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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 23.06.1907
- Erscheinungsdatum
- 1907-06-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190706238
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19070623
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19070623
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-06
- Tag1907-06-23
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Unterstaatssekretär Holle ersetzt den Kultus minister von Stadt und Oberpräsideat von Moltke, übernimmt das preußische Ministerium des Innern. lS. d. bes. Art.) * Der Kreuzer .Leipzig", der in Ostasien weilt, er hielt als neuen Kommandanten den Korvettenkapi tän Engel. Der bisherige Kommandant Freiherr von Rothkirch wird Abteilungschef im Marine kabinett. * Gestern wurde der ersten Kommission der Friedenskonferenz der deutsche Antrag auf Er richtung eines Ober-Priseugerichts vorgelegt. * In ganz Rufs i s ch-P o len ist der Turnverein Sokol aufgelöst. lS. Ausl.) Vie Mivirmlrririr unü ibr unerivarleltt knür. Seitdem Fürst Bülow zum Kaiser nach Kiel gefahren war, fühlte man mehr, als daß sich irgend etwas bestimmtes sagen ließ — eS bereite sich eine Krisis in der Ministerregiou vor. Niemand glaubte recht daran, daß sich der Reichs kanzler vor dem Antritt seines Sommerurlaubs nur von dem Monarchen habe abmeldeu wollen. Daß es sich nur um Borträge über die Lage der Lußereu und inneren Politik handeln könne, leuchtete auch nicht ein. Ebenso gewiß aber war, daß Maulwürfe an der Arbeit waren. Aber wem gruben sie das Grab? Studt? Dazu bedurfte e« keiner Toten- gräberei mehr. Sein Ende war nur eine Frage der Zeit. Mau zerbrach sich uur noch den Kopf um deu N rmeu seines Nachfolgers. Und hier wurde eine Mine bloßgelegt, die darauf deutete, daß keine andere Stelle so gefährdet erschien, wie die des Kanzlers selbst. Der .Lokal-Anzeiger" erzählte, Regierung und führende Parteipolitiker hätten sich darüber verständigt, einen Personen aber leinen Systemwechsel eintreteu zu taffen. Der Nachfolger des Herr» v. Studt solle desselben Loi-älsuvt Geistes Kind sein. Mit anderen Worten — kein Entgegenkommen gegen die Liberalen. In Preußen bleibtS beim alten Kurs kooser- vativ-ultramontan und damit bei dem Gegensatz zur Reichs politik konservativ-liberal. Der Kanzler ließ dementieren. Er wollte von den Berhaudlunze» nichts wiffeu. Dasselbe taten die Nationalliberalen, dasselbe die Freikonservativen; aber was die„Germania" verlauten ließ, schien dem.Lokal anzeiger" recht zu geben, mau batte verhandelt. Zwischen Konservativen und Zentrum. Ohne den Kanzler. Damit schien dessen Stellung bedroht. Schien eS als er nach Kiel fuhr, trotz seines eben erfolgten Sieges über die Eulen- burger Tafelrunde. Oder vielleicht — wegen dieses Sieges über Leute, deren Ideal eine konservativ-reaktionäre Regierung ist. Maa wartete, was werden würde — wartete gespannt. Und gestern brachte der Draht aus der Nedaktions- stube der .Nordv. Allg. Ztg." die Antwort. Sie lautet: Graf PosaöowSky reichte sein Abschiedsgesuch ein. Als sein Nachfolger ist Minister v. Vethmann-Hollweg tu Aussicht genommen. Lieser wirft gleichzeitig Vie Funktionen -es Vizepräsidenten ftes preußischen LtaatS- ministeriurnS übernehmen. Ferner tritt au Stelle des Ministers ». Studt lluterftaatSsekretär im Arbeits ministerin« Holle. In ftas Ministerium -es Junern wirft fter Dberpräfifteut v. Moltke