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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.11.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-11-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19071122024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907112202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907112202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-11
- Tag1907-11-22
- Monat1907-11
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BezugL-Prei» Lt« StLmmer ko-«t K) <trd«riu>» «d «xped1tt»»r 8» LeUvboa «r. I4M2 «r. U«» «r. IlsvL vLrldr« tiied«ktiL»« Lvroui: V«L» I»V. / Prinz -oai« Ferdi»«». Gtr»j>e I. lrlephoa I, Jir. 8-75. Abeud-Ausgabe 8, MWgerTagMM Ha«delszeit«ng. Amtevtatt des Rates und -es Volizeiaurkes -er Lta-t Leipzig. Drzeigen.Prei- vr J-i-rate au« L-»zig und Umgebun« di» Saeipaliene Petit;«'le 2ä K>., ii-anziell, Äo zeigen 30 Pf., Rellamen I M.; »cm autwärt» 30 U.. Reklamen 1.20 M romAukland50Pf., finanz, Anzeigen75M. Reklamen 1.50 M. Inserate ». BebSrdentin amtlichen Peil «0P- Bologegebüür 5 M. v- Tausend exkl. Pmt. gebühr. Veschästkanzeigen an bevorzug'«- Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Toe,- Fekerteilt« Aufträge können nicht zurück- gezogen werden. Für da» Erscheinen a-' bestimmten Tagen und Plj-cn wirb kein, Garantie übernommen. Anzeigen-An na hm«: Luguftuövlatz 8 bei sämtlichen Filialen u. ollen Annoncen. Expeditionen de» In. und Auslände« . Haupt Stlial» Berlin Carl Dunck: Herzogi. Bayr. Hosbuch- handlung Lützowstraste IO «elephon VI. Nr. «03> Nr. 32L Freitag 22. November 1907. lttl. Jahrgang. Var IVichtigst« vorn Tag«. * Staatssekretär v. Schön hat seine Amtsgeschäfte übernommen. * General v. Vissing hat in einem Armeebefehl sein Ab schiedsgesuch für den 1. April bekanntgegebcn. sS. Ttschs. R.s * InKöln erzielten dieLiberaIen in der I. K l a s s e bei den Stadtverordnetenwahlen einen Vollersolg. * In Königsberg find durch Neuwahlen die Sozialdemo, traten sogar aus der Hl. Klasse vollständig hinaus ge worfen. - Sultan Abdul Aziz von Marokko hat Uthman Dierari an Stelle Gebbas' zum Kriegsmini st er ernannt. * Die Neichsduma hat einstimmig die Ueberreichung einer Ergebenheitsadresse an den Zaren beschlossen. * Die Bevölkerung von Odessa hat im letzten Jahre um lttü 000 Einwohner abgenommen. Regierung, Candtag und Ktaatrbeninte. In der Landtagssession 1901/2 hatte die Regierung _ eine Vorlage über die Gewährung von Wohnungsgeldzuschüssen an die Staatsbeamten eingebracht, die zwar den Beifall des größten Teiles der Beamtenschaft rand. aber in Anbetracht der mißlichen Finanzlage des Staates keine Mehrheit in der Kammer erlangen konnte. Um der Beamtenschaft wenigstens etwas zu retten, verstand sich die Regierung zur Aufstellung eir.eS wesentlich niedrigeren Tarifes, der schließlich auch die Billigung beider Kammern erhielt. Damals fiel in der Beamtenschaft manches harte Wort über die sparsamen Gesetzgeber, während man der Regie rung nicht wohl einen Vorwurf machen konnte. Es li-ß sich eben auf andere Weise nichts erreichen. Heute liegt die Sache anders. Die Regierung — zwar vollkommen einig mit der Kammer in ihren Gejühlen gegenüber den Beamten — glaubte, nicht weiter gehen zu können, als zu einer Verdoppelung des