Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 16.11.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-11-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19071116029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907111602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907111602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-11
- Tag1907-11-16
- Monat1907-11
- Jahr1907
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis »r Sei»»ia und «or»rt» durch unser« Dvtger und Epedtteu« tut Haut gebracht: «utaabe b (nur «oraeu») »ierteljthrlich 3 Nl. mauaMch 1 Dl. Lutaab« S (morgen» und abend») viertel jährlich 4-SO M. monatlich ISO M. Durch die »°K be^ae» (2 mal rLglich) innerhalb Deutschland« und der deutschen Kolonien vierteljährlich 5,L«„ monaÜi»1,7S M. aurschl. Poft- beftellaeld Utr Oesterreich 9 L 66 tu Ungarn 8 ll vierteljährlich. Abonnement-Lnnabnre. Uugustu.vlatz H bei unsere» Drägern, Filiale», Spediteuren »ad Annahmestellen, sowie Postämtern und Briefträgern. Die einzelne Stummer lostet As chsg- Aedaktion und Expedition: Johaanirgajse 8. Delevkon Str. iE Nr. IE- Nr. IE». verltuer Nedaktiou» Du re au: Berlin AV. / Prinz Loui» Ferdinand- klraße I. Delephon I, Nr S275. ' Abend-Ausgabe 8, MpMerTaMM Handelszeitung. Amtsblatt des Rates und des Volizeiamtes der Stadt Leipzig. Anzeigen Preis für Inserate au» Leipzig und Umgebung tue Sgespaltene Petitzeile 25 Pi., finanziell« Anzeigen 30 P!., Reklamen l M.: von aulwirt« 30 Pf., Reklamen 1.20 Le. vomAu»land50Ps., stnanz. Snzeigen75Pf Reklame» 1.5) W. Inserate v. Behörden im amtlichen Lei! 40 Pi Bcilagegcbüdr 5 M. p. Tausend erkl. Po»- gebühr. Scjchäitranzeigen an bevorzug,-? Stelle im Preise erhöht, Viadatt »ach Tar ' Iesterteilte Austiägc können nicht zurü-1- gezogen werden. Für da« Erscheinen an bestimmten Tagen und Plapen wird kein- Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: Luguftuöplatz a bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Expeditionen de» In- und Antlandet Haupt Niltal« Berlin: Earl Lunck> Herzog!. Vahr. Hosbuch- haudlung Lützowstrahe 10. (Delephon VI. Nr. «603) Nr. 318. Sonnabend 16. November 1907. 101. Jahrgang. Das wichtigste vom Tage. * Königin-Witwe Carola hat eine ruhige Nacht verbracht. (S. Letzte Dep.) * Für nächstes Jahr wird ein B e s u ch des e n g l i s ch e n K ö n i g s- Paares in Berlin angekündigt. lS. Art.) * Pfarrer Iatho ist wegen eines Bortrages über das Abend mahl vom Konsistorium unter Androhung der Amtsent setzung verwarnt. (S. Dtschs. R.) * Der in Kiel gewählte preußische Landtagsabge- ordnete Hoff ist der freisinnigen Vereinigung bei- getreten. * Die französische Kammer nahm das Budget des Ministeriums des Aeußern an. Die Raiferfahrt nach England. Die Ehrenpromotion. Eine aus 16 Mitgliedern bestehende Deputation der Universität Oxford war gestern nachmittag unter Führung des Kanzlers der Uni versität Lord Curzon auf Schloß Windsor eingetroffen, um dem Kaiser den Grad eine-Z Ehrendoktors des Zivilrechtes zu überdringen. Die Feierlichkeit begann um 5 Uhr. Der Kaiser trug die Uniform eines preußischen Feldmarschalls und empfing die Herren, die die akademischen Talare angelegt hatten, in der Bildergalerie. Der Kaiser war vom Staatssekretär v. Schön und dem Botschafter Graf Wolff-Metternich begleitet. Die Feier dauerte 20 Minuten und verlief höchst eindrucksvoll. Der Kaiser legte di« rote Robe eines Doktors des Zivilrechtes über die Uniform an. Lord Curzon hielt darauf an den Kaiser eine Ansprache und über reichte alsdann das in lateinischer Sprache gehaltene Diplom. Dieses trägt das Siegel der Universität in Gold. In seiner Ansprache sagte Curzon, die Doktorwürde sei noch niemals zu einer Zeit verliehen wor den, in der die Empfindungen der Universität in größerer Harmonie mit