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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 23.11.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-11-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19071123010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907112301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907112301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-11
- Tag1907-11-23
- Monat1907-11
- Jahr1907
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DezugS.Prett Mr LrtV^S und 8-rortt durch »ns«, Lrlarr uud Sprditkur« ml Hau« grbracht: Lutgab« L^uur mor^eul^ v^ertrllthrltch Autaab« 8 (margrut und abrnd«) viertel. jÜrlich 4.L0 M. »onailich 1.S0 M. Lurch di« ft>»ft bezoae» (2 mal ltglich) mnerhald Deutlchlank« und der deutichen itolvuien virmeiitbrlich 5.2S M. mündlich V75 vt au«,chl «oft. defteüfteld ür Oesterreich d lc 66 ft. tlnHLrn 6 le »ierleljthrlich. ildonnrweni-Sonabme Auftuftulplatz 8, der unseren Lraaeru Filialen. Svedileore» uud LnnalunefteÜen, «w,e 'Loftämrern und Briefträgern. Die einzelne Stummer rostet rv fttfg. Medakttvn »ud Grvedtltour Jvbanuilgafte 8. Ll-Vdon Nr. IE Nr. iE Nr. I«S1. Lerliner stiedaktion« Lurrau: Berlin 8VV. < Prinz Loui» Ferdinand- Ttrutze l. Telephon I, Nr V275. Morgen-Ausgabe 8. MpMerTMblaü Handelszeituvg. Amts b satt des Rates imd des Rolizeiamtes der Lladk Leipzig. Anzeigeu-Prett Ur Auferate au» Leivzia and llmaedan, »8 Saeipaltrne Petitzeiü 25 Pf., stnanztev- P«zeigen 30 Pf., Nellameu 1 Pt.; Nou au««trt» 30 Pf-, Nellameu 1.20 M. oemtlurlaud SOPf., stnauz. «neigen 75 Pi. Reklame» l.50 Pi. Inserate ». Lehtrden im amtlichen Teil -tv Pi »cilogegebübr S Pl. ». Tausend «xkl. Pos» gedühr. »cichästtanreigen an d«vorzu,^e- Lttlle im Preise erhöh». Rabat» nach Tori' ZesterleUte tlustrta« können nicht zurüS »c»-gen werdeu. Für da« Srschetnen m. bestimmten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen Anzeigen-tlnnahmei Luguftntzplatz 8 bet sämtlichen Filiale» u. allen Annoncen. EtzPedttionrn de« In- und tlullande« chamtt MNalr «erlt». »arl Dunck: -erhogl. Bohr. Hofduch- handluiig Lützowftrahe lü iTelephon VL «r. ««3) Nr. 323. Sonnabend 23. November 1907. 101. Jahrgang. Das Wichtigste vom Tage. * Der Reichstag hat gestern seine Sitzungen wieder ausgenom» -.-en und über Bittschriften beraten. Heute steht die Vorlage zur Abänderung des Majestätsbeleidigungs-Paragra phen auf der Tagesordnung. sS. Bericht.) * Die „Nordd. Allg. Ztg." kündigt Enqueten über vc> - G elö - und Bankwesenan. sS. Dtschs. N.) * Heute tritt der Anwaltstag in. Leipzig zusammen. sS. 1. Art.) * Der bayerische Landtag ist bis zum 11. April ver längert. * Die Madrider Blätter berichten, daß die a u f r ü b r e r i s ch e Bewegung m Portugal zunimmt. (S. Ausl.) * Die Po st Verwaltung in Kalkutta macht bekannt, daß der Aus st and der.indischen Eisenbahner beendet und der Betrieb der Postzüge wieder ausgenommen ist. sS. Ausl.) VSiam ackvovrttorvm. Von einem geschätzten freunde unseres Blattes wird uns zum Heu- tigen Leipziger Anwaltstage geschrieben: Als Hachenburg aus dem Mannheimer Anwaltstage am 11. Sep tember 1907 bei Besprechung einer für den Anwaltsstand bedenklichen und schädlichen Bestimmung der Zivilprozeßnovelle sagte: „Ich denke viel zu hoch vom