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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.09.1907
- Erscheinungsdatum
- 1907-09-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190709220
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19070922
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19070922
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-09
- Tag1907-09-22
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AuguftuSplatz 8 bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Expeditionen de« In- und Auslande«. Haupt Filiale verlia Carl Dunck H-rzogl. Bahr. Hosbuch- handlung Lützowstraße 10. (Telephon VI, Nr. 4603). Nr. 263 M Jahrgang. Sonntag 22. September 1907. Das Wichtigste von, Enge. * Der Kaiser begab 'sich gestern von Posen nach Königs berg. * Die letzten Nachrichten von der Mainau vermehren die Besorgnis um einen schlimmen Ausgang der Erkrankung des Groß Herzogs von Baden. (S. Dtschs. R.j * Nach einer telegraphischen Meldung aus Südwesrafrika wird beabsichtigt, im Oktober mit den Heim send ungstrans- porten in dem Maße wieder zu beginnen, daß Ende November die Schutz truppe den etatsmäßigen Stand von viertausend Mann erreicht hat. , * Ter sozialdemokratische Parteitag wurde gestern geschlossen. (S. d. des. Art. und Ber.j * Auf der Friedens-Konferenz fand gestern eine Plenar sitzung statt. Das internationale Prisen gericht wurde mit allen gegen die Stimmen Brasiliens angenommen. Die dritte Konferenz soll etwa 1915 stattfinden. (S. Ausl.j * Der französische Gesandte Regnault hielt m Casablanca eine Bankettrede. sS. Ausl.) Die Vebelsche Bilanz. Eine Sorge ist von uns genommen. Uns bangte um die Position Bebels in der sozialistischen Genossenschaft. Wer den Perinus des Essener Parteitages mit seinen offenen und versteckten An griffen auf den Bebclschen Revisionismus aufmerksam verfolgt hat, wer insbesondere die Verschiebung der Machtstellung des Tiltators von Tresden über die Gcneralstrcikdroherei und Bremserei bis zum Estener Zwrschensall Bebcl-Noske beobachtet hat, mußte unbedingt das Gefühl einer fundamentalen Erschütterung des Bcbelschcn Einflusses gewinnen. Es mußte etwas geschehen. Also hielt Bebel seine Essener Bilanz- und Programmrede mit all dem Aufgebot an Sarkasmus und Pathos im klugen Gemisch, das angenehm eingeht und leicht verdaulich ist. Und es ward erreicht. Die Rede soll als Flugblatt gedruckt und verbreitet werden, das höchste Vertrauensvotum des Parteitags. Diese Sätze sind nicht ganz so ironisch gemeint, wie sic klingen. Es ! steckt eine ganze Portion ehrliche Genugtuung in ihnen, so sonderbar das 'cheinen mag. Aber als Niederschlag langer politischer Beobachtung und persönlicher Beobachtung wollen wir doch mit der Ansicht nicht zurückhal- icn, daß »ms Bebel als Führer der Sozialdemokratie immer noch lieber ist als ein anderer. Tenn wie man auch zu ihm und seiner Partei stehen mag, so wird man diesem Hitzkopf doch nicht das Bewußtsein seiner großen Berantwortung in den entscheidenden Momenten absprechen können. Gewiß geht die Leidenschaft häufig mit ihm durch und bereitet ihm persönlich oft genug große Verlegenheiten. Aber bei Bestimmung der großen Richtlinien seiner Parteipolitik ist er doch weit kühler und berechnender, als oberflächliche Beurteiler anzunehmen geneigt sind. Ohne ihn wäre vielleicht bei den preußischen Wahlrcchtsdemonstrationen eine blutige Dummheit gemacht worden. Ohne ihn wäre vielleicht in Stuttgart das französische System