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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 26.11.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-11-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19071126018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907112601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907112601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-11
- Tag1907-11-26
- Monat1907-11
- Jahr1907
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Prei» N» Inierat« au» Leipzig und Umgebung dm Sgeipalten« Petitzeil« L Pi., finanziell« Anzeigen 30 Pt„ Reklamen 1 M.; »on aulwärt» 30 Pf., Reklamen 1.20 M. »amRu»land 50Pf., finanz. Anzeigen 75 Ps. Reklamen 1.50 M. Inserat« d. Bekärden im amtlichen Deil äO P'. Beilage,-bühr 5 «. p. Tausend «zkl. Poi! gebühr, »eichättlan,eigen an bevorzugter Stelle im Preil« erhäht. Rabatt nach Tarif, gesterteilie Lusträge kbnnen nicht ,urüik> gezogen werden. Für da« ikrich-nrcn an bejtlmmten Tagen und Plätzen >v>rd keine Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: Uttguliu«vl-tz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Anno, cen- Erpeditwnei, de« In- und Auriandc«. Haupt Filiale Derliu: Carl Dunll Herzogt. Bahr. Hostuch- handlang Ltltzowstratze 10. «Telephon VT «r. 4W.Y. Nr. 328. Dienstag 26. November 1907. llll. Jahrgang. Das wichtigste vom Tage. * Der Kaiser hat den Angehörigen des verstorbenen Professors Ternburg ein ehrendes Beileidstelegramm gesandt. sS. Dischs. R.s * Das Reichsvereinsgesetz ist dem Reichstage zugegangen. iS. d. des. Art., * Kaiser Franz Josef hat eine M i l i t ä r a in n c i't i c er- lassen. (S. Ausl.) * Eine zahlreich bcsuckte Versammlung Leipziger 'Gastwirte und Brauercivertreter nahm eine Protestresolution gegen die E n- führung einer kommunalen Nierstcuer einstimmig an. sS. d. des. Ari.j Die Verhandlungen in sind in deutscher,^. . sind mit Genehmigung der Landes- ördc ist befugt, in sedc Versamm- zu befürchten ist. Gewöhnliche Leichenbegängnisse, sowie Züge der Hoch, zeitsvcrsammlungen, wo sic hergebracht sind, bedürfen der Genehmigung nicht. 8 5. Jede Versammlung, für die es der Anzeige, der Bekannt machung oder der Genehmigung bedarf, muh einen Leiter haben. Der Leiter oder, solange dieser nicht bestellt ist, der Veranstalter Hal für Ruhe und Ordnung in der Versammlung zu sorgen. Er ist befugt, die Versammlung für aufgelöst zu erklären. 6. Niemand darf in einer öffentlichen Versammlung oder einem öffentlichen Aufzuge, der auf öffentlichen Straßen oder Plätzen statt finden soll, bewaffnet erscheinen, es sei denn, daß er vermöge eines öffentlichen Berufes zum Waffenträger» be rechtigt oder zum Erscheinen mit Waffen behördlich ermächtigt ist 8 7. Die Verhandlungen iN-öffcnt!ichen Ver sa mmlungen sind in deutscher Sprache zu führen. Ausnahmen sind mit Genehmigung der LandeS- zcntralbehörde zulässig. 8 8. Tie Polizeibehörde ist befugt, in fede Versamm lung, für die es einer Anzeige, Bekanntmachung oder Genehmigung be darf, z w e i B e a u f t r a g t e zu senden. Die Beauftragten haben sied unter Kundgebung ihrer Eigenschaft dem Leiter, oder solange dieser nicht bestellt ist. dem Veranstalter der Versammlung zu erkennen 4 u geben. Ten Beauftragten muß nach ihrer Wahl ein angemessener Platz einoeräumt werden. § 9. Tie Beauftragten der Polizeibehörde sind befugt, von dem Leiter oder, solange dieser nicht bestellt ist, von dem Veranstalter der Versammlung, für die es der Anzeige, Bekanntmachung oder Genehmi gung bedarf, unter Angabe des Grundes die Auflösung der Versammlung zu verlangen: I> Wenn die Genehmigung nicht erteilt wurde 18 4, 1 bis 3>. 