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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 25.11.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-11-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19071125015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907112501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907112501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-11
- Tag1907-11-25
- Monat1907-11
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-hl.) »d 1o- SO. l,») la« eote tun« >nn- > a» den rerie irtS nach luL. Lwf »i«. lückr > der TaS i«»e um e len r im oder Irver itück- Mr Sei,« > au» ind- Bor. den voll- I ab- auf li'che Heio- Ban littet le ist mit und nent. lenae 'Stzrg er art >»ea« Um- n die und i ter eut- lenen Er in». Eis. igkeit' « am -glich Hang lilnm r der erbe» m iu jirma über lui'k- tiung und al)eu landS ligem ischeu 17» dlung Mde» Weih. Bezugs-Preis iür L-iptzg und Borortt durch uuie« LrLger und Lpedttru« in« Hau« gebracht: Lurgabe « (nur morgen«) viertelit-rlich 3 M monatlich t M. Lutgabe u (morgen« und abend«) viertrl- lÜrlich 4.50 M. monailich 1.5V M. Durch dt« Poft bezoaen (2 mar iLgltch) innerhalb Leutichlanb« und der deurichen Kolonien veerttllabruch 5,25 W monatlich 1.75 M au«ichl Poft- beftellgeld -ür Oesterreich v L t>Ü u. Ungarn ü L vierteljährlich. Ldonnement-Annabme Augustusplatz 8, bei unieren LrLgern gilialrn, Spediteuren and Annahmestellen, «wie Postämtern und Briefträgern. Die einzelne stummer rostet ,0 Pfg. sttedattion und Lrpeditiou: IobaunlSgaste 8. Deleobon Nr. 146S2 Nr. 1«SL> Nr. 14604. lverliner Nedaktwu« Bureau: Nerlin 8V. < Prinz Lome fferdinand- Ktrastc 1. Telephon L Nr 9275. Morften-Ausfjabe 8. WpMtrTagMM Handelszeitung. Ämkcvlatt des Rates und -es Rolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeige«-Preis tstr Inlerate au« Leipzig und Umgebung di« Sgeivaltene Petitzeile 25 P' . knanziell« Anzeige, 80 Pt. Reklamen 1 M. ; oon -u«u>Lrr» 80 Pf. Reklamen 1.20 M vvmLu«land50Pf., ftnanz. Anzeigen 75 Pf. Reklamen 1.50 M. Inserate». Behörde» im amUichen Teil 40 Pf Beilagegcbubr 5 M. v. Tausend exkl. Post gebühr. »eschaftdanzeigen an bevorzugtet okelle im Preise erbäht. Rabatt nach Tarif, -tefterteilte «usrrtge können nicht zurück- lezogcn werden, ltur da« Erscheinen an bestimmten Tagen i nd Plätzen wird keinc <Sar.lntie übernommen. «itzeigen-Annobmei Augustubplatz 8 vc> sämtlichen Filialen u. allen Annoncen. i«Lp«dltionen be« In- und Auklande«. Haupt mltale Berit» Carl T uncki verzogt. Bahr. Hofbuch» dandlunq Lützowftraße 10. lTelephon VI. Nr. 4M3-. Nr. 327. Montag 25. November 1907. 101. Jahrgang. Das Wichtigste von, Tage. * Im Befinden der Königin-Witwe Carola ist, wie aus Dresden gemeldet wird, eine weitere Besserung zu ver zeichnen. Der Appetit wächst und die Krankheitserscheinungen nehmen ab. * General v. Kessel, Kommandierender des Gardekorps, hat seinen Abschied eingereicht. sS. Dtschs. N.) * Gegen die Grasen v. Hohenau und v. L Y n a r ist das eh r e n- gerichtliche Verfahren auf Befehl des Kaisers eingeleitet morden. sS. Dtschs. R.) * Gegen Ministerpräsident Stolypin ist ein neues Attentat versucht. sS. Ausl. u. Letzte Dep.s * Der Pariser „Gil Blas" meldet aus P o r t u g a l, daß die L a g c dort äußerst kritisch sei. sS. Letzte Dep.j * Aus Lissabon wird gemeldet: Amtlich wird in Abrede gestellt, daß zwischen dem König und dem Kronprinzen Mei nungsverschiedenheiten bestehen. Auch sollen die pessi mistischen Gerüchte, die' über Heer und Marine, über Attentate usw. verbreitet werden, jeder Grundlage entbehren. * Der