berufen. Erwägungen schweben, ob sich ftte Teilung ftes RetchsamteS ftes Innern empfiehlt. Alles war zu erwarten — nur das nicht! Mit Studt fällt Posadowskh. Bethmauu-Hollweg, Holle, Moltke werden die ueueu Mäuuer in der Regierung. Bülow aber bleibt. DaS ReichSkanzleramt bleibt in den Händen des Mannes, dem man spätestens für den Herbst um seiner Gesundheit willen den Abgang prophezeit hat und der uuu nach seinem Sieg über die Kamarilla daran geht, mit neuen Männer» die Arbeit zu tun. Damit ist aufs neue erwiesen, welche Stücke der Kaiser auf den Fürsten Bülow hält. Und dieser sucht die Situation so zu gestalten, wie sie eben ein Diplomat in einer schwierigen Lage zu formen weiß. Er bereitet den Konservativen die große Freude, Posadowskh fallen zu lassen und er ersetzt ihn durch einen Mann, der bei aller konservativen Grundstimmung auf seinem preußischen Ministersessel kleine Proben moderner An- schallullgea gegeben und damit nicht ohne weiteres als eia Reaktionär gestempelt werden kann. Er stellt auf den Posten StudtS einen domo novus, der verlangen kann, daß man ihn nach seinen künftigen Taten beurteilt und ihm bis dahin Schonzeit gewährt. Endlich aber läßt er Bethmaan-Hollweg ersetzt werden durch einen erprobten preußischen BerwaltuagSbeamten mit einem Namen, der auch durch den in die Liebeuberger Tafelrunde verwickelten Stadtkommandanten gleichen NamenS nicht an Volkstüm lichkeit verlor« hat und jedenfalls den Konservative» llemhur ist. So grliogt aß Bülow scheinbar, all« Diffe renzen zu lösen und vor allem die Lösung der Frage aufzuschieben, ob man in Deutschland konservativ-liberal und zugleich in Preußen konservativ - ullramonlan regieren kann. DaS ist eben immer des Kan.lers diplo matische Kunst gewesen, nicht völlig klare Entscheidungen zu treffen, sondern Konflikten dadurch ihre Sp tze zu nehmen, daß er die Entscheidungen vertagte. Ob es ihm hier aber wirklich gelingen wird, die Unzufriedenheit über die inner politische Situation in Preußen-Deutickland zu überwinden, scheint uns denn aber doch in höchstem Maße fraglich. Der Sturz PosatowskyS muß in allen liberalen Kreisen wie eine Heraus forderung wirken, die dadurch nur in geringem Maße an Schärfe verliert, daß mau cs ber Bctbmano-Hollweg mit eincm modernen Ideen zugänglichen Manu zu tun hat. Posa- dowskys Name war ein Programm. Ein Programm, um deff-utwillen mau in liberalen Kreisen der konservativ- liberale» Paarung mehr Gunst eatgegenbrachte, als dies loast möglich geweseu wäre. WaS dieser Mann im einzelner, be deutet bat, daS soll nicht hier, nicht unter der unmittelbaren Wirkung seines Rücktritts cargelezt werten. Dazu bedarf eS eines besonderen Anilels. Aber daß Bülow gerade den Mann fallen ließ, der bei aller Abneigung gegen ein wirk- lich liberales Glaubensbekenntnis doch ein Mann liberaler Praxis war, wie seine ganze Sozialpolitik bekundet — das zeigt, wie wenig verläßlich Bülow ist, wo es sich um wirkliche Konzessionen an den Liberalismus handelt. Uno man wird ihm diese Entlassung PosadowSlyS von liberaler Seite auf dasselbe Schuldkonto schreiben, auf dem sein Be kenntnis als agrarischer Reichskanzler steht. Dies um so mehr, als man seit Monaten weiß, wie sich eine Spannung zwischen ihm und Posadowskh ungebahnt hatte, die dadurch nicht an Ernst verlor, daß sie immer wieder abgestritten wurde und die durchaus nicht zu Gunsten des Reichskanzlers gedeutet wurde. PosadowSlyS Sturz — daS ist für das