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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 21.11.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-11-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19071121015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907112101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907112101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-11
- Tag1907-11-21
- Monat1907-11
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BezugS-Pret» ste Lechtta «d Vororte durch «s« Letzer und kpedtleure in« Hau» gebracht. Vichgab, L («rr uwr«u») vterteljLhrllch S Ob moeaotch 1 M. L»»aai« > imeraeu» uur adeudH , tLMch chw«. «imaUtch 1U» «. !ld mr Oesterreich S L llugar, 8 L »ierleMrlich Deutschland» uterteljLhrlich Die etngalue «uuourr kostet W VfH «rdattto» «d Eroedttt»»- 3»l»-u-i»,,sl-8. leledbon «r. I4W2 «r. I««» «r. I4SS1. Verl tu« «adaktt»»« V«e«a«: Vertin ftV. i «rin, Lout« «erdtuaud. Ltröste p Lelestho» t, «r S27L. Morften-Ausfiabe 8. WpMerTilgMM Handelszeitung. Aml-cölatt des Rates und des Nalizeiamtes -er Lkadt Leipzig. Anzeige«-Preis kstr Inserate au» Lewzta und Umgestn», di« Soelv-Ilene Lelttjeile L Vt , knan^ielle Sn»«igen 8l) Pt., «eklame» l M.; von autwLrt» 80 Pf., Reklamen l.20 V! oom«u»l-nd8OPs., stnani. kln,eigen 75 Ps., Reklamen l.So Pt. Inserate v. vebSrden im amtlichen Dell 4b Ps. «eilagegebitdr 5 M. p. lausend exkl. Pos, gebühr, »e^chüsllan^igen an bevorzugter Stelle im Preiie erhöht. Rabatt nach larii. Fest erteilt« Lustrüg« Unaen nicht juiün gezogen werden. Für da, Erscheinen an bestimmten Lage« und Blästen wird keine Barunti« übernommen. «>q-i,en.«nnabmer Lugustu»vlatz ft, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen» Etpedrtronen de» In. und Aullaade«. »a-ttl Filiale Verl in-. Carl Lunch, Herzogi. Vahr. Hösbach- Handlung Lützowstraste IL Salephon Vt. «r. «Wky. Nr. 323. Dar wichtigst« vorn Tag«. * Der Kaiser unternahm gestern einen Ausflug noch Bourne mouth. iS. Letzte Dep.) * Die Kaiserin traf gestern um 9 Uhr 45 Minuten auf Station Wildpark ein und begab sich im Automobil nach dem Neuen Palais. Zum Empfang war der Polizeipräsident v. Starck anwesend. * Der Großherzog vou Oldenburg reiste gestern nach vierwöchentlichem Kurgebrauch in Kissingen im Automobil nach Leipzig ab. * Die „Nordd. Allg. Ztg." setzt ihre Veröffentlichungen ouS dem Reichshaushaltsetat für 1908 fort. iS. Bericht.) " * Der neuernannte deutsche Botschafter v. Tschirschky ist gestern in Wien eingetroffen. * Die bayrische Regierung hat sich, wie Justizminister Miltner in der Abgeordnetenkammer erklärte, wegen einer Ent schädigung für Schöffen und Geschworene an den Bundes rat gewendet. Dieser habe sich ablehnend verhalten. sS. Letzte Dep.) * Der „Staatsanzeiger" veröffentlicht die Einberufung des badischen Landtages zu Dienstag, den 26. November 1907. sS. Letzte Dep.) * Der englische Kriegsministcr Halda ne bat gestern eine Rede gehalten, in der er auf die Bedeutung des Besuches des Deutschen Kaisers binwies. sS. Letzte Dep.) * Der König der Hellenen stattete gestern dem Kaiser Franz Josef in Wien einen viertelstündigen Besuch ab. Die Königin der Hellenen ist dort eingetrosfen. * In der gestrigen Verhandlung im Prozeß Nasi kam es, wie aus Rom gemeldet wird, zu einer erregten