Jaurös' oder Hervös sder Unterschied war nicht so groß) zu internationaler Geltung gelangt. Und ohne ihn hätte man sich in Essen vielleicht auf eine Stichwahltaktik des Zornes fcstgelegt. So sehr auch in ihm die Lassalleschc Sehnsucht brennen mag, als Triumphator durch das Brandenburger Tor einzuziehen — er hat solche Begierden immer nach der realpolitischen Erkenntnis von der Unmöglichkeit der Erfüllung geopfert. Ueber weniger fähige Menschen hätte vielleicht schon einmal der süße Rausch der Macht Gewalt be kommen. Gewiß wird die Partei um so gefährlicher, je besser sie ge leitet wird. Aber die geschicktere Leitung verbürgt doch auch bis zu einem gewissen Grade die ruhigere Entwicklung. Und wer mit uns an die Möglichkeit einer Genesung der Massen von der sozialdemokratischen Infektion glaubt, der muß den Zeitgewinn und die Vermeidung blutiger, erbitternder Konflikte schätzen. Anderseits bleibt bei dem heutigen Per sonalbestände der deutschen Sozialdemokratie die Frage offen, ob sich nach Bebel überhaupt ein anderer Genosse zu der gleichen überragenden Stellung emporschwingen kann. Womit im übrigen erst recht keine Garantie für eine genügende Zügelung der Massen gegeben wäre. Die Rede Bebels muß wesentlich von dem Gesichtspunkte eines ge glückten Rechtfertigungs- und Retablierungsversucbs betrachtet werden. Und die Taktik des Parteivorstandes war sofort nach der Wahlnieder lage aus die Abschwächung der möglichen Vorwürfe gerichtet. Zumal den Revisionisten wurde in vielen Punkten cntgegeugekommen, wenn auch formell der Revisionismus verfehmt blieb, um dem Vorwurf der Wankelmütigkeit zu begegnen. In Essen wurde diese Taktik recht offen bar. Da pries Bebel die Intellektuellen, die von der Partei mit offenen Armen ausgenommen werden sollten. Da lehnte er es mit der Miene der Ueberlegeubeit ab, auf die Empfehlung größerer Ruppigkeit zu reagieren. Die Ueberlegenheit war nicht berechtigt. Denn die Welt müßte doch ein recht schlechtes Gedächtnis haben, wenn sie sich nicht der Tatsache erinnern sollte, daß die Sozialdemokratie eine Periode der Ruppigkeit noch gar nicht so lange überwunden hat. Und, Herr Bebel möge verzeihen, die jetzige programmatische Abkehr von der Ruppigkeit möchten wir nur zum Teil auf eine unbeeinflußte innere Wandlung zu- rücksübren, glauben vielmehr, daß die niederschmetternden Erfahrungen der Wahlniederlage zur Mäßigung des Tones und zur Dämpfung des Zelotismus das Wesentlichste beigetragen haben. Die Disposition der Rede Bebels ist so angelegt: 1) Die Wahlnieder lage war keine Niederlage, sondern ein Sieg. 2> Die sieghafte Nieder lage war verschuldet durch den recht ungehörigen Zusammenschluß und den Eifer der Gegner, sowie durch die sozialdemokratischen Fehler <ab- itoßendes Verhalten gegen die Intellektuellen und Mitläufer, falsche Be handlung der bürgerlichen Arbeiter). 3) Also war die sozialdemokratische Taktik richtig und kantz so bleiben. (Ergänzung aus der zweiten Rede Bebels zum selben Thema: Mit dem Zentrum sind wir nie verbündet gewesen, aber es wäre furchtbar dumm gewesen, uns nicht mit ibm zu verbünden, und in Zukunft wollen wär es ebenso machen.) 