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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 24.11.1907
- Erscheinungsdatum
- 1907-11-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190711241
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19071124
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19071124
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-11
- Tag1907-11-24
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Bezug»-Prei» str Lrivfta -nd Vorort« durch «n1«r« trtger und Spediteur« in» Hau« gebracht: Lttlgad« » (nur morgen«) viertelMrlich 8 M monatlich t Pt »n«aabe tt (morgen« und abend«) »tertet- lÜrlich 4.S0 M. monail'ch l.Ä «. vurch bt« P»k br,varn <"2 mat täglich) innerhalb Teutichland« und der deutichen Kolonien merteliäbrlich b,2S Pi. monatlich I.7L vt aulichl Pop. deftellgeld ür Oesterreich st L «6 d. Ungarn 6 U vierteljährlich dlbonnemenl-Annabme Augustu«pl,tz 8, be, unteren trägern Filialen, kvedilcure» uud Lnnabutestrllen, «wie Pollamrern und Üricjträgern. Die einzelne stummer rostet )0 chfg. Nednkliou und Lrveditt»»: Johanui«gaj>c 8. lelenbon «r iE «r. lästk, Rr. I40S4. Berliner Redaktion« Bureau Berlin 8dV. t Prinz Loni« Ferdinand- Strahe I, Telephon I, Sir i-275. Morgen-Ausfiabe v. MpMer T ligMM Handelszeitung. Lmlcvfatt des Aales «nd des Aolizeiamles der Stadt Leipzig. Anzesgeu-Prett Kr Inserat« an« Leipzig und Umgebung di« S geipaltene vetitzeile L Pi , finanziell« «neigen U0 Pf„ «eklamen l Pt. do» »u«wtrt« SV Pf Reklamen 1.20 Pi. vomNutlandSoPf,, stnanz Anzeigen7LPf. Reklamen l^o vt Inserate ». vehSrde» im amtlichen Test40 Ps Beilage,edüdr i M. » Tausend erkl. Post gedühr. »eichästlanzeigen an bevorzugter Stelle im Prelle erhäht. Rabatt nach Larii Festerteilte Aufträge können nicht zurück gezogen merben. Für da« Srschei en an »«ililllmten Tagen und Plätzen wird keine Garunti« ädernominen. Antigen. Annahme t Uu^ra»«»lutz k bei iämtlichen Filialen u. allen Annoi ceu» Uzpediiuinea de« In« und «utlande«. »aupl Filiale «rrliu: Sarl Dunst! H.rzogl. tvapr. Hosbuch» Handlung Lutzowstrahe lld lTelephon VL. «r. 4MSX Nr. 328. Sonntaft 24. November 1907. 101. Jahrgang. Das wichtigste voin Tage. * Der Reichstag trat gestern in die erste Lesung des Gesetzen'- wurfeS über die Abänderung der Majestätsbeleidigungs- Paragraphen. In den nächsten Togen werden Jnterpello. »ionen erörtert werden. (T. Der. und Dtschs. N.j * Staatssekretär des Neichsjustizamts Dr. Nie der d i n g kündigte im Reichstag die Vollendung der Arbeiten für das neue Reichs st rasgesetzbuch im Laufe des nächsten Som mers an. IS. Ber.) * Ein Zusammenschluß der mittelamerikanischen Staaten wird für 1909 vorbereitet. lS. Ausl.) Das Lrauenrvahlrecht. . Die Sozialdemokratie hat auf ihrem preußischen Parteitage, der finnig ironisierend Preußentag genannten Versammlung, die dieser Tage in Berlin abgebalten -wurde, ihren übrigen Torheiten eine neue hinzu- gcfügt. Ihr ist es nicht genug, daß sie durch Halsstarrigkeit auch die ehrlichen Freunde der preußischen Wahlreform vor den Kopf gestoßen Hot und ihnen die Arbeit schwer macht, sie wollte noch ein übriges tun und forderte daher, ausgerechnet für Preußen, das allgemeine, gleiche, direkte Wahlrecht für alle Personen über zwanzig Jahre, ohne Unterschied des Geschlechts. Womit denn erreicht sein dürfte, daß man die preußischen Wchlrechtsforderungen der Genossen