Auseinander setzung zwischen dem Präsidenten und dem Verteidiger Nasis. lS. Letzte Dep.) * Durch einen Erdrutsch bei Cannes, der sich gestern mittag bei einem Straßenbau zutrug, wurden 31 Arbeiter verschüttet. Bi - jetzt sind 15 Leichen geborgen. lS. Letzi, Dep.) Lin Wort -er Aufklärung. Von Johann Steiner, k. k. Landesgerichtsrat in Wien. In Nummer 282 dieser Zeitung vom 11. Oktober beginnt eine Artikelserie, die sich mit der Reform des Zioilprozesses im Deutschen Reiche befaßt. Schon bei oberflächlicher Lektüre des erschienenen ersten Artikels wird der einer so erusten Sache wenig entsprechende, sozusagen fcuillc- wnistische Ton unangenehm berühren, in dem die Arbeit verfaßt ist. Entschiedene Abwehr erheischt jedoch die Art und Weise, in welcher der Verfasser von den Wirkungen der jüngsten österreichischen Zivil prozeßordnung spricht. Er äußert sich diesbezüglich, nachdem er den geistigen Urheber der betreffenden Gesetze das allerdings zutreffende Kompliment gemacht, „wohl der glänzendste Stern am Himmel der Justizwelt um die Wende des Jahrhunderts zu sein", der Vater dieser Gesetze „habe" es verstanden, den Geist dieser Gesetze in die Praxis einzupeitschen. Nach diesem Proömium fährt er folgendermaßen fort: „Mit Recht rühmt sich jetzt Oesterreich diesseits der Leitha,*) daß cs den schnellsten Rechtsgang des Abend- und Morgenlandes habe.**) Nun soll Friedrich der Große gesagt haben, daß er weniger eine prompte als eine gottgefällige Justiz haben wolle. Der große König hat damit gewiß recht. Wenn die Gerichte schleunig arbeiten und dabei Fehl» iprüche in Masse fabrizieren, wird die Volkswohlsahrt nicht gefördert." Allerdings setzt - der Verfasser auch bei: „Es dient der Sache der Ge rechtigkeit anderseits auch schlecht, wenn der soziale Notstand, den ein Prozeß nach Kleins Worten darstellt, erst in den Zustand des chronischen Leidens übergeleitet und dann nur in Hängen und Würgen über Jahr und Tag geheilt wird." Man sieht: unter dem Gewände des Lobes gegen den Meister blickt der Pferdefuß unverkennbarer Verkleinerungssucht bezüglich des Werkes ganz deutlich hervor. Der Verfasser sagt uns zwar nicht ausdrücklich, welcher Zusammenhang zwischen dem Aussprache Friedrich des Großen und den Ergebnissen der österreichischen Zivilrechtspflegc seit 1. Januar 1898 bestehe, aber seine diesbezüglichen Gedanken sind nach dem Vorange- aangenen und dem geflügelten Worte von der angeblichen Massenfabri kation richterlicher Fehlsprüche leicht zu erraten, er macht eben der seit 9 Jahren bei uns tätigen Prozeßmaschinerie den Vorwurf, sie arbeite rasch, aber schlecht. Ein solch schwerwiegender Vorwurf, wenn er ohne Anführungbestimm ter Tatsachen vorgebracht, und ganz allgemein gegen alle an der Recht sprechung Beteiligten erhoben wird, verdient zum mindesten die Be zeichnung „leichtfertig". Ja, das Urteil des Verfassers obigen Artikels ist so oberflächlich, daß sich hieraus nicht erkennen läßt, ob er diese an gebliche Minderwertigkeit der Leistungen auf dem Gebiete der Zivil judikatur als eine an kein bestimmtes Land gebundene, mit Notwendig keit aus einer Vereinfachung der Prozedur sich ergebenden Folge oder als eine Erscheinung ansiebt, die nur in Oesterreich sich konstatieren ließ. Wie dem auch sei, es dürfte sich der Mühe lohnen, eine kleine