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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 14.07.1907
- Erscheinungsdatum
- 1907-07-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190707141
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19070714
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19070714
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-07
- Tag1907-07-14
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Sachsen.j * Der Kronprinz vonSachsen und die übrigen Prinzen und Prinzessinnen trafen gestern mittag mit einem Llvyddampfer in Norderney ein, wo auch die Ankunft des Königs in einigen Tagen erwartet wird. * Der „R e i ch s a n z e i g e r" veröffentlicht den vorläufigen Ent wurf eines Scheckgesetzes. lS. Handelsteil.j * Heute findet dieBegegnung der Minister v. Aehrenthal und Tittoni in Des io statt. sS. Leitartff »Italien hat im Juni den Kündigungstermin für den Dreibund verstreiken lassen, der damit bis 1914 ver längert ist. lS. Ausl.) * Die belgische Regierung ladet zu einer Tagung der internationalen Z u cke r k o m m i s f i o n auf den 25. Juli ein. lS. Auslff Sachsens politische Lage. Scho» als Graf Hohenthal in das Ministerium des Innern berufen wurde, sah man hierin den Anfang einer politischen Wandlung in Sachsen. Der neue Minister war nicht parteipolitisch so sestgelegt wie sein Vorgänger, den die Konservativen als einen der Ihrigen an sprechen konnten, und der in der Tat auch für sie so viel getan hat — man denke nur an die Wahlrechtsänverung vom Jahre 1896 — daß ihm für sie zu tun fast nichts mehr übrig blieb. Sie waren unter seinem Ministerium zu der allein ausschlaggebenden Partei in Sachien geworben. Es kam daS Wort von der Nebenregierung auf, die durch sie im Königreich au-geiibt werde. Und zwar waren es durchaus nicht gemäßigt konser vatioe Elemente, die damit ihren Einfluß ausüblen. Ein durchaus agrarisch-konservatives Regime präsentierte sich mit den Herren Mehnerl unv Opitz. DaS lag als ein unerträglicher Druck auf dem vorwiegend industriell bevölkerten und industriell wirtschaftlich gerichteten Sachsen. Die Reichstagswahlen von 1903 zeigten die politischen Früchte dieser Aera. Sachsen würbe das rote Königreich. Die Devise „Kampf gegen den Umsturz" verfing nicht mehr. Die Unzufriedenheit im Bürgertum war viel zu mächtig geworden, als daß es noch der sozialdemokratischen Hochflut trotzen konnte. Was aber daS Ministerium Metzsch nach der Lehre, die bie Reichstagswablen von 1903 gegeben hatten, nun zur Beschwichtigung der Unzufriedenheit geben wollte, reichte hierzu nicht aus. Weder war es imstanve, eine Reform der Ersten Kammer durchzusetzen, die das agrarische Uebergewicht verminderte, geschweige denn aushob, noch vermochte es eine Wahlrechtsreform für bie Zweite Kammer zu formulieren, aus der sich etwas Brauchbares machen ließ. Minister von Metzsch, dessen mancherlei Verdienste wir trotz seines konservativen Regiments nicht schmälern wollen, konnte eben nicht der Mann sein, der eine politische Wandlung herbeisührte. Seine Ver gangenheit haftete ihm an. Seine eigene politische Gesinnung, die wir als Gegner bekämpfen, aber als ehrliche Gesinnung zu schätzen haben — hinderte ihn daran. Es kam Graf Hohenthal und mit ihm die Hoffnung, daß es anders werden würde. Er selbst gab sie, indem er auf die Wahlrechtsreform als auf die erste und wichtigste der ihm gestellten Ausgaben hinwies. Mit ihm aber kam kein liberaler Minister. Graf Hohenthal würde eS sicher selbst von sich weisen, als