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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 30.11.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-11-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19071130015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907113001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907113001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
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BezugS-Pre» ckr u»d »«ch Lrtge, und kprdttrur, HM Han» gebracht: Ludgabe t (,« »orarnl) vieNeltt-cllch 8 vi monatlich I vt. «u«aabe 1t (morgen« und abend«) viertel, jährlich «.SO M. monatlich ISO Dl. Durch die Volt bezoae» (2 mal tLgltch) innerhalb ldeuiichland» ind der deutichen Kolonien »iertelladriich XL Di., monatlich 1.75 Di. au«ichl Dost. Bestellgeld iür Oesterreich v L 68 k. ilngarn 8 ji. »ierteljLhrltch. Abonnement-Ännabme Anguftatvlatz 8, »et unseren Irtaern, Filialen. Spediteure» und Annadmestellen, sowie HoftänUrrn und Briestrlger». Die einzelne Stummer kostet IS Psg. stieduktton u»d ExpedMour Jodaanitgaste 8. relevdon Nr. 14SSL Nr. 1«6Sk «r. I46S4. verltuer Nedaktton« Du««»! v-rlio dI V. 7 »rin, L-u>« Ferdi»-«». Straße l. Telephon l, Nr. S27S. Morgen-Ausgabe 8. KiMer.TWMM Handelszeitung. Amtsvlatt -es Rates «ad -es Rotizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Aazeignl-Preis Ist» Iulevat» au« Leipzig and Umgebung dl« Sqespalteue vetltzeile D P«., stnanzielst' «azeigea 80 PI., Reklamen l M.; imo -n«wtrt« SO Pi., Reklamen 1.20 D! »amKurlandki)P1., finairs. Anzeigen7SP< ReNamen ISO Di. lltsterate». vcbbrde« im amtlichen reil«0P' Beilagegedüdr - M. p. lausend e>kl. Post gebühr. Gelchilsttanzeigen an berorziig:. «teste im Preise erdicht, vi rdatt nach Tari Fefterteille Aufträge kSnnen nicht ,uru<^ gezogrn werden. Für da« Ericheinen a" bestunmten Lagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen - Annahme: Sugustotplatz 8 bei stmtlichen Filialen u. allen Annouren ibrpeditionen de« In- und Aullande«. Haupt Filiale Berlin Karl Lunik: Herzogl. Bahr. Hofbuch. Handlung Lützowstraße 10. tLelephon VI. Nr. «608). Nr. 332. Sonnabend 30. November 1907. 101. Ial'Mnq. Da» wichtigst« von, Tag«. * DerReichStag setzte gestern die e r st e L es u n g d e s E t a t S fort. lS. Bericht.) - Der bayerische Kriegsminister Frhr. v. Horn, der im vorigen Jahre sich einer Staroperation aus einem Auge unter- zog, ist nunmehr auch auf dem andern erkrankt. * Im preußischen Abgeordnetenhause begann die Polendebatte. DaS Präsidium wurde wiedergewählt. * Der Zentrumssieg im Wahlkreise Daun erfolgte mit 18317 Stimmen gegen 801 für den Block. * In Oran lAlgerien) sind Hnnderte von Flüchtlingen aus den bedrohten Orten an der marokkanischen Grenze ein- getroffen. lS. Ausl.) * Die Kurden haben mit türkischer Unterstützung viele Dörfer in der Umgegend von Saudj-Bulag geplündert. lS. Ausl.) Der zweite Tag der Ltatsdebatte. Der Freitag brachte die Fortsetzung der tags vorher begonnenen Etatsdebatten. Bei überfüllten Tribünen gingen die Verhandlungen nor sich. Das Publikum hatte diesmal den richtigen Instinkt für die kommenden Ereignisse gehabt. Es wurde wiederum ein parlamenta risches Ereignis. WaS zunächst vom preußischen Finanzminister Frei herrn v. Nheinbaben vorgetragen wurde, konnte rnsschließss- als Antwort auf die stenerkritische Rede Ballermanns gelten und sand dementsprechend