdepunlte in der Biolcküre Professor SchroerS uicht anerkenne. Soll das eine oberbcrrlich: Entscheidung sein, dem sick auch die rreußische Regierung fügt? Und soll in bezug aus das „System" Fischer — die Ausmachung einer Ueberwackungsstelle und Nebensakultät im Donner Konvikt, die Unterbindung des Semiuarbetrieb«, die Verhinderung eines wissenschaftlichen Nach wuchses — wirklich alle« beim alten bleiben? * Ter Bestand des Reichstages. Im Reichstag ist zurzeit nur ein Mandat erledigt, das des b sherigen Abg. Dasbach, da« aber zweifellos wiederum von einem Angehörigen der Zeotrumspartei besetzt werden wird. E« haben inne die Konservativen 62 Sitze, die ReichSpartei 25. die
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