liberal an- gelprochen zu werden. Er würde, wenn überhaupt zu einer Partei, dann sicher zur konservativen sich rechnen. DaS sind wir in Nord deutschland, vor allem in Preußen und Sachsen nicht anders gewöhnt und alles Bedauern dieser Tatsache schafft sie nicht aus der Welt. Man konnte deshalb auch von einem Wahlresormgesetz dieser Regierung nicht etwa eine Wahlresorm erwarten, die alle liberalen Ideale verwirklichte. Nur politische Kinder konnten daS träumen. Wohl aber mußte man erwarten, daß die Regierung ihrem Wahlgesetz ein Gepräge gäbe, das dem agrarisch-konservativen Uebergewicht entgegenwirkt und jenes Wahl unrecht aus der Welt schafft, durch das bisher die Arbeiterklasse so gut wie einflußlos gemacht wurde. De» guten Willen, nach diesen beiden Seiten zu wirken, weist der Wablgesetzentwurf trotz all' seiner Mängel auf. Wir denken nicht daran, die Mängel dieses Entwurfs zu beschönigen. Wir habe» schon auf eine ganze Reihe dieser Mängel hingewiesen und werden darin fortfabren, ebenso wie mit Vorschlägen zur Besserung. Aber daran halten wir fest, daß hier ein Gesetzentwurf vorliegt, auf dessen Basis verhandelt werden kann unv auf dem sich eine Wahl reform aufbauen läßt, die einen Fortschritt gegen das bisherige Recht darstellt. Wer dem in liberalen Kreisen widerstrebt, kann sich zwar leicht den Beifall der großen Masse sichern — lädt aber die schwere Verant wortung auf sich, daß eine Regierung, die sich ehrlich bemüht, dem agrarisch-konservativen Einfluß entgegen zu wirken, in diesem Streben von den natürlichen Gegnern deS agrarischen und extremen Konserva tismus im Stich gelassen und von neuem unter deren Zoch ge beugt wird. Wie schwer selbst konservative Beamte dieses Joch empfinden, bat Herr von Nostitz-Wallwitz in Dresden ausgesprochen, und die stürmische Entrüstung, mit der die Organe des agrarischen KooservatiSmuS diese Rede ausgenommen haben, zeigt, wie diese Flucht in die Oeffentlich- keit gewirkt hat. Hier Wirdes sich nun fragen, wie stark die unbelehr bare», auf ihre ausschließliche parlamentarische Herrschaft be dachten extrem konservativen Elemente gegenüber den Konser vativen sind, die, wie Herr von Nostiy bervorhob, das künstliche und ungerechte Uebergewicht der konservativen Partei empfinden und bereit sind, sich dessen freiwillig zu begeben. Hier frägt es sich, ob die „Deutsche Tageszeitung Recht hat, wenn sie jubelnd ver kündet, daß die überwiegende und maßgebende Mehr heit der konservativen Partei Sachsens die Wabl- rechtsvorlage durchaus verwirft. Hier frägt es sich aber auch, ob die liberalen Kreise den Einst der politischen Situation zu würdigen und zu vei werten wissen, der ihnen hier die Aufgabe stellt, an dem Wablrecktswerk so mitzuarbeiten, daß eS für sie annehmbar wird. Heute liegt es so, daß Extrem-Konservative Hand in Hand mit ter Sozialdemokratie die glatte Verwerfung der Wahlrechtsvorlage fordern, und auch aus liberalen Kreisen werden ähnliche Urteile laut. Bei der Sozialdemokratie wundert es uns nicht. Sie stellt sich einfach auf den Standpunkt: Alles oder nichts. Das „Alles" ist in diesem Fall die Einführung des ReichstagSwahlrechts in Sachsen. Das „Nichts" enthält für sie die Hoffnung, die vorhan dene Unzufriedenheit über das geltende Wahlrecht weiter schüren und ausnützen zu lönnen. Auch bei den extremen Konservativen wundert uns diese Stellung nicht. Der Sinn dasür, daß ein Wahlrecht nicht reines Klassenwahlrecht sein darf, ist bei ihnen nicht vorhanden. Ihr Egoismus ist so stark, daß sie im Besitz der