Studie darüber auzustellen, was denn io eigentlich unter „Raschheit", sei es auf dem Gebiete der Straf- oder Zivilrechtspflege, zu verstehen sei. Etwa eine Neberhastung der Gedankenarbeit, eine seichte, nur das Ziel der Schnelligkeit verfolgende, über den Prozeßstoss flüchtig binweggleitendc Tätigkeit? Gewiß nicht, denn das erste und wichtigste Kriterium einer auten Justiz bleibt ewig Gründlichkeit, nur sie bietet die Gewähr kür die Richtigkeit der Entscheidung, so weit dies natürlich innerhalb jener Schranken möglich erscheint, die der menschlichen Erkenntnis wie auf geistigem Gebiete überhaupt, so auch auf dem der Rechtsprechung gezogen sind. Absolute Richtigkeit. Unfehlbarkeit, ist ein Privilegium der Gott- beit, also «twaS UebermenschlicheS, daS Uebermenschlichc aber zugleich *) Nach der gegenwärtigen staatsrechtlichen Gestaltung der Monarchie im Pleonasmus, da jenseits der Leitha das in so vielen Rich tungen selbständige Ungar« liegt. **) WaS daS Morgenland cmbelanat, so dürfte China den Rekord schlagen, wo der Richter dem zur Zahlung nicht geneigten Schuldner einfach die Bastonnade geben läßt. Donnerstag 21. November 1907. unmenschlich.*) Wer wird an die unvollkommene Menschennatur Au- forderungen stellen, denen sie nicht gewachsen? Wer dies tut, handelt einfach töricht. Wenn aber Gründlichkeit, verbunden mit subjektiver Tüchtigkeit das erste Erfordernis einer guten Justiz bildet, von der wir gar nicht ver langen, daß sie „gottgefällig" sei, wenn sie nur nach menschlichem Maß stabe beurteilt den Anforderungen entspricht — wenn wir also von den indizierenden Personen vor allem Schärfe der Auffassung, Vertiefung in den Prozeßstoff, umfassenden Blick verlangen, worin joll daun die Raschheit der Judikatur eigentlich bestehen? Mit der Schnelligkeit des elektrischen Stromes kann vielleicht der Gedanke, aber niemals ein Geisteswerk konkurrieren, welches erst Produkt eingehender Prü fung ist. Wir sehen: auch hier arbeitet der Verfasser mit Schlagworten, ohne der Sache näher zu treten. Hätte er diese Mühe nicht gescheut, so wäre er aus etwas ganz anderes gestoßen, nämlich auf eine sehr weit zurück reichende Erscheinung, die darin besteht, daß auf den mannigfaltigsten Gebieten, ursprünglich vielleicht aus lobenswerter Absicht, an irgend- einen Vorgang übertriebene Vorsichtsmaßregeln geknüpft werden, also eine Arbeit, die auf einfache, klare Weise verrichtet werden könnte, erst unter Beobachtung einer Reihe von Formalitäten vor sich gehen darf. Das ist's also, was in erster Linie die Verzögerung der Prozedur her- beisührt: der wertlose Formelkram, der, wie em Parasit sich an den Ge bilden des Prozesses sestsaugend, ihnen den Lebenssaft entzieht. Der Verfasser hätte bei tieferem Eingehen noch eine andere Wahr nehmung gemacht. Während der gemeine Prozeß noch durchgängig von dem Gedanken beherrscht wird, der Rechtsstreit in Zivilsachen sei in jeder Rich tung onus» privat», die Führung desselben ausschließlich den Parteien zu überlassen, erhoben sich allmählich in Deutschland immer mehr Stimmen, welche auf die infolge unserer heutigen Verhältnisse tagtäglich mehr zu tage tretende Durchkreuzung und Durchdringung öffentlichen und priva- ten Interesses,im Zivilprozesse hinwiesen**) und infolgedessen dem Ge richte eine weit souveränere, von