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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 31.03.1907
- Erscheinungsdatum
- 1907-03-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190703319
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19070331
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19070331
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-03
- Tag1907-03-31
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Bezuqs-Prei- für Lripzt, «« Aar»«: -» der H«p^ Erpedtlio» »d« d«»» L»-gabeft«L« ab» ftehoU «oacttUch: LaSaabr » U «at täglich) 70 Pf.. «aAgab. L (L «al ttlgltch) S0Ps„ bet staNellnag tu« Haas Au-aad, » SO Pf^ Ausgabe v 1 Ltark. Durch aaserr aus« wärtige» Au-gabestellen und durch die Post bezöge» (1 »rtt tägllch)ta»«rdalb Deutschlands monaUtchlMarkansschl-Bef^llaebäbrro. für Oesterreich-Luaaru b T 4tb »ttttetjäbrlich, die übrige, Länder tu« Aettung-prri-list^ Dies, Siuuuu« kostet a»f öäß ßNL all« vahabsf« «U> bat III d« »ettmrss.Parwuf«, K" ^k* «atatttmi au» «Metttt»»: Joyamrtägasft 8. Tel« ho, Rr. -ü^ dir. «T «» L17L Berti»« Lebaktt»»s»v»rr«a: BerÜ» LV. Loais tzardtuaud- Lelevdo» I, Nr. SI7L. Morgen-Ausgabe v. MpMerTaMM Haudelszeitung. Amtsblatt des Rates ««d des Rslizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeiqen-Prei- dte 6 gespaltene Pelttzeile für GejchättS- tuserate au« Leipzig und Umgebung Lv Pf, Familien-^ Wohauug«- ». 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Var lvicdtigrte vom Lagr. * Der Gesetzentwurf zur Einschränkung der Majestätsbeleidigungsprozesse, der dem Reichstag zugehl, steht außer der Straflosigkeit bei nicht vorsätzlichen Beleidigungen auch eine erhebliche Herabsetzung der Verjährungsfrist vor, um den DenunziationSuufug einzuschränken. * Dem Reichstag ist die Denkschrift der Re gierung über die wirtschaftliche Lage und die Kosten einer PensiouS - und Hinterbliebenen fürsorge der Privatange st eilten zugegangen. iS. Letzte Dep.) * Der Priuzregent hat genehmigt, daß der Generalintendant der Königl. Theater, Freiherr v. Spei del, und der Generalmusikdirektor Mottl gegen den »Bayrischen Kurier" vorgeheu. lS. d. bes. Art.) * Der Großherzog von Sachsen hat den Direk tor des Königl. sächsischen historischen Museums Dr. Karl K o et s ch a u-Dresden zum Direktor des Großher zoglichen Museums und des Goethe-Nationalmuseums in Weimar ernannt und ihm gleichzeitig den Titel Hosrat verliehen. * Der Aufstand in der Walachei dauert, wie auch offiziöse Nachrichten aus Rumänien zugeben, fort. fS. d. bes. Art. und AuSl.) * Italien scheint entschlossen, einen englischen Ab rüstung Santrag auf der Haager Konferenz zu unterstützen. lS. AuSl.) Ortern. Die Star« pfeifen voll froher Zuversicht, Lerchenjudel klingt in linden Lüsten, und auS zartgrünem Nasen sprießt der CrocuS. Nach unendlich langem Winter blaut der Himmel bei unS gleich dem Meer im sonnigen Süden, an besten Gestade der Reichskanzler, ledig aller Pflicht für ein paar glückliche Tage, die Osterwoche feiert. Wie graue Winternacht am sonn,gen LenzeSmorgen liegt manche Er innerung hinter ihm, die daheim ihm böse Stunden machte. Im Buen Retiro zu Rapallo sieht er neben und vor sich nicht die Leute, deren Anblick ihm Falten auf die heitere Stirn treibt. Studt, der beweis.'» wollte, daß man auch regiere» Lrme. ohne «in Redner zu sei», stört mit Polen nöten und reaktionärem Drängen nicht die Siesta, und der Rauschebart PosadowSky, dem die Welt den Ruhmestitel deS arbeitsamsten der Minister zuerkennt, braucht nicht anae- rempelt z» werden. Hinter dem „agrarischen Reichs kanzler" liegt die Zeit, da