Macht die Unzufriedenheit deS Volkes für nichts achten. Sie dokumentieren damit, daß sie unter PatrioiiSmuS die Förderung ihrer Interessen verstehen, die sie mit denen des Staates für identisch halten. Genau so wie die Sozialdemokratie. Dem gegenüber muß der Liberalismus bedenken, daß er durch eine schlanke Ablehnung des Wahlgesetzes den Versuch der ausgleichenden Gerechtigkeit, den die Regierung mit ihrem Entwurf machen will, von vornherein vernichtet und dabei nur die beiden Extreme, den Konservatismus in seiner Macht, die Sorialvemokratie in ihrer Ausnutzung der Unzufriedenheit fördert. Das ist die polnische Situation, wie sie sich nach der Vorlage deS Wahlgesetzentwurss in Sachsen ergibt. Möge der Liberalismus in dieser Lage den Weg finden, der es ihm ermöglicht, wenn auch mit Opfern so doch ohne Aufgabe seiner Grundsätze und Lebensinteressen, an der Arbeit der Wahlrechtsreform mit zu arbeiten, damit sie uns von dem Druck des bestehenden Wahlunrechls befreit unv eine Zukunft vorbereiten hilft, in der dann ein wirklich liberales Wahlgesetz möglich wird. Die Tuge von Desis und Racconigi. sVon unserem römischen ik.-Korrespondentenff Vor ein paar Tagen hat der König von Italien sein Hoflager nach dem Landgnte Racronigi verlegt, und morgeik fährt der Minister Tittom von Rom nach seiner Villa in Lelio, um in sünf'Tagen wieder nach Rom zurückzukehren. Baron Aehrenthal, der Minister Oesterreich-Ungarus, benutzt nun zufolge seiner im wunderschönen Monat Mai hierher ge langten Erklärung die „Gelegenheit", im heißen Monat Juli Herrn Tittonr in Desto und den König in Nacconigi auszusuchen. Herr Tittoni Hal naiven Ansragern im Parlament selbst erklärt, daß ganz Italien Rom und Rom in ganz Italien, daß die CvnsultL in Desto und der Qui- rinal nicht vis-s vis dem Vatikan, sondern in Racconigi sei. Immerhin haben sich innerhalb der beamteten Kreise nur sehr wenige Italiener zu diesem überlegenen Gesichtspunkte durchgeiuiiden, und sie beharren bei der Austastung, duß sich die Wiener Austastung vom Existenzrecht des Königreichs Italien mit der des Vatikans ziemlich decke. Das hieraus resultierende Unbehagen dieser allerdings „unverantwortlichen", wenn- gleich politisch keineswegs unmaßgeblichen Kreise ist bei Gelegenheit der Garibaldiseier onsc,esrstcht worden durch einen mitunter vor sehr hef tigen Ausfällen gegen Oesterreich und den Dreibund begleiteten Ausdruck der irredentistischcn Wünsche nach Trient, Triest, Istrien und Görz; Wünsche, die um so akzentuierter waren, als gleichzeitig weder Nizza, das doch des gefeierten Garibaldi Geburtsort ist, noch L-avoyen, noch Korsika irgendwie aspiriert wurden. Endlich war die jüngste Debatte im Parlament über die Militärkredite konzentriert auf die Rüstungen und Truppenverschiebungen, die man Oesterreich gegen Italien nachsagte, und auf die entsprechenden Maßnahmen, die diesseits erforderlich wären. Das alles wird nicht hindern, daß nach bekanntem Muster in Desto ein Bulletin ausgegeben wird, demzufolge die Zusammenkunft der Minister der beiden verbündeten Reiche einen freundschaftlichen Aus- tausch der Gedanken über alle aktuellen politischen Fragen, sowie die befriedigendste Feststellung der vollen Uebereinstimmung der Gesichts punkte und Bestrebungen gezeitigt habe. Insofern ConsultL und Ballplatz, zwischen denen unter Tittoni und Aehrenthal ein sehr viel besserer Ton herrscht als unter Di Sangiuliano oder Visconti-Venosta und Goluchowski, in Betracht kommen, wäre in solchem Bulletin auch wenig übertrieben. Ueberdies