den Wünschen und Gefühlen des ganzen Volkes standen,als jetzt. Der Kanz ler hob des Kaisers lebhaftes Interesse an der Auswahl der deutschen Rhodesstudenten hervor, die eine willkommene und wertvolle Stärkung des akademischen Lebens in Oxford darstclltcn. Er drückte die Hoffnung aus, daß der Kaiser in der Lage sein werde, die Universität einmal zu besuchen. Curzon schloß, bei Verleihung des Doktortitels sei die Uni versität nicht bloß von der Achtung vor dem Souverän des großen be freundeten Volkes und vor einem Mitgliede des englischen Königshauses getragen, sie suche vielmehr auch die Verbindung herzustellen zwischen der historischen Universität Oxford und dem begeisterten Verehrer der Wissenschaften und Beschützer der Künste, der durch feine hohen Ideale und durch das persönliche Beispiel seiner Regierung einen höheren Maß stab für Pflicht und Patriotismus unter seinem eigenen Volke und unter den Völkern Europas geschaffen habe. Der Kaiser erwidert«: Es wird mir schwer, den Passenden Ausdruck für das Gefühl der Genugtuung zu finden, mit dem ich den Grad eines DoctorofEivil Law der Universität Oxford von Ihnen, meine Herren, empfangen habe. Ich habe sehr bedauert, daß Mangel an Zeit mir nicht erlaubte, Oxford persönlich zu besuchen, Es würde mir aufrichtige Befriedigung gewährt haben, diese ehrwürdige historische Stätte englischer Gelehrjam- leit wieder zu besuchen. Ich erinnere mich noch gut, sie gesehen und bc- wundert zu haben, als ich meine Eltern bei einer früheren Gelegenheit begleitete, wie ich mich erinnere, daß mein geliebter Vater, mein ver ehrter Großvater, und zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine Anzahl be rühmter Landsleute von mir die gleiche Ehrung empfangen haben. Dies trägt zu meiner aufrichtigen Wertschätzung der Feierlichkeit bei. Zu allen Zeiten, insbesondere aber in unserem Zeitalter, muß man den Kultur- und Bildungsstand, der von einem Lande erreicht worden ist, als einen der Hauptkaktoren ansehen, auf dem die moralische und materielle Entwicklung eines Volkes beruht. Die Universität Oxford kann stolz darauf sein, daß sie diese erhabene Aufgabe jahrhundertelang verfolgt und sie für England in wirksamster Weise er ¬ füllt bat. Es ist klar, daß der Einfluß einer In- stitution, wie es die Universität Oxsord ist, weit über die Grenzen des Mutterlandes reichen muß. Diese Gründe sind es, die mir ein großes Gefühl der Genugtuung darüber gewähren, daß mir dieser Grad von Ihrer Universität verliehen worden ist. Aber noch ein zweites Band verknüpft mich mit der Universität Oxford. Die Schenkung Ihres großen Landsmannes Cecil Rhodes setzt die Schüler nicht nur aus den britischen Kolonien, sondern auch aus Deutschland und den Vereinigten Staaten in den Stand, aus der Oxforder Erziehung Nutzen zu ziehen. Es ist mir ein besonderes Ver gnügen gewesen, in Uebereinstimmung mit dem Willen Rhodes' Schüler deutscher Nationalität auszuwäblcn, die durch seinen Großmut in den Stand gesetzt sind, den großen Nutzen der Oxforder Erziehung zu ge nießen. Die jungen Deutschen gegebene Gelegenheit, wahrend der Studienzeit mit jungen Engländern zu verkehren, ist das erfreuliche Er gebnis des weiten Gesichtskreises Rhodes'. Unter der Obhut der olma umtb von Oxford wird den jungen Leuten Gelegenheit gegeoen werden, den Charakter und die Eigenschaften ihrer Nationen zu studieren, da durch gute Kameradschaft unter sich zu fördern und dazu beizutragen, eine Atmosphäre gegenseitiger Achtung und Kame radschaft zwischen unseren beiden Ländern zu schaffen. Ich bitte nochmals, Ihnen, meine Herren, für die mir heute zuteil ge- wordene Abzeichnung meinen Tank aussprechen zu dürfen. Beim Schluß der Feierlichkeit lud Lord Curzon den Kaiser von neuem ein, bei seinem nächsten Besuche Englands auch nach Oxford