Anwaltstande, als daß ich der Negierung einen solchen Gedanken überhaupt nur unterstellen könnte, und die Regierung ihrer seits denkt auch wieder viel zu hoch von uns", da brach in der Versamm lung Heiterkeit aus. Man hielt die Worte Hachenburgs für Ironie. Jeder Zuhörer war sich bewußt, daß das alte oclium sclvcxmwrrun der deutschen Behörden trotz aller schönen Reden noch nicht erloschen sei, 'andern im Gegenteil sich eines regen Wachstums erfreue. Gewiß werden die Regierungen nicht müde, zu versichern, daß sie den Anwalts- >'tand bochschätzen und für ein wichtiges Glied am Volkskörver halten. Ihre Taten stehen aber in einem ausfälligen Gegensätze zu ihren Reden. Alle Gesetze, dir in den letzten Jahren den AnwoltSstand berührten, trugen zur Verschlechterung seiner Gesamtlage bei. Von den Gewerbe- und Kausmannsgerichten wurd'e der Anwalt durch Gesetzesvorschpift, von den Schiedsgerichten für Arbeiterversicherung durch die Gestaltung des Verfahrens und Gebührenwesens tatsächlich ausgeschlossen. Im militärqeri'chtlichen Strafverfahren darf nicht jeder Anwalt als Ver teidiger wirken. Jetzt legt man die Axt an die Wurzeln der Existenz des Anwaltstandes. Man beginnt, ihm den Mutterboden abzugraben. Darauf läuft es hinaus, wenn der Anwaltszwang bei Sachen im Werte von 300—500 abgeschasft wird. Es handelt sich dabei um etwa 50 Prozent aller jetzigen Landgerichtssachcn, deren Bearbeitung durch Anwälte nicht mehr nötig sein soll. Unter diesen Sachen sind gewiß viele einfache Kauf-, Wechsel- und Mietzinsklagen, bei denen der An walt seine Gebühren leicht verdient. Man verkenne aber nicht, daß der Anwalt bei der jetzigen Gestaltung des Gebührenwesens für viele Ar beiten mit einem Svottgelde entlohnt wird. Nur deswegen, weil man ihm in einzelnen Jollen einen leichteren Verdienst ermöglicht, kann man ihm zumuten, daß er so manchen mühseligen und langwierigen Prozeß für die geringen gesetzlichen Gebühren durchführt. Künftig wird der leichtere Verdienst zum großen Teile wegfallen, der schwierige und zeit raubende wird bleiben: denn die Leute werden verwickelte Rechtssachen auch dann dem Anwälte übertragen, wenn das Gesetz sie nicht dazu nötigt. In den letzten Jahren sind alle Preise gestiegen; das Geld sank im Werte und verlor an Kaufkraft. Gestiegen sind vorzüglich die Arbeits löhne. Auch die Anwälte würden gern die Bezüge ihrer Angestellten erhöhen. Doch so leicht ist das bei ihnen nicht möglich. In der In dustrie beschließt der Unternehmerverband mit der Lohnerhöhung gleich- ;eitig eine Erhöhung der Verkaufspreise. Wenn der Kalkulationsposten „Löhne" höher eingestellt werden muß, so sind eben die Produktions kosten größer. So kann der Anwalt nicht handeln. Seine Gebühren sind gesetzlich geregelt. Der Anwaltstand hat sozusagen im Jahre 1879 mit der Allgemeinheit einen Tarifvertrag geschlossen oder richtiger: sich 1879 einen Taris oktroyieren lassen und arbeitet darnach noch immer, wählend doch seit jener Zeit alle Vergütungen für Arbeitsleistungen lehr bemerklich gestiegen sind. Man sollte nun meinen, daß mit der jetzigen Arbeits- und Ber- dienstentziehung geaenüber den Anwälten eine Tarisverbesserung Hand in Hand ginge. Weit gefehlt. Dem deutschen Volke soll die Rechts pflege verbilligt werden in doppelter Hinsicht. Einmal will