dem Einflüsse der Parteien unab- hängigere Stellung im Zivilversahren cinzuräumen trachteten,***) Haben doch derartige Ideen gerade in der Gesetzgebung des tonangeben- den deutschen Bundesstaates durch Dezennien das entschiedenste Üeber- gewicht gehabt: in der allgemeinen Gerichtsordnung für Preußen, welche, auf den breiten Grundlagen der Untersuchungsmaxime und Verstaat lichung der Adookatic aufgebaut, durch beinahe ein halbes Jahrhundert in Geltung stand, und nur aus schnöden finanziellen Rück sich- t e n aufgehoben wurde. Hätte man, statt mit allen möglichen Prozeßver- fahrenentwürfcn herumzuexperimentiercn, in Deutschland auf dieser Basis ausgeharrt, man wäre zweifellos zu einem weitaus befriedigenderen Rechtszustand auf dem Gebiete des Zivilverfahrens gelangt und stände nicht vor der im Grunde genommenen beschämenden Tatsache, wonach das Deutsche Reich, nachdem eine am 1. Oktober 1879 in Kraft getretene Zivilprozeßordnung und hierzu eine am 1. Januar 1900 in Kraft getretene Novelle er'chrenen o^er-n^l« »sie Ausgabe hat, durch ein, ichneioende Aercheruuaen und Zusä^ Ge'.etzeswert zu verbessern. Da haben wir es in Oesterreich in gewissem Sinne besser. Wir haben in der langen Leidcnsperiode, als welche sich in sozialer und recht licher Beziehung die Geltungsdauer der in der Hauptsache seit 1781 bis 1898 unverändert gebliebenen Josefinischen Gerichtsordnung erwies, ge- lernt, zu welchen Konsequenzen unbeschränkte Dispositionsfreiheit der Parteien führt. Wir haben gesehen, daß diese in Verbindung mit einem lästigen Formalismus nur Prozeßverschleppung, Schikane, Ausbeutung der Parteien zur Folge bat, daß die wohlmeinenden Absichten des Ge setzgebers in ihr Gegenteil verkehrt werden, mit einem Worte ein dräui- iches Beispiel zu dem Lichterspruchc geboten erscheint: „Vernnnft wird Unsinn, Wohltat Plage". Es waren demnach sehr reelle, mit plastischer Deutlichkeit in die Augen springende Gründe, welche die Schöpfer der österreichischen Zivil prozeßordnung vom 1. August 1895 veranlaßten, bei ihrer reforma torischen Lat weit entschiedener mit der Vergangenheit zu brechen, als die Verfasser der vielfach als Vorbild benützten deutschen Reichszivil- prozeßordnung dies zu tun den Mut fanden. Darin aber liegt eben ein Vorzug der österreichischen Gesetzgebung, welcher nicht nur bei den un befangen denkenden Juristen aller Länder Anerkennung gefunden hat, sondern auch seine befruchtende Rückwirkung auf Deutschland früher oder später üben muß, ja, wie uns angesichts der neuesten Reform- bestrebungen dünkt, schon auszuüben begonnen hat, denn auch in reichs deutschen Juristenkreisen muß die Uebcrzeugung immer mehr Platz greisen, daß halbe Maßregeln aus die Dauer nicht zu befriedigen ver mögen, und wenn je auf einem Gebiet der Rechtspflege so ganz gewiß auf dem des Zivilprozesses für den Reformator der ^atz gilt: „Genu die Glock' soll ausersteh'n, muß die Form in Stücken geh'n!" Zum Schluß noch einiges zur Belehrung des Herrn Artikel schreibers. So schlecht informiert er sich auf staatsrechtlichem Gebiete zeigt, indem er von einer „Zivilprozeßordnung des Kaisertums" zu erzählen weiß, während doch jeder Bürger oder gar Volksschüler von der Ver- sassung etwas gelesen haben muß, welche die Habsburgische Monarchie 1867 erhielt: ebenso schlecht