zu kommen. Der gestrige Tag. bot außer der Promotion keine bemerkenswerten Momente. Die fürst liche Jagdgesellschaft war sehr vom Glück begünstigt. Nach der Früh partie begaben sich die Herrschaften nach Cumberland Lodge und nahmen bei dem Prinzen Christian von Schleswig-Holstein das Frühstück ein; sie kehrten um 4 Uhr nach dem Schlosse Windsor zurück. An dem' Bankett am Albend, auf dem keine Reden gehalten wurden, nahmen 163 Gäste, einschließlich 20 Fürstlichkeiten, teil. Ehrung des kaiserlichen Gefolges. Der Kr i e g s m i n i st e r gab in seiner Londoner Wohnung zu Ehren der Generale v. Wessen, v. Einem, Graf v. Hül'en-Häjeler ein Frühstück. Ferner waren geladen der Finanzminister Asquith, der Ches des Generalstabcs, General Lyttleton, General Lord Methuen, der Unterstaatssekretär des Kriegsamts Sir Edward Ward und eine Reihe anderer hervorragender englischer Offiziere. Abends gab der Mayor vonWi-ndsor den ausländischen und englischen Journalisten, die Windsor besuchten, ein Festmahl. Englischer Besuch in Berlin. „Evening News" wollen wissen, daß der König und die Königin von England im nächsten Jahr in Berlin einen Staatsbesuch ab statten werden, und daß die Bezieh- ungen zwischen dem Kaiser und König nunmehr von besonderer Herz lichkeit seien. Auch berichtet das Blatt, daß bei einem Privatdiner König Eduard neulich einen überaus herzlichen Trinkspruch aus die Ge sundheit des Kaisers ausgebracht habe. Diplomatische Enthüllungen. Am 16. Oktober 1906 ist der ehemalige russische Botschafter bei der französischen Republik, Baron Mohrenheim, nach einer 8jähri- gen Altersmuße in Pan gestorben Fast 14 Jahre hatte er den Pariser Botschafterposlen bekleidet. Diesem Manne haben Frankreich und Ruß land ihr Bündnis zu danken, wofern es wirklich für sic ein dankes- würdigcr Gewinn gewesen ist. Den Anteil des verstorbenen Diplomaten an dem Werke ins Licht zu stellen, ist der Zweck einer Veröffentlichung, welche unter vem Titel: „Diplomatische Enthüllungen aus der Botschafter- zeit des Barons v. Mohren heim" erschienen ist. Verfasser ist ein ehemaliger Titularbotschaftsrat im französischen Auswärtigen Amr Julius Hansen, ein geborener Däne, welchem auch die Urheber- schäft des Artikels 5 des Prager Friedens zugeschriebcn wird. Herr- Hansen vergißt nicht, seine eigenen Bemühungen nm die große Lebens- aufgabe Mohrenheims, das französisch-rufssiche Bündnis, gebührend hervorzuheben. Der Däne arbeitete natürlich nicht aus persönlichen, sondern aus patriotischen Gründen mit allem Eifer für eine Allianz, von der nach menschlichem Ermessen eine feindliche Wendung gegen das verhaßte Deutschland mit seinem Dreibund -rwartet werden durste. Wer die anmutigen Couscrien anderer Memoirenwerkc in dem Buche sucht, wird nicht auf seine Rechnung kommen. Sein Wert beruht einzig auf dem aktcnmäßigcn Material, welches in ihm ausgespeichert und durch eine schlicht, dabei aber herzlich trocken erzählende geschicht liche Darstellung verbunden ist. Ihren objektiven historischen Wert ver- mögen wir natürlich nicht nachzuprüfen. Man darf von vornherein von einer Parteischrift, deren Charakter daneben durch die Rücksichten auf den Helden, wie auf den Verfasser des Buches bestimmt wird, keine Wahrheit verlangen. Für den Fachhistorikcr wird das Büchlein eine sehr beachtenswerte Quelle, aber eine unter vielen sein, welche er mit aller Vorsicht ausnutzen darf. Die Botschafterzeit des Barons v. Mohrenheim umsaßt die Jahre 1884—1898, also für uns die Jahre der ausgehenden Bismarckzeit und des nachbismarckschen Regimes Wenn auch dem Verfasser seine per- sönlichc Abneigung gegen den Altreichskanzler die Feder geführt hat, so ist cs doch von Interesse, auch von dänisch-rufsisch-sranzösiicher Seite die den Wissenden niemals zweifelhafte Tatsache wieder