man am Personaletat der Justiz sparen und dadurch die Zuschüsse -um Vorteil der Steuerzahler verringern, dann will man für den einzelnen Recht suchenden den Aufwand verringern. Man begnügt sich deshalb nicht mit der Arbeitseutziebung, sondern schließt auch den Anspruch des An walts auf Ersatz der Schreibgebühren und Porti zum größten Teile aus, mau verlangt also, daß der Anwalt bei umfänglichen Prozessen, wo er ohnehin viel Arbeit hat, die Auslagen noch aus den Gebühren, seinem eigentlichen Arbeitslöhne, mit decke. Fast ironisch klingt es, wenn man dem Anwälte anheimgibt, er solle sich eine Sondervergütung aus bedingen. wenn ihm die gesetzlichen Gebühren zu niedrig seien. Sonder- Honorare können nur einzelne wenige Anwälte fordern, solche, die Un gewöhnliches leisten und außerordentliches Ansehen genießen. Die All gemeinheit der Anwälte muß sich mit dem Gebührensätze deS Gesetzes begnügen. Die Unterbietung dieser Sätze wird ehrengerichtlich ge ahndet, wenn sie vor kommt. Man schätzt also in der Negierung und dem Reichstage, wie die Tat sachen zeigen, den Anwaltsstand herzlich gering. Selbst die liberalen Parteien sind von dieier Geringschätzung nicht frei. Ein starker An- waltsstand ist, das lehrt die Geschichte, eiue Vorbedingung nicht nur einer guten Rechtspflege, sondern zweifellos rechter politischer Freiheit. In England, Nordamerika und Frankreich gibt es verhältnismäßig viel mehr Anwälte als in Deutschland. In den angelsächsischen Rechts gebieten sind sie im Tarif weit besser gestellt als die deutschen An wälte. Regierungen und Parlamente gönnen ihnen ihren Verdienst. Jl» Ländern wie Rußland gibt es nur wenig Anwälte; die Regierung ist bedacht, den Stand darniederzuhalten. In der Zeit des Absolutismus hatte sich in Preußen das ockium «ckvaaatorum zu seiner höchsten Höhe gesteigert. 1781 wurden die Advokaten abgeschasft. Es ging ober nicht ohne sie. Deshalb mußte man sie wiedcrherstellen. Man fragt sich, wozu eigentlich angesichts der geschichtlichen Lehren <vgl. Weißler, Ge schichte der Rechtsanwaltschaft) jetzt wieder so experimentiert wird. Auf die Tauer kann sich das nicht holten, was man jetzt vorhat. Es ist nützlich, in der jetzigen Zeit an einen Ausspruch Miquels in der 132. Sitzung der Neichsjustizkommission vom 12. Mai 1876 zu er innern. Es handelte sich um die Einführung des Anwaltszwanges bei den Kammern für Handelssachen. Miquel sagte: erfahrungsgemäß pflegten Kaufleute, die ihre Sachen selbst vor Gericht vertreten, schika nöse Einwendungen und Ausflüchte vorzuschützen. Bei der Intelligenz und dem Bildungsgrade der Parteien sim Handelsgcrichtsprozeßl wür den dieselben recht wohl in der Lage sein, den Anwalt vollständig zu instruieren." Ter Anwaltszwang wurde danach auch auf die Kammern für Handelssachen erstreckt. Den Anwälten brachte man damals kein Mißtrauen entgegen. Tie in der Zivilprozeßnovelle jetzt ausgedrückte geringe Einschätzung des Standes und seiner Bedeutung ist durch nichts gerechtfertigt. Tic Zustände sind seit 1876 nicht schlechter, sondern besser geworden. Tie Acltesten der Kaufmannschaft in Berlin Haden klar er kannt, daß die Prozeßnovelle der deutichen Rechtspflege nicht förderlich sein wird. Sie sprachen sich darum dawider aus. Man darf hoffen, daß ihr Beispiel Nachfolge