2s Wenn die ordnungsmäßiac Zulassung der Beauftragten der Polizeibehörde verweigert wird stz 8, 1 und 3s. 3> Wenn Bewaffnete, die unbefugt in der Versammlung anwesend sind, nickn entfernt werden 18 6>. 4s Wenn Rednern, deren Ausführungen den Tatbestand eines Verbrechens oder eines nicht nur aus An trag zu verfolgenden Vergehens enthalten, oder die sich verbotswidrig einer nichideutschcn Sprache bedienen 18 7>, auf Auf forderung der Beauftragten der Polizeibehörde von dem Leiter oder Veranstalter der Versammlung das Wort nicht entzogen wird. Wird diesem Verlangen nicht entsprochen, so sind die Beauftragten der Polizeibehörde befugt, die Versammlung für aufgelöst zu erklären. 8 10. Sobald die Versammlung für aufgelöst erklärt ist, sind alle Anwesenden verpflicht et, sich sofort zu entfernen. 8 11. Mit einer Geldstrafc bis 600 .<l, an deren Stelle im llnvermögensfolle Haft tritt, oder mit Hast wirb bestraft 11 Wer ale Vorstand oder als Mitglied des Vorstandes eines Ver- eines den Vorschriften über Einreichung von Satzungen und Verzeich nissen 18 2, 2 bis 4s zuwider handelt: 2s wer eine Versammlung oder einen Auszug ohne die vorge- schriebene Anzeige oder Genehmigung (8 3, 4 und 7s veranstaltet oder leitet: 3s wer unbefugt in einer Versammlung oder einem Aufzuge be- wafsnet erscheint, oder sich nach der ausgesprochenen Auslösung der Versammlung nicht sofort entfernt 18 6 und 7s. 8 12. Tie Vorschriften dieses Gesetzes finden keine Anwendung auf die durch Gesetz oder die zuständigen Behörden ungeordneten Versamm lungen. 8 13. Welche Behörde unter der Bezeichnung Polizeibehörde zu verstehen ist. bestimmt die Landeszentralbehörde. 8 14. An Stelle des 8 72 des Bürgerlichen Gesetzbuches tritt folgende Vorschrift: Ter Vorstand hat dem Amtsgericht aus Verlangen jederzeit eine von ihm vollzogene Bescheinigung über dieZahl der Vereinsmitglieder einzureichen. 8 15. Aufgehoben werden 8 17, 2 des Wahlgesetzes für den Deutschen Reichstag vom 31. Mai 1869 (Bundesgesetzblatt, S. 145. Neichsgeseh- blatt 1873. S. 1631, 8 2, 2 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reick vom 31. Mai 1870 lBundesaesetzblatt S. 195. Neicksgesetzblatt 1871, S. 127>, soweit er aus die besonderen Vorschriften des Landesstrafrechts über den Mißbrauch des Vereins- und Versamm lungsrechts sich bezieht. 8 6,2. Nr 2 des Einfübrungsgeictzes zur Straf prozeßordnung vom 1. Februar 1877 IReichsgesetzblatt S. 346s und die sonstigen reichsgcseklicken Vorschriften über Vereine und Versamm- lungen bleiben in Kraft. 8 16. Unberührt ble'ben die Vorschriften des Landesrechts über kirchliche und religiöse Vereine und Versammlungen, über kirchliche Prozessionen, Wallfahrten. Bittgänge, sowie über geistliche Orden und Kongregationen, die Vorschriften des Landesrechts in bezug auf Vereine und Versammlungen für Zeiten der Kriegsgefahr, des Krieges und des erklärten Kriegs-sBelagerungs-sZustondes oder der inneren Unruhe (Aufruhrs und die Vorschriften des Landesrechts in bezug auf Verbin dungen oder Verabredungen ländlicher Arbeiter oder Dienstboten, die Vorschriften des Landesrecht? zum Schutze der Feier der Sonn- und Festtage. Jedock sind für die Sonntage, die nicht zugleich Festtage sind, Beschränkungen des Vereinsrechtes nur bis zur Beendigung des Haupt gottesdienstes zulässig. 