fortschrittlich gesinnte Deutschland ein Preis, der zu teuer bezahlt ist, um vea Fürst-» Bülow auf seinem Posten zu erhallen. Trotz der schwierigen internationalen Lage, trotz des Wunsches, eS möge endlich »ach den Tage» der Kamarilla am Regierungs- tisch deS Reiches und Preußens Ruhe und Stetigkeit ein- kehre». Und darum ist eS eiu bitteres Gefühl, das unS bei dieser Lösung der Ministerkrisis beschleicht. WaS wir mit ihr gewinnen werben, das wissen wir nicht, aber was wir in ihr verloren haben, das sagt der Name PosadowSky. Und das ist viel. * Ueber des oeneu Staatssekretärs im Reichsamt des Innern v. Bethmanu-Hollweg Lebeusgang seien folgend« Daten gegeben. Er wurde am 29. November 1856 in Hohenfinow bei Eberswalde geboren, iu der Landesschule Pfort» erzogen und studierte von 1875—79 in Straßburg, Leipzig und Berlin die Rechte; 1879 wurde er Kammer- gerichlsreserendar und trat 1882 iu eie Verwaltung über; l885 Assessor «n Potsdam; 1886 Landrat in Ober-Barnim; 1896 Oberpräsidralrat iu PorSdam; 1899 Regierungs präsident in Bromberg; drei Monate später Oberpräsideat der Provinz Brandenburg. Seit zwei Jahren preußischer Minister des Junern. Sein Nachsolger im preußische» Ministerium des Innern Friedrich v. Moltke ist am 1. Mai 1852 in Rantzau (Hol stein) geboren. Auch er war zuerst (1877) Referendar beim Kammergericht, trat dann in die Verwaltung (1880) über; 1882 Regieruug?assefsor in Oppclu; 1885 Landrat in Ober schlesien; von 1890 an im Kultusministerium als Hilfs arbeiter und Regierungsrat; 1893 Geh. RegierungSral und vortragender Rat, später Regierungspräsident in Oppeln und PotSdam und daun Oberpräsideat in Ostpreußen. * Kurz vor Schluß der Redaktion erhalten wir aus Berlin von eiuer Korrelpondeaz folgendes Telegramm: „Der Ministerwechsel bedeutet einen Sieg Bülows auf der ganzen Linie, speziell gegen daS Zentrum, das iu Posa- dowsky eine Stütz: sand." Mit vielem Schemen scheint man allo gegen PosadowSky Stimmung machen zu wollen. Daß PosadowSky des Zentrums Sozialpolitik zu schätzen wußte, ist natürlich. Er fand eben dort mehr Verständnis als leider ost bei den „nationalen Parteien". Allein, ihm kurzerhand jetzt diesen Stempel aufdrücken zu wollen, um mit dem populären Stichwort „gegen das Zentrum" dem hoch verdienten Minister der Sozialpolitik einen Fuß tritt zu versetzen und um Bülow die Gloriole des autiultra- montaueu Kämpfers zu winden, das verrät zu sehr die Mache, als daß mau sich dadurch irremachen lassen darf in der Trauer über PosadowSlyS Abzug. Weitere Nachrichten siehe Letzte Telegramme. Vie neue siontinentalzpelke. (Von unserem Londoner L-Korrespondenten.) Hur selben Stunde, in der König Edward VII. dem deutichen Kaiser seinen tiefgefühlten Dank sür die Ehrung aussprach, welche der englischen Dynastie durch die Ent sendung des Jeldmarschalls Hahnke und der von ihm ge führten Deputation zur Enthüllung des Denkmals für den Herzog von Cambridge widerfahren sei: zur selben Stunde veröffentlichte in der französischen Hauptstadt der „PLtit Parisi«" den Notenwechsel über das franko-fpanisch-eng- ltsche Garantieabkommen, und empfing in der Wilhelmstrage Herr von Mühlberg die Versicherungen dcS französischen Botschafters über die friedfertigen Absichten der neuen Triple-Entente. König Edwards Dankbarkeit über die höfische, seinem Hause erwiesene Aufmerksamkeit war offenbar ganz auf richtig, von keinerlei Regungen eines diplomatischen llnter- bewutztfeins getrübt: denn