findet. Ter Deutsche Anwaltsverein tritt in diesen Tagen zu einer außer ordentlichen Hauptversammlung in Leipzig zusammen. Wegen der Wichtigkeit des Beratungsgegenstandes ist die Beteiligung ungewöhnlich groß. Träger von Namen, die im deutschen Vaterlandc unv darüber hin aus den besten Klang haben, werden in großer Zahl in den Mauern unserer Stadt erscheinen. Sic mögen das Bewußtsein davon erwecken, was der deutsche Rechtsanwalt nicht nur aus dem Gebiete der Rechts pflege, der Durchsetzung, der Aus- und Fortbildung des Rechtes seinem Volke leistet, sondern was er darüber hinaus im öffentlichen Leden, in den Ehrenämtern der Gemeinden, in dem vielgestaltigen Vereinswesen, im Getriebe der politischen Parteien wirkt und nützt. Ter deutsche Anwalt hält sich sittlich für verpflichtet, die Kenntnisse und Erfahrungen, die er bei seiner Tätigkeit sammelt, und die Sachlichkeit, die ihm sein Berus anerziebt, im Dienste der Allgemeinheit zu verwenden. .Hierfür Dank zu heischen, liegt ihm fern. Man soll ibn aber nicht mit Undank lohnen. In diesem Sinne wünschen wir der außerordentlichen Taqnna des Deutschen Anwaltsvereins reichen Erfolg. Eine nationale Opposition. Wen» man den Reden der äußersten Rechten im sächsischen Land tage glauben wollte, jo ^d? es fjn ?iv dr gcr'ichev Pari-sicn der Zweiten Kammer — und in der Zweiten Kammer gibt cs, von dem Eiuipäiiner Goldstein abgesehen, nur bürgerliche Parteien — keine höhere Pflicht, ais die. um jeden Preis auch in Sachsen Blockpolitik zu treiben- Fort während wird voy .den Konservativen, besonders wenn sie von ihren Gegnern ein wenig in die Enge getrieben werden, der dringende Wunsch ausgesprochen, man möchte doch nicht immer das so stark betonen, was die büigerlichcn Parteien trennt, sondern das, was sic einigt; die Reichs- tags- und die Landtagspolitik seien nicht voneinander zu trennen, die Blockpolitik müsse „auch in dieses hohe Haus hineinleuchten" ufw. Wir fü'.chten, daß der Wunsch dieser Herren nicht in Erfüllung gehen wird. Allerdings ist es nicht ausgeschlossen, daß die Blockpolitik hier und da i:: den Landtag „hineinleuchtet", besonders, wenn es sich um Fragen handelt, die eigentlich auf das Gebiet der Reichspolitik gehören. Eine solche Gelegenheit war die Debatte über die freisinnige Inter pellation über die Stellungnahme der Negierung zu den hohen Ge- trcidepreisen. In der sächsischen Politik, wenigstens unter dem gegenwärtig gelten den Wahlrecht für die Zweite Kammer, fehlen die Vorbedingungen, die im Reiche, besonders vor den letzten Wahlen für den deutschen Reichs tag. zu dem Gedanken der Blockpolitik geführt haben. Im Landtage haben es die bürgerlichen Parteien nicht nötig, sich zum Schutze gegen Herrn Goldstein und die nicht vorhandenen Zentrumsmanner zu- sammenzuschließen. Was wir jetzt im Landtag brauchen, ist da"!, was sich in England, dem Musterstaat parlamentarischen Regimes, „Seiner Majestät allergetreueste Opposition" nennt. In unserem Nachbarstaat Preußen, ja überhaupt im Deutschen Reiche, hat man sich im Lause der Zeit daran gewöhnt, Nationalbewußtsein und Königstreue unzertrennlich mit der konservativen Gesinnung zu ver binden. In Preußen scheint es manchmal, als ob die Konservativen die Königstreue geradezu gepachtet zu haben glaubten. Ein liberaler Mann