W^hnuugsgeldes, womic der Regier clngSvurAlag von I^Dl, uuch nicht einmal erreicht wäre. Eine organische Neuregelung der Gehälter wünschte sie trotz der unleugbar günstigen finanziellen Lage aus «ine spätere Zeit zu verschieben. Diesmal war jedoch der Landtag anderer Meinung, was schon beim Beginn der Etatsberatung zutage trat. All gemein gab man mit seltener Übereinstimmung dem Wunsche Ausdruck, saß die Regierung die Gelegenheit beim Schopfe fassen und die orga nische Neuregelung der Dienstbezüge noch in dieser Session in Angriff nehmen möge. Sieben Tage währte die Etatsberatung, und an jedem diwer sieben Tage bekam Herr von Rüger wobl ein dutzendmal den» selben Wunsch zu hören, ohne daß er sich entschließen konnte, seine ab lehnende Haltung auszugeben. Ja, er wurde nicht müde, den Abgeord neten immer wieder klarzumachen, daß ihr Verlangen sich mit dem Charakter einer gesunden Finanzwirtschaft nicht vereinbaren lasse. Schon glaubte man, sich in das Unabänderliche fügen zu müssen, da änderte die Regierung ihre Ansicht, und in der gestrigen Sitzung, bei der Beratung über das Dekret, die vorläufige Erhebung der Steuern und Abgaben auf das Jahr 1908 betreffend, verkündete Herr von Rüger dem Landtage und dem Lande den beoeutungsvollen Entschluß der Regie rung, die organische Neuregelung der Dienstbezüge der Staatsbeamten noch in dieser Tagung in Angriff nehmen zu wollen, und zwar derart, daß sie möglicherweise schon am 1. Januar 1909 in A-raft tritt. Daß dem Finanzminister dieser Entschluß nicht leicht geworden ist, kann man ohne weiteres annehmen, denn, ganz abgesehen von der dauernden Uebernahme einer großen finanziellen Mehrbelastung, be dingte er die Vornahme eines „Finanzkunststückes", das er nur sehü ungern sanktioniert, die Ueberveisung der Ausgabe des sogenannten Ertraordinariums, Kapitel 16, an den außerordentlichen Etat. Herr von Rüger bezeichnet das als einen Rückschritt aus dem Wege der Ge- sunduna unserer Staatsfinanzen- Er will aber diesen Rückschritt auf Wunsch deS Landtages im Interesse der Beamtenschaft tun. Der Rede des Finanzministers folgte lebhafter Beifall, und man kann annehmen, daß der Beifall ein Echo im Lande finden wird. Was der Finanzminister, in der klaren Erkenntnis des Ernstes der Lage, über die Deckungsfrage sagte, wird freilich eine andere Saite in der Bevölke- rung klingen lassen. Das neue Stempelsteuergesetz und die dauernde Sanktionierung der erhöhten Einkommensteuer! Ja, am fernen Hori zonte sieht der Finanzminister als drohende Wolke die Möglichkeit einer Erhöhung der direkten Steuern aufsteigen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß er sich irrt, daß er zu schwarz sieht. Wir haben sogar das Recht, das zu hoffen. Aber andererseits muß man sich vergegenwärtigen, daß die Lchwarzseher, die bei der Einführung des jetzt geltenden Einkommen- steuertarifes diesen sofort als eine bleibende Einrichtung brandmarkten, recht behalten haben. Auch was der Finanzminister über die Ungewiß heit der künftigen Ueberschüsse der Staatseisenbahnen sagte, hatte Hand und Fuß, obwohl es der Abgeordnete Facjus bestritt. . Wir sind über den Verdacht der Lobhudelei dem Finanzminister gegenüber erhaben, aber in finanziellen Angelegenheiten stellen wir doch das Urteil des Herrn