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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 27.11.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-11-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19071127022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907112702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907112702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-11
- Tag1907-11-27
- Monat1907-11
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ilaalx S («ora«>» u» abeudy vkrtel» jährlich 4. S0 D, monatlich 1.» ». Li« ettq-l»e Kummer kost«« Ki Ketaktto u mW »xvedttto»! Johauuilgajse 8. lelevhon Rr. 14SSS, Kr. 1488», «r. Brrltuer «edaktiou» vnreau: Berlin XV 7, Prinz Looi« gerdiuand- vtr-he l. L-lephm. I, «r. V27S. S,25 M., monatli beftellgÄ, für Ungar» 8 Lbonnement-Umulhme i Lnguftntplatz bei unseren LrLgern. kMialmi, Spediteur« «ad Lanahmeste »tert« ch Abend-Ausgabe S. MMrTagMM Handelszettung. ÄmtsvlM -es Rates und des Volizeiamtes der Stadt Leipzig. Lnzeig«-Peet- für Inserate au« Leipzig und Umgebung die Sgespalrrne Petitzeiü 2S Pi., finanziell Suzeigen 30 Pf., Reklamen I M.; von aulwSrt« 30 Ps., Reklamen 1.20 V vom Lutland 50 Pi., stnanz. Snzeigen75P1 Reklamen 1.50 M. Inserate v. BehSrd« im amtlich« Lei! 40 Pi. Beilagegebüdr 5 M. p. Pausend ex kl. Post, gebühr, «efchästtanzeigen an bevorzugter stelle un Preise erhöht. Rabatt nach Taris, gesterterlte Aufträge können nicht zurück gezogen werden. Mr da« Erschein« an bestimmten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme! Luauku-platz 8. bet sämtlichen Filiale» u. allen Annoncen. Expeditionen de« In» und Lutlande«. Haupt Filiale «erst». Earl Dunck: , Herzogl. Bahr. Hofbuch» Handlung, Lützowstraße M (Telephon VI. Nr. 4803). Nr. 32S Mittwoch 27. November 1907. M. Jahrgang Da« wichtigst« von, Tag«. * Die gestrigen Massenkundgebungen der Berliner Sozialdemokraten gegen das Landtagswahlrecht verliefen sehr ruhig. In Rixdorf erfolgte ein Zusammenstoß mit der Polizei. lS. Dischs. R.) * Eine bevorstehende Reichstagskandidatur des Herrn Dr. Peters wird in Aussicht gestellt. (S. Dischs. R.) * Die russische Verschwörung in Berlin hat zu Vernehmungen in der Redaktion des „Vorwärts" geführt. lS. Dischs. R.j * Die Annahme der Ergebenheitsadresse an den Zaren ist gestern durch die Reichsduma erfolgt. * In einer außerordentlichen Schwurgerichtssitzung begannen heute in Meiningen die Verhandlungen gegen 11 Angeklagte aus Stein bach in Thüringen wegen Landfriedenbruchs. lS. Gerichtssaal.j Tagesschau. Banderolesteuer und Tabakindustrie! In den Kreisen der Tabakindustrie rüstet man sich zum Kampf gegen den vom Äeichsschatzsekretär, Freiherr, v. Stengel, geschaffenen Nanderolesteuergesetzentwurst der, soweit bis jetzt bekannt ist, dem Reiche 50 Millionen neue Steuereinnahmen zufüyren soll. Neber die Einzelheiten des Entwurfs ist bisher nur soviel bekannt, daß er die Zigarren je nach ihrer Qualität und ihrem Preis in verschiedene Grup pen einteilt und demgemäß versteuert. Nach Erkundigungen beim Ge neralsekretariat des Deutschen Tabakvereins in Frankfurt würden nach den von diesem Verein angestellten Berechnungen die Raucher nicht nur diese 50 Millionen Mark, sondern mindestens 80 bis 90 Millionen Mark mebr als bisher aufzubringen haben. Der durchschnittliche Steuer aufschlag auf die Zigarren würde 10 .