zurzeit in Bayreuth weilende Kammersänger Theodor Bertram hat gestern, vermutlich in einem Anfall von Geistesstörung, Selb st mord begangen. sS. Feuill.) Kavlainentarische Wochenschau. Bier Sitzungen in einer ganzen Woche und davon eine noch, die volle fünfzehn Minuten in Anspruch nahm, — da bleibt nicht viel übrig. Die anstrengenden Debatten der vorhergehenden Woche wirkten doch noch nach, zudem gab es wegen des Wasiergesetzes, das sonst einen sehr .egieoigcn Beratungsstoff geliefert hätte, noch <im letzten Augenblicke Schwierigkeiten, der Bußtag riß auch noch die Woche in zwei Teile, kein Wunder, wenn da das Parlament sich mit „Lückenbüßern" behelfen mußte. Ciner dieser Lückenbüßer, der sonst stets ohne Sana und Klang erledigt zu werden pflegt, weil er eben die formell-rechtliche Unterlag« für die Steuererhebung bildet, das königlick» Dekret Nr. X. über die vorläufige Forleryebnng der Steuern und Abgaben, gab diesmal uner wartet den Anlaß zu dem bedeutsamen parlamentarischen Ereignis der Woche und damit gleichzeitig zu einer der wichtigen Regierungskund- gebungen dieser Session überhaupt: zu der Erklärung des Finanz ministers über die Erhöhung der Bcamtengehälter. Eine solche Er klärung sollte schon am letzten Tage der Etatsdebatte, am 14. V.-M., ab gegeben werden, sie mußte aber unterbleiben, weil der König in Tarvis weilte, und die bei ihm telegraphisch erbetene Genehmigung zur Abgabe dieser Erklärung nicht bis zum Schlüsse der Sitzung eingctroffen war. Die übrigen Sitzungstage und das an ihnen zur Beratung stehende Material — Ueberlassung der Schillingschcn Figuren von der Brühlschen Terrasse an die Stadl Chemnitz und die Aufhebung der auf die Erb schaftssteuer bezüglichen Gesetze — boten keinc direkte Möglichkeit, eine solche Erklärung abzugeben, und vielleicht ist es auch dem Finanz minister und seinen Kollegen nicht unlieb gewesen, mit dem inzwischen nach der Residenz zurückgekehrten König nochmals mündlich die wichtige Angelegenheit erörtern zu können. Am Donnerstag aber sagte der Finanzminister, der diesmal ex «ckkioio im Namen der «gesamten Negierung sprach: „Heut' vollend' ich's, die Gelegenheit ist günstig." Nämlich insofern, als man bei Be ratung des Steuerdekrets den Landtag und die Steuerzahler sein deut lich darauf Hinweisen konnte, daß man den Beamten schon meyr Gehalt geben will, wenn — die Steuerzahler das dafür nötige Geld aufbringen. Es war ganz angebracht, daß dieser Punkt einmal etwas mehr in den Vordergrund gerückt wurde. Bei der allgemeinen Etatsdebattc ist man über lhn entschieden zu leicht hinweggegangen, wie wir schon in der letzten „Wochenschau" andeuteten. Nun soll den Beamten die Ausb e-sse» rung angesichts der verteuerten Lebenshaltung gewiß gern gegönnt sein, Die meisten Etatredner verlangten aber vom Finanzminister die Er füllung zweier, sich direkt ausfchließender Forderungen: er sollte in eine Abschaffung des 25prozentigen Einkommcnsteuerzuschlags willigen oder diesen wenigstens ermäßigen, und er sollte gleichzeitig auch eine so fortige Erhöhung der Gehälter, Pensionen und Witwen- und Waisen gelder der Beamten eintreten lallen. Daß dies nicht möglich war, da- von haben sich durch die Verhandlungen in der Finavzdcputation Zc auch die in dieser Frage zum Teil eine Oppositionsstellung einnehmenden Konservativen größtenteils überzeugen müssen, und so konnte denn Abg. Opitz verkünden, ihm sei für diesen Fall von den Konservativen Prokura erteilt, und kraft dessen versichere er die Negierung der tat- kräftiaen Mitwirkung der Rechten. Bei den Beamten freilich wird die