aus der ganzen linken Seite des Hauses und besonders bei den Nationalliberalen keine Gegenliebe. Der Minister kämpfte mit wahrer Leidenschaft gegen direkte Reichssteuern, insbesondere gegen eine Neichsvermögenssteuer, zitierte sogar zum allgemeinen Gaudium das Schreckgespenst des Zukunftsstaates als sichere Folge einer Neichsver- mögensstcuer, und versetzte so langsam das ganze Haus in eine recht be- bagliche Laune, die der Abgeordnete Bebel mit seinem Poltern bis zum Ucbermut zu steigern vermochte. Diese Stimmung des ganzen Hauses, mit selbstverständlicher Ausnahme der äußersten Linken, war die äraste Bloßstellung, die Bebel in den letzten Jahren erlitten hat Wenn ein Politiker nicht mehr ernst genommen wird, so ist das doch ein sehr böses Zeichen, und sichtlich schmerzte es den alten Donnerer, der so lange Jahre das aufmerksame Ohr des Hauses gefunden hatte, dessen Reden als politische Taten galten. Die Gründe dieses Wechsels der Auf fassungen sind mannigfacher Art. Vor allem fehlt heute die Resonnanz der achtzig sozialdemokratischen Stimmen. Man hat überhaupt gelernt, die Sozialdemokratie weniger tragisch zu nehmen. Und das Resultat ist daß eine Rede Bebels heute zur Ursache des Amüsements genommen wird. Als Bebel sagte, die Stimmung der Bevölkerung sei geradezu revolutionär, war auch nicht ein ernstes Gesicht im Hause zu sehen, wenn man von den Mußkummerfalten der Genossen absieht. Auch der Reichs kanzler, der in diesem Augenblick den Saal betrat, nahm bald an der all gemeinen Heiterkeit teil. Bebel wurde durch diesen ungewollten Erfolg seiner Rede immer gereizter und ließ sich zu immer unbesonneneren Worten hinreißen. So klang es aus dem Munde des alten Temokraten- «ührers überaus lustig, daß die Dummen immer in der Mehrheit seien. Erst als Bebel auf die sexuellen Vergehen in der Armee zu sprechen kam und diese Dinge ohne Uebertreibung und doch mit Nachdruck behandelte, nahm ihn das Hans wieder ernst. Die folgende Rede brachte dann die langerwartete Erklärung des .Kriegsministers v. Einem. Es sei hier gleich anerkannt, daß diese Rede vieles gutgemacht hat. Mit großem Ernst und wirklichem Freimut ging der Minister an die Sache heran, ohne zu beschönigen und zu ver- luschen. Er gab ohne Rückhalt zu, daß geradezu ein Notstand herrsche, daß unsere Soldaten sich nur mit Mühe der Angriffe erwehren könnten, die von diesen Buben gemacht würden. Auf eine bedeutsame Stelle der Rede des Ministers sei besonders aufmerksam gemacht. Herr v. Einem sagte: »Die Schuld trifft nicht die Armee, die Schuld liegt ganz wo anders, und ich von meinem Standpunkt aus kann nur den Wunsch hegen, daß, wenn es irgend möglich wäre, mit eisernem Besen gekehrt wird." Warum es nicht möglich sein soll, ist uns freilich nicht klar ge- worden. Man kann da nur vermuten. Speziell di« Fälle Hohenau und Lynar bekamen durch die Erklärung des Ministers doch ein anderes Gesicht. Man will also gegen diese Offiziere vorgehen, wobei es übrigens dem Minister nicht ganz sicher zu sein schien, ob die Belasteten sich auch dem Gericht stellen. Aber die sanfte Verabschiedung der Sünder ist nach der Erklärung deS Ministers nur erfolgt, weil man von den durch den Prozeß Moltke-Harden ausgedeckten Scheußlichkeiten in der sogenannten Adlervilla in militärischen Kreisen zu der damaligen Zeit nichts gewußt bat. Eins freilich können wir nicht begreifen und nicht billigen. Der Minister