bestätigt zu sinken, daß zwar der Abschluß des Zweibundcs erst in die nachbismarcksche Zeit fällt l16. August 1891), daß aber die europäische Lage bereits lange Jahre vorher genau die gleiche war, wie nach der zariichen Unterschrift unter „ein Blatt Papier": bei einem Angriff der Dreibundmächre aus Frank- reich oder Rußland hatten sie auf alle Fälle mit beiden Mächten zu rechnen. Die Gefahr akuter Verwickelungen war sogar in jener frühe ren Zeit dauernd größer, als nach der Verbriefung und Besiegelung ihres Zusammengehens. Die europäische Spannung erscheint gelindert, seitdem aus ihrem latenten und potentiellen Zusammengehen ein kon tinuierliches Zusammenarbeiten geworden ist, mit dem als einer festen Größe gerechnet werden darf. In einer Abschweifung gibt der Verfasser sS. 100 ss.) interessante Mitteilungen über den Dreibund: allerdings natürlich mit dem Zusatz: „aus meinen Informationen". Die wichtigsten Neuheiten sind wohl, daß das Bündnis durch chrenwörtlichc Versicherungen der Dreibunds monarchen (Wilhelm II.. Franz Joses und Umberto) gegen künftige Re- gierunaen geschützt sei; ferner daß bis 1902 eine Klausel existiert habe, welche Italien von der Verpflichtung entbunden habe, gegen Eng- Iandzu kämpfen. Dieser Vorbehalt sei bei der Erneuerung der Allianz 1902 von Prinetti „vergessen". Wahrscheinlich ist er durch die diploma tischen Verhandlungen unseres Jahres wiederdergestellt worden. Das Büchlein ist von Cbrlftovh Lucrot übersetzt, im Verlage von Gerhard Stalling erschienen (208 Seiten: Preis 2 .E). Deutsches Reich. Leipzig, 1k November. * Der BnnLeSrat hat in seiner gestrigen Sitzung, wie in Er gänzung der anderweitigen Mitteilungen berickiet sei, een Entwurf einer Maß- und Gewicbtsordnung den zuständigen Ausschüssen überw esen und die Vorlage über AuSvrägung von Denkmürnen zur Erinnerung an den Todestag des Großherzogs Friedrich von Baden angenommen. * DaS Flottengcsctz. Die jetzt vom Bundesrat angenommene No velle zum Flottengesetz zerfällt in zwei Teile; in ras eigentliche Er gänzungsgesetz, das die Abänderung des K 2 des Gesetzes vom 14. Juni 1900 bezwecki, und in der Begründung zu demselben. In letzterer werden die entstebcnden Mehrtosten ausgestellt, die ihren Grund in ter Erhöhung der Gescchtskrast der neuen Schiffe haben. * Das Wcingesrtz. Die Verhandlungen zwilchen Vertretern der Reichsverwaltung unv der beteiligten Bunvesreg crungen über den Ent- Feuilleton. Geist ist die bekannte Erfindung, sich möglichst ver haßt zu machen. Fielding. * leipziger rNusikzuftän-e in -er Fri-erizianischeir Seit. Von Heinrich Mayer (London! Im Jahre 1772 unternahm der gelehrte Londoner Organist Dr. Charles Burnev eine Reise durch Holland, Belgien, Deutschland und Oesterreich, um sich aus eigener Anschauung über die Musikzustände in diesen Ländern zu informieren. Er hatte mit einigen kleineren Opern den Beifall des englischen Publikums gesunden und ging nun mit der Absicht um, eine umfassende „Geschichte der Musik" zu schreiben, die von Adam und Eva bis auf die Gegenwart reichen sollte. Er mochte aber bei der Sichtung des Materials die Erfahrung gemacht haben, daß es leichter ist, die Geschichte der grauen Vorzeit zu schreiben, bei deren Be arbeitung man eben 10 Bücher nimmt und ein elftes daraus macht und die etwaigen Lücken mit geistreichen Hypothesen ausfüllt, als über seine eigenen Zeitgenossen etwas Neues und Richtiges zu sagen. So hatte er sich denn entschlossen, seine Studien an Ort und Stelle zu machen, und hatte im Jahre 1770 eine Reise durch Frankreich und Italien unter nommen, deren Erfolg ihn ermutigte, zwei Jahre später auch Deutsch land und die Nachbarländer zu besuchen. Was er dort gesehen hat, hat er in einem zweibändigen Werke nieder- gelegt, das 1775 in London schon in 2. Auslage erschien unter