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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.11.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-11-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19071122018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907112201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907112201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-11
- Tag1907-11-22
- Monat1907-11
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Oberst Stuart Wortley, der Eigentümer von Highcliffe Castle, war gestern zur Frühstückslafel geladen. * Der neue elsässische Statthalter, Graf Wedel, ist gestern in Straßburg eingezogen. * Laut „Reichsanzeiger" wurde der bisherige Gesandte in Teheran, Stemrich, mit dem Charakter als Wirkt. Geh. Legationsrat zum Unter st aatssekretär im Auswärtigen Amte ernannt. *. Heute wird der Deutsche Reichstag wieder zusammen« treten. (S. Artikel.) * Wegen des Fehlbetrages von 100 Millionen, mit dem der neue Reichsetat abschließt, soll die Schuldentilgung dor läufig ausgesetzt werden. * Gestern begann-der Parteitag der preußischen Sozial demokratie. sS. Bericht.) * Der frühere Reichstagsabgeordnete Rechtsanwalt Lud wig Marbc ist gestorben. Marbe gehörte der Zentrums, vartei an und vertrat im Reichstage den fünften bad'scheu Wahlkreis sFreiburg-Emmendingen-Waldburgs 1881—87 und 1890 bis 1900. * Der französische Marinemini st er gibt bekannt daß die großen Panzerkreuzer gegen den 1. Januar 1908 in Marokko durch Schiffe geringerer Größe ersetzt würden. * Die niederländische Kammer genehm gte gestern den am 27. August d. I. in B e r l i n abgeschlossenen deut'ch. nieder ländischen Vertrag, betreffend die Unfallversicherung. <I. Ausl.) Reichstags Rückkehr. Der Reichstag, der am 11. Mai sich vertagt hatte. ..immi heute seine Arbeiten wieder auf. Er geht einer bedeutsamen Tagung entgegen, in der — so hoffen wir — Nation, und Liberalismus. Reich und Partei um ein tüchtiges Stück gefördert wer- den sollen.' Da scheint es uns doppelt vonnöten, beizeiten vorzusorgen, daß der Apparat seine Schwungkraft und Aktionsfähigkeit behält; daß nicht verkehrte Dispositionen lähmend und hemmend ihm in die Speichen der Näder greisen. Es ist ja besser geworden gegen früher. Seit die verbündeten Re gierungen sich endlich dazu bcguemt haben, dem wiederholten Drängen der Volksvertretung nachzugebcn und in die Gewährung von Tagegeldern zu willigen, bleibt uns wenigstens der beschämende Anblick der Menschen- leeren Häuser erspart. Ab und zu hat auch schon die Guillotine ganz leidlich funktioniert und allzulange Debatten mechanisch zwar, aber mit Nutzen, abgeschnitten. Und eine törichte, an den Wurzeln des Parla mentarismus schaufelnde Obstruktion ist heute kaum mehr möglich. Aber wenn es besser wurde — gut ist es darum noch lange nicht geworden. Mit welcher Begeisterung zogen im Februar die von der Volksgunst Er- korenen — die Alten wie die Jungen — ins Wallothaus. Das Herz ging einem ordentlich auf, wenn man diesen regen, tatendurstigen Eifer sah; wenn man hörte, was alles sie sich vorgenommen hatten. Einen Monat später war die Begeisterung in der Hauptsache verglommen. Im April hatte die Neichstagsmüdigkeit von ehedem wieder siegreich ihren Einzug gehalten. Und Mitte Mai hatte man die parlamentarische Arbeit so satt, daß man sich eilte, noch