überhaupt nicht mehr ernst nimmt. Toch sei die Gelegenheit benutzt, um uns einmal mit dem Fraucnwahl- rechr zu beschäftigen. Im Parteiwesen, wenn man von der Sozialdemokratie absieht, ist daS Frauenwahlrecht im Deutschen Reiche noch nicht Gegenstand prin- zipieller Entscheidungen gewesen. Die Frage ist auch noch nie so altucll gewesen, daß die bürgerlichen Parteien sich hätten mit ihr beschäftig n müssen. Und der übrigen politischen Schwierigkeiten sind genug, um das Nichtanrühren einer solchen großen Frage ohne Not zu verstehen. Immerhin dürfte der Sozialdemokratie der Mut zu ihrer neuerlichen Ausrollung der politischen Frauensrage von bürgerlicher Seite, von dem letzten Katholikentage, gekommen sein. Tort ist nämlich deutlich offen bart worden, daß das Zentrum sich ernsthaft zu „modernisieren" be- strebt ist, in dem Sinne, einer doch nicht völlig zu bannenden Emanzi pationsbewegung die vorteilhafteste Seite abzugewinnen. Und wer weiß, ob nicht das Zentrum eines Tages die politische Welt mit einem Frauen» Wahlrechtsantrag überrascht, wie es einen Toleranzantrag ringe- bracht hatte. Die ultramontane Kalkulation wäre nicht so g wagt, wie sie sich auSnimmt. Allen übrigen bürgerlichen Parteien würde das Zentrum damit große Schwierigkeiten machen, während es selbst leiner Frauenwelt vorläufig völlig sicher ist. Und wenn wir jetzt schon an ultramontaner Terrorisierung keinen Mangel haben, so könnten wir dann allerdings AuSbrüche von politischem Fanatismus erl ben, gegen sie alles bisher bei uns Bekannte Kinderspiel gewesen sein würde. Von den Konservativen ist ohne weiteres, ihrer ganzen politischen Denkungsart entsprechend, anzunehmen, daß sie für das Frauenw chl- recht nicht zu haben sein werden. ES würde ihrer ganzen Auffassung vom Wesen der Familie, ihrer Vorliebe für ein vatriarchalischeS Regime widersprechen. Wie aber würde sich der Liberalismus mit der Forde- rung abfinden'? Wir sehen hier von den einzelnen Parteien ab und meinen den Liberalismus als politische Weltanschauung. Tann wild sofort klar, daß der Liberalismus, der die Entwickelung der Persönlich keit propagiert, sich nicht grundsätzlich ablehnend zu der Forderung stellen kann. Aber damit werden die großen Gefahren einer unver mittelten Einführung des aktiven und passiven Frauenwablrechts auf ollen Gebieten nicht aus der Welt geschafft. Wie es jedem nicht durch Parteidoktrin Geblendeten einleuchtet, daß man einem unreifen Volke kein völlig demokratisches Wahlrecht geben kann, so ist es auch un- nwglich, einer bis aus den heutigen Tag politisch unerzogenen Menschen- gattung das wichtigste Politische Recht in die Hand zu geben. Um daä mit einiger Zuversicht tun zu können, wäre eine systematische Erziehung des weiblichen Geschlechts für die neuen Aufgaben Bedingung. Eine Erziehung, die mit der Schule anzufangen hätte und in allmählicher praktischer Ausdehnung deS politischen Wirkungskreises sortzusetzcn wäre. In den Kommunen hat man ja schon vielerorts einen Anfang gemacht, indem man den Frauen in der Armenpflege und in ähnlichen Verwal tungsgebieten Betätigungsraum geschafft hat. So wäre es Wohl in langsamer, systematischer Arbeit zu erreichen, daß man den Frauen auch den Weg in der Politik ebene. Bliebe ober immer noch das auch von uns nichr gering geachtete Bedenken, daß durch die politische Emanzipa tion der Frau der politische Streit in die Familie