ist wahrscheinlich, daß die Erörterungen der Heiden Minister sich in sehr spezieller und positiv gerichteter Weise mit den makedonischen und allgemein balkanischen Verhältnissen be fassen. Denn diese Verhältnisse sind, wie erst soeben wieder Mr. Grey ausgesprochen hat. an sich und für die europäischen Mächte unbefriedi- aend: die Interessengegensätze zwischen Oesterreich und Italien auf dem Balkan sind neuerdings auf dem kommerziellen Felde ebenso wie auf dem politischen, wo England seine Hand wieder ins Spiel gesteckt hat, akzen- tuiert worden; der Gegenbesuch Tittonis in Ischl erfolgt nach einer nicht zu langen und nicht zu kurzen Bedenkzeit van vier Wochen, und nach Tittoni erscheint Fürst Bülow und nach diesem der russische Minister Iswolsky in Wien, um von dort nach Paris, Berlin und London zu reisen; endlich ist der österreichische Botschafter am Quirinal in Desto mit anwesend und auf der anderen Seite der als solcher derzeit beurlaubte bevollmächtigte Minister Italiens in Athen, der einer der besten italienischen Kenner der Balkanfragen ist und Herrn Tittoni in der Consultü seit einer Weile beständig berät. Was die makedonischen Verhältnisse angeht, so ist zunächst an die ge ringen Erfolge der sogenannten Reformen zu denken und an die für den Herbst bevorstehenden Erörterungen der von Oesterreich und Rußland in Ausführung des Mürzsteger Programms vorziffchlagenden Justiz reform. Wenn Italien hierbei ein im voraus mitbestimmendes Wort zu sprechen begehrt, so erklärt sich das aus der Position, die eS infolge der Schwächung und Ablenkung Rußlands durch den Krieg mit Japan allmählich in Makedonien hat gewinnen können, und die es natürlich selbst für den Fall nicht aufzugeben geneigt ist, daß Rußland, wie die Reisepläne des Herrn Iswolsky anzunehmen gestatten, seine geschichtlich und durch euroapischeS Mandat begründete Rolle wieder ausnehmen möchte. ES würde an Oesterreich liegen, zwischen Italien und Rußland zu vermitteln und eine diplomatische Straße aufzuzeigen, bei deren Be gehung die Gegensätze nicht in grelle Erscheinung zu treten brauchen. Das kann bei dem zweifellos vorhandenen guten Willen der maßgebend beteiligten Diplomaten, sich zu einigen, und in Anbetracht der in hoben, Grade nur akademischen oder, wenn man will, kulturmoralischen Be deutung der Sache nicht allzu schwierig sein. Indessen liegt der ganze Ernst einer schwelen Konfliktsmöglichkeit in den Realien des makedonischen und balkanischen Problems. Ein italienisches Interesse ist in dieser Hinsscbt bereits durch den Dreibunds, vertrag anerkannt. Ferner hat ein Abkommen zwilchen den Ministern Visconti-Venosta und Goluchowski den Fall der Verselbständigung Albaniens vorgesehen und eine Erweiterung des Bereichs Albaniens für diesen Fall genau definiert. Endlich haben sich die Minister Tittoni und Gvluchowski insoweit verständigt, daß Italien und Oesterreich-Ungarn nach eingetretener Unmöglichkeit, den derzeitigen Status guo und die Integrität der Türkei noch weiter aufrecht zu erhalten, die Verselbstän digung der balkanischen Nationalitäten betreiben wollen. Es bedarf nur geringer Kenntnis der Eigentümlichkeiten, Aspirationen und teilweisen Undefinierbarkeit dic'er balkanischen Nationalitäten, sowie der Erinne rung, daß diese Nationalitäten unter der Vormundschaft der einen oder der anderen europäischen Großmacht sieben und bleiben müssen, um zu begreifen, daß die Herren Tittoni und Aehrenthal reichliche An- regitng zum Ausbau der bestehenden Verständigung haben. Freilich