4) Hurra, Hurra, Hurra! — Es gehört natürlich die große Beredsamkeit Bebels dazu, nm das so vorzutragen, daß aus der schlecht verhehlten Kater stimmung ein Siegesjubel werden tonnie. Und oratorisch genommen, war es eine tüchtige Leistung. Doch muß man dabei die geistigen Valeurs der Rede weniger als absolute Größen denn als relative Spekulations werte nehmen. Kaum eine Rede Nebels ist so arm an eigenen Ideen und Schlagworten wie diese. Ter Elou war die Bezeichnung des Blocks als „einer politischen Mißgeburt allerersten Ranges". Auch bei großem Wohlwollen wird man das schwerlich als sehr geistreich bezeichnen kön nen, es sei denn, daß man den Geist in der Graduierung der Mißgeburt finden sollte. Es ist für diesen Eharakter der Rede wie für das Niveau des Auditoriums gleichermaßen bezeichnend, daß der übliche laute Bei fall immer dann erfolgte, wenn Bebel den Witz eines politischen Gegners zitierte. So kamen Herr Payer mit seinem Menuwitz (Ja, Durchlaucht, die Suppe, und dann recht bald das Fleischs und Herr Träger, der in dem Block die Paarung eines Karpfens mit einem Kaninchen (nach einem alten Kalauers erblickt, in Essen zu ungeahnten Ehren. Trotzdem wäre es ungerecht, danach die ganze Rede zu beurteilen. Auch in der geschick ten Verwertung gegebenen Materials kann sich schließlich ein Redner hervortun. Und daS hat Bebel unstreitig getan. In diesem Sinne war schließlich auch der Beifall verdient. Tie deutsche Sozialdemokratie hat vielleicht diesen oder jenen gedankenreicheren Redner, aber sicher immer noch keinen wirkungsvolleren als Bebel. Als positives Ergebnis der Bebelschen Rede wie der Debatte über die politische Lage möchten wir herausschälcn: Tie politische Arbeit der Sozialdemokratie soll in Zukunft sich von Nevoluzzerci peinlicher fern halten als bisher. Tie Wahlbündnistaktik wird von Fall zu Fall fest gelegt. Neben diesen Resultaten prinzipieller Natur darf aber eine tak tische Einzelheit nicht vergessen werden, die an Wichtigkeit nicht zurück steht: Die Behandlung der Arbeiterschaft in den bürgerlichen Lagern soll von Grund aus geändert werden. Bebel hat dekretiert: Es wird diesen Arbeitern gegenüber nicht mehr aus die bürgerlichen Parteien geschimpft, sondern „die proletarischen Brüder" sollen als irregeleitete Schäslein behandelt, cs soll ihnen gut zugeredet werden. Man wird nicht mehr drohen, sondern streicheln. Und cs ist. damit zu rechnen, daß im allgemeinen der Bcbelschcn Parole entsprochen werden wird. Da durch ist aber unzweifelhaft die Gefahr der Eroberung dieser bürgerlichen Arbciterwähler sehr viel drohender geworden, besonders bei der schon skizzierten neuerlichen G.'amttendenz ur Mäßigung. Und die bürger liche politische Welt hat alle Ursache, das Pioblem der bürgerlichen Ar beiterfrage von neuem gründlic u prüfen. Tas erste Gegenmittel heißt natürlich bürgerliche Sozialpolitik. Aber daneben müssen andere treten. Tie Schätzung der bürgerlichen Arbeiter muß deutlicher gezeigt wer den als bisher. Die Liberalen, auch gerade die Nativnaliiberalen, müssen Arbeiterabgeordnete ansstellen, sie müssen sich der Frage der kostenfreien Ausbildung der talentierten Arbeiterkinder endlich ernsthaft zuwenden und überhaupt eine freiere, modernere und richtige Schätzung der Be deutung des Arbeiterstandes sich aneignen und diese bei jeder Gelegen heit zum Ausdruck bringen. Die Beispiele Bebels für alte liberale Sünden gerade aus diesem Gebiete sind lehrreich genug. Durch die Höhe des Beitrittsgeldes braucht sich wohl kein Arbeiter mehr von der Mit gliedschaft in einem liberalen Verein abschrecken zu lassen. Aber man hat auch zu erwägen, ob man bei den Parteiveranstaltungen immer volkstümlich genug bleibt. Man sollte sich auch nicht scheuen, gelegent lich Volksfeste zu feiern. Aus diese indirekte Bebelsche Anregung kann nicht ernsthaft genug hingewiesen werden. Und wenn dementsprechend gehandelt wird, dann hätte Bebel auch den nationalen Parteien einen schätzbaren Dienst erwiesen. Italien und die Marokko-Affare. Von unserem römischen ^.-Korrespondenten. In Italien kam man in diesen Tagen scheinbar zu der gleichen Aus lassung der derzeitigen marokkanischen Aufgabe Frankreichs wie in Deutschland. Man verlangte nämlich von Frankreich einen „zuläng licheren" Aufwand von Kräften im Interesse von Leben und Gut der in Marokko, und namentlich in der Küste ansässigen Italiener. Solches Verlangen, das auch in der offiziösen Presse zu lesen war, und das die Absicht zur Voraussetzung hat, eventuell mit eigenen Mitteln den natio nalen Sondcrinteresscn zu genügen, steht aber, wie auch immer man über seinen Ernst denken möge, in Beziehung zu der Abberufung des vor Casablanca weilenden italienischen Kreuzers in dem Moment, als die Franzosen dort ihre Aktion begannen. Jene Abberufung, die die Re- gierung mit ganz äußerlichen Gründen zu rechtfertigen gesucht hatte, war nämlich in Wahrheit ein eindeutiger Wink an Frankreich, daß ihm Italien ohne alle Rücksicht auf die Akte von Algeciras absolut freie Hand lassen wolle. Die heutige Mahnung zur Verstärkung der agieren- den Kräfte wäre also, wenn man von der Eventualabsicht eines direkten italienischen Schutzes der italienischen Interessen absehen wollte, eine Wiederholung und Bekräftigung jenes Winkes. Indessen hat man hier doch das Bedürfnis, sich pro ckomo ot muncko einen selbständig er scheinenden und plausiblen diplomatischen und politischen Standpunkt zu schassen, der den effektiven Standpunkt, daß man aus näheren Gründen Frankreichs Absichten nicht nur keinesfalls kontrastieren will, sondern ihnen nach Kräften dient, verdecke. Diesem Bedürfnis dienen vorzugs weise zwei Veröffentlichungen, auf die wfaen ihres noch in manchem an deren Betracht erheblichen Inhalts hingewiesen werden muß. Die eine Veröffentlichung nennt sich „Enthüllungen über die letzte Episode der Konferenz von Algeciras" und steht, wie die andere, im „Giornale d'Italia". Der Sultan von Marokko will bekanntlich von der französisch-spanischen alias europäischen Organisation der Polizei in den Häsen nichts wissen und behauptet, daß erstens marokkanische Truppen nicht unter dem Kommando christlicher Offiziere dienen wollen, und zweitens er die Polizeiklauscl der Algccirasakte überhaupt nicht an genommen habe. Hiermit nun hat es zufolge den „präzisen, aus sicherer Quelle stammenden" Informationen der genannten Zeitung folgende Bewandtnis. Als die marvkkaniichcn Delegierten in Alqeciras die Schlußakte der Konferenz zu unterzeichnen sich unter Hinweis auf mangelnde Instruktionen seitens des Sultans weigerten, übernahm es der zweite Delegierte Italiens und derzeitige Dekan des diplomatischen Korps von Tanger, Malmusi, im Namen der Konserenzmächte. den Sul tan in Fez selbst auszusuchen und zur Unterzeichnung der Akte zu be- stimmen. Tie Erreichung der Absicht sollte Malmusi durch Vcrmitte- lung der spanischen Regierung den interessierten Mächten mitteilen. Als nun Malmusi vor dem Sultan erschien, protestierte dieser zunächst im allgemeinen und dann mit Nachdruck im be'onderen gegen die Orga nisation der Polizei und gegen die Abfuhr von 40 Prozent der Zoll eingänge an die Staatsbank. Er erklärte Herrn Malmusi, daß die Ein setzung europäischer Offiziere und Unteroffiziere als Befehlshaber der Polizei in den Häsen Marokkos eine ckvminutüo ospitus seiner Regie rung wie effektive Minderung der auch von den Mächten prinzipiell an erkannten Unabhängigkeit Marokkos bedeute, daß auch die marokka nischen Stämme solches Eindringen von Christen und Europäern in ihre inneren Angelegenheiten nicht dulden würden, während man kaum Soldaten ausfindig machen dürfte, die unter dem Kommando von Un gläubigen zu dienen geneigt wären. In Sachen der Abführung der Zoll eingänge an die Bank machte er den Einwand, daß sie bei der ohnehin schlechten Finanzlage des marokkanischen Staatsschatzes nicht angängig sei. Herr Malmusi hat zwar diese Proteste des Sultans zur Geltung zu bringen nicht versprochen, auch nicht versprechen können, da man ja in Algeciras Schluß gemacht hatte, aber er hat sie doch zur Kenntnis genommen und durch solches Verhalten dem Sultan die Annahme oder mindestens den Vorwand gelassen, daß er trotz der endlichen Unter zeichnung der Akte von Algeciras eine Verpflichtung in Sachen der Polizei und der Bank durch die ausgesprochenen Vorbehalte wirksam ab gelehnt habe. Herr Malmusi hat in der Tat von den Vorbehalten des Sultans dem Ministerium in — Rom amtlich Mitteilung gemacht und sich sodann, als man ihn von Nom aus mit geringer ffpäter in der Ver setzung auf den minder bedeutenden Posten von Kairo empfindlich ge- äußerterj Freude an die Adresse in Madrid verwies, mit der gleichen Mitteilung nach Madrid gewandt, von wo aus daraufhin nach Verstän digung mit Paris und Nom eine direkte bezügliche Korrespondenz von selbstverständlich nur akademischem Werte mit Fez eingeleitet wurde. Im Zusammenhänge mit diesem Tatbestände versteht sich der folgende hübsche Meinungsaustausch neuesten Datums recht gut. Am 25. August fragten die diplomatischen Vertreter Frankreichs und Spaniens in Tanger den marokkanischen Kricgsminister offiziell: „Können Sie uns 4n bezug ans die gemäß der Akte von Algeciras vorzunehmende Orga nisation der Polizei garantieren, daß die französischen und spanischen Instrukteure nicht Gefahr lausen werden, von ihren Soldaten ermordet zu werden?" Hierau-f antwortete am 28. August der marokkani'che Kriegsminister: „Ich kann dergleichen Verpflichtung nicht eingehen und eine solche Verantwortung nicht auf mich nehmen. Das meiste, was ich tun könnte, wäre dies, nur solche Leute zu rekrutieren, die man mit , rößter Wahrscheinlichkeit für treu halten kann. Aber ich kann unmög lich darüber hinaus etwas garantieren. Ich hoffe, daß mit Gottes Hiffe kein Soldat etwas Tadelnswertes begeht, und daß die Vorsichtsmaß nahmen genügen werden." Darauf wiederum eröffnete eine französi'ch- spanische Note an die Mächte, daß in Rücksicht auf die „Ohnmacht" des marokkanischen Kriegsministers, das Leben der Instrukteure einer aus marokkanischen Mannschaften gebildeten Polizei zu garantieren, aus solche Kombination verzichtet und den Instrukteuren Mann chaff gegeben werden müsse, von denen sie keine Aussicht haben ermordet zu werden, mit anderen Worten: eine nicht marokkanische, d. h. französisch-spanische Mannschaft. Man hat schon vernommen, daß die Mächte und unter ihnen Deutschland, eine französisch-spanische Polizeimannschast trotz der damit geschehenden Verletzung der Akte von Algeciras „provi'orisch" ge schehen lassen wollen. Aber die Franzosen sdie Spanier hinten ja nur mit oder nachj haben sich dazu nicht gerade zu gratulieren, und dies ist es, worauf die zweite Veröffentlichung zur politischen Basierung des italienischen Standpunktes in der Sache abzielt. Sie stammt vom Obersten Ferrara, dem Direktor der Wasfenfabrik in Fez, der seit 18 Jahren in Marokko ansässig ist und Fühlung mit Sultan und Maghzen hat. Ferrara weilt auf Urlaub in Rom und ist eben im Begriffe gewesen, nach Fez zurückzureisen, als ihn ein Telegramm des italienischen Ge sandten in Tanger auf die absolute Unsicherheit der Straße nach Fez dringlichst aufmerksam machte. Oberst Ferrara findet, daß heute, wo es sich um die praktische Durchführung des von Herrn Nevoil in Alge ciras in Sachen der Polizciorganisation errungenen diplomatischen Erfolges handelt, Graf Tattenbach „mephistophelisch lächelt". Die Lage in Marokko, sagt er, hat sich seit Algeciras nicht geändert und wird sich nicht ändern, wenn auch noch so viele „pourpui-Iers" zwischen den euro päischen Kanzleien stattfinden; „denn das marokkanische Volk ist immer stolz, tapfer, freiheitsstolz, hartnäckig in seiner traditionellen Unwissen heit, rebellisch gegen jede innere Autorität und erst recht gegen irgend einen äußeren Truck, entschlossen, die eigene Unabhängigkeit und die Integrität ihres Landes, aber auch die eigene Unzugänglichkeit gegen die europäische Kultur bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen". Er kennzeichnet des weiteren die bösen Folgen, die schon das bisherige Vor- gehen von Casablanca aus für die Sicherheit der Europäer in ganz Marokko gehabt habe, und bemerkt, daß dieses Vorgehen auch genügt habe, um dem Sultan — dessen guten Willen außer Betracht gelassen — einen seine Kräfte und Autorität aufs stärkste mindernden Gegensultan und zugehörigen Bürgerkrieg erstehen zu lassen. Erhielte Frankreich gar freie Hand zu einem Eroberungskrieg in Marokko, was aber nicht wahrscheinlich ist, so hätte cs, wie Ferrara ausführt, noch viel mehr aafzuwendcn und zu opfern als in Algier, das Frankreich vierzig Jahre lang erst wirkliche Kriege und dann unaufhörliche blutige Repressionen gekostet hat: die Eroberung Marokkos würde Frankreich viele Milliarden, einen Krieg von einigen Jahrzehnten und eine permancntcAuswendnng von nicht weniger als 100 000 Soldaten kosten. (?) Indessen wird Frankreich solchen Eroberungskrieg schwerlich wollen, und insofern wäre es all'r- dings für Frankreich von Vorteil, daß sich die Lage bei Casablanca i it noch weiter kompliziere und rasch beendet werde. Zu diesem Ziele aoer sieht Ferrara nur einen Weg, und das ist der, daß der legitime Sultan oder, wenn er besser dazu in der Lage sein sollte, der illegitime die Stämme um Casablanca zur Niederlegung der Waffen, sei es überredet, sei es zwingt, und daß dann die Franzosen die öffentliche Ordnung wie- derhcrstellen, die Polizei organisieren und sich zurückziehen, sowie daß der Sultan bei den Stämmen in den übrigen mit Polizei auSzustatlen- den Häfen gleichermaßen beruhigenden Einffuß ausiibt. Nun weiß man aus den vorausgehenden Darlegungen, daß der legitime Sultan, 'elb't wenn er trotz der ihm durch den Krieg mit seinem Konkurrenten be reiteten Schwächungen und näheren borgen es könnte, den beruhigenden Einfluß aus die Stämme an den Hälen gar nicht üben will. Solcher maßen würde das Aniehen der Franzosen erheischen, daß sie sich in Marokko gründlicher engagieren. Tas aber bedeutete, sie <ttan libaa, eine an'ehnliche Schwächung ihrer europäischen Position, und — solche Schwächung ist der ^chwcstcrnation aus etlichen Gründen und unter etlichen Gesichtspunkten nicht durchaus unangenehm. Das wäre fast ooillioo ober naus.
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