8 17. Dieses Gesetz tritt am in Kraft. Aus der Begründung zu der jetzigen Novelle hört man doch heraus, daß der Gesetzgeber in den zwölf Jahren, die seitdem verflossen sind, doch etwas gelernt hat. An verschiedenen Stellen der Begründung sieht man auch, daß die Agitation der Bank- und Börsenwelt zur Umgestal tung des Börsengesetzes nicht umsonst gewesen ist. Schade nur, daß >u der Bankwelt so viele Opfer haben fallen müssen und so viele Geschäfte haben zugrunde gehen müssen, bis die Regierung selber einge'ehen hatte, daß das Gesetz von 1896 verfehlt war und seinen Zweck nicht erreicht hat. Die Veröffentlichung und die Beratung der Novelle fällt gerade in eine Zeit tiefster Depression der Börse. Die gesetzgebenden Organe können gerade fetzt am besten beobachten, was für Folgen das Gesetz vom Jahre 1896 ungerichtet hat. Die Hauptsache ist natürlich, daß die Novelle wenigstens in ihrer jetzigen Gestalt angenommen wird. Tie Vorkämpfer der Börsenresorm sollten sich deshalb nicht damit begnügen, daß die Novelle jetzt in den schöngedruckten und handlichen Drucksachen des Reichstages niedergelcgt ist Vielmehr heißt es jetzt, erst recht alle Krait daran setzen, damit die Novelle auch glücklich Lurch den Reichs tag durchgeht. Wird die Novelle aber in dieser Form zum Gesetze er hoben. dann dürsten, wenn auch erst in einigen Jahren, ihre guten Wir kungen sich zeigen. Insbesondere ist anzunehmen, daß sich in den nackten Jahren nach und nach neue private Bankgeschäfte austun werden und daß damit allmählich ein Gegengewicht gegen die Uebermacht der großen Banken geschaffen werde. Die Vorsengesetznovelle, deren wichtigste Einzelheiten wir unfern Lesern bereits gestern drahtlich mitleilen konnten, wird natürlich noch eines gründlichen Studiums be- dürfen, und es werden alle Einzelheiten des Entwurfs soigsältia geprüft werden müssen. Insbesondere werden die berufenen Vertretungen der Bank- und Börsenkreise den Entwurf in allen Details durchprinen und ihre Kritik sowie ihre Wünsche den zuständigen Stellen übermitteln müssen. Es ist vielleicht sogar notwendig, daß sich die Berussvertrctun- aen baldigst an diese Arbeit machen, damit ihre Einwendungen und Wünsche in einem Stadium der Beratungen, wo es noch möglich ist, Einfluß auszuüben, an die gesetzgebenden Stellen gelangen können. Natürlich werden auch wir noch auf einzelne Teile des Gesetzes zurück kommen, weil wir uns heute auf einige allgemeine Betrachtungen über die Novelle beschränken müssen. Wenn man sich den allgemeinen Eindruck, den der Gesetzentwurf bei der erster. Lektüre macht, vergegenwärtigt, dann muß man zugeben, daß dieser Eindruck kein schlechter ist. Mar. kann ja sehr wohl fragen, ob denn die Börie überhaupt ein Spezialoefetz braucht und ob ein solches Spezialqeietz überhaupt bei den heutigen Verhältnissen möglich ist. Wenn man liest, wie die Begründung zu der Novelle an verschiedenen Stellen unumwunden zugibt, daß das Börsengesetz von 1896 ein Mißerfolg