von Ruger über daS des Herrn Jacius, dessen Vorgehen in der gestrigen Sitzung nur dazu beitragen konnte, Verwirrung in den eigenen Reihen anzurichten. Auch damit wird man zu rechnen haben, daß der Mehrbedarf die Steigerung der Einnahmen aus direkten Steuern aufzehrt, vielleicht mehr als das, denn wie die Pflichten des Staates wachsen, wie sie auch in den nächsten Jahren wieder wachsen werden, das konnte man schon bei der allgemeinen Vorberatung über den Staatshaushalt einiger maßen beurteilen. Trotzdem sind wir überzeugt, daß niemand im Lande den Beamten die Freude, die ihnen mit der Botschaft des Finanzministers zuteil wurde, mißgönnen wird. Sie haben lange genug die Rolle der „artigen Kinder" gespielt, und wenn die Gelegenheit, die die günstige Finanzlage bietet, jetzt.nicht benutzt wurde, so hatten sie vielleicht noch sehr lange warten können, lieber daS Verdienst der einzeluen Parteien im Land tage an dieser Errungenschaft für die Beamten zu streiten, ist jetzt zweck los Sie haben die Etatsreden gehört und gelesen, und das schöne Wort von dem „Wettrennen um die Gunst der Beamten" wird ihnen v'cht entgangen sein. Sie werden aber auch gesehen haben, daß sie bei der LarchtagSwahl. ein«'* Sp^r»r "Manchen, „ihr Ge'h -nf daS richtig« Vierd gesetzt" hatten. Der Hreuhentaa. Die - Verhandlungen des sozialdemokratischen Parteitages für Preußen gestalten sich bedeutungsvoller, als man von einem Parteitage zweiter Klasse, verglichen mit dem deutschen Tagc„ erwarten durfte, wenn auch immerhin alle Vorgänge im größten deutschcn Bundesstaat natur gemäß ein überragendes Interesse beanspruchen dürfen. Aber was sich in Berlin entwickelt, das ist nicht eine Angelegenheit von gewissermaßen doch provinziellem Werte. Tie gereizte Stimmung, die zwischen der Parteileitung Bebel-Singer aus der einen Seite und der Gruppe Arons-Mourcnbrcchcr auf der anderen zum Durchbruch kommt, gewinnt grundsätzliche Wichtigkeit. Herrn Dr. Arons unb noch mehr Herrn Dr. Maurenbrcchers Worte lassen keinen Zweifel, daß ihnen eine andere Methode des Kampfes vorschwebt, als der marxistischen Zentrale. Mag Herr Maurenbrecher noch so gewolftam das Wort „Zukunftsstaat" an jeder ihm passend blinkenden Stelle in seine ganz anders gerichteten Jdeengänge hineinflicken: seine „Demo- kratisierung Preußens", wenn sie auch bloß als Vorstufe, als Etappe, ge dacht sein soll, bedeutet zunächst doch in ihrem ganzen Zusammenhang' etwas durchaus anderes als die bisherige „Alles-oder-nichts-Politik". Sie ist nicht genau Revisionismus in dem bisherigen Sinne: aber sie lou't im wesentlichen aus den Revisionismus hinaus. Die geradezu erschreckend scharfe Tonart gegen den anfänglich abwesenden Bcbci läßt daran gar keinen Zweifel. Dte Parteileitung, die jahrzehntelang die Abstinenzpolnjk gegen den preußischen Landtag ausrechterhalten hafte, betracktci eine Sonderorganisation der preußischen Sozialdemokratie mit unverhohlenem Unbehagen. Wir lassen den Bericht iiber die gestrige Nachmittagssitzung an dieier Stelle anschtießen. Zu Beginn der Nachmittagssitzung brachten Adler (Kiel) und Dr. AronS (Berlin) folgende Resolutionen zur WahlrechlSsrage ein: Der Parteitag erklärt: Die Gesamttätlgkeit des preußischen Abgeordneten- hauies ist ein Beweis sür die BoUsseindlichkeü des