< pro Tausend betragen, und man hat ausgerechnet, daß die Fünfpfennigzigarre fortan 614, die Acht pfennigzigarre 10 Pfennig kosten würde. Sehr bald würde sich bei der Banderolesteuer Herausstellen, daß die einzig wirksame Form der Steuerkontrolle, die steuerliche Fabriküberwachung, unter Mitverschluß der Steuerbehörde sein würde. Dann wären aber nur noch größere Betriebe möglich. Alle Kleinbetriebe und die Heimarbeit würden auf hören. Verkehrt ist es auch, zu glauben, es würde sich alles io leicht arangieren, wie bei der Zigarettensabrikation. Diese und oie Zigarren fabrikation sind aber zwei grundverschiedene Dinge. Vollständig aus- geschlossen ist es bei den heutigen Zeitverhältnissen, daß die Industrie die neue Steuerbelastung selbst tragen und von einer Abwälzung auf die Raucher absehen kann. Es gibt für die Industrie, in der heute 260000 Arbeiter beschäftigt sind, nur ein Mittel, um die Steuer er tragen zu können, das ist die Erhöhung der Zigarrenpreise. Nimmt man nun an, daß die Raucher fortan zum großen Teil zum Tabak und der Zigarette übergehen, so würde dadurch der Industrie obendrein noch ein Ausfall entstehen, der zu Betriebseinschränkungen und eventuell Arbeiterentlassungen führen könnte. Die Industriellen werden fortan, wenn die Händler eine Zigarre zum alten Preis verlangen, dafür eben eine entsprechend schlechtere Mischung nehmen müssen. Die bisherige Qualität verteuert sich in der oben angeführten Weise. Wenn nun auch neuerdings aus Berlin verlautet, daß in diesem Jahre der Entwurf einer Zigarrenbanderolesteuer dem Reichstage gar nicht zugehen werde, daß er vielmehr vorläufig zurückgcstcllt sei, so wird der Deutsche Tabak» verein doch nicht verfehlen, mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln gegen die geplante Versteuerung Front zu machen. Ende der Woche sindet eine Vorstands- und Ausschußsitzung des Vereins in Berlin statt, an die sich am nächsten Sonntag eine außerordentliche Mitgliederver sammlung anschließen wird. Man wird in der Versammlung sich ein» gebend mit der geplanten neuen Belastung der deutschen Raucher be schästigen und über zu ergreifende Abwehrmaßregeln beraten. Das Schulwesen iu Deutsch-Südwestafrika. Das Reichskolonialamt will ganz besonders das Schulwesen in Deutsch-Südwestafrika heben. Eine große Anzahl von Kaufleuten, Farmern und Beamten, welche ihren Kindern eine bessere Schulbildung geben wollen, sind gezwungen, die Kinder nach Deutschland zu schicken, da dis jetzt nur Volksschulen im Schutzgebiet vorhanden sind. Um diesem von der Bevölkerung stark empfundenen Uebelstand abzuhelfen, soll wenigstens eine Schule, und zwar die in Windhuk, zu einer Real- schule, später zu einem Realgymnasium erhoben werden. Zu diesem Zwecke soll die Stelle eines Rektors, die mit einem höheren Schulmanne besetzt werden soll, geschaffen werden. Der Rektor soll gleichzeitig die Schulangelegenheiten beim Gouvernement bearbeiten, damit in die Lehrpläne und in die Verwaltung der über das ganze Schutzgebiet zer streuten Schulen Einheitlichkeit gebracht wird. Letzteres erscheint um so notwendiger, als die Lehrer aus den verschiedenen Bundesstaaten des Reiches kommen und naturgemäß nach den ihnen