er mitten im kalte» Winter wohl zu der halben Nacht zum huldigen den Volke reden mußte; noch drö^rt ihm die Tuba des Ruhmes und Siege« im Ohr. Aber eS liegt schon etwas in der Lust, daS ibn der Wahlgloria nicht recht froh werden läßt. Wenn man schon vor dem Landwirt- schaftSrat sich als waschecht agrarisch — selbstredend latei nischer Spezies — guasifizieren muß, geht e« mit der „Paarung" anscheinend doch nicht so ganz gut, nnd hinter der Ecke steht der ehemalige Genoß und winkt, und man kann ihm nicht einmal den allerklemsten Finger heimlich reichen, wenn die neue» Freunde uicht furios werden solle». Ader e« ist Ostern, Friede liegt auf aller Welt und i« grünen Garten geht jedes brave Sind sei» Osterei suchen, das liebende Hand versteckte. Und wenn Fürst Bernhard mit dem ehrlichen Makler Tittoni di« Blicke über den Boden Europas spähe» läßt, wird auch er die Gabe finden, die König Edward ihm zu Ostern 1907 im Garten zu Rapallo bergen sieß — den» Edward hat ein gutes Herz. Und dieses Osterei trägt in schöner Schrift: „Haager Friedenskonferenz 1807", und wir fürchten, es ist nicht ganz 'risch, nicht völlig einwandssrei. Aber es ist jedenfalls olS Ueberraschuna gut gemeint, wie ja König Edward der Welt von jeher mit Surprisen aufwartete. Einst, als Baron Hirsch -roch lebte, waren daS elfenbeinerne Baccaratmarkcn, die der Prince of Wales der Welt auf den Tisch warf. Heute hat der König sich auf daS Spiel der Weisen, das Schach, zurück- gezogen, spielt sein Gambit mit ungeahnter Meister'chaf, und zieht sein« Figuren, wie er will. Sein neuester Zug ist vir Reise deS Jtalienerk-nigS nach Athen. Viktor Emanuel III. ist von Anbeginn seiner Herrschaft an ein artiger Schuler Edward« VII. gewesen. Er unter- ließ es, Herrn Loubet und Kaiser Wilhelm zu einer Aus sprache aus italieuischem Boden zu bringe», well der Plan dem Meister i» London nicht paßte und uns AlgeeiraS er spart hätte. In Algeciras mußte bann vi-eonti yenosta oa« Doppelspiel auf der englischen und Drmbaudklaviatur spielen, bis er im Finale doch glattweg den Pariser Kammer- ton wählte. Nun acht Viktor Emanuel nach Athen. Warum? Jedenfalls, weil Italiener und Griechen i» de» Herzen» überwallender Liebe ihre Souveräne Hand in Haud aus dem Marmorbalkon d«S Sönigssch'ostr» zu Achen sehen wollen. Oder wünscht Edward VH. d«u Block r» Südpsteuropa §a»z fest zu machen, nachdem er im Güdwesten die sonst so feind liche» Brüder tu Lissabon «ud Madrid zirr Eintracht, zu herzinnigem Vereine brachte'? Fast möchte mans meinen. Doch Herr Tittoni wird dem Fürsten Bülow auch über diese neueste Extratour der bell» Iiuli» die nötige Beruhigung geben. > Viktor Emanuel wirb zu Athen eine echte Osterfreude spüren. Das reinste aller menschlichen Gefühle, die Schaden freude, herrscht von Kap Matayan bis nach Larissa, denn der Rumäne, der im vorigen Jahre den edlen Griechen so schnöde den Stahl vor die Tür setzte, siebt vor seinem brennen den Hause and ringt die Hände. Das haben nun die Toren in Bukarest davon, daß sie den Zora des Himmels heraus forderten! Trotz der englischen Kranprinzeß in ihrem sobel- hastea Luftschloß inmitten grüner Buchcngipfel, trotz aller Belehrungen von Rußland und England aus hat der Hohen- zoller Carol der Todsünde weiter gehuldigt, es mit dem Drei bund zu halten. Das kann nicht ungestraft bleiben, zumal es doch so kinderleicht ist, mit Sliwowitz und Judenblut den Patriotismus der Bauern zu erwecken. Nun wird Carol vo» Rumänien trotz der deutschen Petroleumgesell'chaften endlich mürbe werben und gleich Viktor Emanuel endlich ein sehen, daß er 'einen Platz in der