informiert ist er bezüglich uwcrer richterlichen Verhältnisse. Wir können ihm versichern, daß es nicht erst eines „Ein- peit'chers" bedurfte, um den Geist der neuen Gesetze in der Praris n- zubürgern, sie fanden bei der ungeheuer« Mehrheit der österreichischen Juristen aller Berussklassen um so bereitwilligere Ausnahme, als hier mit ein längst gehegter Wunsch erfüllt, ein Versprechen der Staatsgrnnd- gesetzc eingelöft wurde. Wenn alw das österreichische Zivilvenadren im Vergleich zu den einschlägigen Gesetzgebungen anderer Länder kürzere Zeit zur Erledigung in Anspruch nimmt, lo ist dies nicht das Resultat schablonenhaften Ab tuns der richterlichen Aufgaben, sondern des Umstandes, daß die Ar beitskraft des österreichischen Zivilrichters, weniger durch den Ballast unnützen Formelkrams an Verfolgung ihrer Aulgaben behindert, ibm die Rechtsfindung um so mehr erleichtert, als die neuere österreichische Gesetzgebung eS auch verstanden hat, der Parteidisposition heilsame Schranken zu setzen. Daß dabei die Gründlichkeit keine Einbuße erleidet, beweist die täg liche Erfahrung: die Fälle einer Kassierung unterrickstcrlicher Erkennt nisse oder einer Rückverweisung wegen mauoflbasten Vorgehens gehören zu den größten Seltenheiten, und wenn überhaupt der Jnstanzenzug eine Garantie der Reckstssicberbeit bildet.-N so ist eS sehr lehrreich, zu sehen, daß häufig das abändernde Erkenntnis zweiter Instanz in dritter keine Billigung findet, sondern das erstgerichtliche wieder heraestellt wird, daß endlich die Gründe der bestätigenden Erkenntnisse höherer Instanz in der Regel nur eine Paraphrase der unterrichterlichen entbal- ten, weil eben neue Gesichtspunkte sich nicht finden lassen. AueS dies spricht keineswegs für eine materiell gerincrwertigc wir möchten sagen saloppe Rechtsprechung: daß übrigens selbst der Gewissenhafteste und *) Wir verweisen hier auk daS 1883 bei Wagner in Innsbruck er schienene Werk „Studien zur Reform des österreichischen ZivilprozesseS" Seite 99 ss. **) Von älteren Zink, von neueren Bar. -**> Mit besonderer Schärfe wird dieser Standpunkt vertreten in den „Studien zur Reform des österreichischen ZivilprozesseS". Seit« 7 ff. ft Diesbezüglich äußert sich in treffender Weise der geistreiche Kriminalist Glaser, es sei ihm eine Stiege ohne Geländer lieber, al« eine Stiege mit einem morschen Geländer. 11)1. Jahrgang. Tüchtigste ewig Irrtümern unterworfen bleibt, kann nicht als Argument für das Vorhandensein einer schlechten Justiz dienen, gilt doch der Satz „Huaneloquo Konus ciorrnitat lloruerus" in gleicher Weise von den Sprüchen der höchsten Dikastorien aller Kulturländer. Es ist aber endlich auch nicht so arg bestellt mit der vom Verfasser so stark betonten Raschheit der österreichischen Prozedur, oder wie wir in der seinerseits beliebten drastischen Ausdrucksweise sagen könnten, dem Durchpeitschen der Erkenntnisse. Ein Rechtsstreit nimmt bis zu seiner endgültigen Austragung im bezirksgerichtlichen Verfahren durch schnittlich vier Monate, im Verfahren vor Gerichtshöfen noch längere Zeit in Anspruch — und in diesem Zeiträume sollte bei nicht außer- gewöhnlichem Umfange der Sache nicht vollauf Gelegenheit geboten sein, zu einer gründlichen, allseitigen Prüfung der Sach- und Rechtslage? Im Gegenteil, so manchem österreichischen