getragen würde. Für große Kategorien der Wählermassen würde das freilich ausge schlossen sein. So würden, wie schon erwähnt, die Ultramontanen sicher keine familiären Schwierigkeiten zu befürchten haben. Auch die völlig proletarisierten Mallen würden der Frauen im allgemeinen sicher sein. Viel diffiziler wäre die Angelegenheit in den Mittelschichten deS Volkes. Vielleicht böte sich ein Ausweg, indem man nur den selbständig wirt schaftenden Frauen das Stimmrecht geben und die Ehefrauen durch Ver- dvppelung des Stimmgewichts ihrer Ehemänner entschädigen könnie. Toch das sind natürlich alles in ferner Zukunft erst aktuell werdende Erwägungen. Außer in einzelnecn Staaten Australiens und in Finn land hat man noch nirgends praktische Versuche mit dem Fraueuwah!recht angestellt. Und auch dort erst in allerjüngster Zeit, so daß abschließende Erfahrungen noch nicht vorliegen. Auch in den sonst recht freiheiti'ch regierten Staaten, z. B. in England, denkt man noch gar nicht daran, den Frauen da? Wahlrecht zu geben, obwohl dort schon seit Jahren eine heftige Agitation für das Wahlrecht betrieben und von den Frauen- stiminrechtlern, den srrkkrakftsts, schon mancher Skandal provoziert wor den ist. Im übrigen ober stehen den zu befürchtenden Nachteilen doch auch wieder recht gewichtige Vorzüge gegenüber. Nicht etwa, daß wir eine Veredelung der politischen oder auch nur der Wahlsitten durch den Eintritt de? weiblichen Geschlechts in den politischen Kamps erhofften. Aber man kann wohl annehmen, daß die Frauen mit ihrem stets auf das Praktische und Näherliegende gerichteten Sinn mit der Zeit den Utopisten reckt gefährlich werden könnten. Eine proletarische Fcau wäre durch sofort zu erringende Vorteile ganz gewiß viel leichter aus den Weg der Reform anstatt des Umsturzes zu bringen, als das bei dem durch Doktrinen im Bann gehaltenen Manne möglich sein wird. Man kann ferner voraussehen, daß Frauen, Mütter viel mehr mit Rück sicht auf das künftige Schicksal ihrer Kinder aus die Möglichkeit d r in dividuellen Auswärtsentwickelung bedacht sein werden, als ihre Männer, die heute in der allgemeinen Uniformierung das Heil sehen. Auch aus manchen Verwaltungsgebictcn, besonders in der Polizei, auch als Richter in besonderen Fällen würden Frauen sicher treffliche Dienste leisten. Man könnte also sehr Wahl daran denken, schon jetzt eine solche Entwickelung, die als wahrscheinlich anzusehcn ist, vorzubereiten, so daß in heute noch gar nicht absehbarer Zeit vielleicht einmal die Emanzipation der Frc-u mit dem politischen Wahlrecht die Krönung erfahren könnte. Aberdasist doch schließlich lideraleZukunftSmusik. Und darüber kann unter ernsthaften Politikern bürgerlicher Richtung gar kein Streit scin. daß die Erörterung eines sofort einzusührenden Frauenwahlrechts gar nicht diskutabel ist, daß jede daran gesetzte Minute Zeitvergeudung wäre. Und nicht allein, weil eS doch nicht zu erreichen, sondern auch weil es an sich eine Torheit, eine Sünde wäre, unseren absolut unvorbereiteten Frauen die Geschicke des Staatswesens zu überantworten. Für die Sozialdemokratie freilich existieren solche Bedenken nicht. Bci ter kommt eS ja überhaupt aus ein bißchen mehr Wirrwarr nicht an. Wer das Nislko aus sich zu nehmen bereit ist, unser ganzes Wirtschaftsleben von heute ans morgen aus den Kopf zu stellen, der braucht es auch mit den Folgen der Einführung des