Erklärung des Fmanzministers nur geteilte Freude erwecken, die aber keineswegs doppelte Freude sein dürfte, wie das ja sonst nach dem schönen Berschen sein soll. Tenn nach den vielen schönen Reden, mit denen die Volksvertreter ihre Be- amtenfreundlichkett erklärt hatten, konnten diese sich sehr wohl darauf spitzen, schon vom nächsten Jahre an in den Genuß der erhöhten Ge- hälter zu treten. Dadurch hat ihnen nun der „Oberkallulator" einen Strich gemacht, will aber dafür die Wohnungsgeldcr verdoppeln und zwar mit rückwirkender Kraft bis zum 1. Juli 1907. Dem sreikonserva- kiven Abg. Facius, der gesagt hatte, die Wohnungsgelder würden nur als ein Beschwichtigungspflastcr für die noch ousgebliebcne Gehaltsregulie rung angesehen, entgegnete der Finanzministcr spitz mit einer Variation über das bekannte Thema: „woher nehmen und nicht stehlen?" Er hatte damit auch nicht so unrecht. Freilich müssen wir betonen, --aß auch wir der bereits im vorigen Wochenartikel zum Ausdruck gebrachten Ueber- zeugunq gewesen sind, bei ciner Gestaltsouibesserung werde die Vorlage über die Wohnungsgelder zurückgezogen werden. Ist eine Auf besserung der Beamtengehälter schon ab 1908 nach dem der zeitigen Stande unserer Finanzen nicht möglich, so würden wir es für richtiger halten, wenn man gleichwohl die WobnnngSaeldvorlage fallen ließe und die frei werdenden 314 Millionen Mark dazu ver wendete, die Pensionen, sowie die Witwen- und Waisen- aelder bereits ab 1. Januar 1908 zu erhöben. Die Familie, deren Ernährer noch lebt, empfindet die Not der Zeit zwar auch, ober nicht in dem Maße, wie die, die arbeitsunfähig geworden sind, oder denen der Ernährer geraubt ist. Es wunden uns. daß dieser Gedanke nicht in der Debatte ausgetaucht ist; vielleicht wird er in der Finanz deputation /V noch verwertet, der die schwierige Aufgabe zusallen wird, die einander widerstrebenden Wünsche auszualeicken. Und hier wird ja auch die Frage zu erörtern sein, ob nicht doch noch ab 1. Januar 1W8 die Reamtenaehälter allgemein neu geordnet werden können. Die Deckuna für die entstehenden Mehrausgaben von 13 Millionen Mark wird schwer genug zu beschaffen sein. Herr Dr. v. Rüger operierte sogar schon mit einer Erhöhung der direkten Steuern für die Finanzperiode 1910/11. Soweit hierunter eine abermalige allge meine Erhöhung der Einkommensteuer verstanden sein sollte, müssen wir uns ganz entschieden dagegen aussprechen. Da wäre schon der vom Abg. Goldstein gemachte Vorschlag viel eher diskutabel, die höheren Ein kommen stärker heranzuziehen. Hat doch, wie Abg. Goldstein ganz ge schickt in Erinnerung brachte, in den 90er Jahren des abgelaufenen Jahr hunderts der Zweiten Kammer ein Antrag Dr. Mehnert und Genossen Vorgelegen, eine Neuregelung des Einlommenstcuertariss bi? zu 5'- Pro zent vorzunehmen. Ob die schärfere Lupe, die Abg. Goldstein für die Betrachtung der Einkommcnsteuerdcklarationcu empfahl, und die An drohung von Gefängnisstrafen für solche Deklarationen wirklich dem Staate jährlich 20 Millionen mehr einbringen würde, möchten wir doch bezweifeln. Hinter den Steuern ist die Finanzverwaltung bei uns in Sachsen her wie der Teufel hinter der armen Seele, und die Geldstrafen, die jetzt auf falsche Deklaration gesetzt sind, verfehlen ihre Tendenz als Abschreckungsmittel nicht. Ebenso verfehlt scheint uns aber der Rat, einen Teil der Hundertmillionenanleihe zu begeben. Es ist uns schon nicht sehr sympathisch, daß der Finanzminister die 4 029 500 Mark, die gemeinjährig in den Titeln 17—23 des Kap. 16 sEisenbahnens des ordent lichen Etats für Vermehrung der Lokomotiven, Personen- und