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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 27.01.1907
- Erscheinungsdatum
- 1907-01-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190701272
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19070127
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19070127
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-01
- Tag1907-01-27
- Monat1907-01
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BeznaS-PreiS filr Leipzig und Vororte. I« der Honpt- -rpedilioa oder derer Autgabesiellen ab- geholt «oaatltch: Aosgabr L (I mal tüglich) 70 Pf-, Ansgab« 8 iL mal täglich) SO Pf^ bei Zustellung in» Har« Au-gade 4 SO Ps^ Au-gab« 8 t Mari. Durch anler« au», wärtige« Ansgabestrllen and durch die Post bezogen (1 mal tägtichsinnerdalbDeutichland» monatlich I Mark, für Oesterreich. Ungarn 5 L -5 k vtrNeljShrlich, dir übrigen Länder laut Zeituagevrrisliste Dies« Nummer tost« an« 4 4t allen Vaduddien and be« III ^Ih» den Heilung».BerkSuieru Nevattton ua» Expedttto«: IohauniSgast« 8. Telephon Nr. 153. Nr. 222, Nr. U7L verltaer Aedakttons-Burran: Berlin tNV. 7, Pn»z Louis Ferdinaud- Etraße l. Lelepdon t. Nr. 927L Morgen-Ausgabe v. UtWWr JagMM Handelszeitung. Ämtsblatt des Antes und des VEzeiamtes der Ltadt Leipzig. An^eiqen-Preis die S gespaltene Petttzeile sür BeschüftH- Inserate au» Leipzig and Umgebung LS Pf, Familien», Wohnung»- u. Slellen-Anzetgeu, sowie An- und Verkäufe 20 Pf, finanzielle Auzetgeu 30 Ps, für Inserate von au»wärt» SO Df. Reklamen 7ü Ps, au-wärts > Mark. Beilage- grbüvr 4 Marko. Tausend exkl. Postgebühr. GeschästSauzeigen an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Taris. Für Inierate vom Ausland« besonderer Tarif. Änzetgeu-Annahme: Auguitusplay 8, bet sämtlichen Filialen a. allen Annoncen- ll?prditionen nee I„. Auslandes. Für da» Lrlcheinea an bestimmten Togen u. Plätzen wird krtue Garantie übernommen. Haudt-Filtale verlin: LarlDuuklr r, Herzgl-Bayr.tzojbuchhandlg.. Lützowilraße 10 lTelephon VI, Nr. 4603). Filial-ErvedttionDreSden.Marienstr3t Sonntag 27. Januar 1907. Nr. 27. 101. Jahrgang. »ar lvichkigrke vom rage. * E» liegt jetzt das Ergebnis aller 3S7 Wahlen zum Reichstag vollständig vor. Danach find 234 Ab geordnete definitiv gewählt. Diese erstrecken sich auf die verschiedenen Fraktionen wie folgt: S Acichspartri, 46 Kou- servatrve, 4 Wirtschaftliche Bereinigung, 4 Deutsch Aeform- vartei, 1 vauernvund, 82 Zentrum, 48 Polen, 6 Arctiinntge Bolksvartet, 1 Freisinnige Bereinigung, 7 Elsässer, 17 Ra- tionalliverale, 3 Livrrale, 2 Deutsche Bolkspartet, 1 Däne, 1 Fraktionsloser, 2- Lotial»emok»aten. — Die Lozialsrma- kratte verlor definitiv 20 Mandate. Ferner habe», 466 Stichwahlen stattjustnden, an denen beteiligt sind: 47 Rerchspartet, 34 ttonservattve, S Wirtschaftliche Ber einigung, 2 Deutsche Reforotparlet, 2 Bund der Landwirte, 1 Bauernbund, 34 Zentrum, 6 Polen, 3 Welfen, 2 Elsässer, 68 Rationalliberale, 3 Liberale, 1« Freisinnige Bereinigung, 32 Freisinnige Bolkspartet, S Deutsche Bolkspartct, S7 So zialdemokraten. (S. das »ollstäudige Verzeichnis tu der 2. Beilage und Letzte Dep.) * König Friedri-ch August von Sachsen