Frauenwahlrechts nicht so genau zu nehmen. Herr Ledebour möchte ja auch je eher je lieber den Einge borenen unserer Kolonien, den Hottentotten und Herero, das Wahlrecht, natürlich das allgemeine, gleiche und direkte, präsentieren. Von solchem Standpunkte ans ist das Frauenwahlrecht nur eine selbstverständliche Bagatelle. Für olle übrigen Politiker aber ist die Angelegenheit deck) wo' l noch nicht spruchreif. Und selbst die Ultramontcnen werden sich wohl noch einige Zeit besinnen, bis sie das Experiment wagen. Denn wenn es ihne-i zunächst auch einen sicheren Machtzuwachs brächte, so könnte die Entwickelung der Frauenemanzipotion doch auch leicht über das Zentrum hinweggehen. Denn eine solche Freiheit zieht andere nach sich. Auch wenn man noch so liberal gesinnt ist, wird man deshalb nach Erwägung aller Möglichkeiten in der Verquickung der Preußischen Wahlrechtsfrage mit dem Problem des Frauenwablrechts nichts als einen der üblichen sozialdemokratischen Schwänke erblicken können. Vcn praktischen Erfolgen dieser Bcstrebunaen kann gar keine Rede stin. Nr das eine bleibt sicher, daß die Liberalisierung dcs preußischen Wah'rechts durch diesen neuesten Strftck d-'r Genoßen be, iächttich erschwert worden ftr. Die Reaktionäre l.ber Ganungcu w rde" die Berichte vom „Preußentage" mit Schmunzeln gelesen haben. Abermals hat die dok- trinäre deutsche Sozialdemokratie einen großen politischen Moment ver paßt und sich zur praktischen Lösung großer Aufgaben unfähig erwiesen. Zur Vertretung -er medizinischen Wissenschaft in der Ersten Ttaininer. Die Forderung nach einer zeitgemäßen Aenderung in der Zu- sammensetzung der Ersten Kammer, des sächsischen Oberhauses, ist nicht neu; sie wird seit Jahren schon erhöhen, insbesondere aus den Kreisen der Industrie, des Hande s und des Gewerbcstandes, die eine der volkswirtschaftlichen Bedeutung dieser Berufsstände entsprechende Vertretung in der Ersten Kammer bean pruv cn Die Regierung hatte sich zunächst abwartend verhalten, bis sie schließlich in der vorigen Land- tagsiession von sich aus eine Vorlage einbrachte, nach der eine Aenderung in der bisherigen Zusammensetzung der Ersten Kammer durch Ver mehrung ihrer Mitglieder um sechs statlsinden sollte, von denen fünf vom Könige aus den Kreisen des Handels, der Industrie und des Gewerbcstandes ernannt, das sechste Mitglied aber von der Technischen Hochschule zu Dresden aus deren ordentlichen Professoren gewäb't wer« den sollte. Alsbald nach Bekanntwerden der Vorlage rührte man kich überall in den Kreisen, welche nach ihrer vermeintlichen oder tatsächlichen Be deutung eine ständige Vertretung in der Ersten Kammer bearll"nnchen zu sollen glaubten, in dem Negierungsentwurfe aber nicht die erwartete Berücksichtigung gefunden batten. Bereits unter ocm 12. Januar 1904 hatten die geordneten Vertreterorgane der sächsischen Aerzte, die da maligen ärztlichen Kreisvereinsausschüsse, an die Königliche Staats regierung und an die Ständekammern eine Petition gerichtet, in welcher nehcn den die Vertretung in der Zweiten Kammer angehenden Wün'chen die Bitte ausgesprochen war. daß in der Ersten Kammer einem Arzte Sitz und Stimme eingeräumt werden möchte. Und unter dem 18. Januar 190p war mit Rücksicht aus den nzwischen veröffentlichten Negierun^entwurf über die Zusammensetzung der Ersten Kammer von den Vorsitzenden der fünf Aerztekammern des Königreichs an die Negierung