war, dann wird man in der Ueberzeugung bestärkt, daß ein so eminenter Markt, wie es die Börie ist, überhaupt nickt durck ein Spezialgeietz reglementiert werden kann. Hätte der Gesetzgeber überhaupt die rich tige Vorstellung von der Marktyualität der Börse wäre es sich darüber klar, daß der moderne Effektenmarkt der größte Markt ist. den es über haupt gibt, dann würde er überhaupt gar nicht aus den Gedanken kommen, die Börse unter ein Ausnahmegesetz zu stellen. Immerhin ist ein Fortschritt in der Einsicht des Gesetzgebers zu erkennen, wenn man den vorliegenden Entwurf mit dem Tendenzgcsetzc von 1896 vergleicht. Ter Gesetzentwurf kautet: § 1. Alle Reichsanyehörigen haben das Recht, zu Zwecken, die den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen, Vereine zu bilden und sich zu ver sammeln. 8 2. Jeder Verein, der eine Einwirkung auf öffentl'che Angelegen heiten bezweckt, muß einen Vorstand und eine Satzung haben. Ter Vorstand ist verpflichtet, binnen einer Woche nach Gründung des Ver eins die Satzung, sowie ein Verzeichnis derMitglieder des Vorstandes der für den Sih dcS Vereins zuständigen Polizeibehörde einzureichen. Ebenso ist jede Aenderung der Satzung, iowie jede Nende- rnra in der Zusammensetzung des Vorstandes binnen e'ner Woche nach dem Eintritt der Aendernng anzuzeigen. Die Satzung, sowie Aende» rungen. sind in deutscker Fassung einzureichen. 8 3- Wer öffentliche Versammlungen zur Erörterung von öfscnt- licken Angelegenheiten veranstalten will, bat hiervon mindestens 21 Stunden vor Beginn der Versammlung unter Angabe von Ort und Zei, bei der Polizeibehörde Anzeige zu erstatten. Für Verlamm- lungen der Wahlberechtigten zum Betriebe der Wahlen zu poU- Mcken Körperschaften beträgt die Anzeigepflicht mindestens 12 Stunden. Ucber die Anzeige soll von der Behörde sofort eine llsiensreie Bescheinigung erteilt werden. Ter Landeszentraibchörde bleibt es überlassen, zu bestimmen, ob und unter welchen Vorars- jetzungen cs einer Anzeige nicht bedarf für Versammlungen, die unter Innehaltung der im Absatz 1 bbezeichneten Fristen öffentlich bekannt gemacht worden sind. 8 4. Oessentliche Versammlungen unter freiem Himmel bedürfen der Genehmigung der Polizeibehörde. Tie Genehmigung ist schriftlich zu erteilen. Tos gleiche gilt von Auszügen, die aus öffentlichen Straßen oder Plätzen stattfinden sollen. Die Ge nehmigung ist von den Veranstaltern mindestens 48 Stunden vor Beginn der Versammlung oder deS Auszuges unter Angabe von Ort und ,^eii nachzusilcken. Tie Genehmigung darf nur versagt werden, wenn ans der Abhaliung der Versammlung oder Veranstaltung des Auszuges Gesabr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit Das Reichsvevsinsgesetz. Endlich ein Erfolg der Blockpolitik! Das Reichs-Vereinsgesetz, welches wir an dieser Stelle wörtlich wiedergeben, stellt zweifellos ein sehr gewichtiges Zugeständnis an die liberalen Parteien dar. Schon daß es ü b e r h a u p t gekommen ist. Spät, aber es kam. Einheitliche Regelung des Vereins- und Versommlungsrechtes durch die Neichsge>ctz- aebung stand als einer der wichtigsten Gegenstände auf dem liberalen Programm, solange es ein Deutsches Reich gibt. Schon vor einem Menschenalter entwickelte sich der „Antrag Schulze-Delitzsch" zu einem ständigen Repertoirestück der Sessionen und sank