Güter wagen usw. voraesehen sind, in den außerordentlichen Etat übernehmen will. Das ist Watzdorfjsches System, und zu diesem, das erst unlängst eine so scharfe, wenn auch gerechtfertigte Verurteilung erfahren hat, dürfen wir nicht zurückkehren. Hier heißt es: prinoipii« obsta! Sind in diesem Etat erst mal wieder 4 Millionen aufs Extraordinarium genom men worden, sn ist das böse Beispiel gegeben, und ehe wir es uns ver sehen, stehen in der folgenden Finanzperiode wieder 6 oder noch mehr Millionen darauf, und so gcht's dann fort. Also lieber suchen, auf andere Weise die Summe einzubringen. Einen Weg dazu hat d>e Regierung bereits angegeben: die Neuordnung, nämlich Erhöhung des Urkunden- stempels. Wenn dieser nach den Aeußerungen Rügers 2'4—3 Millionen jährlich mehr ergeben soll, als jetzt, so geht man Wohl nicht fehl in der Annahme, daß es sich im allgemeinen um eine Verdoppelung han delt, denn im Etat 1908/09 sind dafür 2157 000 Mark als Ertrag ein gesetzt. Aus dem Schluß der Sitzung ist noch ein ziemlich scharfes Renkontre zu erwähnen, das der Leipziger Abgeordnete Dr. Schill mit dem Frei- konservativen Facius hatte. Diesem war schon vom Finanzminister nach gewiesen worden, daß die Deckungssraae nicht so einfach lei, wie Abg. Facius sic sich denke, und Dr. Schill setzte noch einen Trumpf darauf, als er Herrn Facius im Anschluß daran den Rat gab, die neue Gruppe möge sich doch statt des Namens „sreikonservativ" die Bezeichnung „wild konservativ" zulegcn, denn einen solchen Ton, wie Facius, hätte nicht einmal der sozialdemokratische Vertreter angeschlagen. Wenig glücklich war übrigens der Hinweis Dr. Schills darauf, daß die Freikonscrva- tiven im Reiche mit seinen politischen Freunden zum Teil auf demselben Boden stünden Das ist doch gerade unser Unglück in Sachsen gewesen daß die NationaHiderolen eine lange Zeit vergessen hatten, daß in ihrem Namen da? Wort „liberal" einen wesentlichen Teil ausmacht, und sich zu der unseligen Kartellpolitik hergegeben hatten. Daß Herrn Dr. Sckill manches davon sympathisch berührt, wundert uns freilich nicht. Gerade er ist es gewesen, der die Neigung nach rechts stets besonders begünstigt hat. Wenn er sich aber gleichwohl noch als nationalliberal bezeichnet, so war jener Hinweis recht wenig am Platze. Man braucht darum sachlich mit der Auffassung, die Abg. Facius vorbrachte, noch gar nicht überein zustimmen. Registrieren wir schließlich noch, daß am Donnerstag der an Stelle des verstorbenen Aba. Kluge im 14. ländlichen Wahlkreise gewählte Pfarrer Starke in das Haus eintrat, ein Mann, dem man den agrarisch gesinnten Landpfarrer auf zehn Schritt Entfernung ansicht, und daß sich die Erste Kammer zu ihrer vierten s!> öffentlichen Sitzung in dieser Legis laturperiode versammelte und debattelos die Anträge der Berichterstatter guthieh, so wäre kür heute die Reihe der bemerkenswerten varlamen- tariscken Ereignisse dieser Woche erschöpft. Die nächste Woche wird lebhafter, denn in der Zweiten Kammer kommen sowohl das Wasser gesetz, wie die Vorlage über die Besoldung der Volksschullehrer dran. Dev Nasi-Prozetz. sVon unserem römischen O. - Korrespondenten.! Rom. 18. November. Was der Prozeß bis zu feiner Vertagung zur Erhellung sowohl des moralischen oder gar kriminellen Charakters Nasis, wie der Funktionsart der Staatsverwaltnnasmaschlnc geliefert hat, ist rasch gesagt. Gegenstand der Anklage, die der Senat zu beurteilen von der Kammer berufen ist, ist die Verunircuung von insgesamt 85 060 Lire staatlichen Geld.s, die während der vom 15. Februar 1901 bis zum 29. Oktober 1963 