und an die damals tagende Ständeversammlung eine Ein gabe gerichtet worden, welche in das Ersuchen ausgebt: „Die Hohe Stöndeveriammluna wolle bei der Beratung über die Erweiterung der Ersten Kammer dahin Bedacht nehmen, daß in der Ersten Kammer einem Arzte ein Sitz eingeräumt werde." Begründet war das Petitum damit, daß die Bedeutung der medi zinischen Wissenschaft für das Allgemeinwohl an Inhalt und Umfang stetig zunimmt, und daß die großen Ausgaben, welche dem Staate und den Gemeinden im Interesse einer gedeihlichen Gesundheitspflege und eineS gedeihlichen Gesundheitsschutzes zu lösen obliegen fortgesetzt sich erweitern, so daß die Sicherung der verfassungsmäßigen Mitgliedschaft eines Vertreters der Kekundheitswissen chast in der Ersten Kammer zur richtigen Wahrung der betreffenden Lebensinteressen von Staat und Gemeinden als unbedingt notwendig erachtet werden muß. „Nicht um die Interessen eines einzelnen Erwerbs st ari des bandelt eS sich hierbei" — so ist in der Eingabe ausdrücklich be tont — „sondern vielmehr darum, daß mit Rücksicht aus die Erfah rungstatsache. daß zu den wichtigsten Fundamenten deS modernen Staatslebens neben einer geordneten Rechtspflege eine geordnete Gesundheitspflege gehört, die medizinische Wissenschaft durch einen Arzt in der Ersten Kammer ständige Vertretung erhalte." Der Regierungsentwurf ist bekanntlich von der Zweiten Kammer lin der Sitzung am 4. und 5. April 1900s abgelehnt worden. Schon da- mal» aber hatte ein nicht unerheblicher, wenn schon zunächst noch in der Minderheit verbliebener Teil der Abgeordneten sowohl in der Gesetz- gebungsdeputation 15 von 13 Mitgliedern!, al» auch bei der Beratung im Plenum 128 von 73 anwesenden Abgeordneten! dafür gestimmt: daß ein 11! von den ärztlichen Kreisvereinen auf Lebenszeit gewähltes Mitglied" in der Ersten Kam mer Sitz und Stimme erhalte. Jetzt nun ist die Frage einer veränderten Zusammensetzung der Ersten Kammer vom Landtage lelb't wieder ausgenommen worden. Bon den drei in ber Sitzung am 29 Ok- tober 1907 zur Sache einoebrachten und der Ge'etzacbungsdeputatlon überwiesene» Anträgen dürfte der Antrag der nationalliberalen Fraktion, der zwischen dem konservativen und dem freisinnigen An träge die Mittelstraße innehält, am meisten Aussicht haben, die ersorder- liche Mehrheil auf sich zu vereinigen. Zu diesem Anträge äußert sich nun auch das fachärztliche Organ, das weben erschienen ist. Es gibt die Ansichten der sächsischen Aerzte- schast mit folgenden Worten wieder: Mit Genugtuung begrüßen wir sächsischen Aerzte diesen nationalliberalen Antrag, weil er der Bedeu tung der Gesundhcitswissenschas! im modernen Staaisleben Rechnung zu tragen sich bemüht. Unsere Genugtuung ist um so größer, als nach den Ausführungen des seinerzeitigen lI906> Teputationsberichierstatters der Ersten Kammer, Geh. Rat Wach-Leipzig, und nach dem Votum dieser Deputation der für das Gemeinwohl und das gesamte S>aatS- leben so außerordentlich wichtige, unentbehrliche Faktor „Gesund heit s w i s >e n s ch a s t als e:ne b e r u s s st ä n d i s ch e A n g e l e g e n- heit und die Vertretung dieses iür Staat und Gemeinde so bedeutungs vollen, im wahrhasten Sinne des Wortes volkswirtichastlichen Faklors in der Ersten Kammer als eine berussständüche Interessenvertretung, analog der der Hausbesitzer- und Grundbesitzervereine, Handwerker innungen und ähnlichen