zulctzr zu der Rolle eines Ladenhüters in der Theaierbibliothek herab. Neichsvereinsgcietz, Tiäien, Mecklenburgische Verfassung: diese Trias paradierte an den Schwcrinstagen jeder Beratungsperiode, die die Götter werden ließen. Tie Mehrheiten waren riesengroß in jener Zeit, in der cs noch nick' als schick galt, konservativ zu sein. Aber jedesmal donnerte der Zeus der Wilhelmsstraße jein kategorisches „Nein" den überwältigendsten Majori täten entgegen, trotz des freundlichen Verhältnisses der Regierung zu der liberalen Seile des Hauses. Dann kamen die Zeiten der Reaktion nach Delbrücks und Falks Sturz. Was am grünen .Holze der sieben fetten Jahre nicht gelungen war, wurde unter Herrn v. Puttkamcr natürlich völlig aussichtslos. Ter Ladenhüter verschwand in der Rumpelkammer. So energisch einst Bismarck die Reichsidee gegen den Partikularismus in die Schranken geführt hatte: ein Opfer an dem reaktionären Wust der Olmützer Zeit zu vollziehen, vermochte er sich niemals zu überwinden. Endlich ein Fortjckritt nach einem Viertcljahrhundcrt der Stag- ro.tion, ja der rückläufigen Bewegung! Tenn euren Fortschritt in der verkündeten Vorlage zu verkennen, einen gewaltigen Fortschritt, wird auch der prinzipienfesteste Liberale nicht vermögen. Der erste Paragraph klingt beinahe wie Grundrechte aus der verschollenen Frank furter Verfassung oder aus der — bestehenden preußischen: deren beste Sätze leider nur ein Schmuck für das Papier geworden sind, auf dem sie gedruckt stehen, und nicht für bas Land, das mit ihnen beglückt werden sollte Beschränkte sich die Vorlage auf die Paragraphen 1 und 17, so wären endlich einmal auch für alle Liberalen die Tage gekommen, an denen sic mit einem Hurrapatriotismus eine Vorlage entgcgennchmcn drirflen. Aber 88 2 bis 16 sind auch noch da mit ihren Einschränkungen des allgemeinen Vereins- und Versammlunpsrcchles. Indessen müssen wir bekennen, daß gegen den größten Teil der Ausnahmen, Ein schränkungen, Polizeilichen Formalien usw. keine ernsthaften Ein wendungen gemocht werden können, auch vom liberalen Standpunkt aus Lebten wir in einem milderen Klima, so dürste man freilich den Gerebmiaungszwang für Versammlungen unter freiem Him mel nicht passieren lassen, der in Verbindung mit den Saalabtreibungs- künssen der Reaktionären das Versammlungsrecht an vielen Orten illu- stuisck zu machen geeignet ist. Aber ein volles halbes Jahr sind Ver sammlungen im Freien bei uns Hyperboraeern nun doch einmal durch Wetters Ungunst unausführbar — und in schönen Sommertagen, wenn kau die Lüfte wehen, schläft — Zeus sei's geklagt! — der politische Deutsche wie ein Murmeltier. Ta müssen andere Mittel her, um die Abireiber unschädlich zu machen. Dir fordern im großen und ganzen die Sympathien aller Libe raler. für das wirklich freiheitlich gedachte Vereinsciesctz, dessen einzelne Bestimmungen freilich noch einer eingehenderen Besprechung bedürfen. Indessen wissen wir auch, daß unsere Hoffnungen aus eine einstim mige Annahme durch den Gesomtl'bcralismns rock weit von ihrer Verwirklichung entfernt sind Der Paragraph 7 ist das Penta- ararnma, welches einigen Fraktionen der Linken große Pein machen werd. 8 7 soll dem liberalen Gedanken widersprechen. Aber er ist eine Forderung des nationalen Gedankens. Hoffen wir, daß eS der Erörterung im Parlament