dem Titel: „Ide present Liste ok dlusic in Oermsnv, rbe dletkeflsnckü anct tzlniteck ?rovince,". Dieses Buch hat neben„ seiner rein musikgeschichtlichen Be deutung auch noch den Vorzug, amüsant und liebenswürdig geschrieben zu sein und eine Menge von Informationen von allgemein kultur geschichtlichem Interesse zu bieten. Sein Bericht über seinen Aufenthalt in Wien, wo er mit Metastasio und Gluck verkehrte, seine Nachrichten über Mannheim und Ludwigsburg in der Vorschillerschen Periode, seine Beschreibung einer Lessingaufsührung. seine Notizen über das frideri- zianische Berlin, über München, über Dresden usw., all diese Kapitel find noch heute auch für den nichtmusikalischen Leser von größtem Inter ne. Wir geben hier einen AuSzug aus keinem Bericht über Leipzig in llebersckung wieder. Zur richtigen Beurteilung möge man sich vor Augen halten, daß kurz vorher die Stürme deS Siebenjährigen Krieges über Sachsen dahingebraust waren, und daß das ausgeplünderte und verarmte Land dem fremden Großstädter nicht allzuviel zu bieten hatte. «Leipzig hat sich von den Leiden, die es während des letzten Krieges durchacmacht hat, noch nicht erholt: und seine berühmte Messe, früher stets das Rendezvous der reichen, lustigen und industriösen Leute aller Welt teile, und nicht minder ein Sammelplatz souveräner Fürsten und Ade- ligen aus ganz Nord-Europa, ist letzt (1772) anscheinend zu einem ge- wohnlichen Jahrmarkt oder einer Viertcljahrsmesse herabgesunken, wie sie in England in jedem kleinen Marktflecken gehalten wird. Der gelehrte Herr Ebeling") aus Hamburg, ein ungewöhnlich wohlunterrichteter Musikdilettant, hatte nach Veröffentlichung meiner Schrift über „Den gegenwärtigen Zustand der Musik in Frankreich und Italien" die Freundlichkeit, unaufgefordert mehrere sehr verständnis volle Briefe an mich zu richten, voll nützlicher Mitteilungen über die Musikgeschichte Deutschlands und ging, als er von meiner Absicht, dieses Land zu bereisen, hörte, in seinem 'Eifer so weit, an mehrere seiner Freunde und an geeignete Professoren in den verschiedenen Städten meiner Route zu schreiben und sie aufs dringendste zu bitten, mir bei meinem Unternehmen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Bin meiner Ankunft in Leipzig erprobte ich die gute Wirkung dieser Freundschaft durch den Empfang, den mir Herr Musikdircktor Hillcr hier zuteil werden ließ, welchen er brieflich von meinem Kom men unterrichtet hatte. Dieser Herr, der nicht allein ein bedeutender Musikschriststeller, sondern auch der erste und beliebteste Komponist komischer Opern in deutscher Sprache ist, war unermüdlich in seinen Bemühungen, mir während der ganzen Zeit meines Leipziger Aufcnthal- tes von Nutzen zu sein. Ich hatte erwartet, besonders von Herrn B r citkoPf **), als dem bedeutendsten Musikalienhändler in Europa, reiche Information über Musik und Musiker zu erhalten und besuchte ihn daher sofort nach meiner Ankunft in dieser Stadt- ich sand ihn aber eher schweigsam als gesprächig. Er macht Anspruch aut die Ehre, der Erfinder des Musiktypendruckes zu sein und scheint auch ein Anrecht darauf zu haben, hat er dock 13 oder 14 Jahre hindurch nicht allein seine Hei mat, sondern auch die anderen Länder Europas mit einer erstaunlichen Menge von musikalischen Erzeugnissen seiner Presse versorgt, und zwar mit Musik aller Art, von den bedeutendsten Komponisten unserer Zeit, worüber er vierteljährlich Kataloge hcrausgibt. Er ist auch anscheinend der erste gewesen, der seinen Katalogen ein Inhaltsverzeichnis in Noten begcgcben bat, welches die Themata oder die zwei oder drei ersten Sätze der einzelnen Stücke jedes Werkes enthält, wodurch es dem Leser möglich gemach« wird, hcrausziisinden, nicht nur, ob er schon ein ganzes Werk, sondern auch ob er irgendeinen Teil daraus