behandelte unseres Empfindens den Fall des Majors Lynar, den sein Bursche wegen unzüchtiger Berührung gemeldet hatte, zu leicht Auch schon diese Tatsache allein hätte genügen müssen, um mit aller Strenge gegen den Major vorzugehen. Jedenfalls aber ist es mit Ge nugtuung aufzunehmen, daß nach dem Moltkc-Harden-Prozeß sofort eine kriegsgerichtliche Untersuchung gegen die Grafen Hohenau und Lynar eingeleitet worden ist. Interessant war ferner di« Bekundung des Ministers, der Kaiser habe die Absicht gehabt loder vielleicht jetzt noch), die zur Disposition gestellt«» beiden Flügeladjutanten Hohenau und Moltke zu reaktivieren, wenn sie sich rechtfertigen könnten. Der weitere Verlauf der Debatte erhielt seine Bedeutung durch das Eingreifen des Fürsten Bülow. Die Red« berührte so viele Gegen- stände, daß es hier nicht möglich ist, ihr im einzelnen zu folgen. Nur einiges kann herausgegriffen werden. Der Kanzler erklärt also, seine Frau sei seinerzeit nicht vor der Ernennung des damalig«» deutschen Botschafters in Rom zum Staatssekretär zum Botschafter Grasen Eulenburg nach Wien gefahren, und ferner muß man den Passus der Rede über die Kamarilla recht genau lesen, um sofort ein« Fülle neuen Materials zu haben. TneSmal bestritt der Kanzler nicht, daß es überall Schmeichler gäbe, die ihre Ansichten den Mächtigen als deren geistiges Eigentum zu imputieren versuchten. Sehr neckisch war di< Stelle, wo der Kanzler das Recht d«S Parlaments auf Information über die aus wärtige Lage anerkannt« und zum Zeichen seines guten Willens ver sprach, dem Haus Einblick in die Verhandlungen der — Haager Konfe renz zu verschaffen. Auf der Journalistentribüne genoß man diesen grandiosen Witz mit großem Behagen. Ueber die auswärtige Politik sprach der Kanzler diesmal etwas offener als sonst. So gab er zu, daß jahrelang ein schweres durch g< genseitigeS Mißtrauen begründetes Miß gewillt ist, schon heute keinen großen Wert mehr hat und noch weiter im Werte finken wird. Ein solches zu bieten, ist aber ein starkes Stück, und es ist eine ebenso starke Zumutung an die Gegenseite, ein solches 7'.' ' . .. .... . ' .. ... '7-77' 7....... Die Nationalliberalen müßten wirklich mehr als polizeiwidrig dumm sein, Verständnis die Beziehungen Deutschlands zu England getrübt habe. Und schließlich fand Fürst Bülow mit seiner Abfertigung Bebels durch den Hinweis auf die byzantinischen Leistungen am Hofe deS Königs Demos großen Beifall. Der Kanzler sprach mit nur leichter Anlehnung an sein Manuskript in sehr wirkungsvoller Weis«. Es wollte scheinen, als sei er innerlich ruhiger, als man ihn während der letzten parlamen tarischen Ereignisse zu sehen gewohnt war. DaS läßt immerhin einige Rückschlüsse auf die Festigkeit seiner Position zn, über deren persönlict'e Schätzung er ührigens einige recht forsch klingende Bemerkungen machte. Oolitiseher Handel? Die ersten Folgen der Abbröckelung des konservativen Einflusses in der Zweiten Kammer beginnen sich zu zeigen. Die Konservativen haben ihre guten Gründe dazu, die Regierung nicht ganz vor den Kopf zu stoßen. Denn eine Auslösung der Zweiten Kammer, die unvermeidlich ist, wenn die Wahlrechtsdebatten im Landtage ergebnislos verlaufen sollten, würde den Konservativen sehr unangenehm sein. Handelt es sich doch in diesem Falle um allgemeine Neuwahlen und nicht nur um Erneuerung eines Drittels des Kammerbestandes, und der Wahlkampf würde