und im Volke gelingen möae. die Gegner die'ek Paragraphen so weit umzustimmcn, daß sie nicht bloß aus oppor- trnissiscken Erwäaunaen heraus, sondern mit sreudiaem Herzen auck dieser Klausel znstimmen, daß sie der den ticken Sprache in D eutsckland ihr natürliches Reckt geben' Das sächsische wassevgesetz nnö die Erste Kannner. Am Vorabend der Beratung des Wassergesctzes im Plenum der ll. Kammer — diegestern «Montags mittag begonnen bat — ist der Bericht der Zwischenbeputation der ersten K ammer über den Entwurf des Wasjergesetzes vom 30. November 19<H erschienen. Auch dieser Bericht ist eine sehr umfangreiche Truck- lacke, 117 Seiten umfassend, und verlangt sehr eingehendes Srud um. wenn man auch nur einigermaßen zum Verständnis der schauerigen Marerie und der hier einschlägigen verwickelten Rechtsverhältnisse kommen will. Da die Beratung in der Zweiten Kammer vermutlich eine ganze Reihe neuer Gesichtspunkte und verschiedenartiger Anschauungen bringen wird, erübrigt es sich im Augenblick, den Bericht in allen seinen Einzelheiten zu besprechen. Es empfiehlt sich vielmehr, um nicht un nötig Verwirrung in das Publikum zu tragen, nur einige Punkte von allgemeinem direkten Interesse herauszugreijen, sowie diejenigen erheb lichen Momente, die noch Differenzen zwischen den Anschauungen der Depukationen der Ersten und der Zweiten Kammer ausweisen. Wie schon in dem Artikel über den Bericht der Zwischendepuralien der Zweiten Kammer erwähnt, traten bei den Beratungen der Grund prinzipien des Gesetzes, unter denen der Negierungsenlwurj ur den 88 4 und 2 vor allem das Oeffentlichkeitsprinzip festlegcn wollte, schrotte Gegensätze zutage, — Meinungsverschiedenheiten über die recht liche Natur der fließenden Gewässer als spezifisch öffentlicher oder — je nachdem — teils össentlcher, teils privater, über die Eigentums» toh'.gleit des fließenden Wassers überhaupt. Ein befriedigender '.Ab- lchluß und damit eine Basis für die Verabschiedung des Entwurfs konnte daher nur gewonnen werden durch Verzicht auf die Aus- tragung dieser unversöhnlichen Gegensätze. Das aber war nur möglich, wenn man den bestehenden Nechtszustand in den er- wöbnten Punkten unberührt ließ und anerkannte, daß der wesentliche Willensinhalt des beabsichtigten Gesetzes bei der einen wie bei der anderen Auffassung durchführbar sei. Tie Zwischendeputation i't daber in bezug auf diese Frage zu folgenden, die jetzige Gestalt des Entwurfes bestimmenden Grundgedanken gelangt: „Tic schlechthin öffentlich rechtliche Natur oller in natürlichem oder künstlichem Bett fließenden Gewässer, wie sie der ß 1 des Re g'cii'iicisentwnrscs ausfprechen will, ist weder in llebcrcinjtimmung mit dem geltenden Rechte, noch sie logs heronsin wirkliches Rcchtsbcdür'nis. Es käme eine solche radikale publizistische Behandlung der Materie aut die Verstaatlichung aller fließenden Gewässer ohne Entschädigung für die an ihnen bestehenden Rechte, die deren private Natur bedingt, hin aus. denn nach der Auffassung der Deputation besteht der Geacnmy Lei- öffentlichen und privaten fließenden Gewässer in Sacksen zu Recht..." Eine kleine, aber sehr interessante und in ihrer Bedeutung auch dem Laien ohne weiteres verständliche Aenderung hat die Zwuchcn- depntation der Ersten Kammer in der Bestimmung über den Gen.cia- gebrauch