TreiktassenwadlsyssrmS. Die'es elendeste aller Wahlsysteme wirkt um so schädlicher, als nach der ReibS- Verfassung der preußische Landtag in der Lage ist, die arbeitende Bevölkerung Preußens <n jeder Weise zn benachteiligen und außerdem der Staat Preußen durch ibn earin unterstützt wird den Borkampf für die Realtion in Teuvcbland zu fuhren. Eine den Bedürfnissen der arbeitenden Bevölkerung entsprechende Gefttczebung in Preußen und die wirksame Be ämvtung der Reaktion im Reiche sind nur möglich, wenn in dem größten Bundesstaate em Wahlrecht auf dem Boden ehr licher Demokratie besteht. Der Parteitag stellt fest, daß Vie Eroberung der politischen Macht zum Zwecke der Befreiung der Arbeiterklasse den Sozialdemokraten Preußens die besondere Au gäbe stellt, die Demo'rati- sieiung der Gesetzgebung und Verwaltung dieses Staates zu erzwinoen. Damit wird es zur Pflicht der preußischen Arbeiterschaft, diesen unwürdigen Klein- Parlamentarismus durch rücksichtsloses Vorgehen bis »ur Beseitigung zu be- kämpfen. Hieraus folgt für die Sozialdemokratie Preußens die Aufgabe, den geschilderten elenden Zuständen dadurch ein Ende zu machen, daß sie den Kampf zur Erringung des allgemeinen, gleichen direkt«» und geheimen Wahlrechts sür alle zwanzigiährigen Staatsangehörigen ohne Unterschied des Geschlechts mit der äußersten Anspannung und den jeweils sür zweckmäßig erachteten Mitteln solange zu führen hat, bis daS Ziel erreicht ist. Hierauf wurde die Debatte über die LrgauisattonSsrage fortgesetzt. Dr. Arons-Berlin verteicigt nochmals seinen Standpunkt und polemisiert gegen Motkenbuhr. Molkenbuhr sagt, die Partei sei ein Organismus, dem mau nicht zwei Köpfe, einen deutschen und einen preußischen nussetzen könne. In der Tat hat die deutsche Partei deute schon mehrere Köpfe: einen bayrischen, badischen, württemberrischen Kopf u. f. w. Ueber allen dielen Köpfen steht daun als oberste Instanz der deutsche Parleivorüond. Wels-Berlin: Ter preunische Kops wird wobl erst dann das Lob Arons erhalten, wenn er mit der Aronslampe durchleuchtet ist. «Heiterkeit.) Im übrigen habe ich die Meinung, daß von einer Gruvve hier aus dem Pieußeniag etwa; durchzusetzen verrucht wird, was man aus dem deutschen Parteitag nicht erreichen kann. Der Antrag Arons gebt aus von dem Äetübt gänzlich ungerecht fertigte» Mißtrauens gegen den Pakteivorstand und ich tutte ihn daher abzuleynew (BeisE : r- s - i, i.- - ReichStagsabg. Stadthagen: Maurenbrechers Worte klänget^ 'tu dem Gedanken aus, wir sollten unsere Ideale einstweilen'in die Täswe'necken uns 30 Jahre laug erst einmal liberal demokratisieren. Es ist das das stärkste Siuck, daß mir jemals auf einem Parteitage vorgekommen sir. ' Die Bau meister Maurenbrecher-AronS wollen einen preußischen LanSeSvorsiand schauen, der die wichtige Frage studieren soll: WaS ist eia Kreisblatt? (Htkk.) Von Amis wegen sollen alle Kreisblätter gelesen werten. DaS ist bisher glücklicher, weise nicht geschehen, denn wer das tut, würde bald geistiger Berwabrlomng anheim allen. iZust.) Molkenbuhr batte durchaus recht, als er von der Unmöglichkeit sprach, daß es zwei Köpse in der deutschen Partei geben könne. (Beifall.) In der Abstimmung wird der Antrag Maurenbrecher auf eine sofortige prinzipielle Enftcheiduug ab gelehnt