Algeciraskohorte Edwards VH. einzunehmen hat. Das hat Georgias von Griechenland trotz der deutschen Schwiegertochter und Viktor Emanuel HI. trotz der Dreibundschwärmerei Umberto- und Crispis längst begriffen, und Ferdinand von Bulgarien hat die nötig« Anleihe für die ersehnte Königsherrlichkeit trotz deS Schwarzen Adlerordens in Paris gesichert. Creuzot macht die neue» Geschütze und Monsieur Pic- guart verkündigt e» der Welt ausdrücklich, daß Bulgarien- Offizieren die Regimenter der Republik offen stehen, deren Obersten und Generäle mit schmerzbewegten Worten Ab- schied nehmen von dem schönen Traum, »wischen Straßburg und Ingolstadt grüne Lorbeeren zu pflücken. Das sind natürlich nur Privatgedanken, welche in Frankreich vorzeitig sich Luft machen, und Monsieur Lecomie, der in Liebenberg, wo unserer Politik schon so manche wertvolle Anregung ge geben wurde, bei dem segenspendenden Genius Vbili Eulen burg, den direkten Weg zum Kaiser zu fiirden mußte, kann di« Linke auf das biedere AttachSherz legen und nnt strenger Miene auf de» Sander Baihoud und Genossen deuten, die nun serr oou de:, Äogesen das Brot der Verletzung essen. Man denkt in Frankreich nicht an den Krieg, man hat in Marokko jetzt seine Not, wo General Liautey nach Udjda marschi«ren muß, um das Ansehen des gesamten Europa zu wahren. An und für sich könnten wir ja mit größtem Vergnügen es den Franzosen gönnen, wenn sie sich iu den Schluchten des AtlaS blutige Köpfe holen wollen, und den Helden, die an den Vogesen Lorbeer suchen, tut ein biß chen marokkanische Guerilla vielleicht sehr gut. Es ist nur ein ganz kleines fatales „Aber" dabei, denn die Integrität des Scherifenlandes war doch die aonckitio sine qu» r>oo de« deutschen Marokkovrogramms, wegen besten Herr Delcossä den Hals brach, und für das wir um ein Haar, wenn es nach Holstein und Genossen gegangen wäre, vom Leder gezogen hätten. Edward probiert allo von der Parkier Filial« aus genau dasselbe, was unS im Vorjahr iu den Harnisch bracht«. Di« Herren Cambon und Lecomte werben unS -»rar in den algerischen Grenzparayraphen das Psörtlein zeigen, durch das sie mit hocherhobeuem Haupte unbeschadet der AlgeciraS- akte schreiten können, ober sie werden die Nachbarn mit hämischem Lächeln darauf aufmerksam machen, daß wir uu» seit Algeciras höllisch omansert haben, und der im Mauso leum -u Friebrichsruh heute unschädlich ist, der einst nur di« Fuchtel zu zeigen brauchte, um di« Herren Nachbarn zur Raison zu bringen, llnd Edward der Redliche wirb nicht versäumen, auf die totale Isolation aufmerksam zu machen, die für unS durchaus keine splendide ist, wenn auch unsere Zünftigen sich stellen, als pfiff«» sie auf alle Bündnisse uad Versicherungen. Und wozu hat Edward gerade jetzt die neuen Züge getan? Natürlich, »m «ns für die Haager Friedenskonfe renz von vornherein mürbe zu machen. Oesterreich wird wahrscheinlich dort mit uns gehen wie in Algeciras, Italia» wird sich unter schicklichem Borwand drücken oder sich gern überstimmen lasten, mit dem Großtürken haben wir eS seit Akaba gründlich verdorben, Rußland schielt nach den eng lischen Sovereigns — bliebe Amerika. Und wenn Edward unsere totale Vereinsamung in grellem Lichte zeigt, sollte da Roosevelt trotz Heinrichreise, Profestorenaustaufch und Alicenhätschelei sich mit Deutschland verplempern wolle», das doch nur der Störenfried ist, der nicht aufhören will, sich -nm Kriege -« rüsten, und so die West trotz aller reichen Mühe deS Friedefürsten Edward wieder tn ne»eS Erz zwängt? So töricht wird doch Bruder Jonathan nicht sei», nnd der herzlichste Wunsch deS guten Edward