der fließenden Gewässer beschlossen. Nach den Beschlüssen der Tevutation der Zweiten Kammer heißt es da: „Fließende Gewässer kann jedermann zu häuslichen und wirtschaftlichen Zwecken gebrauten, soweit cs... ohne Beeinträchtigung der Rechte oder rechtlichen Interessen anderer geschehen kann." Hier hat die Deputation der Ersten Kammer beschlossen, den Ausdruck „rechtlichen Interessen" durch „berech tigte Interessen" zu ersetzen. Das rechtliche Interesse bedeutet den Wert oder die Einwirkung eines Vorganges auf die Rechtsverhältnisse einer Person. Das „berechtigte" Interesse dagegen ist ein weit allgemeinerer Begriff, es bezieht sich nicht aui das Wertobfekt, sondern aus das Wertmotiv. Ein Be.'piel aus dem täglichen Leben wird das sofort für den Laren ver ständlich machen: Wenn — wie das in dem Entwurf ja vorgesehen ist — da- Boden zu dem Gemeingebrauch des fließenden Wassers zählt, und die in fließendem Gewässer daherkommenden Schwimmer in en fremdes Grundstück, einen Park oder deralcichen gelanaen und stck dort rn seichtem Wasser tummeln, so wird durch diese Erscheinung das Rechts verhältnis des Parkbesitzers keineswegs beeinträchtigt. Sein „bcrechrigtes Interesse" daran, daß diese rinliebiame Erscheinung ihn nicht in dem Aufenthalt auf seinem Grundstück, seinem Privutlebcn störe, wirb man gewiß nickt bestreiten können. Man wird es ihm deshalb nickt ver jagen dürfen, einer solchen Form des Gemeingebrauches -ntgeaen- zutreten. Hierbei sei auch noch die Regelung der Eisausbeute auf sli-'ßenden Gewässern erwäbnt. Der Entwurf der Rea erung haj-e in Abs. 2 des 8 17 die Vorschrift, daß zur Entnahme von Eis, Sand, Kies, Scklamm, Steinen und Pflanzen ans dem Bette eines ässen lrch'-n fließenden Gewässers die Erlaubnis der Verwaltungsbehörde ^forder lich sei, soweit nicht die Entnahme nur zur Unterhaltung und BZnianng de" Bettes oder zum Zwecke eines behördlich genehmiaten F'uß- oder Uferbaucs ersolaen soll. Dabei batte er sich dem Vorgehen anderer Gesetze angeschlossen. Die Deputationen haben dielen Absatz gest-ücken, ausachcnd von der Vorstellung, daß dcrartiae Ausbeutungen des Fl"ß- tnttcS oder des Eises nichts weiter sind als E'aentumssafa-n. Wenn noch dem ietziaen System das Bett des fließenden ^emässc'-s unter allen Umständen Eigentumsabickt ist. io kann es keinerlei Zweifel unter« Uesen, daß die Entnahme der erwähnten Sacken aus dem Bett d-n Eisentümern znstcht. Und wie überhaupt bas Eioentnm am Grund und Boden die darüber befindliche Lrittfckicht, den sich darnb-r erb'benden Roum erarettt. so muß man dem Betteiaentnmer »"gleich o.,ch pjx darüber befindliche Eisdecke als Eiaentunisobmkt »«fallen le-ffen. Tie Eisausbeute ist also EigentumsauSübnng, und warum eine Erlaubnis der Verwaltungsbehörde erforderlich sein soll, um der An?üh"na d-s Eii-ntums hier Sckranken »u «sieben, ist nicht ein»"sghen. und wär' in der Ausdebnuna des Entwurfes schlechthin nnerträalick. Gerade die Eisausbeute ist sehr oft die Veranlassung von schmierigen Necktsstreitigkeiten aeworden. J'k' st ht fest, daß sie demicniaen zukommt, der dos Eigentum am Bett hat, und das ohne Rücksicht au» den Gemeingebrauch in der Form der Eisbahn: denn wie dargelegt, soll der Gemeingebrauch die EigentumSaaSülwng nicht verkümmern.
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