währenden Amtszeit Nasis als Minister des öffentlichen Unterrichts- wesens vermittels Fälschungen und Mißbräuchen verschiedener Art be wirkt worden sein soll. T>c 85 000 Lire verteilen sich auf angebliche Reisekosten Nasis und seiner Sekretäre, auf Ankäufe mannigfaltiger Gegenstände mehr und minder außeramtlichen Gebrauchs, aus Ankauf und Einbindung von Büchern, die Nasi sich zueignete, auf ein paar künstlerische Arbeiten, die Nasi darstellen, bezw. von ihm widerrechtlich in Besitz genommen sein sollen. Von dieser Anklage nun, insoweit sie dolose Fälschungen, Unterschlagungen, Veruntreuungen und dergleichen auf selten Nasis voraussetzt, ist bis heute nichts erwiesen worden. Dies trotz einer Menge vernommener Belastungszeugen, die, insoweit sie wirklich und ernstlich belasteten, nur Gerüchte und Eindrücke, aber keine objektiven Tatsachen bekundeten: und es hat den Anschein, daß die ncch zu vernehmenden hundert Belastungszeugen nicht viel mehr und nicht viel schlüssiger aussagcn werden, so daß sie durch die dreihundert Entlastungszeugen beguem mattgesetzt sein dürften. Was bis letzt zu Lasten Nasis, hauptsächlich dank seinem eigenen Geständnis, sich ergeben hat ist lediglich dies: er Hal von der Rolle und der Mission eines Italic- nischen Ministers eine zu große Meinung gehabt und infolacdcssen auch etwas autokratische Kriterien bei der Verwaltung des Staatsgeldes und der Unterscheidung zwischen Amt und Perlon betätigt, er aal mit anderen Worten einigermaßen „l'llstat esst, moi' gespielt und seine per sönlichen mit den Amtsinteresfen auch dort zusammengeworfen, wo die Buchhalter des Ministeriums und des Rechnungshofes sic skrupu'ös auseinanderhalten müssen. Von jenen 85 000 Lire, die sich übrigens nach Abzug der inzwischen durch allerseits anerkannte Feststellungen vollständig gerechtfertigten Beträge aus 25 -30 0-10 Lire reduzieren, Hal Nasi in bewußtem und sträflichem Eigennutz für sich oder seine Familie sicherlich nichts oder zumindest nichts Nennenswertes behalten. Tic- icnigen Beträge, die er nach eigenem Eingeständnis unter falschem Titel gebucht hat, hat er tatsächlich ausgcgcben für staatspolitische Zweck«, über deren Opportunität und sogar Legalität man streiten, die man aber auch nicht obleugnen kann. Ich rechne zn diesen Zwecken — naiür- lich nicht absolut, sondern für Italien, wo zufolge einer von mir vcc ns bei früherer Gelegenheit gegebenen Kennze'cknung die politischen Fcsi- toren und Verhältnisse lehr menschlich verstanden sein wollen — auch die „Beeinflussung der öffentlichen Meinung", falls sic einer von der politi'ck verantwortlichen Stelle für nötig oder nützlich erachteten ici-tz- gebcrischen Reform abgeneigt ist. *erner die .Korrektur" der Tenveugea von Beru'skongresfcn, wenn diese, wie z. B vor einigen Jahren die Mittelschullehrer, Streik oder Obstruktion zu votieren geneigt sind, und nur die Herbeischaffung von korrekt denkendem „Stimmvieh d.ese Neigung zu paralysieren vermag, sodann die Bevorzugung des ministe riellen Wahlkreises bei der Verteilung der im Ministerium verfügbaren Gegenstände, Gelder und Posten, endlich die heimliche Anstrebung eines offiziell nicht anerkannten Zieles, wie z. B. eines Grundbefltzerw-rbs in Tripolis aus politischen Gründen, wie ihn Nasi in der Form, einer archäologischen Expeditiousoorbereitung vergeblich hat versuchen lasse». Bei derlei Manipulationen, die im Falle Nasi noch durch ein n großen persönlichen Ehrgeiz und ein aus diesem entsprungenes Bedürf» s, sich die Basis zur Mehrung der politischen Erfolge zu legen, kompliziert worden sind, läuft