wäre erfüllt, wen» sich Jonathan entrüstet von nn» we»d«t. llnd wea» wir daun wirklich mit der gepanzerten Faust auf de» Tisch schlügen, daß den pfiffigen Agenten Edward« die Tinte in- Gesicht spritzte, ja, dann — so leid es ihnen täte — dann müßten Edward und Clemencean eben marschieren und segeln lasten, und die ewige Gerechtigkeit uns grLudllch die Kriegsmucken auStreiben. Aber das sind nur Träume und Gesichte böser Menschen. Der schönste Himmel blaut, Osterglocken läuten, nnd die Segel bläht ein linder Wind, daß die Jachten sich würdig für CoweS bereite», wo der König — nicht doch, der Lord mayor von London de» deutsche» Kaiser zu sehen hofft. Edward war -war »och nicht in Berlin, die englisch« Königin überhaupt noch nicht in Deutschland — Sopenbagener Tra dition — aber da» soll den Ofterfrieden nicht stören. „Wer weiß von morgen? Laß »ns de» Sieges froh Falerner schlürfen!" Mit de» Sozi» si»d wir fertig geworden, da werden vir auch mit de» Herrschaft«» i« Haag »och -» Rand« komme»! — Rar einem wird «S nicht »ach Osterjubel za Mute sei» — Herr, Marschall vo» vieberstei», der un sere Sache im Haag führen soll. Schneidet er g«t ab nun, so war er nur daS Organ höherer Weisheit: hat er versnngen and vertan, so wird «an ihn alS tote» Man» in die Srnbe betten, an» der keine Osterglocke ihn weckt. Di« Lage von Rapallo, der polnische Osterfrtatze, werd« vergeh« wie di« l»»ge» En»««» Ob «S der Jwnt pra»ge»d« Rose» bri»gt? Ungar» »»<> Rumänien. (BonunsermLondoner IO-Korrespondenten.) Zu den Hauptbesitzern englisch finanzierter Petroleum gruden in Rumänien gehören einige angesehene, in Groß britannien naturalisierte Ungarn. In diesen Kreisen, die Land und Leute, die Justiz und soziale Schichtung aus eigenster Erfahrung kennen, wird die Lage ln Rumänien, insbesondere die Gefahr für die Dynastie, als sehr ernst betrachtet. Der König gilt noch heute als Fremder. Das Geschick, das alle Hohenzollern bei der Vermehrung ihres Hausbesitzes betätigt haben, ist ihm außer ordentlich verübelt worden. Der König ist selbst der größte Landbesitzer. Diesen Besitz hat die Schatulle zum Teil recht billig, durch Bauernlegen, erworben. Wenn vom König di.e Rede ist, pflegt selbst der höhere Beamte unfehlbar hinzuzu fügen: „Unser König — er hat gut gerafft". Der Kronprinz gilt ebenfalls als Fremder; speziell, nachdem die Hoffnung des Landes auf seine Halbrumänisierung durch Heirat ent täuscht worden ist. Auch ihm sagt man nach, datz die Bauern schaft unter der Anhäufung seines Vermögens zu leiden ge habt habe. Vom Fürsten Ghlka und von den Mawrokordatos werden ähnliche Geschichten erzählt; nur daß in diesen Fa milien noch weniger Intelligenz zu Hause ist. Ihre „Paläste" sind wenig besser als große Bauerngüter mit arg vernachlässigtem Betrieb; der dort betriebene Weinbau z. B. kann sich nach dem Urteil von Fachleuten mit dem südfran zösischen wohl messen, aber liederlicher Kellerbetrieb — lunger Wein wird in alte schmutzige Fässer gefüllt — gibt zedem rumänischen Wein einen „Stich". Diese Herrschaften kennen nur drei Passionen: Wein, Weib und — Karten. Rumänien muß noch als wirklich östliches Land betrachtet werden; über die Voluptuosität aller städtischen Gesellschafts klassen stimmen alle Beurteiler überein. Das schlimmste aber ist das Kartenspiel, das jeden Respekt zwischen Vor gesetzten und Untergebenen untergräbt und im Parlament, befonders aber in der Justiz der schlimmsten Korruption Tür und Tor öffnet. Eine bekannte Tatsache ist der Mangel jedes Tarifs für Anwaltskosten. Darunter leidet hauptsäch lich der Dauer. Rumänische Anwälte pflegen zuerst zu .fragen: „Wieviel Geld bass du?" Wegen wirklicher Bagatell» ^rc^essr um dis AnwaiL^vstei' „seine Kuh verkaufen" zu /l.