zwei oder drei Tage vor dem ursprünglich vorgesetzten, reichlich frühen Termin auseinanderzugehen. Das machte: man hatte sich übernommen. Die Arbeit in den Par lamenten ist nicht feder anderen gleich zu setzen. Sie ist nicht mit der Elle zu meßen. Und keineswegs verträgt sie's, daß man sie outriert. Aus solchen Erwägungen heraus war schon im Vorjahre von der „llk. L. C." vorgeschlagen worden, die Sonnabende und Montage sitzungsfrei zu lassen. Tie damals zusammengetragenen Argumente waren auch nicht eindruckslos geblieben. Trotzdem kam man über ein schwächliches Kom- vromiß nicht hinaus. Man stipulierte als Regel sdie man nebenbei oft genug durchbrach): am Sonnabend sollte nur am Vormittag, am Mon tag nur des späten Nachmittags Sitzung stattfinden. Also sozusagen die Halbtogsschule ins Parlamentarische übertragen. Aber die Haldtags- schule ist vom Uebel. Der Halbtagsparlamentarismus ist es erst recht. Gerade der wesentlichste Zweck, aus den damals die Vorschläge der „N. 2. C." abgezielt hatten, wurde so nicht erreicht. Die entfernter Wohnen den konnten ohnehin nicht heimfahren und nach ihrem häuslichen Ge werbe sehen. Und nach wie vor hatte man keine Möglichkeit, von der Parlamentsatmoiphäre, die sich einem ganz eigentümlich auf die Nerven legt, sich zu erholen. Und dann die Monstresitzungen! Früher hatte eS geheißen: wenn es erst Diäten gäbe, würde man schnellstens zu der Praxis der guten alten Zeit wiederkehren und nachmittäglich um fünf die Sitzung schließen. Jetzt waren Sitzungen von 7—8 Stunden nahezu die Regel, und wenn man draußen im Lande die Unnatur nicht recht empfand, so lag das nur daran, daß aus sehr zwingenden Gründen die längsten Sitzungen in den Berichten der Zeitungen in der Regel am schlechtesten wegkamen. Monstresitzungen sind Unnatur: kein Men'ch bat die Kraft, vom frühen Mittag bis ,n die achte oder neunte Abend stunde parlamentarischen Verhandlungen deizuwohnen und dabei frisch zu bleiben. Am allerwenigsten ein Parlamentarier, der zugleich am Vormittag noch allerlei schwere und zeitraubende Kommissionssitzungen zu absolvieren hat und sich als gewissenhafter Mann auf verschiedene Materien doch noch durch private Studien vorbereiten muß. Nach dieser Richtung also wird im kommenden Winter die bessernde Hand anzulegen sein. Allein durch die angestrengte Inanspruchnahme der geschätzten Hosenböden sind geistige Ausgaben lund die parlamen tarischen Ausgaben gehören doch wohl zu ihnen) nicht zu bezwingen. Man „erledigt" keine Gesetze, löst keine Probleme, wenn man — der alte Ballestrem war in dieser Methode Meister — daS hohe Haus wie strassitzende Schulbuben bis in den späten Abend beisammenhält. Man vergeße doch auch nicht, daß wir Deutsche reichlicher mit Parlamen tarismus ausgestattet sind als irgend ein anderes Volk; daß mit dem Reichstage sich auch noch die Landtage in das Interesse der Nation teilen. Treitschke meinte einmal in seiner temperamentvollen Weise: es sei ein Uebermaß des Parlamentarismus, das von keinem Kulturvolk auf die Dauer ertragen werde» könne. Das ist natürlich zuviel gesagt. Soviel aber wird doch wohl bestehen bleiben, daß an der ReichStags-müdigkeit, die „binnen und buten", außerhalb des hohen Hauses und innerhalb, in den letzten Jahren herrschte, und die auch im Lenz der neuen Situation sich wieder einstellte, die von keiner ausreichenden