glaubhafter Versicherung nach siebt die zeitliche Reihenfolge der ausaetauschten Noten, welch« Frankreich als den „bewegenden Geist der TranS- Lttiou erkenne» läßt, während England der »wisch« der Republik und Spanien abgeschlossenen llebereinkunft erst nachträglich beigetrelen wäre, mit dem äußerlichen historl- schcn Verlauf der Vorgänge im Einklang, so daß also, worauf wir bei der Mittelmeerreise König Edwards hin- wicsen, Monsieur Pichon der Form nach die vor Cartagena gel lend gemachte Kontrolle Frankreichs über die «panlfche Politik bis zum letzten Augenblick behauptet Hal. Die deutsche Diplomatie in Madrid hatte vor Cartagena mit Paris zuiammengeardeitet, um diese Kontrolle gegen einen direkten Abschluß Spaniens mit Großbritannien mobil zu machen, zumal Frankreich damals bei Antritt seines neuen Berliner Bolschaiters unzweifelhafte Versicherungen seines Willens, mit Deutschland auf gutem Fuße zu leben, gegeben hatte. Tas wird mau bei der Beurteilung der Rolle Frankreichs beim Abschluß der neuen Triple-Äbmachung im Auge zu behalten haben, nachdem der in der Vorwoche von König Edward mit einem hohen Orden ausgezeichnete Sir Edward Grey auf dem Umwege über Paris seinen Zweck erreicht hat. Es bleibt eben die alte Tatsache bestehen, daß die fran zösische Republik, wie wohlwollend auch die Gesinnungen ihrer Staatsmänner sind, durch ihre innere Schwäche und ihre maritime und militärische Unsicherheit immer wieder veranlaßt wird, sich zum Hebel bei den für Deutschland nach- teiligen Balanccverschiebungen gebrauchen zu lassen. Wie wenig an die Oberfläche die englische Diplomaten arbeit bei dieser Gelegenheit auch getreten ist, wie zutreffend es sein mag, daß die Pariser Bestrebungen um den Ab schluß eines franw-ipaniichen Garanlieverirages bis in die Zeit Waldeck-Rousseaus und Combes', also Monsieur Del- casiäs, aber des Delcasis vor der anglo-französischen Entente, zurückreichen, so wenig läßt sich doch die Tatsache verschleiern, baß ohne den Zutritt Englands zu den Abmachungen das in ternationale Schwergewicht Nicht verändert sein würde. Ein Seesieg Deutschlands aus der Höhe von Boulogne oder im Blskayischen -Meerbusen würde einen franko-spanischen Hweibund icderzeit haben zerstören können. Ader einer Seeschlacht auf diesen Höhen würde jetzt ein Seekampf im Kanal vorausgeheu müssen, der auch den Sieger für längere Zeit kampfunfähig machen würde. Em Sieger über die eng lische Heimatsflotte würde sich im günstigsten Falle alsbald der britischen Mittelmeerflotte gegenübersehen, und zwar gedeckt in ihren rückwärtigen Verbindungen durch die flotten der Vertragsslaaten. Das Wichtigste an den Wir kungen dieses Vertrages, soweit der Atlantische Ozean in Frage kommt, besteht eben in der Bestimmung, daß außer dem Mittelmeerbesitzstand der Kontrahenten auch die Ver bindungen, also für den Seekampf hauptsächlichdie atlanti- scheu Verbindungen, von ihm gedeckt sind. Mit anderen Worten, die Lehre der großen britischen Flottenmanöver vom vorigen Sommer ist von der britischen Dolomatie mit verblüffender Geschwindigkeit gezogen worden: der britischen Flotte ist die nur schwer von ihr zu -rküllenb« Ausgabe deS Schutzes des transatlantischen Handels/oer transatlanti schen Nahrungsmittel- und der afrikanischen Goldzusuhr durch diesen Vertrag abgenommen worden; die beiden Neben kontrahenten haben dieien Schutz übernommen; die britische Flotte ist völlig für Schlachtzwecke nach dem Nelson-Prinzip