üfstn, ober gar von Hins und Hof vertrieben zu werden, ist eine ganz geläufige Erfahrung für den Bauern. Nicht besser sieht es in der Zoll- und Steuervcrwaltung aus. Der eigentliche rumänische Bauer war viele Jahre hindurch indo lent, von der griechisch-katholischen Orthodoxie zu einem lächerlichen Fatalismus heruntergebracht. Einem Fatalis mus, der selbst zu den Ausschweifungen der Priesterschaft nur: „Was hilft es, Gott will es", zu sagen wußte. Der knechtische, mürrische Charakter des rumänischen Bauern fällt jedermann aus, der über die bulgarische ooer ungarische Grenze oder aus der hauptsächlich vor Ungarn bewohnte» Provinz Moldavia nach drm Süden kommt. Die Apatbie des rumänischen Bauern gehe soweit, daß der betriebsame Bulgare in seine Täler komme», dort Land über den Som mer pachten, das Hauptgericht, den Kohl, pflanzen und dem Rumänen verkaufen und im Winter mit Svarkapital nach Hause zurückkehren kann, ohne daß er Wettbewerb erfährt. Vor allen Dingen daS Bauernlegen hat diese Apathie und hat jetzt den Haß gegen Juden und alles, „waS Hosen trägt" — gegen den als Westeuropäer auftretenden Adeligen her vorgerufen. Der rumänische Landtrust kaust den bankerotten Grundbesitzern den Boden zu 2 bis 3 Francs per Acre ab und verpachtet ihn zu 30 bis 40 Francs an den Bauer; den Vermittler spielt dabei der Jude levantinischer Abkunft, ähn lich wie in Galizien der böhmische Jude. Dieser muß dann das Odium der Schuldkassierung auf sich nehmen. Da die Landstraßen und Bahnen auf das schlechteste verwaltet sind, so ist selbst dem sparsamsten Bauern jede Möglichkeit ge nommen. mit Nutzen zu realisieren, was er etwa auf diesem teuren Pachtboden erzielt. Schließlich ist ja auch der Handel in griechischen, ungarischen und italienischen Händen, die alle aus der Haut der Bauern Riemen schneiden. Aehnlich liegen die Dinge hinsichtlich der Verwertung des rumäni schen Holzreichtums. Auf den fürstlich Ghikaschen Gütern batte z. B. eine Leipziger Firma die Verwertung der Waldbestönde begonnen. Ueberbaupt war deutsches Kapital hier der Pionier. Anfänglich wurden die Wälder im ganzen zur Abholzung verkauft. Das war dem Bauern ganz will kommen. Es brachte Arbeitslöhne in seine Tasche und das Fall- und Bruchholz, das er von je als „Gabe Gottes und des Bauern Recht" angesehen batte, kam ihm gerne zu. Später aber verkauften die Gbikas ihre Wälder nur noch zu festen Preisen per Stamm und zwar ziemlich hoch. Der Bauer wurde zum Dieb, sobald er sein altes Recht auf Lese- bolz auSübte. Der Haß kehrte sich mit nichten gegen die Deutschen; von ihnen sah der Bauer wohl ein, daß sie aus ihren Vorteil blicken mußten: sondern gegen die hochgebore nen Landsleute. Jetzt ist übrigens auch diese Ausfuhr haupt sächlich in den Händen ungarischer Rccdernrmen in London. Der Einfluß, deu die Ungarn im ganzen Lande, nicht nur in der überwiegend ungarisch besiedelten Provinz Moldavia, infolge ihrer höheren Bildung, ihrer wirtschaftlichen Rüstig keit erworben haben, wirb vielfach unterschätzt. Die Annexion von Moldavia gehört seit den 70er Jahren, seit der Hoch flut der großungarischcn Aspirationen, zu den unausge sprochenen nationalen Programmpunkten. Aeltere Politiker werde» sich erinnern, welche Rolle diele Frage spielte, als Ungarn 20000 Monn seiner Jugendblüte auf den Feldern vo» BoSnie» gelassen batte und dann dieses Land der öster reichischen Krone angcgliedert sah. Die Enttäuschung über diesen „TertrmrenSbruch" ließ damals die Agitation