Ruhepause unter brochenen Dauersitzungen die meiste und vernehmlichste Schuld trugen. Je kürzer die Sitzungen, um so reger und lebhafter die Teilnahme, des Volkes: um so stärker und intensiver auch der Einfluß des Parlaments auf Empfindungen und Anschauungen der Nation. Wer nur noch für den amtlichen Stenoqraphentisch spricht, schaltet sich selbst ans dem Geistesleben des Volkes aus. * Natürlich würden auch die Abkürzung der Sitzungen und die Ein führung eines allwöchentlichen Gottesfriedens allein nickt ausreichen, um einen arbeitsfreudigen Reichstag zu schaffen. . Die bloße Beseiti gung von Hemmnissen hat noch nie Fortschritte zuwege gebracht. Lust an der parlamentarischen Wirksamkeit, nimmer ermattende Begeisterung hilft sogar über die sauersten Arbeitswochen hinweg, während im Gegen- teil das lähmende Bewußtsein, schwierige Probleme nicht, über den Berg bringen zu können aus Gründen, an denen andere Leute schuld tragen, den ausgeruhlesten Geist widerwillig und leistungsnmähig machen wird. In dieser -Hinsicht haben aber die Verhältnisse seit dem Februar sich sehr zum Nachteil verändert. Es ist ein gar nicht wieder gutzu machender Fehler gewesen, daß die mit einem beängstigenden „Biereifer" im Februar in das Haus einrückende Renoncenschaft nickt genügend beschäftigt wurde Das allein war geeignet, die gute Stimmung, den ersten frischesten Drang zu ruinieren. Selbstverständlich läßt sich nie mand deswegen anklagen. Die allen, auch der Negierung selbst, uner wartet kommende Auslösung machte es dem Ministerium unmöglich, so gut präpariert in die neue Legislaturperiode zu treten, wie eine recht- schafsene Staatsleituna b"im Beginn einer neuen Aera erscheinen soll. To wurde der junge Sturm und Drang in einer dreimonatigen Etats- b-rrtung uv" ihrer B-rkrür--I»,n-. sri nnke--4evrdvetsten Spezialia ersäuft, wie der tatendurstige Arbeitswille strebsamer Neulinge aus un- seren Hochschulen so ost in verflachender Kleinarbeit versimpelt und Verzweifelt. ' ' ' ' Noch schlimmer als der moralische Kater eines verbummelten Jahres drückt unsere Reichsboten die Unsicherheit der gegenwärtigen allgemeinen politischen Lage. Weiß doch niemand, ob der Fortbestand der Mehrheitsverhältnisse nicht eine Frage ganz kurzer Frist sein wird. Falls cs aber der Regierung wirklich belieben sollte, den großen Stein des Anstoßes, die Finanzsrage, durch dessen gewaltsame Sprengung der Block mitverletzt zu werden droht, lieber eine Spanne beiseite zu stoßen, die Erhaltung der Staatsnotwendigkeiten auf ein Jahr oder mehrere hinauszuschieben, so wäre damit für die Gegenwart herzlich wenig ge wonnen. diese stände im Gegenteil durch die dauernde Sorge vor einer unvermeidlichen Katastrophe unter einem sortwirkenden Banne. Wir wollen hoffen, daß die kommende Session unseren Pessimis mus angenehm enttäuscht. Es ist immer vom Uebel, wenn die Form einer Organisation geschaffen wird, ohne daß man einen Inhalt für sic bereit hätte. Der Block war plötzlich eine Notwendigkeit geworden. Seit Arbeitspensum war nicht fertig, und auch heute sind Umfang und Modifikation des Blockprogramms nicht sestgelcgt. Das weckt bange Sorgen. * Bei der Vertagung im Mai hat der Reichstag neun Regierung«. Vorlagen unerledigt gelassen. Der Entwurf über die Herstellung van Zigarren in der Hausarbeit regelt die Heimarbeit dieser Industrie und trifft hygienische