Juristen erscheint die Reform nicht radikal genug *) und tagtäglich läßt sich die Wahrnehmung machen, daß vom wirtschaftlichen Standpunkte aus manches zu wün schen übrig bleibt, denn noch vielfach ist die Rechtsdurchsetzung mit einem unverhältnismäßigen Aufwande an Zeit und Kosten verbunden. Zum Schlüsse noch eine Bemerkung pro clomo. Kein Vernünftiger wird an einer zwar abfälligen, jedoch gerechten Kritik Anstoß nehmen; er wird im Gegenteil dankbar sein, daß er auf seine Febler aufmerksam gemacht wird — aber entschiedene Zurückweisung verdient es, wenn jemand sich zum Richter über eine Sache aufwirft, bezüglich deren ihm die wesentlichsten Voraussetzungen zur ?lbgabe eine? objektiven Urteils offenbar mangeln. Hierzu bemerkt der Verfasser des angegriffenen Artikels: 1) Ueber juristisch-technische Fragen kann man in einer Tages zeitung nicht un Abhandlungs- oder Entscheidungsstile mit Literatur» zitaten und Anmerkungen schreiben. Dieses trockenen Tones wird die Leserschaft bald satt. Die Hauptsache ist doch, die vielköpfige und ver schieden vorgebildete Lesermenge für den Gegenstand zu interessieren. Auch hier macht der Ton die Musik. Die Pointierung, die Antithese, der feuilletonistische Einschlag in den Stil dienen dazu besser als der pathetische Ernst eines Griesgrams. Auch sollte der Herr K. K. Landes- gerichtSrat die gebotene Geschwindigkeit der Arbeit für Tageszeitungen bei gründlicher Prüfung in Rechnung ziehen. 2) Ter „Pferdefuß unverkennbarer Verkleinerungssucht" ist kein feuilletonistischer Ausdruck, aber trotzdem nicht schön, dazu in der Sache unzutreffend. Ich bin ein aufrichtiger Verehrer Klein«. Ich lese stets die Aufsätze des österreichischen Justizministers in der juristischen Fachpresse mit Eifer und Genuß. Seine Persönlichkeit machte mir aus dem Innsbrucker Juristentage einen solchen Eindruck, daß ich Oesterreich um den Mann beneidete; ich meinte, wie könnte dieser Mann sich bei uns auswirken! 3) Der österreichischen Prozeßmaschinerie werfe ich gar nicht die Massenfabrikation von Fchlsprüchen vor. Ick bin weit entfernt davon, einen solchen sonderbaren Vorwurf zu erheben. Im Interesse der Knappheit der Ausführung kargte ich an jener Stelle mit Worten. Mein Absehen ging dahin, auf die Erfordernisse und möglichen Fehler eines Verfahrensgesetzes in Kürze hinzuweisen; der Fremdsucht die be kanntlich in Deutschland noch immer nicht überwunden ist, auf dem Ge biete der Gesetzgebung etwas entgegenzutreten, und aus die Haupt- absichten der Zivilprozeßnovelle, die später daraestellt werden sollten, vorzubereiten. Daß die Meinungen in Deutschland über wesentliche Vorschriften der österreichischen Zivilprozeßordnung zum mindesten ge> teilt sind, ist Herrn K. K. Landesacrichtsrat Steiner genugsam bekannt. 4) Das Wort „einpeitschen" ist nicht in rnalam partem zu verstehen. Es ist gewiß eine anerkennenswerte Tat, ein neues Verfabrensgesetz in einem Reichsgebiete, wie Oesterreich ist, seinem vollen Geiste nach in kurzer Frist in Funktion zu setzen. Wie Exzellenz Klein dabei vorging, schilderte die Presse. Mir schien das Wort einpeifschen dafür zutreffend, wie man so vom Einpcitfchen einer politischen Partei spricht. 