natürlich mancherlei unter, was nich: nur nicht vor dem seligen Cato, sondern auch nicht vor einem rechtschaffenen Buch halter Gnade findet, ohne daß doch zugleich von dem Vorbandeniein einer jchurkcnhaftcn Gesinnung oder Betätigung des Ministers oie Rede sein dürste. Wenn an der Verausgabung jener Summen, sowie der zwar heute nicht zur Anklage gestellten, aber immer wieder aus prozessualisch wenig einwandsfreien Gründen herangezogenen Subsid'engelder "'n oe- dürfngc Elementartehrer und deren Familienglieder sdie Substcuen-- gelder sollen Nasi und sein Sekretär Lombardo zum großen Teil in die eigene Tasche gesteckt haben, und die ersten Ankläger „bewiesen" las durch die Behauptung von Ouittungsfälschuugen; die bisherigen mit dem Prozeß gegen Nasi befaßten Gerichtsinstanzen haben iiEess-.n die Indizien für Fälschungen als unzulänglich erklärt! etwas strc.frcchsi'ck Bedenkliches ist, so ist Nasi daran ebensoviel und ebensowenig schuldig, wie die meisten seiner Vorgänger. Liegen die Dinge nun so und verreist sich die administrative und strafrechtliche und moralische Verantwortung für die heute inkrimi- nierten Tatsachen gleichermaßen auf Nasi und das politische, bureau- kratische und soziale Milieu, in dem er steht, so wird die eigentlich interessante Frage die: wie konnte man wegen einiger lau'end Lire sich in Italien so fürchterlich moralisch geben und einen Staatsprvzeß anrich- len, der einen ehemaligen Minister wwie aktiven Parlamentsdeputierten von unbestreitbar großen geistigen Fähigkeiten nebst der ganzen Staats maschinerie vor Inland und Ausland so unsäglich kompromittiert? Die Antwort hierauf hat der Prozeß sehr viel besser gegeben als den Beweis der Anklagen selbst. Da trat als „Zeuge" der sozialistische Erdeputiertc Ciccotti auf, der vor vier Jahren die ersten Anklagen gegen Nasi öffent lich ausgesprochen hatte; er bezeugte aber nicht eine Kleinigkeit, die nicht vom Hörensagen abgeleitet war, und hielt vor dem Senai eine Bolks- tribunenrcde gegen den verseuchten Staat, in welchem dreier Nasi gleich so und so vielen anderen die Gelder der ausgebeuteten Proletarier zu seinem und seiner Kumpane Wohl habe verbrauchen, sowie entgegen Recht und Gerechtigkeit bei der Besetzung der Stellen habe Favoritis- mus üben können; doch kaum war ihm dies Wort entkahrcu da präsentierte Nasi dem Senat einen Brief des Herrn Ciccotti 'elber, iu dem dieser den Nasi an die Gewährung der ihm von Nasi trotz des nn> günstigen Votums der Fakultät zugeiagteu Professur in Meisina er innerte und auch dankbarst das ihm von Nasi gleichfalls zuaeiagle Gehalt für einen Monat vor dem Antritt der Professur annaym. Da trat als „Zeuge" der sizilianische Deputierte Saporito aut, der sich weder in oratorischer noch in politischer Fähigkeit mit Nasi messen kann und weder in Sizilien noch in Rom nennenswerte Erfolge errungen hat, und aab sich als Mann der Pflicht und der Gerechtigkeit, der für des Vaterlandes Rettung „im Namen" der Budgetkommission der Kammer ausgerechnei und ausschließlich das Budget Nasis nachgeprüst hat und dabei die be wußten fürchterlichen Feststellungen hat machen müsien; der edle Herr Saporito nahm es so ernst mit seiner patriotischen Mission, daß er diese Feststellungen über diesen Nasi, den er auch als einen der Mandanten der Mörder seines Bruders angegeben hatte, seinerzeit zuerst der Rresic und dann der Budgetkommission und der Kammer mitteilte, daß ersuch einige Zeugen bestach, die vor Gericht den effektiven Emp'ang von Sub- sidicn durch Nasi verschweigen iollten. Tann kam als „Zeuge" der Dc- puiierte Cortese, der während