freigesetzt, daß die ganze Flotte den Gegner aufsucht und ihn mit voller Angrisfsgewalt zu vernichten sucht. Die Politik, die mit der Konzentration aller Schlachtschiffe an den eng- lisch« Küsten begann, und von der schon damals das Mit glied der Admiralität Mr. Lee bekanntlich sagte, England habe den ersten Schlag in das Gesicht des Gegners, diese Politik findet in der Mittelmeer-Entente ihre logische Krönung. Die wichtigsten Konsequenzen dieser Entente liegen in der Nordsee. Damit sind aber die Vorteile für England und die Nachteile für Deutschland noch keineswegs erschöpft, insbesondere nicht die. Nachteile für die deutsche Handels marine. Der Notenaustausch mit Spanien enthält dte erste Anerkennung, daß Gibraltar dauernd englisches Gebiet sein soll. Das ichmcichelt den historisch gebildeten Engländern, aber es ist auch ein deutliches Anzeichen, wie fest Großbritan nien die Monarchie-Karls V. am Zügel hält, wenn es den historisch gebildeten Spaniern eine derartige Zumutung machen kann, da für diese Gibraltar auch ein Faktum war, an das man stets dachte, wenn man auch nicht davon sprach. Es ist keine schlechte Ironie der spanischen Geschichte, datz die stolzen Hidalgos zuiammen mit der französischen Mittel- meerflotte nach dem neuen Vertrag eventuell dieses Gibral tar für die Engländer zu verteidigen haben, während diese selbst den Suez-Kanal bewachen. Das Mittelmeer wird fetzt erst wirklich zum marv olausuru. Nicht nur eine deutsche Flottenstation in Marokko ist jetzt auf diplomatischem Wege überhaupt nicht mehr zu erreichen, im ganzen Mittelmeer wird es keine Kohlenstation mehr für uns geben. Vor Marokko, an der lleinasiatischen Küste, im Persischen Golf wird Deutschland sich seiner Flotte sür seine diplomatischen Zwecke nicht mehr bedienen können, ohne zum mindesten in Großbritannien auf lebhafte popu läre Indignation, bei den übrigen Vertragsstaaten auf schwierige diplomatische Auseinandersetzungen zu stoßen, während bisher seine maritime Aktion dort frei gewesen ist. Ter Stoß, der damit oegen unsere ohnehin i» der Türkei und am afrikanischen Nordufer schon erschütterte politische Stellung geführt ist, wird seine Wirkungen bald genug zeigen. Erst der Schluß des Mittelmeers bringt unsere Schiffahrt nach dem Osten und nach unseren ostafrikanischen Kolonien für den Kriegsfall in ernste Gefahr, indem er die Mittelmeer-Kreuzerflotten der verbündeten Westmächte für die Störung der Schiffahrt um das Kap der guten Hoffnung freisetzt, wodurch zugleich der amerikanische Handel im Kriegsfälle eine wiche Chance in Afrika und Indien erkält, daß damit die Aussichten auf das letzte, Deutschland offene Seebündnis^ mit der amerikanischen Union, so gering sie überhaupt und, praktisch verschwinden. Monsieur Pichon hat die neue Entente als die natürliche Ergänzung des fran- zösisch-japanischen Vertrags bezeichnet. In der Tat wirft der letzt sür den Kriegsfall bewirkte Schluß des Mittelmeers ein recbt ausklärendes Licht aus die Nichteinbeziehung Kiautschaus und der deutschen Südseebesitzungen t» das ostasiatische Garantieivstem. Das ganze Liniennetz des Llovd und der Hamburg-Amerika-Linie muffen mit Ker Wacht der britischen Heimatsflotte im Norden und bei Port Aden, Frankreichs und Spaniens in der Straße von Gibraltar und Japans im Osten zum Stillstände kommen, wenn England den Bündnisfall sür vorliegend erklären kann. Mit diesem Vertrag in der Hand kann England in der Tat die