gilt im günstigen Falle für einen Nörgler, einen unzufriedenen Men schen, vielleicht auch für einen, der es mit dem Patriotismus und dem monarchischen Gedanken nicht gar ernst nimmt. Deshalb kann man sich dort auch heutzutage eine wirklich liberale Regierung gar nicht mehr vvrstcllen. Auch in Sachsen tun die Konservativen, als ob der sächsische Siaat mit ihnen stehen und fallen mühte. In England denkt man anders, weil man so ost gesehen hat, daß der Staatskarren ruhig weiter ging, wenn die Zügel aus den Händen der Konservativen in die der Liberalen übergingen und umgekehrt. Deshalb genießt aber auch dort, wie in anderen wirklich parlamentarisch regierten Staaten, die Oppo sition die Achtung, die ihr gebührt. Man weiß, daß sic nicht nur die Interessen bestimmter Volksklassen wahrt, sondern daß ihr das Wohl des Gemeinwesens, des gesamten Staates genau ebenso am Herzen liegt, wie der regierenden Partei, — daß sie ebenso vaterländisch, unter Nm- ständen ebenso königStren ist, wie die ander? Partei. So ist ihr der schöne Titel „Seiner Majestät allergetreueste Opposition" zuteil ge- worden. Auch in Sachsenbrauchen wir gerade jetzt „Seiner Majestät allergetreueste Opposition". Wir brauchen eine nationale Opposition, eine große, starke Vereinigung der libe- ral denkenden Elemente im parlamentarischen Leben, die der Regierung hisst, ja im Notfälle sie zwingt, den Weg des Fortschritts, den Weg frei heitlicher Reformen zu geben. Die Opposition braucht sich nicht not- wendigerweise gegen die Regierung zu richten, wenigstens nicht immer. In den rein parlamentarisch regierten Staaten allerdings liegt die Sache meistens so, daß die Regierung ktetS der Majorität im Parlament mit Haut und Haaren ausgeliesert ist. In solchen Fällen richtet sich natürlich die Ovvosition auch argen die Regierung, sie entspringt der kkebirzeugung. daß die betreffende Regierung dem Lande nicht -um Segen gereicht, und daß eS die Pflicht eine? wahren Volksvertreters ist. sie baldmöglichst durch eine andere >n ersetzen. Keinesfalls aber richtet sie sich gegen den regierenden Herrscher. Hier in Sachsen wäre die Sache noch weit vorteilhafter für die „nationale Opposition". Sie würde nicht nur von einer mächtigen Volksströmung getragen werden, sondern sie hätte auch einen wesent lichen Teil der Regierung selbst für sich. Es ist nun wohl auch tjlr den Kurzsichtigsten kein Geheimnis mehr, daß im sächsischen StaatSmimste- r>uw zwei Strömungen miteinander kämpfen, deren eine ihr Haupt in dem Finonzminister sieht, während die andere ihre Hoffnungen aus den Minister des Inneren, den Grasen Hobenthal, gesetzt bat. Allerdings ist Gras Hohenthal weit davon entfernt, ein wahrhaft liberaler Mann zu sein, ja, die Konservativen behaupten, er gehöre ihnen an. Dem- gegenüber kann man nur daraus Hinweisen, daß Herr von Rüger einst nationalliberol war. Eswareinmal! Heute ist er, wie die Dinge nun einmal liegen, die Hoffnung der konservativen Partei. Und was den Minister des Innern betrifft, so kann man wohl behaupten, daß seine Auffassung von den Aufgaben des modernen Staates sich wesentttch von der des Finanzministers unterscheidet. T?r Augenblick kann wohl einmal kommen, wo sich Graf Hohenthal nach einer gesunden, natip- nalgesinnten, starken Opposition sehnt, die er