und alle zum Punkt „Organisation" vor- liegenden Anträge geben au eine Kommission von 17 Mitgliedern.. Vorsitzender Singer: Ter Genösse Maurenbrech'cr hat hier einen Gegensatz zu konstruieren gesucht, zwischen Bebel und der Mehr heit des ParteivorstaudeS. Ein solcher Gegensatz besteht nicht. Daß Genosse Betel heute nicht erschienen ist, liegt daran. Laß Bebel leidend ist. --- Einige Zeit daraus betritt Bebel unter allgemeiner Heiterkeit den Saal. . Feuilleton. Mik Gebeten und Jesuiten zwingt man nicht mehr die R5elt. Christ. Dietr. Grabbe. * Vie Jesuiten. Von Prof. H. v. Zwiedineck-Südcnhorst, weiland Unioersitätsproseffor in Graz.") Don Jüisso Recalde de Loyola (geb. am 81 Juli 1193s war ern echtes Kind des rätselhaften, verschlossenen, tatkräftigen und phantastische! Baskenstammes. 1521 wurde er der der Belagerung von Pomvlona schwer verwandet. Da er nun Krüppel geworden und das Leben des ipamichen Edelmannes nicht fortsetzen konnte, so ergab er sich ganz und gar der Einwirkungen seiner Einbildungskraft. Sein Eyrgeiz richtete sich aus eine außerordentliche Tat. Zunächst will er nach Jerusalem; im Traume steht er die heilige Jungfrau, die ihn auffordert, das Haus seines BruderS zu verlassen. Der dabei veranstaltete Auszug war bereits ein Hinweis auf den zum spanischen Helden der Neuzeit gewordenen Don Ouichotc de la Manchs. Noch arbeitete er nur an seiner eigenen äußeren und inneren Vorbereitung, aber dicS war nicht die Tat eines gewöhn lichen spanischen Schwärmers, sondern sie war auf ein bestimmtes Ziel gerichtet. Im Dominikanerkloster Manresa entstanden die Grundzügc ;ener eocaroitiu sprritunlin, die bis aus den heutigen Tag die Taktik des Jesuitenordens gegenüber den zn gewinnenden Anhängern festlcgten. Er galt den kirchlichen Behörden aiftangs als Ketzer, weil dre Exerzitien weit abwichen von den damals in Geltung stehenden scholastischen Vor schriften. Sie mußten vier Wochen dauern, rn denen der zu gcwrnnenoc Anhänger fortwährend den Einflüssen seines Lehrers ausgesetzt war. Dte Einleitung bestand in einem ekstatischen Gespräch mit dem gekreuzigten Christus. Ans diesem ging die heftigste Selbstankloge hervor: dagegen die Betrachtung des Gegensatzes der Macht, Weisheit, Güte und Gcrecylig- leit Gottes. Nachdem der Tank Gott dargebrocht, daß es für den Zög ling zur Rettung noch Zeit sei, muß die Hölle geschildert werden, um aber mals eine Gemütser/chütlerung hervorzurufen. Tic Beschäftigung ruft der LebcnSgcschichte Christi, die den Zweck hat, in dem Zögling die Vor stellung zu erwecken, daß er die Passionsgeschichte selbst körperlich durch- lebe, die mvstische Betrachtung füllen den Rest dec Zeit aus, in der in keiner Weise von außen her eine fremde Empfindung auf den sorge *l Ans der in sechs Bänden bei Ullstein L Co. in Berlin erscheinen- den, von Pros. Dr. v. Pslugk-Hcrrttung hcrausgegebenen „Welt- geschieh te", sür die Pros. H. v. Zwiedineck-Südenhorst die „Gegen reformation in Deutschland" geschrieben bat. Diesem Teile entnehmen wir den hier nhgedrnckten, von uns „Tie Jesuiten" betitelten Aussatz. schrieben«« Gang der Exerzitien eiuwirken darf. Der Zweck dieser Pein- lichen Pädagogik soll es sein, den Menschen zum Herrn jeines Geistes und Willens zu machen. Körperliche Askese ist keine notwendige Bedingung, dagegen muß alles leidenschaftliche Aufflammen niederaehaftcn werden. 