bislang gewohnten Methoden unterrichten und den von ihnen bisher benutzten Lehrmitteln den Vorzug geben. Die Regierungsschule in Windhuk weist allein schon 72 Besucher auf. Es ist mit Bestimmtheit anzunehmen, daß mindestens ein Drittel der Kinder der Regierungsschule für den Besuch der höheren Schule in Betracht kommt. Will man mit der Besiedelung des Schutzgebietes wirkliche und ernsthafte Fortschritte erzielen, will man das Schutzgebiet zu einem Lande deutscher Gesittung machen, so ist es unerläßliche Ausgabe der Re- gierung, für ein« ausreichende Bildung des Heranwachsenden Geschlechts Sorge zu tragen. In der Förderung des Schulwesens glaubt das Reichskolonialamt nicht genug tun zu können. Insbesondere ist es für solche Gegenden, in denen sich zahlreiche Buren niederlassen, aus nationalem Interesse geboten, deutsche Schulen zu errichten. Zurzeit sind im Schutzgebiete 10 Lehrer vorhanden: 3 in Windhuk, je 1 in Swa- kopmund, Grootfontein, Gibeon, Keetmanshoop, Karibik», Lüderitzbucht und Maltahöhe. Außerdem ist in Windhuk eine Lehrerin und eine Kindergärtnerin. Es sollen 5 neue Lehrer hinausgesandt werden, und zwar ein zweiter Lehrer nach Swakopmund und je ein Lehrer für die Schule in Warmbad und die neu zu errichtenden Schulen in Kubub, Oka- handja und Hohewarte. Die „Block-Krankheit". Aus Wien wird uns von unserem O.-Korrespondenten geschrieben: Das österreichische Abgeordnetenhaus macht jetzt jene parlamen tarische Krankheit durch, die man in Deutschland wie Frankreich kennt, die aber das Parlament auf dem Jranzensringe in Wien erst jetzt nach Einführung des gleichen, allgemeinen und direkten Wahlrechts zu über, winden hat: die logenannte Block-Krankheit. Nicht um den Kampf des Blocks mit den anderen Parteien handelt es sich bei diesem Leiden, son- der« um die steten Reibungen innerhalb des Blocks. Da ist nun der Dcutschnationale Verband gegründet worden und dieser Verband bat mit ^her christlich-sozialen Partei einen Zwölfer-Ausschuß geschaffen zum Zwecke der Erledigung des Ausgleichs im Parlamente: nebenbei werden stets Fäden gesponnen, den Deutschnationalen Verband überhaupt der Gruppe der Christlich-Sozialen. in der die konservativ-klerikale Parte: aufgegangen ist, enger anzugliedern. Nun hat aber, wie der Telegraph ja berichtet hat, der Führer der christlich-sozialen Partei Dr. Lueger auf dem Katholikentage eine klerikale Schulrede gehalten. Der Deutschnatio- nale Verband erinnerte sich, daß in den Programmen der in ihm ver- eiuiatcn Parteien der Kampf gegen den Klerikalismus enthalten ist, und es kam zu einer Protestkundgebung. Dr. Lueger selbst amendierte seine Rede. So bleibt es bei dem akademischen Proteste und die Be ziehungen des Deutschnationalen Verbandes und der Christlich-Sozialen werden nicht gestört. Für diese Fortdauer der Relationen werden nationale Gründe angegeben. Ob die wirklich so ausschlaggebend sind, entzieht sich der Beurteilung. Die Freisinnigen sagen, daß der nationale Kampf gegenwärtig nicht so heftig fein müsse, da tschechische und deutsche Munster friedlich nebeneinander im Kabinett Beck sitzen; die Deutsch nationalen verweisen wieder auf die Richterernennungen und betonen, daß es sofort wieder schlechter stände, wenn der deutsche Block aus- einanderficle. Eins ist jedenfalls