ins Feld führen kann gegen die Gewalten, unter deren Druck in der Vergangenheit die Re gierung selbst geseufzt hat. . , _ . „ ... Dazu ist aber eine starke, einige und vor allem eine wohlorgamstcrre Opposition notwendig. Die Organisation fehlt der Oppoution im sächsi schen Landtage. In fast allen großen Fragen, besonders wenn es sich um Gegensätze von Stadt und Land, von Industrie und Landwirtschaft, bandelt, haben die vereinigten oppositionellen Elemente die Mehrheit. In manchen Fällen mag wohl Prinzipienreiterei — oder wenn wir es icvöncr ausdrucken wollen, Prinzipientrcue — die Schuld tragen, wenn ihre Mehrheit fick nicht geltend macht. Jede einzelne der Ovpos'tions- Parteien will absolut gerade nur ihren Standpunkt zur Geltung bringen. Tie Einsicht, daß die eine Partei allein nichls. alle vereinigt aber viel erreichen können, sollte den Gedanken einer nationalen Oppo» sitivu mächtig fördern. Es gibt ferner eine Reihe von Gelegenheiten, bei denen tcmächlich in allen — wenn wir den Ausdruck einmal ge- bruuchen — Oppositionsparteien vollkommene Einigkeit herrscht, ohne daß der gewünschte Erfolg zutage träte. Eine von diesen Gelegenheiten war der Vorstoß gegen den Vizepräsidenten Opitz am vergangenen Freitag. Nur die alte konservative Partei hatte den Wunsch, Herrn Opitz in den Ausschuß für die Landesbrandoersicherung gewählt zu sehen. Sie befand sich in der Minderheit, — aber sie drang durch, weil sic einig war. Außerdem passierte auf der Linken ein kleiner Irrtum mit dem Stimmzettel. Es herrschte Verwirrung, die dem Gegner zu gute kam. Herrn Opitz selbst war der Charakter der Situation völlig klar. Tas konnte man an seinem Gesichte sehen. Hätten sich die Geg ner des Herrn Opitz am Freitag vor der Sitzung auf eine Liste ver einigt, wäre vor der Wahl alles klipp und klar gewesen, so hätte die alte konservative Partei eine empfindliche Schlappe erlitten. Opposition auf eigene Faust hat unter den gegebenen Verhältnissen keinen Zweck. Wenn man im parlamentarischen Felde einen großen Schlag führen will, müssen die Mannschaften deS Heergefolae-Z genau abgczählt sein. Das müßte zu erreichen sein, daß, wo ein gemeinsamer Zweck vorliegt, alle oppositio- nellen Elemente sich zu einem w o h l be r e ch n et e n . sickeren Schlage vereinigen. Tann wird der Gegner, dann wird auch die Regierung anders als bisher mit der Opposition im Landtag rechnen müssen. Die Flottenvorlsrge. LaS nunmehr bereits seit Monaten währende Verstecksviel mit der neuen Marim.verloge, das nachgerade stark an Reiz cinzubüßcu begann, hgl endlich aufgehört: die Vor.lage ist. nunmehr offiziell bekgicntgege.ecu Eine besondere Ueberraschung vermochte sie nicht mehr -ü bringen, denn mit Ausnahme der Verteilung der Ersatzbanten auf die Jahre lÄv8 bis 1917 war trotz der großen Heimlichkeit, mit der die Vortage vom Marineamt behandelt worden war, seit Mitte Oktober ihr gesamter In- halt bereits durch die Presse bekannt geworden. Welchen Zweck es Haven konnte, nun den Anschein zu erwecken, es seien sonst noch große Dinge geheim zu halten, will uns nicht recht einleuchten, und ob daS deu:schc Volk vier Wochen früher oder später zu wissen bekommt, daß jein Marineetat für 1908 eine Mehrforderung von 42)4 Millionen Mark für Schisse und Armierung answeist — durch