1528 kam Loyola nach Paris, unterstützt von seinen Anhängern, unter denen sich auch vornehme spanische Damen befanden, um sich die theologischen Kenntnisse anzueignen, deren er bisher gänzlich entbehrte. An der Sorbonne wurde ein brutaler Kampf gegen alle Neuerungen ge führt, der sich bis ans die Buchdruckerkunst erstreckte. Auf einen kurzen Sieg des Humanismus erfolgte eine vollständige Niederlage, die Flucht der hervorragendsten reformatorisch gesinnten Studenten. Lieben Jahre lang betrieb Lovola seine Studien in Paris, umgeben von den gleich gesinnten Spaniern Franz .Lav'er, Diego Laiöez, Alonzo Salmeron, ".'cur Pascal Brvct vertrat als Niederländer die germanische Nationen seiner Seite Am Maria Himmeliahrtstage 1531 batte diese Studenten gesellschaft, die noch keinen Orden bildete, am Montmartre dos feierliche Gelübde abgelegt, in Palästina für die Erneuerung des Christentums ciuzutreten, fick aber auch dem Pavst zur Verfügung zu stellen. Nun ent standen Kartellverbindungen in Löwen und Köln. Ignatius kam aber ans seiner Polästinareise nur bis Venedig, wo er einsah, daß er mn seinen Bestrebungen in Italien einletzen müsse. Er zog nun aus der Straße predigend nach Rom und nannte im Geiste feiner ursprünglich militärischen Laufbahn die ihn begleitende Schar die Compaüia de Jesus. Es konnte nicht kehlen, daß die Anklage der Ketzerei gegen Loyola von vielen Seiten erhoben wurde Der gegen ihn ebenfalls ursprünglich miß» trauiichc Papst Paul III. ernannte ,edoch bald die arcßc Bedeutung der Gesellschaft sür das Christentum und bewilligte ihr deshalb 1539 di-' Organisation eines Ordens Als dessen Ausgaben werden ausgestellt: Be kehrung der Heiden, innere Mission, soziale Reform, Werke der Charitas. Tätigkeit im Beichtstühle. Rationale Tendenzen sind im Orden streng verpönt. Die von iinn gegründeten Kollegien mußten aus verschiedenen Nationen zusammengesetzt werden, was in Spanien, Portugal und Frank- reich Schwierigkeiten ergab. Schon nach den ersten zwei Jahren ihres Bestehens war die Macht der Gesellschaft eine so auffallende, daß Lic katholischen Fürsten cs sür notwendig fanden, zu ihr Stellung zu nebmcn. Die Verfassung des Ordens, die Oonstitlftiemc?, die durchaus daS eigenste Werk Lovvlas sind, entsprechen seiner militärischen Jugend- erziehnng, indem sie alles Wissen und Können nur zur Erreich«»« eines feiten Zieles verwenden Tic Heranziehung eines Ordensmitglieves ge schieht in verschiedenen .Körperschaften: im Probationsbaus, wo Ent- saguug qeübt wird, in den Kollegien, wo wissenschaftliche Bildung geboten werden soll. Die Wissenschaft darf sedoch nie Selbstzweck sein: in den Kollegien sollen nur rastlos tätige Menschen erzogen werden, die sich selbst sür jede Art beruflicher Tat geeignet halten. Beim theologischen Studium muß die Vulgata unbedingt recht behalten; theologische For schung ist von der sogenannten wissenschaftlichen Tätigkeit ausgeschlossen. Unter den Genossen darf eS keine Verschiedenheit der Meinung geben, deshalb erhält der Irn^x !idue>rnm peoftiditomim die allergrößte Wich tigkeit ft"ir die gei'ftge Entwicklung der Scholaren. Askese wird von ihnen so wenig verlangt, wie Vernachlässigung der