Kontinentalsperre gegen Deutschlands Export und Import erklären, denn zum Unterschiede vom ersten Napoleon regiert Britannia damit wirklich die Wogen, nicht bloß auf dem Papier. Selbst ein Tegethoff und em Don Juan d"Austria würden daran nur im ersten Kriegs stadium vorübergehend etwas ändern können. Oesterreich und Italien hätten im Hinblick auf ihren Landhandel überhaupt nur «in sehr fragliches Interesse, uns aus einer solchen Sperre zu befreien. Selbst ein bundestreues Italien wird uns deshalb nur mit lauer maritimer Hilfe unter stützen, wenn es nicht von vornherein blockiert sein sollte. Der „Matin" sagt, es sei nicht einzulehen, wie Deutschland überhaupt noch zur See Krieg sühr« könne. Di« «glische Dresse schweigt bisher noch fast einstimmig über diese Frage und über das Bündnis der Westmächte überhaupt. Nur die immer etwas vorlaute „Pall Mall" gibt ihrer Beklommenheit über soviel bri- Nlchen Erfolg Ausdruck. Sie spricht es offen aus, daß mit )er Gefahr einer neuen russischen Revolution im Osten und mit der Entente der Seemächte uu Westen niemand Deutschland zumute» könne, seine Rüstungen einzu schränken. Und sie rät der britisch« Regierung mit aus gehobenen Händen, auf dem Haager Kongreß den Ab rüstungsvorschlag um Gottes willen nicht ernstlich zu pressen. Sonst könnte es eine Entladung geben, die die ganze Herrlichkeit gefährde. Aus der „Pall Mall sprechen im allgemeinen die Kreise des LlilltLi^ und des Oivil Service, die zur Vorwärtspartei gehören. In diesen Kreisen scheint man demnach keineswegs so felsenfest, wie der „Matin" und die gallischen Jingos, überzeugt, daß Deutschland kein« Krieg mehr führen könne. Der Eton- mann, der dort die Politik ichreibt, hat die klassische Er innerung noch nicht vergessen an die Toga des Senats- boten, den die Römer in kritisch« Lag« zu entsend« pflegten. Die Toga, aus der Krieg und Frieden fiel, je nachdem sie geschüttelt wurde. kilrilge u«a Zchnellrüge. Do» Eduard Engel. Daß eS so nicht weitergehen konnte, haben die Eisenbahn- Verwaltung« selbst eiugesebeu; eine halbamtliche Nachricht meldet: Einiges!) Eiseobadndirektioue» habe» die Absicht, vom 1. Juli ab die Zahl der nicht zuschlagspflichtigeu Schnellzüge zu vermehre», also in ihr« Fahrpläne» mehr Eilzüge, weniger Schnell füge zu fübren. Dieses sehr löbliche Vorhaben ver- eieut Billigung, aber nach unsere» Erfahrung« mit der Art, wie die Eisenbahnverwaltungeu den gerechteste» Wünschen des Publikums nachzukommeu pflegen, bedarf auch Las löb- l chste Vorhaben der Mitarbeit aus dem Kreise der Reisen de», und eine solche Mitarbeit, von der ich weiß, daß hinter ihr unzählige Gleichgesinate stehe», möchte ich »och vor dem 1. Juli leisten. Ganz allgemein muß ausgesprochen werd«: die Art, wie die Eisenbahnverwaltung« Eilzüge und zuschlaaspfsichtige Schnellzüge verteilt haben, fordert den schärfst« Widerspruch heraus. Es handelt sich hier nicht um «rnseitige Wünsche des reisenden Publikums, sondern um eiae Abweichung der Eisen- bahuverwatlungrn selbst von ihren eigenen öffentlich aus- geiprocheneu Grundsätzen! Am 1. Juli 1905 erklärte der ver storbene Eijeabahaminister v. Budde iu der Antwort aus eine Interpellation im preußische» Abgeordnetenhaus«: „ES ist nicht die Absicht der Berwaliung,sämtliche imKurSbucb fettzedruckien Züge mit Schnellzugszuschläge» zu belegen. Wenn auf einer Strecke eine ganze Anzahl Schnellzüge läuft — ich will einmal sag« 10 —, daun wird mau unter dies« einige