für die Konservativen um so schwerer zu führen sein, als sie der Parole: „für ein heiseres, gerechtes Wahlrecht!" kaum eine gleichwertige cntgegenzusetzen hätten. Deshalb lenken sic auch in der WahlrechtSsrage ein, und es liest sich geradezu köstlich, wie in dem Dresdner agrarkonser- vanvcn Organ Stimmung gemacht wird für das Zustandekommen der Wahlreform. Der zuversichtliche, ja hochfahrende Ton, in dem die Herren noch vor wenigen Wochen reden zu müssen glaubten, ist per- schwunden, von einem konservativen Gcgenentwurf, der so emphatisch im Juli d. I. angekündigt wurde, ist nicht mehr die Rede, es heißt nur: „ob zu der Wahlrechtsvorlage seitens der einzelnen Parteien selbständige Anträge oder Vorlagen eingebracht werden, steht unserer Kenntnis nach noch dahin." Dabei ist die „Kenntnis" nicht einmal sehr groß, denn auch das erwähnte Blatt sollte wissen, daß ain Nr. 9 der Drucksachen der Zwei- ten Kammer sieb ein am 2-, d, M. eingegangener 'Antrag der freisinnigen Abgeordneten Günther, Bär und Noch und des Natioualliberalen Müller-Hirschseide befindet, der die Negierung um Vorlegung eines das Reichstagswahlrecht aus die Laudtagswablen übertragenden Wahl gesetzes eriucht. Wir dächten, vas wäre schon ein selbständiger Antrag ieitens einer Partei, und es bleibt nur die Frage, ob das kon'croative Organ aus Flüchtigkeit oder mit Absicht von dieiem Anträge nichts er wähnt. Fast möchte man das letztere aunebmen, denn das Leibblatt der OpiU-Gruvvc empfiehlt mit all-mi Eifer ttrtnn vorauf zu achten, daß „durch Aeuverungen eiuzcmer prominens Führer, deren Worte Ntegr oder weniger als Auffassungen der gesamten Partei angesehen werden müssen, keine Festlegungen in der einen oder andern Richtung" herbei geführt werden. Von allen Seiten müsse das eine große gemein- same Ziel im Auge bebalten werden, daß aus jeden Fall ein Wahl gesetz zustande komme, welches den allgemein gestellten Anforderungen nach Möglichkeit entspreche. Das Blatt möchte also offenbar die Dis kussion einfach auf den Regierungsentwurf beschränken und zeigt sich schon jetzt geradezu rührend um dessen Annahme besorgt, indem es für notwendig erklärt, die Verhandlungen über diesen Gegenstand, die sich zweifellos bis in das Frühjahr nächsten Jahres hinziehen würden, nicht durch vorschnelle Stellungnahme im Fortgang zu behindern oder gar nn- möglich zu machen. Woher diese plötzliche Fürsorge für den Negierungsentwurf kommt, erfährt man aus den folgenden Sätzen oer ersichtlich von führender Parteiseite inspirierten Auslassung: Die Herren Konservativen möchten gern wieder nach bekanntem Muster einen kleinen Kuhhandel machen. Das wird zwar vorsichtig, aber doch noch nicht vorsichtig penug, wie folgt angedentet: Keiner Partei werde es möglich sein, nach ^eder Rich tung hin bei den im Juli d. I. unmittelbar nach der Veröffentlichung der Wahlreckttsvorlaae veröffentlichten Beschlüssen stehen zu bleiben; in welcher Weise eine Verständigung zwischen den maßgebenden Parteien, der konservativen und der natioualliberalen, zustande kommen werde, sei vorläufig schwer zu beurteilen. Am meisten würden sich die Ver handlungen natürlich um die Fragen der Erhaltung oder Aufhebung der Einteilung in städtische und ländliche Wahlkreise, und zum andern der Aufrechterhaltung von Wahlen durch Kommunalverbände bewegen. Tas heißt auf deutsch: sobald die Nationalliberalen der Abgeordnetenwahl durch Kommunalverbände zustimmen, wollen die Konservativen in die Aufhebung des Unterschiedes zwischen städtischen und ländlichen Wahl kreisen willigen. Dann wäre der Hohentbalsche Gesetzentwurf sicher im Hafen geborgen, und die Konservativen könnten der Negierung sagen: „Seht, wir sind doch die festeste Stütze des Vaterlandes, denn wir haben durch unsere Ojsserwilligkeit die Annahme der Wahlreform möglich ge- macht." Daß sich die Herren bei erster bester Gelegenheit prompt zur Ueberreichung der Quittung an die Regierung einfindcn werden, ver raten sie natürlich jetzt nicht. Das wäre sehr schön gedacht, wenn nur nicht die Konservativen die Dummheit begangen hätten, zu verraten, daß sie bei dem offerierten Kuhhandel nicht mehr viel zu opfern haben, sondern selbst einsehen, daß die ungerechte widersinnige Unterscheidung zwischen ländlichen und städtischen Wahlkreisen unhaltbar ist. Es heißt nämlich in der erwähnten Auslassung: „Hinsichtlich der ersteren sd. h. der Unterscheidung zwischen städtischen und ländlichen Wahlkreisen) wird man in konservativen Kreisen, in denen man bekanntlich an der bis- herigen Einteilung aus schwerwiegenden politischen Gründen festzuhal- ien geneigt ist, zu erwägen haben, ob man die Aufgabe dieser Einteilung, wenn man sich zu ihr überhaupt verstehen kann, nicht als Kompen- sationsobjekt zur Erreichung anderer Forderungen einsetzen soll, da zu befürchten ist, daß bei der stark fortschreitenden industriellen Ent- Wickelung unseres Landes die Aufgabe dieser Einteilung später als Austauschobjekt an Gewicht verlieren könnte." Also eine ziemlich unverblümte Aufforderung an die Konservativen, zn nehmen, waS man bekommen kann, ehe es zu spät ist, aber auch gleich- zeitig das Eingeständnis, daß das Austauschobjekt, daS man zu bieten gewillt ist, schon heute keinen großen Wert mehr hat und noch weiter im Werte finken wird. Ein solches zu bieten, ist aber ein starkes Stück, Unv r» cvroiv »»» ein Objekt zum „gegenwärtig noch, hohen Kursstände" zu nehmen. wenn sie sich um diesen Preis in Widerspruch setzen wollten zu den in Leipzig gesoßten Beschlüssen. Sie würden sich dadurch all und jeder Selbstachtung bar zeigen und um jeden politischen Kredit bringen, da man sie einfach nicht mehr für ernst nehmen würde. Um es kurz zu sagen: die Nationalliberalen werden nie und nimmer einer Wahlrechts reform zustimmen können, die den Unterschied zwischen städtischen u..d ländlichen Wahlkreisen beibehält. Dill man übrigens ein wirklich ge rechtes Wahlrecht schaffen, so wird auch eine Neueinteilung und ent- sprechende Vermehrung der Wahlkreise ins Auge zu fassen sein. Das ist ein Punkt, der bis jetzt noch viel zn wenig Beachtung gesunden bat, trotzdem er von eminenter Wichtigkeit ist. Ans ibn wird desbalb in der zn wählenden besonderen Deputation speziell Nachdruck zn legen sein. Aus der Aerchsduina. (Von unserem Petersburger ^-Korrespondenten.) Herr Ehomjakow, der Präsident der neuen Neichsduma, schloß seine Antrittsrede mit dem einigermaßen vastoral klingenden „Gott mtt Ihnen, meine Herren." Das war jedenfalls gut gemeint. Denn es soll wohl nicht anders heißen, als „Gott sei mit Ihrer Arbeit!" Höri man den Präsidenten sprechen, so kann an seiner Arbcitssreud'.gkei' kaum gezweifelt werden. Und es ist gewiß von großer Wichtigkeit, doß derjenige, der die Verhandlungen zu führen hat, die Leistung über das Wort stellt. Die erste und die zweite Duma sind an der „Wort krankheit" gestorben. Da kann man es nur freudig begrüßen, daß der Vorsitzende der dritten Duma — verspricht, das scin«r Obhut und Führung anvertraute Parlament nach besten Kräften vor ebenderselben „Krankheit" bewahren zu wollen. Die numerische Zusammensetzung des Houses läßt bei einer Anzahl gesetzgeberisch zu regelnder Materien faktische Resultate erwarten. Man sollte meinen, daß zur rationellen Prüfung und legis lativen Fassung der Agrarfrage genügend kompetente Elemente in der Duma vorhanden seien. Nach annähernd genauer Schätzung zählt das Hous 109 Gutsbesitzer und 50 selbständig wirtschaftende Bauern; da neben eine Anzahl Wolostältester und Gemeindeschreiber. Die Praxis dieser Männer könnte sicher fruchtbare Resultate gewährleisten, wenn — die Frage nur vom kulturellen, nicht aber vom politischen Standpunkte diskutiert wird. Der Präsident hat die dankbare Ausgabe, dafür zn sorgen, daß allen Erwägungen auf diesem Gebiete nur kulturelle Ge sichtspunkte zugrunde liegen. Nur so ließe sich ein dankbares Resultat erzielen. Was nun die Frage der Volksbildung anlangt, so bietet der Bestand der dritten Duma äußerst günstige Voraussetzungen. Gibt cs doch heutzutage nur wenige mehr, die. der verbohrten Meinung weiland des russischen Großinquisitors Pobjedonoszew folgend, die Bildung als Wahrzeichen der politischen Renitenz betrachten. In der dritten Duma sitzen 188 Abgeordnete, die eine höhere Bildung erhalten haben; darunter befinden sich 11 Professoren und 11 Lehrer. Die Freiheit der Presse wird Wohl kaum so bald auf die Tages ordnung gesetzt werden. Die Duma zählt nur 4 Journalisten als Ver treter der Fachinteressen. Auch die kaufmännischen Interessen sind bei nur 18 Deputierten ausgehoben. Nm aber eine Frage zur Diskussion zn stellen, sind nach dem Dumaustaw wenigstens 30 Unterschriften erforder lich. Gelingt cs aber — woran bei Fragen politischen Charakters, wie z. B. der Aushebung der administrativen Zensur, nicht gezweifelt werden kann — wirklich das Kontingent von 30 Stimmen aus dem Bestände der Deputierten zusammenzubringen, so wird es doch nicht möglich wer den, in die Kommission genügend Sachverständige hineinzuwählen. Das mag wohl auch die Parlamentssraktivn der Oktobristen erkannt haben, als sie unter die 23 Kommissionen, welche sie zu organisieren gurhieß, keine ausnahm, die sich mit der Freiheit deS gedruckten Wortes be schäftigen soll. Eine Kommission für das Uebersiedelungswesen ist ja auch viel wichtiger! Die Presse wird von den konstitutionellen Ver sprechungen der Oktobristen nicht viel erwarten dürfen. Das ist sicher. Wenn wir also auch einstweilen noch nicht an der Arbeitsfähigkeit und der Arbeitslust der neuen Duma zweifeln wollen, so möchten wir doch daran erinnern, daß ein gewissenhafter Arbeiter nicht nur jene Arbeiten erledigt, die ihm Freude machen, sondern auch jene, die ihm schwere Pssicht sind. Nur solche Arbeiten haben moralischen Wert. Am 27. November wurde in 10 Stunden die Adresse an den Zaren durchberaten. Zwei geradezu glänzende Nednerleistungen brachte die Nachtsitzung, die Reden Miljukows, des Kadettenführers, und jene Gutsch kow s, deS Oktobristenhäuptlings. Beide waren sie bemüht, die Grund sätze ihrer Parteien zu markieren. Ter eine sGutschkow) sagte, man habe das Wörtchen „Konstitution" aus der Adresse sortgelassen, einzig aus dem Grunde, weil nur so eine Einigung sämtlicher Parteien er zielt werden konnte, und der andere (Miljukow) versicherte, das viel- umstrittene Wörtchen sei weggeblieben, weil die Duma nicht den Mut habe, sein« Berechtigung zu vertreten. Die traurige Tatsache aber ist, daß es weggeblieben ist. An dem warum kann dem Volke nicht viel gelegen sein. Denn es scheint doch, daß es sich hier um mehr bandelte, als etwa um eine part«itechnische Frage. Seit zwei langen Jahren lebt der russische Staatsbürger in einem Verhängnis vollen politischen Zwiespalt. Er weiß nickst, ob er einem selbstberrichen- den Zaren zu gehorchen hat, oder ob er in einem konstitutionellen Staate lebt. Tie Vertreter des Volkes in der Neichsduma haben eS vermieden. Licht in dieses Dunkel zu tragen. Ja, man einigte sich sogar daran», die politische Zweideutigkeit noch zu verstärken, und strich auch das Wort „Selbstherrscher" auS dem Texte. Jetzt konnte sich jeder — denken. WaS ihm beliebte. Jedem stand eS frei, das, waS er wollte, zwischen den Zeilen der „Ergcbenheitsadresse" zu lesen. WaS die Herren vom ^Verbände des Russischen Volkes" dort leien wollen, darüber besteht kein Zweifel. Ebensowenig darüber, was die Partei der Volksfreiheit sich zu dem geschriebenen Texte dazudenk' Nur die stärkste Partei des Hauses, sie, aus deren Hilfe Regierung Rechte und Linke hoffen, gefällt sich in Wortspielen, wo es doch darauf ankäme, ehrliche Farbe zu bekennen. Sind die Oktobristen wirk lich Konstitutionalisten oder sind sie es nicht? Das ist die Frage, von deren Entscheidung viel abbängt. „Sie setzen sich zwischen zwei Stühle", rief Miljukow den Oktobristen zu. Man kann also bezüglich der Oktobristen nur von Eindrücken, nicht von Bekenntnissen sprechen. Und der Eindruck, den man au^ den Reden ihrer Führer gewann, deutele daraus bin, daß es ihnen wett leichter fallen möchte, zur Selbstherrschaft zurückzukebren, als sich zur Konstitution zu bekennen. Möglich, ja wahrscheinlich ist, daß ein Teil der Oktobristen sich davor scheut, die „Grenze nach rechts zn überschreiten" lwie das Professor Kapustin beteuerte). Immerhin sind ihrer nicht wenige, die noch heute den Wunsch haben, unter einem Selbstherrscher zu leben. Sie wollten vor dem Volke diese frommen Wünsche — vorerst wenigstens — geheim halten. Deshalb und an: keinem anderen Grunde fanden sie die banal« Formel: „Wir streichen da-S Wörtchen „Konstitution", damit sich eine Einigung aller erzielen läßt." Das ist ein böses Versteckspielen vor der Ehrlichkeit. Und al! die schönen Worte, die der redegewandte Gutschkow zusammenband, ver mochten über diesen Eindruck nicht hinwegzutäuschen. Die Duma be ginnt zu arbeiten, aber sie Höri auf, zn sagen, was sie denkt. Deutscher Reich. Letpssg, 30. November. * Freiherr von Zedlitz filr die Erbschaftssteuer. Für volle Durch führung der Erbschaftssteuer zur Lösung der Reichsfinanznöte tritt Abo. Freiherr von Zedlitz im „Tag" ein. Der freikouservativc Führer schreibt: „Die Ausdehnung der Erbschaftssteuer auf Abkömmlinge und Ehegatten berührt das Steuer- und Finanzsystem der allermeisten Bundesstaaten gar nicht und verspricht auch bei sehr niedrigem Satze für kleinere und mittlere Erbschaften einen beträchtlichen Ertrag. Die sachlichen Beden- ken beruhen vornehmlich in der Leistungsschwache vieler Stenerpflichti- gen bei dem Erbansall, namentlich im Grnndbesstz, und in der Geigs,,.
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