stoßen hier italienische und österreichische Interessen hart auseinander, und das wechselseitige Mißtrauen ist sehr groß, wenngleich, wie soeben wieder bei der Ernennung eines Generals zum Gouverneur von Bos nien und Herzegowina offenbar geworden ist, nicht immer voll ge- gründet. Zudem hat sich auch England bereits ins Spiel gemischt, in dem es Italien zur Avancierung drängte. Es ist bereits mit unverkennbarer Spitze öffentlich geäußert wor den, daß der Weg von Rom nach Wien direkt sein müsse und nicht über Berlin führen dürfe. Gewiß kann es auch uns nur willkommen sein, daß sich unsere beiden Verbündeten vorzüglich und unvermittelt mit einander verstehen. Die Wiener „Allgemeine Korrespondenz" schreibt: Von diplo matischer Seite wird uns mitgeteilt: In den letzten Tagen sind Gerüchte aufgetaucht, daß bei der bevorstehenden Begegnung des Ministers des Aeußern Freiherrn v. Aehrenthal mit dem italienischen Minister Tittoni über die Bildung eines Balkan-Dreibundes, bestehend aus Oesterreich- Ungarn, Rußland und Italien, verhandelt werden solle: doch kann kon statiert werden, daß diesen Erörterungen jede tatsächliche Grund- läge fehlt. Es liegt kein Anlaß vor, das Balkrn-Uebereinkommen zwischen Oesterreich-Ungarn und Rußland zu erweitern, und da auch zwischen Oesterreich-Ungarn und Italien besondere Abmachungen be- stehen, erscheinen ernstere Meinungsverschiedenheiten nach dieser Rich tung ausgeschlossen. Es wäre ja immerhin möglich, daß nach der Durchführung der Reformaktion in Makedonien eine weitere Aus- dehnung auf andere Wilajets sich als notwendig erweisen würde, und in diesem Falle könnte der Beitritt Italiens zu dem Balkan-Uebereinkommen zwischen Oesterreich-Ungarn und Ruß land in Erwägung gezogen werden. .Hierüber müßte selbstverständlich vorher eine Einigung aller Mächte erzielt werden, die allerdings kaum sonderliche Schwieriakeiten bereiten dürfte. Auch die italienischen Mel dungen 'wn einem Ministerrat, in dem für di" Begegnung des Freiherrn i. Aeh.enkbal mit tittoni gewisse Forderungen Italiens, den Balkan be treffend, festgestellt worden wären, entbehren jeder Begründung. Das erwähnte, angeblich im italienischen Ministerrat sestgcstellte Programm der italienischen Reaierung lautet angeblich: 1s Ausdehnung der jetzt bloß für Makedonien eingesetzten Polizeiorganisativn auch auf einige andere türkische Wilajeis. 2> Regelung der Fragen der Wasser polizei an den Küsten Dalmatiens und Albaniens. :ss Prüfung der politischen Umstände, die gegenwärtig die Begebungen Serbiens zu den übrigen Balkanstaaten schwierig aestalten. 4i Bestimmungen möglicher Schutzzonen s/.ono cki tutelaj in Makedonien, falls interne Zwistigkeiten entstehen sollten. Die Wiedereinführung der Rückfahrkarte. Zwei Jahrzehnte hindurch habe ich die Rückfahrkarte bekämpft; jetzt fordere ich ihre Wiedereinführung Ich habe die alte Rückfahrkarte für ungerecht erklärt und ich erkläre eine neue Gattung von Rückfahrkarten für unentbehrlich. Die Rückfahrkarte nach dem alten Tarif war un gerecht, weil sie eine Ermäßigung gewährte ohne zureichenden Grund, la eigentlich ohne irgend einen Grund, während anderen Reisenden jede Ermäßigung verweigert wurde. In einer Geschichte des Eisenbahn- wesens wird man dereinst die schärfste Kritik üben an einem Zustande, unter dem es möglich war, daß einem Reisenden, der 500 Kilometer in gerader Richtung zurücklegen wollte, der volle Preis auferlegt, daß ihm jede Ermäßigung verweigert wurde, während ein anderer Reisender, der nur 5 Kilometer hin und ebensoviel zurückfuhr, eine Ermäßigung von 25 Proz. erhielt. Heute, wo diese schreiende Ungerechtigkeit abgejchafft ist, begreift man nicht, daß sie mehr als ein Menschenalter bestehen konnte. Außer der mit ihr verbundenen Preisermäßigung hatte die alte Rückfahrkarte große Uebelstände. Sie war in vielen Fällen etwas wie ein Lotterielos: man konnte eine ansehnliche Summe dabei verlieren, und zwar ohne die geringste Schuld. Irgend ein unvorhergesehenes Er eignis konnte es dem Reisenden unmöglich machen, Vie Rückreise inner halb der voraefchriebenen Frist zu vollenden, oder er konnte gezwungen sein, die Rückreise auf einem ganz anderen als dem oorgefchriebenen Wege zu machen. In früheren Zeiten war alsdann das Geld verloren; später beguemten sich die Eisenbahnverwaltungen dazu, eine Kleinigkeit zurückzuzahlen, aber auch von ihr noch 1 .<s als Schreiogebühr abzuzienen. Die Wiedereinführung einer ermäßigten Rüfahrkarte ist, solange der jetzige Tarif herrscht, unmöglich, und niemand verlangt sie. Gerade die Einführung des gleichen Preises für alle Reisenden ist einer der Hauptvorzügc der Tarifreform vom 1. Mai 1907. Dennoch ist die Rückfahrkarte eine Notwendigkeit, nämlich die Rückfahrkarte ohne jede Ermäßigung, die Rückfahrkarte zur Bequemlichkeit der Reisenden und zur Entlastung der Kartenschalter. Für Fernreisen ist die nicht er mäßigte Rückfahrkarte nicht so notwendig, wie für Nahfahrten, wiewohl die Eisenbahnverwaltuna zu ihrer eigenen Bequemlichkeit gut täte, die Ausfolgung von zwei Fahrkarten auf einmal vorzunehmen. Jeder Kauf- mann würde mit Vergnügen bereit sein, von einer Ware aus einmal die doppelte Menge zu verkaufen, also seine Bareinnahme zu verdoppeln, den ZinSertragder Einnahme zu erhöhen. Die Eisenbahnverwaltungen hüben auch die Notwendigkeit nicht ermäßigter Rückfahrkarten eingesehen: sie geben solche in der Form aus, daß außer der Fahrkarte zur .vinreisc gleichzeitig eine zur Rückreise verkauft wird, die aber nur si.-.' den svl- genden Tag gilt. Es ist unverständlich, warum diese Fristbestimmung einaeMrt ist. Die Eisenbahnverwaltungen haben bisher gar nicht ver- sucht, irgend einen Grund für diese Begrenzung auf den nächsten Tag an/uaeben. Selbstverständlich wird durch sie die Lösung einer Rück- fahrnrrte für Ferienreisen so gut wie unmöglich gemacht. Die Eiseu- bahnverwaltungen zwingen also den Ferienreisenden, vor der Rückfahrt noch einmal einen Schalterbcamten mit einer Arbeit zu belasten, die hätte vermieden werden können. Aber selbst für Nahreisen empfiehlt sich die vorherige Lösung der kurz befristeten Rückfahrkarte nicht. Der Reisende nämlich, der, wie das ja oft genug vorkommt, die Rückfahrt in einer höheren Klasse — etwa weil es sich um eine Nachtreise handelt — zurücklcgen will, wird durch die vorherige Lösung der Rückfahrkarte ernstlich geschädigt. Ich führe ein einfqches Beispiel an. Ein Reisender fährt von Berlin nach Inster- bürg mit dem Morgenzuge in der 3. Klasse und kauft sich außer der Fahrkarte zugleich die Rückfahrkarte. Mit dieser will er am nächsten Abend die Rückfahrt antreten, aber, da es ein Nachtzug ist, die 2. Klasse benutzen. Im guten Glauben, daß er nickits weiter zu tun Hot, als den Preisunterschied zwischen der 3. und 2. Klasse zuzuzahlen, der für lNI Kilometer ebensovielmal 1^ Psa. beträgt, d. y. betragen sollte, also 10,20 ,1s, «ritt er an den Jnsterburger «Schalter und erfährt, daß er 15,35 ^l, also über 5 .tl zuviel zuzahlen muß! Warum ? Darum! Emc
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