klar: die Stimmung, die Disposition für einen „Kulturkampf" ist heute in Oesterreich nicht vorhanden. Interessant, auch für Oesterreich, sind die Zustände in Ungarn. Das Koalitionskabinett erlebt schwere Tage; es muß jetzt operieren, wie seiner, zeit Graf Tisza vorgegangen ist; Graf Tisza fiel, weil Graf Apponpi, Kossuth, Graf Andrafsy ihm opponierten — die Sieger von damals sehen sich nun gezwungen, die Mafien aufzunehmen, die sie dem Grafen Tisza aus der Hand geschlagen haben. Das Parlament ist störrisch; es gibt Obstruktion. Diesmal machen die Kroaten die Obstruktion. Das charak teristische Moment aber ist, daß die koalierten Parteien selbst nicht einig sind, ob sie rücksichtslos gegen die Obstruktion vorgehen sollen, wie die Präsidentenkrist bewies, als v. Justh sich weigerte, die Geschäftsord nung „radikal" gegen die Kroaten anzuwenden. Die Koalition steht aus tönernen Füßen; ihre Blütezeit ist vorbei; man geht wieder Krisen entgegen: Ministerkrisen, Parlamentskrisen. Erschwerend ist der Um stand, daß die Obstruktion auch die rechtzeitige Erledigung des öster reichisch-ungarischen Ausgleichs hindert, so daß Dr. Wekerle ein ein- paragraphiges Ermächtigungsgesetz: „Ter Ausgleich tritt am 1. Januar 1908 in Kraft" einbringen mußte. Gegen ein solches Ermächtigungsgcietz ist vom österreichischen Standpunkt aus nichts einzuwcnden, wenn dieses Ermächtigungsgesetz alle Partien des Ausgleichs, also auch die Er höhung der ungarischen Quote um 2 Prozent, einschließt, wenn die Dauer auf 10 Jahre festgelegt wird, wenn es derart in die ungarische Gesetzes sammlung „inartikuliert" wird, wie der technische Ausdruck der ungari schen Legislation lautet, daß in den nächsten 10 Jahren kein Versuch einer eigenmächtigen Acnderung, mit Hilfe der in Pest so beliebten „Formeln" unternommen werden kann. Das Ermächtigungsgesetz Dr. Wekerles konstatiert aber zwei Tatsachen: erstens: Ungarn brauch! den Ausgleich mit Oesterreich, wie man zu sagen pflegt, wie einen Billen Brot und zweitens: die Herrschaft der Koalition, ihr parlamentarischer Fortgang sind geschwächt. Eine ihres Bestandes und ihrer Freunde sichere Regierung bedarf niemals irgend einer Ausnahmsmaßregei. Deutsches Reich. Leipzig, 27. November. * Die sozialdemokratische Massenkundgebung in Berlin gegen das preußische Dreiklassenwahlrecht verlief gestern abend ziemlich ge räuschlos. Für die sechs Berliner Wahlkreise waren 16 Versamm lungen, für den Kreis Teltow 21 und für den Kreis Nieder-Baruim 10 einberufen. Die Gesamtzahl der Teilnehmer an der Demonstration betrug etwa 20 000. * Das revolutionäre Arsenal. Die Affäre der von der Polizei in dem Hause Pankstraße 32 (Berlin) aufgehobenen Schriften und des Waffenlagers der russischen Sozialrevolutionäre zieht weitere Kreise. Nach einer bei der Polizei eingegrngenen Mitteilung soll das im Ge- heimlager beschlagnahmte weiße Pulver aus der Buchhandlung des ,,Vorwärts" stammen. Infolgedessen wird im Laufe des heutigen Vor- mittags der Führer der Vorwärtsgeschäste, Reichstagsabzeordneter Richard Fischer, polizeilich vernommen werden. Ebenso wird der Vor wärtsspediteur Eugen Ernst einem Verhör unterworfen werden. Be merkenswert sind die Bekundungen des verhafteten Waschowski. Er machte folgende Mitteilungen: Vor etwa einem Jahre habe er in der Konsumgenossenschaft in der Willdenowstraße 29 einen gewissen Freitag, einen Russen, kennen gelernt. Dieser habe ihn gebeten, hin und wieder Kisten in das Lagerzimmer Pankstraße 32b abstellen zu dürfen. Dies habe er ihm erlaubt, um so mehr, als er öfter für Freitag Kisten von einem Bahnhof zum anderen befördert habe. Er habe später den Raum, als er ihn nicht mehr brauchte, Freitag auf dessen Bitte ganz überlassen und sich dann gar nicht mehr um das Zimmer gekümmert. Freitag habe auch zuletzt di« Miete an Kerfin bezahlt. Später bat Waschowski nach seiner Angabe auch für zwei unbekannte Russen Kisten vom Bahnhof abgeholt und in das Zimmer in der Pauk straße transportiert, das letzte Mal vor einem halben Jahr. Die Kisten habe er stets nur bis zum Hof befördert, und dort seien sie von einer ihm unbekannten Person in das Zimmer geschafft worden. Eine Be schreibung aller dieser Personen vermag Waschowski nicht mehr zu geben. Leuilleton. Alles Absichtliche ist dem Mißverständnis und dem Mißtrauen besonders ausgesetzt. Schleiermacher. O rNorireittbil-er aus Mexiko. Von Hanns Heinz Ewers. I. Tampico. In früher Morgenstunde fuhr die „Kronprinzessin Cecilie" den Panucofluß hinauf. Pelikane flogen zu Seiten des Dampfers und ließen sich plump mit einem lauten Klatschen ins Wasser fallen. Möwen und Scharen von wilden Enten und Wasserhühnern begleiteten das Schiff, aus den Schilfgebüschen der Lagunen, längsseits des Flusses, flogen weiße, blaue und graue Reiher auf. In den Wogen tummelten sich Delphine und Haifische; hier und da sah man die spitze Rückenflosse eines Hais, während der große Tarpon, der Silberkömg, weit über die Oberfläche hinaussprang. Der Anker fiel, wir lagen an dem durchaus modernen Kai von Tampico, des Paradieses aller amerikanischen Fischer und Jäger. Von der Stadt selbst ist wenig zu sagen, sie trägt das Gepräge eines frisch entstandenen amerikanischen, nicht mexikanischen Platzes und ist so recht ein Beispiel für die „conquistuck pscikics", für die friedliche Eroberung Mexikos durch die Amerikaner, von der der Mexikaner mit tiefem Grolle spricht, gegen die er aber nichts machen kann. Tampico war bis vor zehn Jähren ein armseliges Loch ohne jeden Verkehr, heute ist es im Begriff, dem Hauvthafen Mexikos, Vera-Cruz, den Rang abzu- laufen. Das hat amerikanisches Geld und amerikanische Energie zu wege gebracht. In der Stadt hört man heute schon ebenso viel englisch wie spanisch sprechen, und es ist kein Zweifel, daß in wenigen Jahren das spanisch-mexikanlsche Element völlig zurückgedrängt sein wird. Die deutsche Kolonie arbeitet hier Hand in Hand mit den Amerikanern im Gegensatz zu anderen Plätzen wie Vera-Cruz oder Mexiko-Stadt; aller Handel liegt nur in deutschen oder amerikanischen Händen; die Deut- ichen haben hier noch mehr wie in Vera-Cruz ihren mächtigen Rückhalt in der Hamburg-Amerika-Linie, da die beiden großen Konkurrenzlimen, die spanische „Transatlantica" und die französische „Transatlantique" Tampico, das sich für sie nicht lohnt, nicht anlausen. Für den Nichtkausmann aber hat die schnell emporblühende Stadt einen anderen Reiz, den des Jaadsports, der Wohl kaum an einem andern Ort der Erde in solcher Mannigfaltigkeit geboten wird, wie ge rade hier. In den Lagunen wimmelt es von Wasservögeln aller Art, in dem weit ausgedehnten Buschwerk mag der Jäger Berglöwen (Pumasj, Jaguare, Ozelots, Ameisenbären, amerikanische Gazellen, Gürteltiere, Hirsche und Rehe aller Art, aber auch Alligatoren, Iguane und andere Reptilien schießen. Der Panucofluß endlich ist so voll von Fischen, d<H man ordentlich wählen muß, auf welche Art man gerade angeln will. Wir fingen starke Haifische, vierzehn Fuß lange Sägefische, deren Säge allein über ein Meter maß, große Schildkröten und eine Menge klei nerer Fische. Der große Sport ober, der wahrhaft königliche Sport für alle Angler, gilt dem Tarpon, dem Silberkönig. Der Silberkönig ist ein dem deutschen Angler völlig unbekannter Fisch; sogar der Name, den ich ihm gebe, eine Uebersetzung des eng lischen „Silverking", dürfte hier zum ersten Male erwähnt sein. Brehm kennt ihn nicht, er erwähnt nur einen nahen Verwandten, den Arapaima (^.rsfloima gigLsj, der in Guyana vorkommt. Und trotzdem gibt es gewiß keinen Deutschen, der nicht den andern nahen Verwandten deS Silberkönigs oft und gern gegessen hätte, nämlich den Hering. Denn der Tarpon, wie ihn die Spanier, oder der Savolv, wie ihn die In dianer nennen, ist nichts anderes als ein Hering, allerdings ein Riese seiner Sippe, der bis acht Fuß lang und über zweihundert Pfund schwer wird. Der Fang des Tarpons ist Sport im besten Sinne des Wortes. Sein Fleisch ist ungenießbar, selbst der Indianer verschmäht es; man nimmt sich von dem gefangenen Tiere nur ein paar Schuppen als Er innerung mit, wenn man es nickit ausstopfcn und als Jagdbeute in sei- nen Räumen aufhängen will, wie es viele Amerikaner und Engländer tun, die seit einigen Jahren — älter ist dieser Sport noch nicht — in den Gewässern von Florida oder Tamaulipas auf den Silberkönig fahnden. In echt amerikanischer Weise hat sich in Tampico bereits seit einigen Monaten ein eigenes Sporthotcl „The Southern" aufgetan, dessen Besitzer seine Gäste mit Angelgerät und Booten versorgt. Denn dieser riesige Fisch wird mit der Angel an einer kaum zwei Millimeter starken Schnur gesangenl' Ich stieg in das kleine kiellose Boot, das ein Indianerknabe stromauf ruderte, wenige Meter vom User schon machte ich meine Angel zurecht. Diese besteht aus einer sieben Fuß lange« Rute und einer dünnen, aber starken Schnur, die auf einer stählernen Rolle sich dreht, welche am Handgriff der Rute befestigt ist. Der Köder an dem starken Angelhaken besteht in einem handgroßen Weißfisch. Kaum hatte ich meine Äugel ausgeworfen, als ich auch schon einen Biß fühlte, ich schnuckte hoch und drehte die Leine auf/ der Haken hatte nicht gefaßt. Der Silber- könig hat nämlich sein Maul mit festen Platten gepanzert, Angelhaken, die diese zu durchdringen vermöchten, gibt's nicht, nur an wenigen Stellen ist er im Maule verwundbar. Doch war ihm sichtlich der Haken unangenehm, er spie seine Beute wieder aus, die gleich darauf eine Möwe, die mich während meines ganzen Iagdzuges begleitete, sich gut schmecken ließ. Ein neuer Köder an die Angel! Diesmal dauerte es eine Weile, bis ich wieder einen Ruck spürte. Ich schnuckte, ließ dann die Leine laufen. Als ich sie einbolte, saß ein häßlicher kaum zwei Fuß langer Katzenfisch mit großem Maule daran; ich mußte ihn ganz zer- schneiden, um meinen Haken wiederzubekommen. Das drittemal riß mir ein Hai Fisch und Schnur weg, das viertemal erwischte ich eine große Krabbe. Alles beißt hier an die Angel, nur der kluge Delphin denkt nicht daran. Noch ein paarmal biß mir ein Silberkönig den Ködersisch fort, stets zur größten Freude der mich begleitenden Möwe, die einen unge- heuren Appetit entwickelte. Plötzlich fühlte ich einen Ruck, der mich fast aus dem Boote gerissen hätte; diesmal faßte der Haken! Ich riß schnell die Angel an, um den Haken noch mehr cindringen zu lasten, ließ dann die Leine über die Spule rollen. Und wie rollte sie! In wenigen Augenblicken waren über 200 Meter Leine abgelausen, mein Fisch schoß wie ein Blitz dahin und zog das Boot hinter sich her. Nun entwickelte sich ein zweistundenlanger Kampf. Sowie der kräftige Fisch ein wenig nach- ließ, rollte ich mit Ausbietung aller Kraft die Schnur auf, um ihn heranzuziehen. Dann sprang das mächtige Tier in einem oft fünf Meter hohen Satze aus dem Wasser heraus, daß der Schlamm ringsherum spritzte, um dann wieder wie ein Blitz auf und davon zu gehen. Mein Jndmnerjunge hatte die Riemen längst ins Boot genommen, er versuchte nur nach Möglichkeit das Kanoe in seichteres Wasser zu bringen. Meine Angelrute bog sich wie eine Weidengerte, immer näher und näher zog ich den mächtigen Hering heran, bis ich ihn schließlich ganz dicht an Steuerbord hatte. Allzunahe durste er nicht herankommen, da ein Schlag mit dem kräftigen Schwanz genügt hätte, den leichten kiellosen Kahn umzuwerfen. Das nasse Bad war ja am wenigsten zu fürchten, aber die nähere Bekanntschaft mit den Haifischen batte wenig Verlocken- des. Ter Jndianerjungc lenkte stets so, daß wir dem Schwänze des Silberkönigs auswichen und den großen Kopf möglichst nahe an den Boots rand brachten; er nahm seine Harpune zur Hand und wartete auf einen günstigen Augenblick. Mittlerweile führte der Fisch einen letzten rasen- den Kampf nm sein Leben aus. Er riß wie verzweifelt an der dünnen Schnur, die ich bis auf etwa drei Meter aufgerollt hatte, und machte mir jeden weiteren Zoll streitig. Mehr als einmal glaubte ich, kopfüber auS dem Boote herausgeschleudert zu werden. Plötzlich schlug der Indianer junge, der die ganze Zeit aufrecht hinter mir stano, mit der Harpune zu, er durchdrang mit der hufeisenförmigen scharfen Spitze den Kopf de-Z Tieres und spießte es am BootSrande fest. Auch jetzt noch hatten wir einen harten Kampf, ehe wir den schönen, silberglänzenden Fisch, der über sechs Fuß lang war, in das kleine Boot hineingezogcn hatten. Mein zweiter Tarpon biß kaum einen Meter vöm Boote an, als ich eben meinen Köder hinansgeworfen hatte. Er sprang sofort hoch aus dem Wasser heraus, gerade über unsere Köpfe weg und begoß unS, eine lebendige Dusche, mit einem stiegen gelben Panucowassers. — Ich habe Fischen immer für etwas außerordentlich Langweiliges ge halten: der Panucofluß im Staate Tamaulipas hat mich eines Besseren belehrt. D- e Tas Urheberrecht des LverntrxtdichterS und des Uebersetzer» des Librettos. In einein interessanten Rcchtsüreit hat nun auch am 13. No- vember 1907 das Reichsgericht zu Leipzig 1. Zivilsenat sein Urteil gesprochen. ES handelt sich um die Aufführungsrechte der Textdichter und Uebrrsrtzer nach
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