Vorschriften für die Arbeiter und die Arbcitsräume. Der Entwurf über die Bestrafung der Majestätsbelei digung bestimmt, daß eine Verfolgung nur bei böswilliger und vor bedachter Absicht, und zwar nur, wenn sie öffentlich begangen ist, ein- tritt und in 6 Monaten verjährt. Die Novelle zum Unter st ützungsgesetz kommt einem dringenden Bedürfnis entgegen, die in bezug auf die Verschiebung der Armenlasten hervoroetretenen Wirkungen der Freizügigkeit auf dem Ge biete des Armenrechts zum Ausgleich zu bringen und die Heimats- gemeinden in angemessener Weise zu entlasten. Die Novelle zur Gewerbeordnung, auch der kleine Be fähigungsnachweis genannt, gibt das Recht zur Lehrlingshaltung nur Perionen, die über 24 Jahre alt sind, 5 Jahre in ihrem Gewerbe tätig waren und den Meistertitel führen. Der Entwurf zur Sicherung der Bauforderungen will verhüten, daß den Bauhandwerkern durch die moderne Bauspeku- lation Verluste zugefügt werden, und will ihnen ihre Forderungen recht lich sicherstellcn. Die Vogelschutzaesetznovelle will dem Vogelmorde, der in Deutschland zurzeit in Blüte steht, entgegentreten, und verbietet das Zerstören von Nestern, Eiern und Töten von Jungen, sowie den Ver haus der Nester, Eier und Brut der in Europa einheimi'chen Vogelarten; auch dürfen in der Zeit vom 1. März bis 15. September keine einheimi schen Vögel gefangen werden. Der Entwurf über den Versicherungsvertrag bringt neue Vorschriften für sämtliche Versicherungszweige, insbesondere Scha den-, Feuer-, Lebens-, Hagel-, Transport- und Haftpflichtversicherung, sowie Abänderungen der Vorschriften des Handelsgesetzbuches über die Seeversicherung. DaS sehr wichtige H i l f s k a s se n ge se tz bebt die Sonderstellung der eingeschriebenen Histskassen, die dieie im Jahre 190l erhielten, auf und bestimmt, um hervorgetretencn Mißständen zu begegnen, daß die Hilsskassen den Bestimmungen des Reichsgesetzcs vom 12. Mai 190l unterstellt werden. Ein neuntes Gesetz, das bereits sich im Frühjahr in Kommissions behandlung besand, beschäftigt sich mit Maßnahmen gegen den Rückgang des Ertrages der Maischbottichsteuer. Neu sind bereits eingegangen das Gesetz über Maßnahmen zur Er- leichteruna des Wechselprotestes und der Versicherungsvertrag mit den Niederlanden. Dazu werden der Reichshaushalt, die Flottenvorlage, das Vercinspesetz und das Böriengesetz treten. Ein vollgerüttelt und geschüttelt Maß von Arbeit, Not und Gefahr? Möge der Reichstag sich tapfer hindurchichlagenl Vom bayerischen Landtag. Aus München wird uns geschrieben: Die Kammer der Abgeordneten hat auch die letzten zwei Wochen zum allergrößten Teil mir der Besprechung von Anträgen aus dem Hause ausgefüllt. Sie hat eben heidenmäßig viel Zeit. Das Wichtigste und auch außerhalb der weiß-blauen Grenzpsähle am meisten Inter essierende war der liberale Antrag, welcher die Krone um eine zeitgemäße Reform der Kammer der Reichsräte ersuchte. Ueber da-' Schicksal, das ihm das Zentrum bereitete, ist bereits berichtet worden. Trotz der Ablehnung darf aber doch gehofft werden, daß die Fraae von den Liberalen nicht vergebens angeschnitten wurde und in absehbarer Zeit eine wenn auch modifizierte Lösung findet. Unsere Erste Kammer ^eigt noch die feudalste Zusammensetzung in deutschen Landen, an der leit Bestehen der Verfassung, also feit dem Jahre 1818, nichts geändert wurde. Sie besteht zu zwei