wirtschaftlichen Gruppen, hinzestellt erschien. Hoffen wir. daß im zielbewußten Zusammenarbeiten zwischen den Ständekammern und der Königlichen Staatsregicrung etwas Ersprieß liches geschossen wirb, und daß hierbei insbesondere auch der Geund- heitswissenschaft die ihr gebührende ständige Vertretung in dem Ne- präsentativkörpern des Landes gesetzlich ewährleistet wird — nicht in unserem Jnleresse, im Interesse der Aerzte, sondern im Interesse der Allgemeinheit. Die Londoner Atolonie und der deutsche Kaiser. IVon unserem Londoner L-Korrespondenten.) Der Nachhall des Kaiserbesuches in der deutschen Kolonie Londons ist noch keineswegs am Verklingen. Er teilt vielmehr um jedem guten Echo die Eigenschaft, daß vor dem Austönen noch ein Crescendo erfolgt. Die Deutschen beginnen jetzt erst recht, ihre Meinungen auözulaujchcn. In einem Lande, wie England, huldigt die Kolonie selbstverständlich in der Hauptsache liberalen Anschauungen. Gerade deshalb tritt nach einem Besuche des Landesfürsten die Kritik erst nach dem Adstrersen einer gewissen Reserve hervor. Es ist gleich von vornherein scstzustellen, daß die beiden Majestäten sich eine bleibende Erinnerung bei vielen ücuiichcn Teilnehmern der Feste in der Botschaft gesickert hoben. Weniger freundlich lautet das Urteil über die Leistungen der Barschaft. Es ist naturgemäß, daß an die Botschaft bei einer solchen Gelegenheit allerlei Anforderungen aus dem Kreise der Kolonie heronireren, auch unberechtigte, denen nicht willsahrt werden kann. Es sind, und zwar mit Recht, Summen laut ge worden, daß in dieser Beziedung die Botschaft vielleicht mit mehr Be stimmtheit hätte austreten können. Immerhin ist es erfreulich ge sunden worden, daß die Botschaft wenigstens einzelne Leute von der kaiserlichen Gegenwart fernzuhallen gewußt bat, die vor zwer Jahren zum Erstaunen der Eity mit anderen deutsche Dekorationen erhallen hatten, schon damals keine geeigneten Empfänger solcher Auszeichnung waren und in der Zwischenzeit offenkundig ihrer unwürdig geworden sind. Nock bci dem Empfang in der Guildhall suchten die betreffenden Persönlichkeiten Zutritt. Tas ist nur eine kleine Episode, die beweist, daß man in Berlin bci den Bemühungen, dem Teulschtnm im Auslande Freundlichkeiten zu beweisen, nicht immer gut unterrichtet ist. Es bleibt freilich sehr fraglich, ob die Botschaften immer um Auskunft an gegangen werden. Darüber, daß bei der Ordensverteilung im Anschluß an den Kaiser besuch einige handgreifliche Inkonsequenzen vorgekommen sind, braucht man wenig Worte zu verlieren. Tie Kolonie amüsiert sich darüber; die Ordensaesegneten liebkosen ihr Knovfloch auch so. Etwas ernster hin gegen ist die merkwürdige Erscheinung, daß aus der VorstellungSliste kein einziger der vielen hervorragenden Weltkauileiite zu finden ist, die als Zierden des Deutschtums ihre Firmen in der Eitv von kleinen An fängen zu erdumspannenden Unternehmungen herausgcarbeitet haben. Es gibt fast keine Branche des Großhandels, in der nicht erstklassige Menschen dieses Schlages, Leute von größerem Zuschnitt als die vom Kaiser gerngesehenen „Amerikaner" zu finden sind. Freilich sind diese Leute mit ganz wenigen Ausnahmen viel zu unabhängig, um sich oer Botschaft auszudrängen. Sie empfinden ihren völligen Ausschluß von der Borstellungsliste auch nicht als Zurücksetzung — darüber sind sie hinaus —, aber sie bedauern ans rein praktischen