für de» „Rückerwerb" der Moldavia zu bedenklicher Höbe an schwellen. Selbst sehr ruhige ungarische Politiker sind beute der Ansicht, daß e,n Einrücken ungarischer Truppen in die Moldauebene uicht zu umgehen sein wird, falls der Aufstand nicht lokalisiert werden kann, sondern nach Süden vorrückt und Bukarest bedrohen sollte. In diesem Falle nimmt ma» au, daß die Regierung trotz der theatralischen VcrsöbnnngS- szene zwischcu Herrn Take Jonescu und tzem „Gauner Sturd-a", »ft tzer Rebellion uicht fertig werden wird, da weder Herr Sturdza, noch irgend ein ander« Politiker daS Ansehen eines großen nationalen Führers besitzt, noch die Dynastie tiesere Wurzeln gefaßt Hot. In gewöhnlich sehr gut «terrichtete» Kreisen der ungarischen Kolonie Londons glaubt man sogar, daß die mvsteriöse Reise deS österreichikchen Thronfolgers «ach Berlin mit der Entwickelung der Diuge i» Rnwanie» zu tun batte. Eine Auffassung, die wir nur «Ira «ro« wird ergebe» wollen, die ober nach der Quelle, «s der fi« staunut, keineswegs glatt abgewiesen werden ka»». Der »ngaristy« Aufsagung der rumänische» Krise und der Stellung Deutschlands dazu scheint allerdings etwas voreilig das ungarische Sprichwort zugrunde gelegt zu wer- >en: „Das Kind ist tot, die Gevatterschaft hat eiu Ende". Vie kntbüllungen über üaz Münchner stolldealer. sVoa uuserm Münchner Korrespondenten.) Die Lorbeeren, welche der früher selbst manchem Münchner unbekannte „Bayerische Kurier" nach seiner beneidenswerten Meinung durch die,,Enthüllungen" aus dem Flottcnverein geerntet hat, lassen ihn uicbt schlafen. Wieder setzt er, wie er bescheiden seidfl sagt, „halb Europa" :a Erstaunen. Dies mal nimmt er sich liebevoll der Zustände im Münchner Hos- theater an, zum Wohle „unseres lieben Vaterlandes". In Wahrheit sind aber die schweren Beschuldigungen gegen deu Generalintendanten Frhrn. v. Speidel und den General musikdirektor Mottl nicht von patriotischen, sondern sehr materiellen Gründen diktiert. Die Artikel stammen sicher von einer Persönlichkeit, über die in ganz München daS Irteil seit vielen Jahren feststeht. Der „Bayerische Kurier" )at es lange Zeit mit seiner Würde vereinbar gefunden, daß ein ständiger Tbeaterreferent zugleich ei» cifrvser Theater agent war. Daß er dieses Metier an der Münchner Hof bühne ausüben konnte, wAr eben, wie so vieles, unter Herr» v. Possart möglich, mit dem ihm große Freundschaft veroaud. Der Dank bleibt auch jetzt uicht aus, der frühere Geaerat- intenbant wird in allen Tonarten gepricke«, sei» auö viele» Gründen unvermeidlicher Sturz auf Hostntrige» -»rück- aesichrt. Der besagte H«rr soll sich nun, struher »ft d« be kannten Theateragenten Frankfurter sehr Werl, «it diese» überworfen haben. Nia« iUas 1»<:rümLo. Mag indessen die Quelle, aus welcher auch diese Ertt- lüllungen fließen, noch so trübe sein, man muß doch frage», ob sie auf Tatsachen beruhen. Da kaun zunächst »icht i» Abrede gestellt werden, daß sich die Münchner Hokbühue ü» tarken Rückgänge befindet, jedoch nicht erst seit gestern. Er »ängt zum Teil mit der Finanzlage de- Hofes, bzw. der viel zu niedrigen Zivilliste zusammen, zum Teil trägt unzweifel- -aft Herr v. Possart, trotz seiner glänzenden Mozarr- uad Wagner-Mustervorstcllungen, die Verantwortung hierfür. DaS alles läßt sich hier nur andeuten. Namentlich war eS erstaun, lich, wie der Schauspieler Possart den alten Ruhm d«S Hof- schauspiels, des unvergleichlichen Resiben-theotett-, nach und nach verblassen ließ. So hat der Oberst und Generalstabschef Freiherr von Speidel ein böses Erbe antreten müssen. Und er ist zur Sanierung unter so schwierigen