Dritteln au? erblichen Neichsräten, zu denen die Prinzen des königlichen und herzog lichen Hauses, die Häupter der standesherrlichen und anderer adligen Familien mit Großgrundbesitz, die obersten Kronbeamten gehören. Tie Krone kann, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen des Großgründ besitzes oder des in Bayern für den Adel reservierten Fideikommisses gegeben sind, weitere erbliche Reichsräte schaffen, sie hat außerdem Has Recht, bis zu einem Drittel lebenslängliche Reichsräte zu eriiennen. Auch hier erscheint nach altem Herkommen eine bestimm« Zahl an weltliches oder geistliches Amt geknüpft. Industrie und Handel ver- treten gegenwärtig zwei ganze Reichsräte, ebenso viele die Hochschulen des Lands, die Städte sind bisher noch niemals einer Nepräsenranon ge würdigt worden. Bis auf einen kleinen Bruchteil gehören die Reichs räte von Geburt dem Adel an, die übrigen sind durch den unvermeid lichen Kronenorden mit dem persönlichen „Von" beglückt. Trotz dieses feudalen Charakters muß anerkannt werden, daß siL die Erste Kammer im letzten Dezennium nicht selten moderner als die Volksvertretung, d. h. die .Zentrumsmehrheit, erwiesen und daß sie in mancher wichtigen kulturellen Frage der Reaktion einen Riegel vor geschoben hat. Aber dennoch kann die Reformbedürftigkeit keinem Zweifel unterliegen. Der liberale Antrag, der eine ständische Ver tretung aller Berufsstände, sowie der Hochschulen und der Städte durck Wahl verlangt, will keineswegs dem Bestände der Ersten Kammer zu nabe treten, diese würde im Gegenteil an Bedeutung gewinnen. Für ihn traten jedoch nur noch die Bauernbündler ein. Die Sozialdemokraten waren wieder einmal die unentwegten Prinzipienreiter — sie wollen die völlige Abschaffung der Ersten Kämmer oder gar nichts. Sie verwar fen besonders auch den Gedanken einer Arbectervertretung, die oller- binqs in diesem Milieu sich kaum verwirklichen läßt. Das Zentrum aber brachte allerlei juristische Spitzfindigkeiten zur Begründung seiner ablehnenden Haltung vor, deren einziger Grund die Furcht »st, daß durch die Reform das liberale Element an Einfluß gewinnen würde. Als Hauotlrumps spielt es aus, daß es sich um ein Äronrecht handle und daß 6rorrechte unter der Regentschaft nickt aufgegeben werden dür ren, ein Grundsatz, den das Zentrum nur geltend mach», wenn er m seinem Interesse liegt, der überdies durch die Praxis langst über den Hausen geworsen wurde und vom gleichen Zentrum z. B. in der Unter stützung des Toleranzantrages im Reichstage, welcher den Einzelstaaten die Kirchenhoheit nehmen möchte, durchaus nicht anerkannt wird. ' Gerade jetzt hat sich der Einwand sehr gut ausgenommen, in einem Momente, in welchem das Zentrum behauptet, daß das Plazet nicht zu Recht bestehe. - . ..< Nun wollte aber der liberale Antrag das Kronrecht der Ernennung, wie es bisher besteht, gar nicht antasten, sondern er bezweckte nur eine Vermehrung der Reichsräte durch Wahl, bei der überdies der Krone das Reckt der Bestätigung einaeräumt werden könnte. Für die ultra montanen Wächter der Monarchie und ihrer Rechte war es denn auch sehr blamabel, daß die Negierung sich ihre Doktrin bezüglich der Aufgabe von Kronrcchten unter, der Regentschaft überhaupt nicht aneianete, den An trag allerdings für zu weitgehend hielt, aber erklärte, daß ne sich zu einer Reform nicht ablehnend verhalte. Nur