der nahezu ganzen Amtszeit Nasis Unter- staatssekretär im Unterrichtsministerium gewesen ist und der öffentlich in den Chor der Ankläger Nasis einstimmte, als Herr Saporito mir seinen Thesen herausgetreten war; und von diesem r>c>8t Isstiun so korrekten Herrn Cortese weiß man, daß er gegen den Willen Nasis das Untcr- staatssekretariat nur behalten konnte dank Herrn Giolitti, der einen Spion in Nasis nächster Nähe brauchte, sintemalen die Chancen Nasis, Zanardellis Nachfolger im Ministerpräsidium zu werden, seinerzeit ebenso gute waren wie die des Herrn Giolitti. Und die Hauvtzeuaen zur Belastung, der Ministeriolökonom Fornari und etliche andere Be amte. sie milderten vor dem Senat ganz erheblich, was sie »rühcr den Kommissionen und Kommissaren angegeben hatten, und räumten ein. durch das argwohngcsckwängerte Milieu zu Uebertreibungen gegen Nasi veranlaßt worden zu sein, nm solcherweise zugleich ihre eigene Verant wortlichkeit zu entlasten. Und von der (Zeichen Furcht, in der Presse der Mitschuld verdächtigt werden zu können, ließen sich die fünf Kom missare bestimmen, die die Enguete gegen Nasi am der Basis der Thesen Savoritos binnen acht Tagen erledigten und für Versetzung Nasis in Anklagezustand Plädierten, und lasten sicki heute vor dem Senat die drei Vertreter der Kammer bestimmen, die sich nickst genieren, in Vertretung der Anklage Bagatellen van Pkenniawert zu diskutieren. Sie spotten ihrer selbst und wissen nicht, wie. 130 Männer van den edelsten der Nation sitzen nun wochenlang zusammen, um zu entscheiden, ob das Rasiermesser tür den Herrn Minister — dieser Mann, der nickt rcick ist. der auch als Minister trotz der 24 060 Liretül Jabresgehast im vierten Stock wohnte, dessen Familie die Hossestlickkeiten nickt mit mackste, dieser Mann rasiert fick, wie nun Gott sei Dank urki!? at. arbi^ weiß, selbst — von ihm selbst oder vom Staate bezahlt worden ist. ab der Ziaarrenosckenbehälter im Ministerium geblieben oder in die Privat- Wohnung gelangt ist, ob der Familienname „Sck'nein" oder „Banck" unter einer Suhsidienguittung einem leibhaftigen Menschen e-anen kann oder erfunden ist, usw. usw. lind der Prozeß nm dieser Willigkeiten willen und der, wie gesagt, diskutablen 20—30ED Lire, kostet den Staat Italien zweifelkas an die 1'^ Millionen Lire. Zn alledem rmniert man eine tüchtige politische Krast. die dem Lande nock viele wertvolle Dienste hätte leisten können, selbst wenn sie in der B"lsnhrnng die Grenze zmstcken mein und dein oder legal nnd illegal nickt immer aus mathematischer Sckärse rv sieben beliebte. Wer hat denn l-sie» Endes die größere Scknld an administrativer Unordnung? dieser Nasi o^er der ganze araße Beamtenapvarat des Unterrickt«mini6erinm^, de'' Reck- nuna^bas und die Devntiertenkamw"r mit ibren Bndaetk-"nmlssia""n. die allesamt drei Jahre lang das „System" Nasi mitgemackt bzw. hin- genvmmen haben? Deutscher Reich. Lettin. 25. November. * Da» ehrengerichtliche Verfahren ist nunmehr gegen den Generalleutnant Grafen Wilhelm Hohenau und gegen den G rasen JvhanneszuLnnar ausDefehldeS Kaisers eingeleitet. Gras Lynar hatte bei seiner Verabschie dung zwar nickt die Uniform, wokl aber den Maforstitel beibchalten. dessen fernere Belassung van dem Ausgange des ehrengerichtlichen Ver fahrens abhängig sein wird. Die Verordnung vom 2. Mai 1874 sagt: ,^Die Ehrenaerichte haben die doppelte Ausgabe, sowohl durch ihren Spruch die Ehre deS einzelnen von unbegründeten Verdächtigungen, in soweit ihr andere standesgemäße Wege hierzu nichl osfensteken, zn
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