herauSsuchcu, die große,durchgehende,namentlich iuternationaleVerbindungen barstellcu. Diese wird man mit SchuellzugSzuschläg« belegen, wahrend andere Schnellzüge frei gelassen werden." Diese Verheißung der Eisenbahaverwaltung ist unerfüllt ge blieben. Sie hat es gerade umgekehrt gemacht: anstatt nur einige, die durchgehenden, Schnellzüge zu verteuern, hat sie die allermeisten Schnellzüge mir Zuschlag belegt und nur sehr wenige frei gelassen. Die Forderung deS Publikums gebt irr aller Bestimmtheit und Schälfe dahiu: die Eisen- babuverwalrung möge ihr eigenes Versprechen halten und vom 1. Juli ab, also noch vor dem Beginn der Hauptreise zeit, das VerhältuiS umkehr«, i» jedem Fahrplan mit Schnellzügen den zuschlagspflichtigeu Schnell zug zur Ausnahme, d« Eilzug zur Regel zu mache». Das deulsche Reisepublikum hat seit mehr als einem Jahre fortgesetzt fast nur Verteuerung« erlebt; eS hat eia wohlbegründetes Recht darauf, zu verlangen, daß endlich auch aus die Bedürfnisse deS BerkebrS, nicht bloß auf die des FiuanzmiuisterS Rücksicht genommen werde. Wobei übrigens zu bemerken ist, daß noch niemals ein Finanzminister sich auf die Länge über die Wirkung« von Veikebrserleichteruugeu zu bellageu gehabt bat. Die jetzige Verteilung der Eilzüge und Schnellzüge ist auch imosern verkebrSstörend, als naturgemäß der weitaus größere Teil der Reitenden sich in die zuschlagsfreien Eilzüge drängt, diese überfüllt, während die Schnellzüge mit Zuschlag nicht ausgenutzt werde». Das werde sich, wenn die bisherige ungerechte Verteilung fortbestäode, im Hochsommer noch viel ärger erweis« und zu L« schwerst« Schad« des Ver kehrs führ«. * Seb« wir uns einmal einige der wichtigsten SchnellzugS- liuieu der Reihe nach auf ihre Verteilung von Eilzügen und Schuellzügen au. Zwischeu Berlin und Hamburg — und ebenso in umgekehrter Richtung — ist nicht eia einziger brauchbarer Schnellzug zuschlagsfrei! Freigelaffeu sind nur zwei erbärmliche Bummelzüge, die nahezu au jedem Dörte halten und die fett zu drucke» uud Eilzüge zu nenn« «in starkes Stück ist. Auf der Linie Stettin—Hamburg verkehr« zwei durch- gebeude Schnellzüge; beide sind zuschlag-pflichtig. Beide sind schleckte Schnellzüge, denn selbst der weniger schlechte braucht zu 360 lcm nahezu 6 Stunden, erreicht also nur etwa 60 km m der Stunde. Der zweite braucht sogar nahezu 7 Stunden. Auf der Linie Berlin—Stettin—Danzig verkehren nur zwei durchgehende Schnellzüge; die Verteilung zwischen Eil zug und Schnellzug ist wie 1:1. Zwischen Berlin und Ostpreußen ist jeder bequem gelegene und gute Schncllzua zuschlagepflichtig! Beide Morgenrüge von Berlin, beide Nachizüge, uud von den 5 schnellen Zügen überhaupt ist nur ein einziger, der iu Königsberg nachis um l/,1 Uhr ankommende, zuschlag-frei. Ist dies eiae Erfüllung der Zusage des Eitenbahumiuisters Buvde? Aus der Linie Berlin—Pos« ist es ähnlich. Ebenso ver kehrt i» Oberschlesien, zwischen BreSlau und Overberg, von den vier durchgehend« Schnellzügen uur eiu einziger ohne Zuschlag. Zwischeu Berli» uud Breslau gibt eS vier regelmäßige Schnellzüge; davon ist em einziger, natürlich der schlechteste, zuscklag-irei. Aus der Linie Berli»—Dresden find über Röderau sämt- licke Schnellzüge zuschlagpflichtig, über Zoffen von drei Zügen nur einer frei! Ei» erstaualiche» Bild bietet der Fahrplan Berlin—Leipzig. Wan seh« sich die Seite SS des Reichskursbllches an, das»
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