körperlichen Ausbildung. Dagegen bildet der unbedingte Gehorsam eine eiserne Klammer für alle Soldaten Christi: er ist ein brennendes Opfer, indem sich der ganz- innere Mensch, ohne sich irgendwie zu teilen, in der Flamme der Liebe durch die Hand seiner Diener darbringt. Besitz har nur der Orden, nie ein einzelnes Mitglied. Die Professen sollen von milden Gaben leben, die Kollegien von festen Totakionen. Selbstverständlich spielen daher d,c Stiftungen sür den Orden die größte Rolle in seiner Geschichte. In einem Menschenalter war die Gesellschaft die reichste Körverschaft Europas ge- worden. Ihre Verfassung vereinigte die gesamte Macht aller Mitglieder in dem Willen eines einzigen, des Generals. Eine itrenge, konsequente Durchführung der Oousütutiovss mußte dazu führen. Der General leg' dem Papst das Gelübde des Gehorsams ab und ist außer di.sem nie mandem verantwortlich. Die Assistenten sind seine Minister. Nur der General wird auf Lebenszeit erwählt, die Provinzialen werden aus drei Jahre, die Rektoren vom General und seinen Assistenten ernannt. Die Gesamtheit des Ordens gewinnt den größten Einfluß auf den General dadurch, daß sie seinen Beichtvater bestellt. Das Verhältnis des Ordens zu Paul IV., dem früheren Kardinal Carasia, gefährdete den Bestand des Ordens, weil Paul die Spanier haßte und Ignatius 'ür fähig hiel». ein Agent des spanischen Hofes zu sein. 2luf dem Konzil von Triein batten sich Laiüez und Salmeron jedoch als Gehilfen der pävststchen Legaten eine derartig ausschlaggebende Stellung errunq-n, daß cs fin den Stuhl Petri gefährlich schien, sich selbst einer !o kräftigen Stütze zu berauben. Tic Jeiuiien haben eine Form der alten Kirche in ihrem Sinne aus dem Konzil durchgeietzt. Sie traten auch für das von Pius IV. släOO bis 1565) aufßcstrllke Prinzip der päpstlichen Nnschlvarleit aus Seit dem Konzil hielt der Orden ftir seine Hauptaufgabe den .Kamm gegen die Ketzer, und da deren Kraft auf den Errungenschaften in Deutschland beruhte, mußten sie auch dort den Kamps am enftchiedenücn aufnehmen Ignatius selbst hatte die Wichtigkeit Deutschlands für seine Pläne er kannt und fähige Genossen wie Faber an den Rhein g<ssandt. um sich dort kräftigst der alten Lehre und Kirche anzunehmen. Sowohl Faber wie Peter Caniiius ans Nymwcqen, der der Kölner Universität ongebörtc. waren überzeugt, daß Köln die Festung des Katholizismus am Rheine werden müsse. Tort entstand daS erste Kollegium in Deutschland, wofür man jedoch nur mit Mühe die Duldung des Rates erreichte. Claude Jay und Canisius brachten innerhalb zweier Jahrzehnte die Errichtung von drei Kollegien: in Regensburg, Ingolstadt und Wien, zustande Wilhelm von Bayern hätte sich auf seine Landesunivcrsttät gern einen gewissen Einfluß gesichert, Loyola gab aber nicht zu, datz weltliche Räte sich um die Lehranstalten des Ordens kümmern sollten: er pab nicht nach b,s Ingolstadt seiner Macht allein unterworfen war. Tert entfalteten auch Canisius und seine Nachfolger die emsigste Prooaganda sür den Orden. In Vorlesungen und Ferialkursen wurden junc^ Leute an die durch ihre Charakterstärke anziehenden Persönlichkeiten gefesselt Die volle Unabhängigkeit der Kirche von der weltlichen Regierung wurde auf
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