5) Die „schnöden finanziellen Rücksichten" sind bei sehr, sehr vielen Gesetzgebungswerken treibend. Ich fände es schlimm, wenn diese Rück sichten ganz außer Betracht blieben. Kennt man sie etwa in Oesterreich nicht? Freilich, zu schnöde soll man sie nicht walten lassen. Eine ge wisse Schnödigkeit ist der deutschen Prozeßnovelle vorzuwersen. 6) „Beschämend" soll eS sein, daß wir im Deutschen Reiche unsere Gesetze verbessern, Wenns uns gefällt. Es gab einstens vorsintflutliche Gesetzgeber, bie waren so stolz auf ihre geistigen Erzeugnisse, daß sic für ewige Zeiten jegliche Aenderungen verboten. Solche Verbote hat die Nachwelt nie geachtet, ssura »cl sei-vsnssoa, non »ss perssonclos korniue> nst» sunt.. Freilich die Gesetzgebereitelkeit taucht immer wieder aus. Im Deutschen Reiche lebt sie zurzeit nicht. Wir richten uns jetzt den Reichsbau mit Paragraphen ein und ändern, wenn wir etwas Besseres an die Stelle sehen können. Beschämend fände ich es, wenn's anders wäre. 7) Die Neberwindnng des Formalismus ist eine unverkennbare Wir- kung der Kultur, oder richtiger: unserer Kultur, auf das Recht. Ick meine aber, daß der Formalismus in Deutschland früher überwunden wurde als in Oesterreich. Für Formelkram besteht bei uns in Deutsch land ganz und gar kein Sinn mehr. 8) Wenn sich schließlich Herr K. K. Landesgerichtsrat Steiner über Kleinigkeiten ousregt, so z. B. darüber, daß ich von einer Zivilprozeß ordnung des Kaisertums spreche, so will ich zu seinen Gunsten an- nehmen, daß das nur nebensächlich, sozusagen zur Betätigung richter licher Gründlichkeit geschieht. Daß die Zivilprozeßordnung in Ungarn nicht gilt, steht wenige Zeilen weiter unten, wo von Zisleitbanien die Rede »st. Aber auch das paßt dem Herrn K. K. Landesgerichtsrat nicht. Ich meine aber doch, daß der Kern der Sache richtig ist. Wenn der Herr K. K. Landesgerichtsrat sich hier an einzelne Worte klammert, so bat er eben den Formalismus doch nickt ganz überwunden. Zu weiteren Auseinandersetzungen im unmittelbaren Verkehre bin ich gern bereit. Meine Adresse erfährt der Herr Rot bei der Schrift leitung. vr. Hl Dentsches Reich. Leipzig, 21. November. * Zur Frage der neuen Reichs steuer« schreibt die „Freis. Ztg": „Die Frage der neuen Rerchssteuern scheint nun dock trotz oller bis herigen gegenteiligen Annahmen eine der wichtigsten der bevorstehenden parlamentarischen Saison werden zu sollen. Frh. v. Stengel alaubi ohne neue Steuern nicht auskommen zu können und besteht darauf, in erster Reihe mit Einführung eines Spiritusmonopols und der Zigarrenbanderolesteuer das Leck zu stopfen. Demgegenüber ist nicht an,«nehmen, daß die Freisinnigen einer weiteren Belastung des Kon sums und der Zigarrenindustrre zustimmen werden; für eine ver nünftigere Reform der Branntweinsteuer dagegen, sowie für direkte Rcichssteuern, vor allem für den Ausbau der Reichserbschaftssteuer und di« Einführung einer Reichsvermögenssteuer, sind die Freisinnigen schon lange einaetreten. Davon aber will wieder daS Reickslchatzamt nickt« wissen. Wie unter diesen Umständen die von dem Fürsten Bülow vor einem Jabr inaugurierte Politik weiter geführt werden kann, ist schwer zu erkennen, und darum wird von den Beschlüssen, die der Bnndesrat in diesen Tagen saßt, gar vieles obhängen." — Allerdings *) Bgl die oft zitierten „Studien mr Reform des österreichischen Zivilprozesses".
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