die weiteren Folgen wird dieses Mehr jedenfalls noch beträchtlich höher und kann auf ca. 60 Mil lionen steigen —, durch diese Verzögerung wird es keineswegs bewilli- gungssreudiger oder -unlustiger. Aber man wollte einmal die Span nung aufrecht erhalten; über die Gründe brauchen wir uns nicht den Kopf zu zerbrechen. Die Vorlage ist nun bekannt; was bleibt zu ihr zu sagen? Durch die Aenderung der Anlage tt wird bewirkt, daß in den Jahren 1908—1911 jährlich ein großes Schiss mehr als bisher auf Stapel zu legen ist, also statt der bisherigen 3 deren 4. Während sonst 1908 für Schiffbauten und Armierung 136 Millionen Mark angesetzt waren, wer den letzt 171 Millionen, also 35 Millionen mehr, gefordert, zu denen durch die größeren Anforderungen, die große Schiffe nach allen möglichen Richtungen stellen, noch zahlreiche weitere Millionen für andere Zwecke kommen müssen. Eine solche Millionenforderung ist in einer Zeit allgemeiner Teurung und eines immer größer werdenden Defizits im Reichssaclel eine recht barte Nuß, die zu knacken man vielleicht wieder an der ,ch-n so stark in Anspruch genommenen Steuerschraube drehen wird, trotzkam bieses Experiment gerade jetzt möglickst vermieden werden sollte, um dem Iv nöligen Ausbau unserer Kriegsflotte nicht die Volkssympathie zu raudrn. Jedenfalls sehen wir bereits einige rechr unerquickliche Finanzdeba.tc« voraus, die jedoch zum guten Ende gesichrt werden müssen, va wir auf den Ausbau unserer Marine aus dem vom Marineamt beschrittenen Wege tatsächlich nicht mehr verzichten können, wenn nicht alle bisherigen Aufwendungen und Arbeiten für Schaffung einer ang.mesfenen Kriegs flotte umsonst gewesen ,ein sollen. Die Deckung der Marincforderungcn wird eine kräftige Velastungsprobc für die Festigkeit des „Blocks" geben. Haben wir bisher die finanziellen Folgen der neuen Vorlage be trachtet, so wollen wir nun auch noch einen Blick auf die Felgen werfen, die sie sür die Aktivnsbereitschast unserer Flotte haben wird. Bereits 1914 wird sich ihr Einfluß fühlbar machen. Deutschland wird dann fertig und verwendungsbereit an Schlachtschiffen besitzen: Linienschiffe: 13 von je etwa 19 060 Tons svielleicht auch größer) lO von je 13200 Tons lO von 11100 bis 11 800 Tons 1 von je 10 000 Tons 37 Linienschiffe von zusammen etwa 532 000 Tons. Panzerkreuzer: 5 von je rund 18000 TonS 1 von 15 000 Tons 2 von je 11600 Tons 5 von je 8900 bis 9 500 TonS 1-von 10 700 TonS 14 Panzerkreuzer mit zusammen etwa 185 000 TonS. Die Gesamrtonnage unserer Schlachtslotte wird also rund 717 000 Tons betragen gegen 318 000 im Jahre 1907; sie wird sich also mehr als verdoppelt haben. Wie bedeutend dies für die Kampfkraft unserer Flotte ins Gewicht fällt, braucht wohl nicht erst nocbgewiesen zu werden. Nicht aus der neuen Flottenvorloge, sondern aus dem kürzlich eben falls veröffentlichten Marineetat sür 1908 crsäbrt man, daß sür den Bau von Unterseebooten und zu Versuchszwecken mit ihnen 7 Millionen Mark gefordert werden. Da ein Unterseeboot etwa 500000 kostet — große Tauchboote sind entsprechend teurer und können bi- zu 2 Millionen Mark kosten —, so mag vorläufig der Bau von etwa 10 Booten geplant sein. Das ist zwar noch nicht viel, würde aber immer schon «in erfreu-
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