Gesichtspunkten eine Botschaft, die mit dem besten Teile des Londoner Deutschtums keine Fühlung finden kann oder darf. Und man fragt sich, wie eine solche Botschaft bei dem Kanimannsvolk der Engländer wohl gewogen werde. Der deutsche Handel ist in London in einer eigentümlichen Lage. Erne deutsche Handelskammer gibt es nicht. „Teutichlaud" ist ja die einzige europäische Negierung, die keine nationalen Handelskammern im AuS- lande „wünscht . Der vom englischen Individualismus angcsteckie Kauf- mann sucht die „nicht gewünschte" Gruppenbildung ohnehin nicht viel. Die Botschaft kann also zu ihrer Entschuldigung ansüliren, daß eS kein „berufenes Organ" für die Auswahl der einzelnen Kaufleute gab. Dann darf man aber sraaen. wer das berufene Organ war, das die deutschen Finanziers auf die Liste setzte? Der Kaiser würde Kaufleute sehr gern gesehen haben. Das geht, wenn man des Kaisers Interesse am kaufmännischen Leben nicht ohne- hin kennte, aus seinen Unterhaltungen mit den Kaufleuten und Bank beamten unter den Reserveoffizieren hervor, die auf der Botschaft an traten. Der Kaiser richtete an jeden einzelnen der Herren das Er suchen. ein Urteil über die Geschäftslage m seiner Branche anzugeden. Einem Clerk in einem großen Londoner Kupserhaus setzte die Majestät aus eine in der Verwirrung etwas konfus ausgefallene Antwort in treffendster Weise die Ursachen der Kuvserbaisse auseinander. Mit den Bankbeamten unterhielt er sich über die Krise in Amerika, und zeigte sich dabei bereits über Ereignisse unterrichtet, die der Telegraph lelbst dem Fackvublikum erst später meldete. Eine auch in London domizilie- rende Pneumatiksabrik Haire drei Herren aus ihrem Stabe unter den Reserveoffizieren. Der Kaiser verglich lachend den Erfolg der Firma mit seinen eigenen Erfahrungen über Pneumatiks, die er als Aino- mobilist auf der Landstraße machte. Bei dieser Gelegenheit sprach der Kaiser auch mit offenbarer Sachkenntnis von der Lage der Gummi- industrie. Eine kleine Vorlesung über seinen Artikel gab die Ma;eftäl einem Herrn auS einem Ouebrachohaus, wobei gleichzeitig vie wirtschaft lichen Verhältnisse in Südamerika zu einer scharf umrissenen Ski.zze kamen. Den Offizieren fedeS einzelnen Regiments rief er Einzelheiten aus der neuesten Regimentsgeschichte in Erinnerung. Tie Toteukop'hiisaren wurden als das Lieblingsregiment de? Kaisers bezeichn«. Der Offizier eines hannoverschen Regiments gab dem Kaller Vcranloiiung, die Kaiserin herbeizuruscn und ihr zu erklären, dirS sei das Regiment, besten Oberst zu Pferde die Trevpen hinaus in den Speiscsaal seiner Offiziere gelangte, um von ihnen Abschied zu nehmen. Hinter den ftiziercn batten auch die dem Ofsiziersverein angehörigen Vizcscldwebcl und Vizewochtmeister, diese im Frack, Ausstellung genommen. Tas mili tärische Gefolge des Kaiser» war der Meinung, viele Herren seien nicht vorzustellen Der Kaiser selbst kehrte sich aber nicht an die Bedenken der militärischen Etikette und sprach mit der Mehrzahl der Herren. Dabei kamen die Majestäten auch zu einem Herrn, der zum Offizier qewäblt ist, aber die kaiserliche Bestätigung seiner Wahl noch nicht er halten bat und den Sachverhalt erklärens, bemerkte, daß er deshalb nicht in Uniform erschienen sei. Die Kallerin klopfte den Herrn tröstend mit dem Fächer auf den Arm und bemerkte: „Armer Mann!" Die
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