müsse diese von der Krone oder der Ersten Kammer selbst ausgehen. Wenn sich die Regierung nicht großer Jnkonseguenz schuldig machen will, dann muß sie nunmehr selbst die Krone zu einer Vorlage veranlassen. In der abgelausenen Woche beschäftigte sich das Haus mit einer Anzahl von Weinanträgen. Die Debatte, die zum großen Teil von Fach männern aus der Pfalz und aus Franken geführt wurde, bewies, was nicht mehr zu beweisen war. daß nicht jeder Wein des Menschen Herz erfreuen kann. Negierung und Parteien waren über die Notwendigkeit einer gründlichen Revision des Weingesetzes und namentlich einer strengen, einheitlichen KellerkontroÜe, nickt nur an den Produktion« orten, einig. Sie wurde bisher nur in Bayern wirklich durchgesührt und von der Konkurrenz zur völlig ungerechten Schädigung des baye- rischen Weinbaues und Weinhandels benützt. Einstimmig gelangte auch ein liberaler Antrag gegen eine Wein st euer zur Annahme, auch die Regierung erklärte, daß sie daran keine Freude hätte. Bemerkens wert war die Mitteilung des Ministers des Innern, daß die Wein konserenz aus Veranlassung der bayerischen Regierung im Bundesräte einberufen wurde. Zu Ende der Woche endlich begann die Beratung des Justizetats. Dabei hat sich der sozialdemokratische Dr. Süßheim den Ruhm erwor ben, die seit Menschengedenken längste Rede im bayerischen Landtage ge halten zu haben — sie währte volle vier Stunden, brachte aber auch viel Gutes neben sozialdemokratischen Schlaawörtern. Die Vorschläge für die Reform des Zivil- und Strafprozesses unterzog auch der liberal-' Dr. Thoma, Rechtsanwalt in Augsburg, einer berechtigt scharfen Kritik. Von einer kleineren Gruppe deS Zentrums liegt ein Antrag uin Beseitigung des Anwaltszwanges bei den Landgerichten vor. Als erster Antragsteller fungiert dabei, und daS ist das Merkwürdige, der Aba Lerno, seines Zeichens — Landgerichtspräsident. Er zeichnet sich öfter durch weniger praktische als originelle Ideen aus. Ter Gedanke findet auch im Zentrum scharfen Widerspruch. Deutsche» Reich. Leipzig, 22. November * Vom Hofe. Am gestrigen Geburtstage der verewigen Kaiserin Friedrich begab sich die Kaiserin mit der Prinzessin V cloria Lu se in daS Mausoleum unv legte an dem blumengeschmückt?« Sarkophage der hochieligen Kaiserin einen Kran; aus Rosen und Veilchen nieder. * Rommandant »on Nlm. DaS VerordnungSblait des baver-ichen KriegSministeiiumS meldet: Der bayerische G ncralmajor Go v, Kom mandant der Festung Ulm, wiid vieler Stellung enthoben; fein Nach folger wird der bayerische Generalmajor Benzins, bisher Chef des GeueralstabeS deS III. Armeekorps. , * Die Welfen. Aus Hannover wird nn« geschrieben: Die Welten wollen die Schlappe, die sie bei den letzten RcickSlagswab en erftt'en haben, b-i den nächsten Wahlen wieder au-wetz-n. Sie eniwickeln darum eine erhöhte Prrßtätigkeit. Die „Niedersächsi che Wochenlckrin" krackte kiirftich die Meldung, daß der Herzog von Cumberland 60 WO 6 für Preßzwecke gespendet habe. Da« ist nickt der Fall. Der Herzog bar nie e>n ZeitungSuniernehm'n mit Gclbmftte n uniersiützt. Ee ba, auch bereit« durch eme Miftel'pe'son eine Erklärung in diekem S nne ab- g den lassen. Wobl aber oviert der w lfi cke Adel der Presse er« an sehnliches SckerUein. Der Herzog selbst vermeidet e«, der Presse irgend wie naher zu trete».
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