ist mit dem Prinzen und der Prinzessin Johann Georg gestern nachmitlag zur Feier des G-burtSlageS deS Kaisers iu Berlin eiugetroffeu. (S. DtschS. R.) * Der Dampfer .Adolph Woermaan" ist von Deutsch-Südwestafrlk» mit 250 O jfizieren, Unter- osfizierea und Mannschaften iu Cuxhaven eingetroffen. * Der schweizer Bundesrat schlagt dem Sultan von Marokko den schweizer Olfizier Armin Müller zum General-Juspeltor der marokkanlscheu Polizei vor. (S. AuSl.) * Im Internationalen Meisterturnier zu Wien errang der Leipziger Schachmeister Mie ses den ersten Preis. sS. letzte Dep.) Sa; siakenum «na aie Aadken. Der 27. Januar ist Heuer ein Wahlgcburtstag geworden. Die beiden Ereignisse, Kaisers Geburtstag und Reichstags wahl, lasten sich nicht auseinanderhalten. Und schön und er hebend ist es, datz sie harmonisch ineinanderklingen, daß beide auf denselben Grundton vaterländischen Gefühls ge stimmt sind. Es ist heute nicht mehr zweifelhaft, daß der nationale Gedanke am Freitag aufs neue seine alte Krast bewährt bat, und im Hochgefühl dieser Gewißheit wird des Kaisers Geburtstag diesmal mit gesteigerter Freude de- gangen werden. Es kommt dem Bolle dabei unabweisbar zum Bewußtsein, wie Reich und Kaisertum zusammengehören und wie sich in der Person des Kaisers die Reichsidee ver körpert. Auch der Gang der Ereignisse leitet von selbst auf diese Gedankenverbindung bin. Die Auflösung des in seiner schwarz-roien Majorität so unsympathischen und national unzuverlässigen Reichstags ist vom Kaiser im Namen des Bundesrats dekretiert worden. Und schließlich gehen doch auch alle solche politische Maßnahmen, die recht unperjön- lichen Charakter zeigen, auf Menschen von Fleisch und Blut, auf ihre persönlichen Ansichten, Neigungen und Entschlüsse zurück. In dieiem Falle ist dies Moment sogar von erhöhter Bedeutung. Denn es hatte zur ehrlichen Betrübnis werter Volkskreise allmählich den Anschein gewonnen, als neige Wilhelms II. reger kirchlich-religiöser Sinn sich in beson derer Herzlichkeit, fast in Wahlverwandtschaft den katholisch klerikalen Politikern zu, in völliger Verkennung des im Kern doch antinationalen Wesens des Ultramontanismus. Wie weit an dieser ost sinnfällig gewordenen Neigung roman tischer Sinn und seine ästhetische Befriedigung durch Pom- pöse Zeremonien als Ursachen beteiligt waren, wie Werl tiefere, innerlichere, seelische Motive zu dieser Bevorzugung drängten, das alles hat heute nicht mehr die große aktuelle Bedeutung, dre es noch vor wenigen Wochen besaß. Es ist eigentlich noch kaum recht und mit der gebotenen Objektivität gewürdigt worden, daß gerade wegen der hier skizzierten persönlichen Verbindungen und Inklinationen die Reichs- tagsauflösung sich auch als eine kaiserliche Tat darstellt. Der Kaiser bat in dem Augenblick der Unterzeichnung der Auf- lösungsborichaft mit manchen ihm sicher lieben Vorstellungen und Hoffnungen brechen müssen. Er hat seine persönlichen Wünsche den nationalen Erfordernissen der Zeit opfern mässen. Und daß er die Kraft des Entschlusses zu dieser Un terordnung aller persönlichen Momente gefunden, daß er ,hne Zauder» dem Ultramontanismus den Abschied gab, als sich seine Staatsgefährlichkeit nicht mehr verkennen ließ, das wollen wir dem deutschen Kaiser mit seiner stark ausgepräg ten Individualität allezeit hoch anrechnen. Erst dieses kaiserliche Vermögen politischer Objektivierung hat die neue hoffnungsreiche Situation ermöglicht, die uns die Wahlen am Freitag geschaffen haben. Zwar stehen die Stichwahlen noch aus, können noch manches ändern und das Wahlbild stark retuschieren, indessen ist das nicht anzu» nehme». Im Gegenteil ist die Hoffnung berechtigt, daß nun erst recht die große Siegeszuversicht die nationalen Kreise unseres Volkes erfaßt und uns neue schöne Ueberraschungeu bringt. Wenn eine Strömung sich erst einmal so mächtig erwiesen hat, wie am 25. Januar die national«, so ist noch immer alle- Sträuben der Gegner vergeblich gewesen. Die Wahle» deS Jahre« 1907 haben bereits ihre sichere Sig natur erhalten, unk an der werden alle Anstrengungen der Sozialdemokraten und d«S Zentrums nichts mehr ändern. Da» Bürgertum hat also, da» darf man schon heute sagen, da» Vertvaua» de» Kaiser» «ch har Sttzlieruag -erecht- fertigt. Es hat in gewaltiger Anstrengung die Reichsfeittde zurückgedränzt, insbesondre die allzu üppig geworrene rote Genossenschaft aufs Haupt geschlagen. Es hat der Regle- rung Luft geschafft, hat dem Miche national- Garantien ge boten. Das ober verpflichtet auch wieder Kaisertum und Regierung. Nichts wäre falscher und gefährlicher, als wenn nun wieder in der alten Sorglosigkeit und Negligieruirg von Volksströmungen gesündigt würde. Wir wollen die ircche Stimmung des festlichen Tages nicht durch Reminiszenzen trüben. Aber wir sehen eine dringende Pflicht darin, die Negierung zu warnen, daß sie nun ihrerseits auch das Ver trauen des Volkes nicht enttäuschen möge. Die Nation hat sich zwar zur Abschüttelung der schwarz-roten Mehrheit ent schlossen. Und dieser Entschluß kommt der Negierung mit zugute. Die nationale Wählerschaft hat aber damit der Re gierung nicht etwa ein Blankoakzept ausgestellt, das nun nach absolutistischer Laune ausgefüllt werden kann. Man denke gefälligst an die nationalen Wahlen von 1887, denen der Rückschlag von 1890 folgt«. Wer politische? Gefühl besitzt, muß deshalb mit aller Energie fordern, daß die Regierung hieraus ihre Lehren zieht. Und es wird der Regier» ig dies mal besonders leicht gemacht, zu lernen. Der liberale An teil an dem Siege des 25. Januar ist so eklatant, daß schon mit Rücksicht hierauf geboten ist, nicht im Uebermut und Sorglosigkeit die schönen Früchte des Wahltages zu ver scherzen. Dem Kaiser hat die Nation ihre Gratulation zum Ge burtstage schon zwei Tage vorher dargebracht. Eine schönere und bedeutungsvollere ist ächt zu denken. Tas mit allen Garantien umgebene Wahlgeheimnis verbürgt die innerlich« Ueberzeugung der Mehrheit des Volkes von dem Werte des Kaisertums und die herzliche Sympathie zum Träger d-r Kaiserkrone, dessen persönliches Wesen in seiner Frische und seinem ernsten Betätigungsdrang, seinem vorbildlichen Familiensinn und seiner Führerenergie stets die Herzen des Volkes für sich gehabt hat. Dem Kaiser als höchstem Ver treter der Nation, dem mgendlichen Oberhaupte der kaiser lichen Familie jubelt das Volk an seinem Wahlg-burrslage im Gemhle sicherer Zusammengehörigkeit von Nation nur Kaisertum zu. Es lebe der Kaiserk vir Nieäerlagr ller Zorialllem Masse j« Zscdre«. Es war auf dem Goslarer Parteitage der Nationallibe ralen im Oktober verflossenen Jahres, da wurde den sächsi schen Delegierten vom Borstandstische das harte Wort zu gerufen :*,Sie haben zwar viel auszusetzen, schicken uns aber keine Abgeordneten." Und wenn ganz sicher in dem Zuruf auch -in gut Teil Rücksichtslosigkeit steckt, so ist der „Vor wurf" der Mandatlosigkeit eben nicht moralisch, sondern auf Grund der unerbittlichen Tatsache zu erklären, daß eine Partei ohne Mandate an Gewicht verlieren muß. Diese un- bcgueme, ober lehrreiche Erfahrung mag auch mit zu der Energie beigetragen haben, mit der die Nationalliberalcn in diesen Wahlkampf gezogen sind und gesiegt haben. Aus den 2 bürgerlichen Wablkreisen des roten Königreichs üblen Angedenkens sind bereits 7 geworden. Und in 8 Kreisen finden mit den Genossen Stichwahlen statt, die ohne Ausnahme überaus aussichtsreich sind. Man darf sagen, daß alle 8 Kreise gewonnen werden müssen, wenn der Geist der Hauptwahlen bis zum 5. Februar lebendig bleibt. Und es wird eine Hauptaufgabe der nationalen Parteien Sachsens sein, die Spannkraft bis zur Stichwahl auf ihren höchsten Punkt zu treiben, alle Sondertümelci vor der großen Ausgabe verschwinden zu lassen und den einen Geg ner mit allen Kräften gemeinschaftlich zu bekämpfen. Es ist sehr wertvoll zur Erhöhung der den einzelnen Parteien ob liegenden Opsersreudigkeit, daß in den Stichwahlen die Nollen wechseln. Wenn in Dresden-Altstadt, m Döbeln, in Annaberg die Nationalliberalen zur Stichwahl stehen und aus die Unterstützung der übrigen Parteien angewiesen sind, so müssen die Freisinnigen in Zittau, in Großenhain und '.n Plauen mit der Gutwilligkeit der übrigen nationalen Wähler rechnen. Und auch die Konservativen können in Wurzen und Borna nicht siegen, wenn nicht volle Einigkeit und der feste Wille zum Ueberwinden der Sozialdemokratie herrschen. Dieser Sozialdemokratie ist am Freitag die Löwenhaut beruntergerissen worden, in die sie sich so prächtig und dräuend zu drapieren verstand. Man wird in der Geschichte der Sozialdemokratie bei den Wahlen von 1907 eine Zäsur anbringea müssen. Denn wenn nicht alles täuscht, ist diese Partei der Reichsfeindschast auf dem absteigenden Ast ihrer Entwicklung angekommen. W»e dieser gewaltige Rückschlag auf diese Intransigenten wirken wird, ist heute noch nicht zu sagen. Vielleicht ist eine leichte Hoffnung berechtigt, daß diese Niederlage zur Ernüchterung der Massen beitragen wird, daß sie allmählich zu einer politischen Gesundung ver ganzen Bewegung oder wenigstens eines ihrer Teile führen kann. Das vorläufig zu Konstatierende ist ein gewaltiger Stimmungsumschlag. Auf die hochgemute Siegeszuversicht, die freilich an manchen Orten nur auf Regiekünsten beruhte, ist der Katzenjammer gefolgt, der keine andere Erleichterung findet als im Schmälen. Dem national gesinnten Teil der Bevölkerung Leipzigs wird seine freudige Erregung am Wahlabeud verdacht. Studenten haben in der Nacht patrio tische Lieder gesungen. Entsetzlich! Früher la- man in sozialdemokratischen Blättern stets die schöne Redensart vom „Recht auf die Straße" — wenn nämlich die Genossen ihre Siege feiern wollten. Nun aber ist das „im Taumel deS SiegeS" von halbwüchsigen Burschen" verübter „Spektakel". Und „Deutschland, Deutschland über alles" ist eine „Biertisch weise". Wir verzeichnen diese Ergüsse der „Leipziger VolkS- ' zeitung" mit besonderem Vergnügen und sind aus ihre > weiteste Verbreitung bedacht. Tenn diese törichte Ver» I böhnung de» nationalen Gefühls, dieses absichtsvolle Ver» I letze» der selbstverständliche» Gesinnung deutscher Dtäouer I hat uns den Sieg in Leipzig erleichtert, hat uns in Sachsen die beste Wahlhilse geleistet und soll uns bei den Stich- I Wahlen noch trefflich beistehen. Zur Erheiterung unsrer Leser wollen wir aber doch auch noch aus dem Leipziger Moniteur der Sozialdemokratie vom Sonnabend abend einen Satz mitteilen, der wohl bestimmt ist, den Genossen über die Be täubung des Schlages hinwegzuhelfen. In seiner eigenen Hilflosigkeit wirkt er aber zu putzig. Man lese: „Was für bürgerliche Parteien eine schwere Niederlage sein mag lAlso dochss, das ist für uns nur eine historische Er fahrung." Wir gratulieren der Sozialdemokratie von Herzen zu dieser „historischen Erfahrung" und wünschen ihr noch recht viele ähnliche. Möge sie mit der Zeit die er fahrungsreichste Partei werden. Dann gönnen wir ihr auch das Schimpfen auf die „Faschingswahlen". Für den Liberalismus ist der Ausfall der sächsischen Wahlen von der allergrößten Bedeutung. Er hat die meisten Erfolge gegen die Sozialdemokratie erzielt. Von den eroberten 5 Wahlkreisen sind ihm 2 zugefallen und an den 8 Stichwahlen ist er mit 6 Kandidaten beteiligt. Speziell in Leipzig-Stadt ist die Werbekraft des Liberalismus glän zend offenbar geworden. Wir wollen die unleugbaren Ver dienste der übrigen politischen Richtungen in keiner Hinsicht verkleinern. Dieses überraschende Hinaufschnellen _ der Wahlzissern für Junck aber, diese Lösung der 2000 Mitläufer aus dem sozialdemokratischen Bann, wäre ohne die zuver lässige liberale Gesinnung doch nicht möglich gewesen. Die Vorgänge von 1903 reden eine deutliche Sprache. Dem Liberalismus ist in Sachsen eine große Aufgabe erwachsen: durch eifrige und nie versagende Vertretung der Volksrechte sich das Recht auf die politische Führung Sachsens zu ge- Winnen. Der verheißungsvolle Anfang darf nur Ansporn zu neuen Taten sein. Wir haben schon daran erinnert, daß diese Wahlen die ersten unter d-r Regierung König Friedrich Augusts sind und daß auch hierin sich eine Gesundung, ein Verschwinden mancher krankhaften Erscheinung d-r letzten Jahre äußert. Der König hat dies in die schönen Worte an den Minister Graf von Hohenthal und V-rgen gekleidet: „Ich kann nicht umhin, Ihnen gegenüber Meine aufrichtige Freude zum Ausdruck zu bringen über die hohe Genugtuung, die Ick über das Ergebnis des gestrigen Tages empfinde. Es lebt doch noch die alte Sachsentreue. Hoffentlich ist dies eine ute Borb-deutur.g sür die Zukunft." Tiefe Hoffnung wollen j wir zu der unseren machen. Möchten sich alle bürgerlichen Parteien, unveschadet ihrer im. -inzeln-n au?e.«anders ehcn- den Bestrebungen, immer wieder, wenn es not tut, im vaterländischen Gedanken zusammenfinde». siommenlle Männer. DaS erste Augenmerk nach dem Wahltag richtet sich natur gemäß aus die Waklziff-rn der Wahlkreise und der Parteien. Man will w ff-i', wie weit sich die Stärke ver Parteien er halten oder verschoben hak. Das ist ja das politisch enticheivenve Moment bei der Wahl. Naiuenilich bei einer Wahl, die sür die Regierung den ausgesprochenen Zweck verfolgen sollte, ern anderes MehrbeuSoerhältniS zu schaffen. Ader über vieles unpeisönliche Interesse hinaus macht sich Halo auch das persönlich- geltend in der Frage, wer ist gewählt — welche bekannten Parlamentarier kehren wieder, welche neuen tauchen aus, weich: Hal die Wahlurne als Orkus v richiungen. Natürlich lassen sich diese Kragen erst endgültig nach dem Slickwahllag beaniworleu. Einige Notizen lassen sich aber auch schon heute machen. Beginnen wir mit den Konservativen, so kehren zwei Persönlichkeiten wieder, von denen die eine immer etwas sür die konseroatlve Wirlschastsroiiiik BemerkenSwerles zu lagen bat, sobald sie spricht: Gcas Kanitz, uad die andere, die möglichst wenig redet, auch mehr liest, wenn sie sich zum Wort gemeldet hat, dann aber immer das offizielle Sprachrohr d-r Partei ist: Herr von Norm ann. Unter den Auchkonservaliven, die als Reichsparleiler im Reichstag sitzen, kehil die bekannte Gestalt deS Silber manns Arendt wieder, den sein Mansfelker Kreis in unerschütterlicher Treue in das Parlament sendet. — Unter den NationaUiberaleu steht als Erster voran der gleich ,m ersten Wahlgang in einem neuen Wahl kreis gewählte Führer Bassermann, der jetzt den Kreis HoyeiSwerda - Muskau vertreten wird. Mil ibm kehrt Paaiche zurück, dem der Sieg dieses Mal sofort zuficl — auch der Afrikar-isende Seniler und aus Württemberg Dr. Hi eher. Die freisinnige Vollspartei darf als scholligen Sieger u. a. Müller-Meiningen, den schar fen Zentrumsgegner begrüßen, während andere ihrer bekannten Parlamentarier Eickhoff, Kopsch, Mugoan, Kaempf erst noch die Feuerprobe der Stichwahlen in bestehen haben — aus der hoffentlich auch Herr Guulhrr in Plauen als Re,chSlagsmilglled her- vorgeben wirk. — Die freisinnige Bereinigung bat erst einen Kandidaten vuichgebracht, chrea greisen Führer Schrader in Dessau, aber sie darf bestimmt daraus rech- nen, mindestens so stark wie im vorigen Reichstag vertreten zu werden, denn eine Reih- ihrer Mitglieder steht in auSsichlSooller Stichwahl. Darunter der um die Prioatbeamlen «o verdiente Dr. Pott Hof. — Bei von Ger lach scheint die Wiederwahl fraglich, dagegen ,sl zu er warten, daß Fr. Naumann gewählt werden wird, sicherlich dann zur Freude auch vieler Deuilcheo, die nicht zu «einer Partei gehöien. — Die beiden antisemitischen Führer, der deuttcksoziale Liebermann von Sonnenberg uad der Refoimparteiler Zimmermann sind gewählt. Be, Schack ist es wahrscheinlich, ebenso bei Latin» ann. Hof prediger a.D. Stöcker kehrt ebensall» in den Reichstag zmück, obwohl er wegen Krankheit an der Agitation kaum teilaehmen konnte. Od e- dem Vertreter deS Bunde- der Landwirte, Dr. Roe ficke, dieses Mal g lingen wnd in der Stichwahl zu siegen, steht noch dahin. Die betauuien und der—ühmien „ZenirumS-Kolonialpolitiker" Roeren und Erzberger werden sich weiter im Reichstag veruebmen lassen und bittere Wahrheiten zu hören belommen. Außer ihnen feien als alte und jetzt «urder neue Zentrums abgeordnete genannt: Hertllng, M L l ler-Fukba, I Dr. Hitz«, Pruez Lreaberg, Gras Hompesch nad f Gröber. — Von bekannten Sozialdemokraten sind nickt wieder gewählt Pfannkuch, Kunert und Tbiele. Auch Paul Göhre ist eS nicht gelungen, in den Reich'tag zu kommen unvDr.M aurenbr echer »st es, entgegen zue,st anders lautender Melrung, ebenfalls nicht gelungen, mSorau zu siegen. Ebenso scheidet Bernstein, der Revisionist, aus, und ob es Huir gelingt, wieder sein Mandat zu erhalten, ist fraglich. Dagegen ist der andere Gewerkschaftsführer Legien gewählt. Bebel, Singer, Heine, Frohme, Dietz, Metzger kehren zurück. Ob in Begleitung Vollmars ist wahr scheinlich, aber nickt gewiß. Vor allem interessant bleibt noch die Wahl eines Mannes in Goiba, des Er bprinze n zu Hohenlohe, durch dessen Kandidatur der Wahlkiers der Sozialdemokratie einrisseu und der Reichs tag uni eine sympathische Erscheinung vermehrt wird. UebrigenS ist auch der liberale Prinz Schönaich-Carolath wiedergewählt worden. Damit haben wir aus der Füll« bekannter Persönlichkeiten eine Anzahl berausgeariffen^ deren parlamentarisches Schicksal von Interesse ist. Weiteres wird sich noch nach der Stichwahl sagen lassen. Vie Ueberrarcbung llrr 2S. Januar. Iu der Nacht zum Sonnabend, als der erste Wahlgang getan, drängten sich Tausende vor das Palais deS Reichs kanzlers. Wie vor dem Kaiserickloß, wollte auch vor dem Kanclerpalais die Poliiei die'e Menge des Volkes zerstreuen, denn was wollten diese Manifestanten? Natürlich, Lärm und nächtlichen Unfug vor dem Hanse des ersten Reichs beamten verüben, der nach deu Tagen der Erwartung und des Kampfes der Ruhe bedürftiger sein mußie als je. Aber Fürst Bülow wußte besser als die Polizei, was diese „Ruhestörer" wollten: es drängte sie, dem ersten B-'amten des Reiches gerade in der Reichshauplstadt, über welcher zur Trauer der Nation die rote Flagae noch immer webt, die ehrliche Freude, die Genugtuung darüber zu zeige», daß endlich in die Mauern der roten Internationale Bresche gelegt wurde. Uad Fürst Bülow erschien zur Ueberraichuug des Polizeiojfiziers und sprach zur tausendlöpfigea Menge ein kurzes, aber em kluges Wort: Er mahnte au seinem großen Amtsvorganger, der vor bald 40 Jahren gesagt „Setzen wir das deutsche Volk in den Sattel, reiten wird es schon können! Ich hoffe und glaube, daS deutsche Volk hat heute gezeigt, daß r» noch reuen kann. Die ganze Welt wird erkennen, daß das deutsche Volk fest im Sattel sitzt und alles niederreitet, was sich seiner Wohl fahrt, seiner Größe in den Weg stellt!" Und mit seiner Witterung der Stimmung — nicht nur der Tausende vor dem Palais, sondern deS ganzen Landes — nuancierte er den Schlußruf ür das Hoch auf die Nation, auf da deutsche Volk. Fürst Bülow bat am 13. Dezember deu Appell au das nationale Ehrgelübl des deuischen Volkes gerichtet. Und beute? Zwanzig Kämpen aus Bebels Sckar sind auö dem Sattel gehoben, und gerade große Städte, Leipzig vorau, haben zur Beschämung Berlins gezeigt, daß die internatio nalen roten Genoffen ohne Mühe kalt zu stellen sind trotz ihrer demagogischen, wilden Agitation, sobald der Boden gesunden ist, auf dem sich die bürgerlichen Parteien «reffen. Die Leipziger Wahl ist ein Schulbenpiel hieriür. Auf der Ziuimerstraße in Berlin, vor dem Scheinwerfer des „Lokalanzeigers", standen Tausende dichtgedrängt, um die Er gebnisse der Wahl zu erfahren. Da — „Leipzig, Dr. Junck, nationalliberal". Eine Ueberraichung ersten Ranges. „Glauben Sie'S?" hieß es bei vielen Leuten. „Nee, wird wohl ver blnkende Bote nachkommen, wie bei Dr. Reicke. Am Ende ist der Genosse doch durch." Aber der Genosse lam nicht durch, um 10 000 Stimmen blieb er zurück. Wenn das heule nicht unwiderruflich feststände, möchte man im Reiche glauben, eS sei ein Traum, wenn auch ein schöner, Leipzig hat vor allen anderen Großstädten gezeigt, oaß „unier Volk noch reiten kann." Man muß die ehrliche Freude gesehen haben, welche sich in Gesang uud Hochrufen Luit machte, als nun Sieg um Sieg über Bebels Vasallen gemeldet wurde, und man wird nicht mebr daran glauben, der pairiotilch: Gedanke, der Sinn sür des Reiches Größe, die Liebe zu Fürst und Vaterland sei glücklich erstickt und einzeiargt im Volke. Eine Ueberraschung ist der 25. Januar aber auch den guten Freunden im AuStande gewesen. Welche sroben Aussichten bolen sich denen, die schon lange die Sichel sckarf haben, das teuttche Korn zu schneiden! Obne Zweifel — die Genossen, welche so zuversichtlich den Siegesgekang anslimmteu, mußten iu Hellen Haufen in den R-icbstag «nziehen, nut den schwarzen Freunden vereint lonnten sie jeder Regierung daS letzte Stündlein bestimmen, wie eS ihnen beliebte, und da die Sozialdemokratie bcwußlermaßeu die Geschäfte der Reichs« jeinde beiorgt, so versteht man es, wenn ehrliche Wüniche ihren «Feldzug begleiteten. Ein Sieg der Feinde deS Kanzlers — uud ave deuoche Wehrkraft, lebe wohl Traum von einer stark«, Flotte, von deutschem Arneben iu aller Welt, von Wohlfabrt und Frieden >m Inneren und Macht und Ehre nach außen! Dann kehrten sie wieder die goldenen Zette», wo ver Deutsche in aller Well sich ducken mußte, wo er be schämt t«e Zerriffenheit, die Kurzsichtigkeit, die Schwäche vabeim eingestehen mußte vor Franzosen uud Eng ländern, die mit dem Aniedea ihrer Nation prahlten. Dann war die Zeit bald da, wo man darangehea durfte, dem Deutschen Reiche den letzten Stoß zu versetzen und das Werk B'SmaickS wieder in Trümmer zu legen. Au ihn bat Fürst Bülow erinnert, als er in der Nacht zum Sonnabend sprach. Aber im Hink,ick aus den Fürsten Bismarck dürfen wir nuu den Füisteu Bülow erinnern, daß der erste Reichskanzler nie, auch ,n den Zeiten parlameniarffcken ZwisteS und persön licher Verstimmung, die gelunde Krast des reul'cheu Libe ralismus vergessen Hal, die so oft dem Reick >n schweren uad verhängnisvollen Stunden über die Gefahr hinweg geholfen dal. Der deutsche Liberalismus ist stets — auch wenu man eS nicht anerkennen wollte — eine zuver lässige Stütze der Regierung gewesen, wenn es sich nm Frage» der nationalen Ehre, die wirkliche Größe n»d Wohlfahrt de» Reiche- ha»d«ll»
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