Verhältnissen gewiß nicht der rechte Mann. Man kann ein ausgezeichneter Offizier, ein Kavalier und brillanter Klavierspieler sein, ohne da ausreichende Zeug zum Leiter einer ersten Bühne zu besitzen. Auch Mottl hat die großen Erwartungen, die ganz München auf ibn setzte, in einer Richtung nicht erfüllt. Er ist ein genialer Musiker und Dirigent, aber sein Organisations talent hält mit diesen glänzenden Fähigkeiten durchaus nicht gleichen Schritt. Die Anklagen des „Bayerischen Kuriers" bewegen sich zu nächst auf sittlichem Gebiete, und die Enthüllungen machen, das muß man anerkennen, in.ibrer hüllenlosen Nacktheit einem so frommen Blatte alle Ehre. Es soll jedoch 'chon öfter vorgekommen sein, daß Generalintendanten und Gene ralmusikdirektoren nicht immer auf dem Pfade der Tugend wandelten, daß sie dem Ewig-Weiblichen der ihnen anver trauten Bühne sich nicht immer mit Eiseskälte gewappnet zeigten. Was ließe sich da alles aus einer noch nicht lange zurückliegenden Aera der Münchener Hofbühne erzählen? Dabei soll cs dann auch nicht ganz ausgeschlossen sein, daß die Begünstigten auch im Berufe begünstigt werden. Der Prozeß, welcher sicher bevorstehl, wird zeigen, ob und wie weit das übliche Maß überschritte» wurde. In den Bestrebungen des Generalintendanten, das Per sonal zu verjüngen und zu verbessern, sind unzweifelhaft auch Ungerechtigkeiten und Mißgriffe unterlaufen. Auch das sind keine seltenen Fälle. Es muß aber auch gesagt werden, daß manche vom „Bayerischen Kurier" scharf ge tadelte Maßregel den Beifall vieler Theaterfreunde fand. Das Agenturunwefen greift immer weiter um sich, und Mottl hat ihm nicht gesteuert. Aber sicherlich ist unwahr, daß er der Agentur Frankfurter wegen Darlehen sich er kenntlich gezeigt hat. Dem „Bayerischen Kurier" sind gegen Mottl einige sehr merkwürdige Tücken deS Druck- und Schreibsehlerteufels unterlaufen. Mehrmals wurde nämlich statt „Frau Mottl" „Herr Mottl" gefetzt, so bei der Behaup tung, letzterer gebe an Schülerinnen der Akademie der Ton- künste Privatstunden, lasse sich das Honorar vorher zahlen usw. So ist er wahrscheinlich an der Darlehns- aeschichte ganz unschuldig. Seine Gattin, die ihm durch ihren Mangel an Sparsamkeit schon manche schwere Stunde be reitete, befand sich, wie ich höre, bei einem Aufenthalt in Nürnberg in Geldklemme nnd bat den gleichfalls dort an wesenden Frankfurter brieflich um einige hundert Mark, wobei sie bemerkte: „Wir werden uns erkenntlich zeigen." Ob daraus Mottl ein Strick gedreht werden kann, wird sich zeigen. Diese Heilen sollen übrigens keine Verteidigung bilden. Es wäre tief bedauerlich, wenn die Untersuchung, bzw. Ver handlung ^o gravierende Dinge ergäbe, daß ein Mann wie Mottl München verloren gehen müßte. Mahler hat man seinerzeit verschmäht. Wir wüßten keinen außer ihm, der Mottl an die Seite gestellt werden könnte. Uebrigens bat, wie schon kurz gemeldet wurde, der Prinz- roacnt genehmigt, daß Speidel und Mottl gegen d« „Bayerischen Kurier" klagbar vorgehe». Deutsches Reich. Leipzig, 8l. i-kürz, * Ter Kaiser an Valli». Au« Anlaß der Ausnab»e der Schiffsverbindung mit Wesiasrika in den Dienst der Ham- burg-Amcrika-Lime bat der Kaiser an den General direktor Balliu folgendes Telegramm gerichtet: „Seb^ 'erfreut über Ihre Meldung von der beschlossenen AnSdebnarag des ScbiffSverkchrS Ibrer Gesellschaft nach Wrstasrzka, spreche Ich Zbnen Meine» wärmsten Dank aus. Möge das bedeutungsvolle nationale Unternehme» den deutsche» Schutzgebiete» »um Segea »ad der Hamburg» Lmer ka«8i»i« z»r Ehre gereich«»."
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