besitzt. Außer den gedruckten Exemplaren der Werke der berühmtesten Komponisten aller Vöskcr ver kauft er auch A b s ch r i s t c n von einzelnen Stücken jedes gedruckten Werkes zu annehmbarem Preise, und ebenso von zahllosen anderen, die nie im Truck erschienen sind *) Christoph Dan. Ebelina (1741—1817), Lehrer an der Ham- bnrger Handelsakademie, später Stadtbibliotbekar. hat sich auch als Musikschriststeller einen Namen gemacht. (Der Uebcrk.) '*) Immanuel Breitkops (1719-1794). Herr Hiller*), der von meiner Ankunft bis zu meiner Abreise kaum von meiner Seite wich, war so liebenswürdig, mich am ersten Abend in seine Loge in der Komischen Oper mitzunchmen. Leipzig beherbergte vor dem letzten Kriege eine ständige Komödiengesellschatt, seit der Zeit aber hat sich keine lange hier halten können. Die derzeitige Truppe war gerade ans Berlin hier eingctrosscn, wo sic sich 18 Monate lang aufgc- halten hatte. Man gab diesen Abend den „Deserteur", in deutscher Sprache, aber mit Mr. Gretrys Orjginalmusik. Die Mitwirkenden ge- fielen mir nicht besonders, weder durch Gesang, noch durch Spiel; alle waren ohne Stimme, ohne Takt und vulgär. Am nächsten Morgen, am 25. September, war Herr Hiller so freund lich, mich nach dem Schauspielhaus zu führen, wo eine seiner komischen Opern geprobt wurde. Die Ouvertüre und ein Gesang waren schon durchgenommcn worden als wir kamen, doch sing man wieder von vorn an. Ich fand die Musik sehr natürlich und gefällig, und wert, von besseren Kräften ausgesührt zu werden, als die, deren sich die Leipziger Truppe zurzeit rühmen kann. Tenn, die Wahrheit zu sogen, der Ge sang war liier so gemein und ordinär, wie bei uns in England der ge- wohnliche Gesang unter Leuten, die weder Schulung genossen, noch guten Gesang gebärt haben. Es ist genau dasselbe vorlaute Schnappen, bei der Bewält'gung der höheren Noten, die sic sozusagen stoßweise und ganz laut hcrausbringen, anstatt mess» cki voce und allmählich. Die instru mentalen Partien gingen schwach: immerhin, da dies die erste Probe war, wäre cs möglich, gewesen, sic durch Strammheit in Ordnung zu bringen, wenn Herr Hiller sich dazu verstanden hätte, energisch aufzu- treten und ein bißchen den Tyrannen zu spielen. Denn man kann die traurige Erfahrung machen, daß Komponisten von dem Orchester selten aut behandelt werden, solange sic den Spielern nicht grob kommen und sich gefürchtet machen. — Ich habe mich bemüht, einen Grund für die schlechte Gesangstechnik ausfindig zu machen, die so allgemein unter dsn Ki asten der Leipziger Bühne vorherrscht, und habe aus keine andere Ur- fache kommen können, die eine so triftige Erklärung abgibt, als der Um stand. daß diese Stadt momentan soweit von einer italienischen Over entkernt ist, welche, da gewöhnlich Italiener auf ihr austreten, eine aus- gezeichnete Gesangsschulc für die Einwohner der Orte ist, die ständige r.pcrn haben, wie Mannheim, Ludwigsburg, München. Wien und Dres- dcn,_ wo ich den Gesang unter dem Volke sehr gefällig, den Ausdruck natürlich und die Jntonicrung alles eher als fehlerhaft gesunden habe. In all diesen Orten sind seit langer Zeit stehende italienische Opern, bic sicher Einfluß aus den öffentlichen Geschmack und die Art des Singens gehabt haben. — Gegen Ende des vorigen und zu Anfang dieses Jahr hunderts bildeten italienische Opern sehr häusta einen Teil des önrnt- lichen Amüsements in Leipzig, während der drei jährlichen Messen ,n Neujahr, Ostern und Michaelis. Und im Jahre 1703 waren diese Vor- *) Gemeint ist natürlich Job Adam Hiller (1728—1804). der als Begründer des deutschen Singspieles, als erster Dirigent der Ge- waudhaus-Konzcrtc und als Lehrer der Corona Schrätzer eine mehr als bloß lokalgeschichtlichc Bedeutung hat.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite