Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 29.11.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-11-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19071129029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907112902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907112902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-11
- Tag1907-11-29
- Monat1907-11
- Jahr1907
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Abend-Ausgabe S. Bezug--Prett Mr Letv»>« iu»d »«k»«» durch «chr, LrL«er »iw bpedilrurr t»» Ha»s gebracht: Luss-b« L (mir «ram») vterteljthrllch 3 M. manamch 1 U., Ausgabe » (morgens unb abend«) »iertel- jährlich 4.50 M., monatlich 1.S0 vi. Durch di« Pok bezoae» (2 ma> lsglich) innerhalb Deutjchland« und der oeuyche» ttolonie» vierteljährlich 5,25 Pi., monatlich 4,75 Pi. auslchl. PoN» beslcllgeld Mr or-errrich v L sü !>, Ungar» S L vierteljährlich. Abonnement-Annahm«. AngnOnsnlatz kh bei unjeren Lrtgern, gilialen, Spediteuren und Lanabmehellen, jowie PoftLratern und Bries trigrrn. Die einzelne «ummer kostet tO Pfg. A edakt io u mrd Expedition: Johannisgasie 8. Delevhon Nr. 140V2, Nr. Nr. 14SS1. Berliner Redaktion« Bureau: üertlu KZV. 7 Prinz Louis Ferdinand- Straße 1. Telephon I, Nr. 9275- NMM.TagtblaN Handelszeitung. Amtsblatt des Rates und des Rolizeiamtes der Lladt Leipzig. Anzeigen-Prei- iür Fnjerate aus Lewjig und Umgebung die Sgejpaltene Petitzrile 25 Pi , finanzielle Anzeigen 30 Pf., Reklamen l M. von auswärts 30 Pf , Reklamen 1.20 M. vomAusland5<)Pf., finanz. Anzeige»75Pf. Reklanien 1.50 M. Fnserate ». Behörden im amtlichen Teil 40 Pi Pellagegebübr 5 M. p. Tausend erkl. Pos! gebühr, «eichaftsaneeigen an bevorzuglrr Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Taris. Aesterieilte Aufträge können nicht zurück- gezsgen werde». Für das Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen w,rd keine Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: AuguliuSplatz di bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Expeditioiiin de« In» und Auslandes. Haupt Filiale Berlin iar Dunit: Herzogl. Bahr. Hojbuch- handlung, Lützowstraße 10. (Telephon VI. Nr. 4803). Nr. 33t Freitag 29. November 1907. 101. Jahrgang. Da» Wichtigst« vom Tag«. * In der nationalliberalen Fraktion sind die Beden ken gegen die Enteignungsvorlagc noch nicht überwunden. * Bei der Reichstagsersatzwahl im Wahlkreise Daun- Prüm-Wittlich wurde der Kandidat des Zentrums, Erb prinz zu Löwenstein, für den verstorbenen Zentrumsabgcord- neten Dasbach mit grober Majorität gewählt. * Zum Oberbürgermeister von Altona wurde Reg.-Rat Schulz-Danzig mit 1350 Stimmen gegen Senator Harmsen mit 1041 Stimmen gewählt. * Die Protesterklärung gegen Bülows Polenvor ¬ lage im österreichischen Reichsrat ist gestern erfolgt. IS- Ausl.) * In Odessa haben sich neue Exzesse gegen die Juden ereignet. IS. Ausl.) Tagesschau. Die Freisinnigen und der Block. lieber den „Block" veröffentlicht Herr Abg. Müller-Mei- nlngen in der „Leipz. Jllustr. Zeitung" einen recht pessimistisch ge stimmten Artikel, dem mir folgende Sätze entnehmen: Es ist den links liberalen Parteien unmöglich, ihre Wähler dauernd von der Klugheit ihrer Politik zu überzeugen, wenn man ihnen nicht durch vertrauens volle Rücksicht wenigstens in staatsbürgerlicher und kultureller Richtung entgegenlommt. Justizreform und Reichsvercinsgesetz sind die Orte, an denen zunächst „gewrungen werden muß". Jedes kleinliche Feilschen um den kleinsten Fortschritt schafft frühzeitig Verdrossenheit. Wenn nicht Kompensationen auf anderen Gebieten, die in der Richtung liberal-kon- jtilutioneller Staatsaussasfung liegen, gewährt werden, können die links liberalen Parteien ohne die größten Gefahren für die Sache die Politik des l3. Dezember nicht mitmacken: Wer das verkennt, deutet das Resul tat des letzten Wahlkampfes falsch. Man denke an die preußische Wahl rechtsfrage, ohne deren Lösung (durch Beseitigung des Drei- kl a s s e n w a h l r e ch t sj ein Zusammenarbeiten mit der Rechten auf unüberwindliche Schwierigkeiten stößt. Das Versprechen, die bisherige sozialpolitische Richtung nun „erst recht" beizubehalten, läßt die Frage der endlichen Regelung der Koalitionsfreiheit rasch näherrücken. Wie wiro sich oazu die Rechte stellen'? Aus der ganzen Linie ^ifferenzpuukie. Eine Regierung, die wenig Initiative zeigt, wird der Situation unmvgf- lich Herr werden. Das nach der alten Stellung ringende Zentrum wird sie noch erheblich erschweren. Bald nach rechts, bald nach links zu den radikalsten Forderungen antreibend, wird es den Keil in den Block all überall einsetzen, wo sich die kleinste Ritze des Zwiespalts zeigt. Deshalb würde die Klugheit fordern, die jetzige Hochspannung nicht noch künst lich durch voreilige Hereinziehung der finanziellen Streitfragen zu steigern, was Minister v. Rheinbaben offensichtlich betreibt. Man be reite zunächst das Problem einer Reform der Branntwein besteuerung und die Erweiterung der Reichserb- schastssteuer gründlich vor. Ueberhaupt muß die Regierung mit den Mehrhcitsparteien und diese unter sich engste Fühlung nehmen; das ist die Forderung des Tags. Unter der einzigen Devise „Ausschaltung des Zentrums" fürchte ich, können wir dauernd unsere Wähler nicht mit der Bülowschen Blockpolitik versöhnen. Dazu fehlte bisher viel zu sehr der Beweis, daß die preußische Regierung, die auch weiterhin geist lichen Einflüssen die Schule überläßt, das Zentrum ernstlich zu bekämpfen bereit ist. Nehme ick auch ein gelegentliches Auseinandergehen der Mchrheitsparteien, das nicht zu vermeiden ist, keineswegs tragisch — die Erneuerung der alten Machtstellung des Zentrums hielte ich für ein großes nationales Unglück. Die Verhinderung der Rückkehr dieser Balle- slremschen Machtperiode liegt aber mehr in den Händen der Regierung als bei den liberalen Parteien. Eins erscheint mir sicher: sieht (sich das liberale Bürgertum in seinen Erwartungen auch diesmal getäuscht, da: wird im Jahre 1912 die Schlappe der Sozialdemokratie glänzend wett gemacht werden. , Der Abg. Schill und die nationalliberale Fraktion. Wir erhalten mit der Bitte um Abdruck folgende Erklärung: Gegenüber den wiederholten Angriffen, die im Leipziger Tage blatt gegen den Abgeordneten, Vizepräsidenten Dr. Schill erfolgt sind, erklärt die nationalliberale Fraktion des Landtags, daß Herr Tr. Schill durchaus auf dem Boden der Partei steht und die Fraktion im Inter esse des ganzen Landes üen größten Wert auf seine Mitarbeit in der Partei und im Landtage legt. Sie weist die Angriffe als durchaus unbegründet mit Entschiedenheit zurück. Die nationalliberale Fraktion des Sächsischen Landtages. Schieck, Vorsitzender. Die vorstehende Erklärung könnte uns reizen, das Thema: Partei leitung, Fraktion und Presse wieder einmal anzuschneiden und dabei die Frage zu erörtern, wie es kommt, daß man sich gerade in der nalio» nalliberalrn Partei von offizieller Seite aus meist nur dann der Presse erinnert, wenn man an ihr etwas zu tadeln, gegen sie zu polemisieren hat, während man die doch so unumgänglich not wendige Unterstützung der Presse stillichweigend als etwas Selbst verständliches hinnimmt, auch dann, wenn es, wie hier der Fall ist, sich um ein Organ handelt, das wie das Leipziger Tageblatt in keiner Weise in einem Abhnngigkeitsoerhältnis zu der nationolliberalen Partei und ihrer Fraktion steht, vielmehr seine Unterstützung den National- liberalen durchaus freiwillig und in voller Selbständig keit leistet. Aber dieses interessante Kapitel sparen wir uns für eine andere Gelegenheit auf. Laß in diesem Fall die nationalliberale Fraktion das Bedürfnis empfunden hat, dem Herrn Abg. Schill ein Vertrauensvotum zu geben, erklärt sich leicht aus der Situation, die nach diesen Angriffen in der Fraktion entstanden sein mag — und soweit dieses Vertrauensvotum sich nur darauf erstreckt, daß Herr Schill durchaus auf dem Boden der Partei stehe, können wir ihm auch unsererseits zustimmen. Der breite Boden der nationalliberalen Partei gewährt eben so weit rechts stehenden Elementen, wie es der Abg. Dr Schill ist, formell das gleiche Existenzrecht, wie manchem Abgeordneten der nationalliberalen Partei, der sich ebensogut schon zu einer der freisinnigen Gruppen rech nen könnte Wir sind die letzten, die solcher Toleranz auf dem Boden der Partei widersprechen möchten. Ja — erinnern wir uns der mancherlei Verdienste des Abg. Dr. Schill als Parlamentarier, jo können wir auch dem rückhaltlos beistimmen, daß wir bei allem Wider spruch zu seinen konservativen Neigungen von ihm auch für die Zukunft nock eine segensreiche Arbeit in der Part-i uid dem Landtage erhoffen. Gibt es doch Gebiete der Gesetzgebung, auf dem gerade er viel Anregung zu bieten weiß. Etwasganzanderes aber ist es mit dem Schlußsatz jener Resolution, in der die von uns gegen den Aba. Dr. Schill gerichteten Angriffe „mit Entschiedenheit als unbegründet" zurückgewiesen werden. Denn diese Angriffe richten sich gegen eine unserer Ansicht nach falsche Taktik im Parlament, eine Taktik, die wir eben für verhängnisvoll halten. Wie wir uns niemals durch die Fraktion die Kritik an ihrem parlamentarischen Verhalten werden verbieten lassen, so am aller- wenigsten in einem Fall, wo wir nach den uns zugcgangenen Zuschriften darauf Hinweisen können, daß man unsere Kritik im Lande in nativ- nalliberalen Kreisen teilt. Auch vor zwei Jahren standen wir einmal in scharfem Widerspruch zu der taktischen Haltung der nationalliberalen Fraktion. Damals — als sie zuerst willens war, d>c von der Regierung vorgeschlagene Reform der Ersten Kammer im wesentlichen anznncbmen. Wir widersprachen dem — zum Verdruß vieler Fraktionsmitglicdcr und erlebten dann die Genugtuung, daß die Landesversammlung unseren Standpunkt teilte, die Fraktion aber nach gab. Anch heute würden wir eine ähnliche Genugtuung verzeichnen können, wollten wir diese Instanz im Falle Sckill anrusen. Tenn im Lande mißbilligt man eben eine Taktik, wie sic der Abg. Sckill gegenüber dem Abg. Facins eingeschlagen bat und wie sie eben nur zur Stärkung des konservativen Einffusses dienen kann — das aber möchten wir im Interesse des Liberalismus vermieden sehen. Uns bleibt darum unverständlich, wie die nationalliberale Fraktion sich mit diesem Auftreten des Abg. Dr. Schill identifizieren kann. Dem widerspricht doch ganz offen das Auftreten der weiter links stehenden nationalliberalen Abgeordneten im Landtag! Man hat aber den Schlußsatz so formuliert, daß er nur heißen kann, die ganze Fraktion teile Schills Taktik. Wir müssen der nationolliberalen Fraktion es überlasten, diesen Widerspruch durch ihr künftiges Verhallen aufzu klären. Es liegt das in ihrem, nicht in unserem Interesse. Man sondiert. Von unserem Petersburger 8.-8.-Korrespondenten. Petersburg, 25. November. Seit einigen Tagen hört man in den Couloirs der Reichsduma mit mehr oder minder «Sicherheit behaupten, daß in nächster Zukunft nennenswerte Veränderungen im Bestände des Ministerralcs bevor- ständen. Es sei die Absicht der Regierung, „dem Konstitunonalismus Rechnung zu tragen" und einige Abgeordnete von Ruf mit Minister portefeuilles zu beglücken. Ja, man ging bereits so weit, die Namen dieser Auserwählten zu proklamieren: Gutschkow, der Leader der Oktobristenpartei, sollte zum Handelsminister, Gras Bobrinsky, der Führer der gemäßigten Rechten, gar zum Minister der Volksauf klärung gemacht werden. An all diesen phantastischen Kombinationen ist kein wahres Wort. Die blasse Erfindung verdiente kaum irgendwelche Beachtung, wenn sie nicht einen Zweck verfolgte, der eine gewisse politische Tendenz ver körpert. Der jetzige Handelsminister, Filossofow, bildet mit dem Premierminister den linken Flügel im Ministerrate und steht zu Stolypin in besten Beziehungen. Zu seiner Verabschiedung liegt also weder ein formeller, noch ein innerer Grund vor. Genau dasselbe gilt vom Minister der Volksaufklärung. Es ist sicher, daß in nächster Zeit wenigstens im Ministerium Stolypin keine Aenderungen Antreten wer- den. Jedenfalls nicht, bevor der kaiserliche Hof in das Wintcrpalais überqesiedelt ist. Die Partei der Rechten ^teht vor einer Spaltung. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann sich die gemäßigten Rechten von den wahr- hast russischen Leuten trennen werben. Ten -etzteren lieg! natürlich viel daran, zu wissen, wie man an allerhöchster Stelle und im Kreue derer, die bei Hof Stimmung zu machen in der Lage sind, über gewisse markante Persönlichkeiten aus der rechten Seite denkt. Nur zu diesem Zwecke sind diese Gerüchte ausgesprengt worden Aber auch die links stehenden Parteien, an ihrer Spike die Kadet ten, haben allen Grund, die Persönlichkeiten, welche zur Parteiführung in der Duma berufen sind, nach bester Möglichkeit zu analysieren. Es kann ibnennicht gleichgültig sein, wenn ein Teil der Oktobristen ins Lager oer Monarchisten übergeht und zur Fahne des Grafen BobtinSky schwört. Begreiflicherweise beschäftigen sie sich mit dem politischen Vor leben Bobrinskys und suchen mit allen Kräften zu erreichen, daß er Farbe bekennt. Es gebt die Fama, daß Bobrinsky damals, vor dem 6. August 1905, als es sich darum handelte, eine gesetzesberatende Duma zu schaffen, in Zarskoje Sselo erklärt habe, ein solcher Schritt sei höchst gefährlich und müsse schließlich zur Anerkennung der Konstitution führen. Das ist derselbe Bobrinsky, der heute innerhalb und außerhalb der Duma erzählt, daß eine Partei .welche sich von ihm führen lallen wolle, unbedingt konstitutionelle Grundsätze haben müsse. Hat Bobrinsky seine Ansichten geändert oder spielt er ein Doppelspiel? Man wird es den Kadetten nicht verdenken dürfen, daß sie auf eine Beantwortung dieser heiklen Frage dringen. Deutscher Reich. Leipzig, 29. November. b. Tic deutschen Mnitärbrvollmächttgle». Mehrfach ist davon die Rede gewesen, daß die Zahl unserer Militärbevollmächtigten verändert werden solle. Wie wir bestimmt erfahren. bleibt es bei der Hinaus sendung von l5 Militärbevollmächtigten. Es befinden fick jetzt Militär- Feuilleton. Autoren und Publikum sind durch eine ungeheure Kluft getrennt, wovon sie zu ihrem Glück beiderseits keinen begriff haben. Goethe. * Portugiesen und Spanier. Von Dr. Alfred Funke sBerlin). Lissabon ist uralt. Schon die Vunier kannten den guten Hafen an der Tejomündung und nannten ihn Ulis Ubbo, das die Araber in Alojch Buna verdarben und wir Lissabon nennen. Ebenso alt aber wird die Feindschaft und Abneigung sein, die zwischen den beiden Völkern herrscht, die auf derselben Halbinsel wohnen, und wenn man nach den Ursachen dieser tiefgehenden Abneigung fragt, so gibt es eine sehr prosaische Ank- wort darauf. Schuld daran ist der Regen. Man hat früher in anderen Dingen die Ursache gesucht, und noch Ritter wunderte sich darüber, wie sich dieses Portugal, von dem so viele Male größeren Spanien habe ioslösen und sein Gesicht so nach Westen wenden können, daß es dem (panischen Bruder so feindselig den Rücken zukehre. In der Tat besteht nirgends ein Verkehr über die politische Grenze zwischen Spanien und Portugal, und dieser Gegensatz ist nickt künstlich gemacht. Er ist im Klima der Länder begründet. Der Westwind bringt Regen, der Ost Dürre und Unfruchtbarkeit. Der Mann der Küste blickt auf den weiten Ozean, der ibn zu kühnen Fahrten lockt, der Binnenländer schaut hinein ins Land. Und wo noch ein trennendes Gebirge oder hochgelegene ^levven und Heiden die Länderscheide bilden, wird der Gegensatz zwischen den Völkern noch verschärft. Die ungeheuren Heiden des spa nischen Estremadura und des portugiesischen Alemtejo, in denen nur hin und wieder einzelne Bauernhöfe auftauchen, bilden eine unüberwind liche Scheidewand zwischen beiden Reichen. Tie feuchten Ozeanwinde genügen nicht nur, um die Weinhügel des portugiesischen Estremadura und die Gärten im Tejotal grünen zu lassen, sie lasten auch die Heide Alemtejos blühen in me^gcahnter Pracht, aber nach Spanien kommen sie nur als die trocknen Stcppenwinde, die den Staub aufwirdeln, aber nicht befruchten. So kam es, daß Lusitanien fchon im Altcrtume ein völlig in sich abgeschlossenes Land war. Erst die Herrschaft der Araber zwang die beiden Nachoarreiche auf Jahrhunderte zusammen. Aber so- bald die zwingende Hand der Mauren nicht mehr ans der iberischen Halbinsel lag, trennten sich die beiden Völker sofort wieder. Zwar haben die Spanier es wiederbolt versucht, mit ihren Armeen Portugal zu erobern, aber sie haben ebensowenig dauernden Erfolg damit gehabt, wie Deutsche und Franzosen, die in der Schweiz festen Fuß zu fassen suchten. Jedes Heer, das die portugiesische Grenze von Spanien her überschritt, kehrte in wilder Flucht nm. Nur 60 Jahre lang, von 1570 bis ',630. war Portugal mit Spanien vereinigt, aber eS gibt nock heute für die Portugiesen keine bösere Erinnerung als die an jene „60 Jahre der Knechtschaft". Damals war Tom Sebastian auf seinem Kreuzzuge nach Marokko mit der Blüte des lusitanischen AdelS bei Alkazcr Kebir gefallen, das alte Hans Burgund mit ihm erloschen. Noch beute gibt es in Portugal die Sekte der S e b a st i a n i st e n. Ursprünglich hatte sie fick gebildet aus Anhängern des jungen Königs, dessen Leiche auf dem Schlachtfelde angeblich nicht gefunden worden war, und auf dessen Wiederkehr man in den Jahren der spanischen Knechtschaft hoffte. Da mals bildete sich die Sage, König Sebastian lebe noch in Marokko und kehre wieder, und wische Sebastiane täuschten oft genug das Volk. Ein Schuster namens Bandarra spielte die Rolle des falschen Sebastian so gar mit großem Erfolg. Als aber mehrere Menschenalter verstrichen waren, verwandelte sich die Hoffnung auf die Rückkehr des Königs all mählich in einen unbestimmten Mcssiasglauben, der auch heute noch, wie überall in der Welt, seine Adepten findet. Der Gegensatz der Länder spiegelt sich deutlich in den Menschen wider, und so nahe sie benachbart sind, so heftig ist die Abneigung zwischen Spaniern und Portugiesen. Der Spanier gilt in Portugal als hochmütig, brutal und bettelstolz, der Portugiese umgekehrt in Spanien als eine Art dummer Hans, und wenn aus einer Bühne Madrids in einer Zarzuela ein Portugiese in seiner Mundart auftritt, ist der Autor des jubelnden DankeS der Zuhörer gewiß. Der Spanier wird nie in der Sprache Portugals dem Fremden antworten: der Portugiese wird jedem ein freundliches Gesicht machen, der auf die Spanier, be sonders auf Madrid, schimpft. In der Tat hat der Portugiese recht, wenn er stolz auf sein Lissabon ist. Sckon seine Lage muh es weit über Madrid erheben. Von Lissabon, dem vorgeschobenen Welthafen Europas aus sind die großen Entdeckungsfahrten gemacht worden, mit denen die Namen Vasco da Gama, Eabral, Camoes. Magalhaes, der Stolz Portugals, verknüpft sind, und noch heute wo jeden Tag Dampfer der großen Weltlinicn den Tcjo anlaufcn, ist Lissabon ein Brennpunkt deS Weltverkehrs, seine Größe ist aus natürlichen Vorbedingungen aus gebaut, während Madrid lediglich einem politischen Willen jein Dasein als Hauptstabt Spaniens verdankt. Man hat Madrid nicht mit Un- recht die Kreuzspinne im spanischen Netze genannt, die das ganze Land belauert und aussaugt. Jedenfalls gehört der ganze Nationalstolz der echten Spanier dazu, sich „von Madrid in den Himmel und dort ein Guckloch, um Madrid zu sehen, zu wünschen". Tenn Madrid aus kahler Hochebene ist besonders im Sommer ein trostloser Anblick, und statt der grünen Wälder und Gärten der Berge bei Lissabon dehnt sich um Madrid die staubige Hochebene der Manchs, und die freundliche Um gebung, die lachenden Gartenstädte Lissabons seblen Madrid vollkommen. Aber eifersüchtig ist der Portugiese trotzdem aus das Wachsen Madrids, und sowie die Spanier eine höhere Einwohncrzifser ihrer Residenz melden, ziehen die Portugiesen ein paar neue Oertchcn vor den Toren Lissabons mit in das Weichbild der Hauptstadt ein, um nicht von den Nachbarn überflügelt zu werden. Wenn indes den Portugiesen Hoch mut nachgerühmt wird, so ist das eine Fabel kurzsichtiger Reisender. Im Gegensatz zu dem Svanier ist der Portugiese im Durchschnitt ein gutmütiger, ireundlicker Mensch, der fleißig seiner Hantierung nach geht. den Wert der Arbeit kenn, und schätzt und daher sich durchweg eines größeren Wohlstandes erfreut als sein spanischer Nachbar. In Oporto, wo der Handel Englands seit Jahrhunderten festen Fuß geiaht hat, wird der Fremde sich vergebens nach dom aufdringlichen Bettler pack umschen, das den Genuß der Kunstfchätze Spaniens oft genug ver- leidet und im Almosen des Fremden einen pflichtschuldigen Tribut sieht. Das Romantische Spaniens — wenigstens die schäbige Bettelromantik — hat in Portugal keinen Boden. Hier ist der Bauer, der Winzer, der Krämer, der Fischer zu Hause, der mit seinen fleißigen Händen und schlauem Rechnen den Beutel straff zu machen sucht. Freilich hört man dafür oft genug das Urteil, daß der Fremde, der in Spanien jo unendlich reiche und kostbare Schätze der bildenden Künste findet, in Poriugal nicht auf seine Kosten komme, und der Spanier erklärt, daß Lissabon auch nicht eine wirkliche Sehenswürdigkeit besitze. Tas ist nicht wahr. Wer die Kirche und den Turm von Belcm gesehen, weiß, daß dies Kunstwerke ersten Ranges sind. Die Wasserleitung, die in mächtigen Bogen das Alcantaratal guerl, hat in keiner Stadt ihres gleichen, und wo in Spanien gäbe es einen Park, der sich mit den An lagen von Monscrrate bei Cintra, der weltberühmten Besitzung des Engländers Sir Francis Eook, Visconde de Monserrate, messen könnte? Man vergesse auch nicht, daß die Bauwerke von Alcobaca und Batalha, die Zeugen aus der stolzen Zeit, da die Reichtümer Indiens und Bra siliens in die Truhen der Könige Portugals strömten, sich mit den Wunderbautcn der Alhambra reichlich messen können, nach meiner Meinung sie sogar weit übertreffen; denn die wunderbaren Steinmetz arbeiten von Alcoba^a sind in echtem Marmor ausgeführt, die Alhambra in Stuck. Und wer in Lissabon die Augen aufmacht, findet auch dort echte ^iaffaels und Michelangelos, und das Denkmal des großen Camoes, des Sängers der Lusiaden, kann sich sehen lassen. Freilich, wenn die Portugiesen den Dichter Camoes mit einem Cervantes gleichstellcn, so ist das Uebertreibuna. Die Bauwerke Portugals sind zumeist von fremden Künstlern errichtet, und zuweilen spiegelt sich in ihnen nicht immer ein glücklicher Geschmack des Auftraggebers. Die Paläste des großen Pombal und der sonderbare Triumphbogen an der Rua Augusta sind flache Machwerke ihrer Zeit, die Estrellakirche, die Millionen kostete, ist eine mißlungene Nachbildung von Sankt Peter. Ter Por- tugiese selbst ist anscheinend ohne Talent für die bildende Kunst. In der Malerei hat er nichts geleistet, in der Architektur noch weniger, und wo er sich in dieser versucht, wie in Bclem und Campo Grande, sind seine Machwerke schnell genug zusammcngestürzt. Er ist lediglich Bauer und Kaufmann. Aber vor Madrid bat Lissabon doch eins vor aus: es ist sauber. Sckon die mit bunten Kacheln belegten Haus- ftonten wirken aut und reinlich, und das Pilaster wird sehr gut gehalten. Jmmersprudelnde Brunnen versorgen die Stadt mit gutem Wasser, und die in Spanien so widerwärtige Unsitte des Spuckens iss unbekannt. Im Verkehr mit dem Fremden ist der Portugiese sehr höflich. und der deutsche Reisende der daS Tejotal mit der Elbe bei Dresden ver- gleicht und den Portugiesen „den iberischen Sachsen" genannt hat, ist nicht weit von der Wahrheit entfernt.* I Die Höflichkeit hat allerdings *> -Ich verweise aus die vorzüglichen Reijebricse von Passarae. „Aus Spanien und Portugal", Leipzig, B. Elijchcr Nachfolger.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite