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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.11.1895
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-11-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18951116016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895111601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895111601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-11
- Tag1895-11-16
- Monat1895-11
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Größere Schriften laut unserem Preis, verzrichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefördernng X 60.—, mit Postbeförderuug X 70.—. Iinnahmeschlnß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morge n-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Für die Montag-Morgeu-Au-gabe: Sonnabend Mittag. Bei dea Filialen und Annahmestellen je eine halb« Stunde früher. Anreißen sind stet» an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 89. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Bekanntmachung, die KirchenvorftandSwahl in der AndreaSgemeinde betr. Nach unserer Bekanntmachung vom 3l. Oktober d. I. bat nun mehr eine Ergänzungswohl für den Kirchenvorstand der Andreas- gemeinde stattzufinden, und zwar scheiden nach 8. 17 der Kirchen vorstands- und Synodalordnung die nachbenannten fünf Herren: Maschinenfabrikant Ferdinand Fikcntscher, Kaufmann Eduard Otto Kittel, Bankdirector Max Tauer, Ciseleur Louis Tchcele und Schuldirektor Rudolf Schmidt auS dem Kirchenvorstande aus. Dieselben sind jedoch sämmtlich sofort wieder wählbar. Die Wahl selbst soll nun Donnerstag, den St. November d. I.» von Vormittags 10 Uhr an ununterbrochen bis Nachmittags 5 Uhr in dein kirchenvorftaudSsitznngSzimmcr im Pfarrhaus (Scharn- horststraße 100) parterre rechlS staitfinben. Die Stimmzettel, auf denen die Namen von fünf Gemeinde gliedern der AndreaSgemeinde, welche das 30. Lebensjahr über schritten haben, mit Angabe des Tauf- und Familiennamens, des Standes und Berufes verzeichnet stehen müssen, sind persönlich abzugeben. Wahlberechtigt sind nur diejenigen Gemeindegliedcr, welche auf Grund ihrer rechtzeitig bewirkten mündlichen oder schriftlichen Anmeldung in die Wählerliste eingetragen worden sind Letztere liegt für die Betheiligten zur Einsichtnahme in der Kirchenexpedition in den gewöhnlichen Expeditionsstunden aus. Wir bitten schließlich alle Wahlberechtigten herzlich und dringend, von ihrem Wahlrecht an dem bezeichneten Tage Gebrauch zu machen und dabei nach 8. 8 der Kirchenvorstandsordnung ihr Augenmerk aus „Männer von gutem Ruf, bewährtem christlichen Sinn und kirchlicher Einsicht und Erfahrung" zu lenken. Leipzig, den 16. November 1895. Dcr WahlanSschnk für die Kirchenvorstandswahl in der AndreaSgemeinde. Ür. pn. 8ebuma»u, L. Bekanntmachung, die Beschaffenheit der Zeichnungen z» Neubau- re. Projekten betreffend. ' Bezüglich des zu den Bau - rc. Zeichnungen zu verwendenden Materials und der Beschaffenheit der Zeichnungen wird hiermit in theilweijer Ergänzung unserer Bekanntmachung vom 10. April 1893 Folgendes bestimmt: Die zum Zwecke der Erlangung dcr baupolizeilichen Erlaubniß zu Bauten aller Art, ingleichen zu Motor-, Blitzableiter- Anlagen und dergl. hier einzureichenden Zeichnungen, Situations pläne u. s. w. müssen deutlich, genau und aus danerhaftcm Material, mindestens ei» Exemplar jeder Zeichnung (sür die Acten) auf PanseleinwanS ausgefllhrt lein. Bei Dampfkessel-Anlagen muß für sämmtliche Zeich- nungen Pauscleinwand verwendet werden. Hektographien, Lichtpausen und dergl. sind, soweit sie nicht aus Leinwand aufgezogen sind, von der Annahme, auch als sogenannte Duplicate, ausgeschlossen und werden zurückgewiejen. Alle durch Nichtbefolgung unserer Vorschriften etwa entstehenden Verzögerungen oder Nachtheile haben sich die Betheiligten selbst zuzujchreiben. Leipzig, am 11. November 1895. — Va. 4812. — Der Nath der Stadt Leipzig. — vr. Tröndlin. Busch. Bekanntmachung. In Gemäßheit der 88- 2 und 7 des Regulativs für Gasrohr leitungen und Gasbeleuchtungsanlagen in Privatgrundstücken vom 2. März 1863 machen wir hierdurch bekannt, daß die Firma (SaSglnhlicht-Gcsellschaft „Kaiserlicht", <K. m. b. H., in Leipzig, Klostergasse 8—10, zur Ucbernahme solcher Arbeiten bei uns sich angemeldet und den Besi« der hierzu erforderlichen Vorrichtungen nachgewiesen hat. Leipzig, den 14. November 1895. Der Rath dcr Stadt Leipzig. X. 6198. vr. Tröndlin. Wolfram. Bekanntmachung. Wir bringen hiermit zur öffentlichen Kenntniß, daß wir die Herren 1) Mischerober,neister Earl Wilhelm Müller, 2) Mischcrm„ster Adolf Böse jun. angewiesen haben, die Flüsse, Fluthrinnen und Teiche hiesigen Stadt bezirks mit Einschluß der einverleibten Vororte, soweit diese Ge- wässer als Eisbahnen benutzt werden, jedoch mit Ausschluß der öffentlichen Eisbahnen am Schleußigrr Wege, vor dem Franksurter Thore und an der Reitzenhainerstraße zu Leipzig-Thonberg während des gegenwärtigen Winters sorgfältig zu überwachen. Es ist daher den Anordnungen derselben, sowohl seitens der Inhaber der Eisbahnen, als auch seitens der die Eisbahn Besuchenden unbedingt Folge zu leisten. Insbesondere ist das Betreten des Eises und das Schlittschuh, laufen, bevor solches auf der fraglichen Eisbahn von den Oben- genannten für unbedenklich erklärt worden, verboten. Es haben auch die Inhaber der Eisbahnen auf bezügliche An ordnung und namentlich bei eingetretenem Thauwetter den Zutritt zu ihren Bahnen ferner nicht zu gestatten. Befinden sich auf Eis bahnen, welche befahren werden können, eisfreie oder nicht genügend sichere Stellen, so sind dieselben in gehöriger Weise akzusperren. Zuwiderhandlungen gegen diese Vorschriften werden mit Geld strafe bis zu 60 X oder mit Hast bis zu 14 Tagen geahndet werden. Leipzig, am 5. November 1895. IX. 5579. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Tröndlin. Stahl. Bekanntmachung. Die Firma Halffter, Sperber ch Co. in Leipzig, vertreten durch ihre Inhaber, die Herren Alfr. Rdph. Halffter daselbst und C. Anl. Erz. Sperber »en. in Berlin, beabsichtigt, in dem zweiten Hintergebäude deS Herrn Otto Hterfeman» in Leipzig gehörigen und daselbst äußere Hallesche Straße 6 gelegenen Grund stücks (Nr. 250/2 Abth. 6 deS Brandcatasters, Nr. 2699 zc deS Flurbuchs und Fol. 526 des Grund- und Hypothekenbuch-) eine Borstenznrichterei zu errichten Wir bringen dieses Unternehmen hiermit zur öffentlichen Kenntniß mit der Aufforderung, etwaige Einwendungen dagegen, welche nicht aus privatrechtlichrn Titeln beruhen, bei deren Verlust binnen 14 Tagen bei uns anzubringen. Einwendungen, welche auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen, sind, ohne daß von der Erledigung derselben die Geneh migung abhängig gemacht werden wird, zur richterlichen Entscheidung zu bringen. Leipzig, am 11. November 1895. Der Rath der Stadt Leipzig. VI. KL46. vr. Tröndlin Kasselt. Bekanntmachung. Wegen Herstellung der Speise« und Kühlwasserleitung für die Kraststation der elektrischen Straßenbahn bez. wegen Einlegung von Gleisen für die letztere wird die Wächterstratze, in ihrer Ausdehnung vom Königsplatz bis zur Harkortstraße, und ferner die Albcrtstratzc, in ihrer Ausdehnung vom Schleiterplatze bis zur Zeitzer Straße, vom 16. diescS Monats ab auf die Dauer der Arbeiten für allen Fährverkehr gesperrt. Leipzig, am 14. November 1895. IX. 6071. Der Rath dcr Stadt Leipzig. — vr. T rön dl in. Stahl. Gesucht wird der am 23. Juni 1858 in Insterburg geborene Schleifer Oskar Johannes Kaphahn, welcher zur Fürsorge sür seine Familie anzuhalten ist. Leipzig, den 12. November 1895. Der Ratü der Stadt Leipzig. Armenaint. III. Xo. 1536e. Hentschel. K. Zufolge erstatteter Anzeige ist der sür den Fabrikarbeiter Karl August Schmidt aus Tbammenbain und seine Familie am 13. Dccember 1893 unter Nr. 657 des Registers 6 hier ausgestellte Reisepaß für Rußland verloren gegangen. Dieser Paß wird zur Verhütung von Mißbrauch hiermit für ungiltig erklärt. Leipzig, den 13. November 1895. Las Polizeiamt der Stadt Leipzig. IV. 6431.Bretschneider.Zr. Die Inhaber der als verloren, vernichtet oder sonst als ab- Händen gekommen angezeiglen Pfandscheine Nr. 20872, 21:180, Vit k Nr 29279, 2930», 38556, 41160, 56898, 61256, 61677, 62204, 64005, 65744, 68981, 69241, 71883, 71899, 79735, 80221, 80222, 84392 84500, 86850, 88013, 93857, 95099, 96271, 97118, 99882, Vit. v. Nr 2627, 4317, 6742, 9146, 10705, 11575, 14224, 19216, 19789, 20549, 22467, 26279, 26286 werden hierdurch aufgesordext, sich damit unverzüglich und längstens bis zum Ablauf von 30 Tagen nach der auf jedem dcr Scheine bemerkten Bersallzeit bei unterzeichneter Anstalt zu melden, uin ihr Recht daran zu beweisen, oder dieselben gegen Belohnung zurückzugeben, widrigenfalls, der Leihhaus-Ord- nung gemäß, den Anzeigern die Pfänder ausgeliefert und die In haber der Scheine ihrer etwaigen Ansprüche daraus verlustig gehen werden. Leipzig, den 14. November 1895. Die Verwaltung des Leihhauses nnd der Sparkasse. Die Initiative Oesterreichs im Orient. ES ist eine höchst bedeutsame und sehr erfreuliche Wen dung, welche den türkischen Wirren gegenüber in dem Ver halten der Mächte sich zu vollziehen scheint. Hat Lord Salis bury sie in seiner Guildhall-Redc bereits in Aussicht gestellt, so kann jetzt daran, daß sie demnächst schon eine vollendete Thatsache sein wird, kaum mehr gezweifelt werden. Be kanntlich ist die Initiative dem Wiener Cabinet zu danken. Von diesem nämlich ist, wie schon gemeldet wurde, der Vor schlag ausgegangen, daß nach dem Beispiele des beharrlichen Zusammenwirkens der Botschafter in Konstantinopel auch ein solches süminllicher Mächte im Orient vereinbart werde, und dieser Vorschlag hat bei allen Cabinetten so bereitwilliges Entgegenkommen ge sunden, daß sofort die nothwendigen Schritte zu seiner Ver wirklichung erfolgen konnten. Es handelt sich darum, daß sämmtliche sechs Mächte Übereinkommen, in den Mitteln und Zielen zur Abwendung der orientalischen Gefahr vollständige Einigkeit zu bewahren, und daß keine von ihnen ohne die Zu stimmung der übrigen eine gesonderte Action unternimmt. Dieses Uebereinkommen soll, wie gleichfalls schon angedeutet, zunächst auck darin bereits zum Ausdrucke gelangen, daß die von den Mächten in die levantinischen Gewässer entsendeten Geschwader sich in gleichmäßiger Entfernung von den Dardanellen halten, aber erforderlichenfalls mit einander cvoperiren. Daß die Verhandlungen im besten Zuge sind, geht auch aus der Nachricht hervor, daß an der längeren Confcrenz, welche Kaiser Wilhelm vorgestern mit dem ReichskanzlM und dem Staatssecretair Marschall hatte und welche deK Vorgängen im Orient gegolten bat, auch der österreichische Botschafter theilgenommen hat. Nach einer anderen Version hätte der Kaiser den Botschafter nach der Conferenz spät Abends in Audienz empfangen. Eine Aeußerung, welche der Kaiser that, bestätigt, daß die Ereignisse der letzten Tage den Plan zu einer bestimmten Action noch nicht hervorgerusen haben, daß eS sich bei den Vorschlägen Oesterreichs viel mehr vorläufig nur um allgemeine Verabredungen für ge meinsame Schritte aller Mächte gegenüber der Türkei handelt. Angesichts der Disposition, welche alle Cabinette bekunden, kann als gewiß angenommen werden, daß die eingeleiteten Verhandlungen zu dein erwünschten Resultate führen werden. Die enorme Tragweite dieser Wendung liegt auf der Hand. Tie Gefahr, welche von den türkischen Wirren droht, bestand von Anfang an nicht so sehr darin, daß die Türkei in ihrer Gesammtheit vom Bürgerkriege ergriffen wird, als vielmehr darin, daß die Mächte den möglichen Eventualitäten gegenüber in Zwiespalt gerathen möchten. Wenn mit be rechtigter Bangigkeit von der Aufrollung der orientalischen Frage gesprochen wurde, so hat dies den Sinn, daß die Gegensätze zwischen den interessirten Mächten eine gefährliche Gestalt annehmen und von der Türkei auS über ganz Europa sich fortpflanzen könnten. Die Botschafter in Konstantinopel haben, indem sie seit dem Ausbruche der Unruhen und ihrer Ausbreitung Uber Kleinasien von der durch die armenische Intervention verursachten Sonderung der Mächte in zwei Gruppen absahen und gemeinsam die Pforte zu PacificirungS'Maßregeln drängten, den richtigen Weg ringe- schlagen, um die Gefahr de» inneren Brande-, der da» oSmanische Reich bedroht, zu localisiren. Aber das große Ziel, sie von Europa abzuwenden, mußte von den Mächten selbst, und zwar von allen in gleicher und gemeinsamer Weise ins Auge gefaßt werden, und indem das Wiener Cabinet dazu den Anstoß gab, bewies es, daß es den Kern des Pro blems erkannte, um dessen Lösung es sich handelt. Ob cs der türkischen Regierung gelingt, den Brand zu ersticken, bevor er von Neuem in Konstantinopel auflodert, ist un gewiß; aber daß für den Fall des Mißlingens die Einigkeit der Mächte hergestellt ist und keine von ihnen ihre Sonder- Interessen dem Zwecke der Friedenserhaltung voransetzt, das ist die große Bedeutung der Initiative, durch welche Oesterreich- Ungarn als eine von den meist interessirten Mächten darthut, daß es mit voller Uneigennützigkeit der Sicherung des euro päischen Friedens jedes Sonder-Interesse unterordnet. Wenn das Uebereinkommen zwischen den Mächten ge troffen ist, so wird man in gewisse»! Sinne sagen dürfen: eS giebt wieder ein Europa. Und was dies bedeutet, braucht kaum deS Näheren auseinandergesetzt zu werden. Das einige Europa kann, wenn die Katastrophe der Türkei unabwendbar sein sollte, verhindern, daß sie nicht zu einer Weltkatastrophe anwachse; das einige Europa kann aber auch, was zunächst nock viel mehr ins Gewickt fällt, den Zusammenbruch des türkischen Reiches aushallen, bevor er die Gefahr herauf beschwört, daß die Sonderinteressen der Mächte feindlich auf einanderstoßen. Es hat in diesem Sinne seit Jahrzehnten ein Europa in der That nicht gegeben. Die Wirkungen des Pariser Vertrages hielten nicht lange an, sie wurden von gewaltigen Erschütterungen abgelöst, deren Folge die wachsende Ent fremdung unter den Mächten war. Sechzehn Jahre nach dem Pariser Congresse hatte Rußland sich erholt und die Wiederaufnahme seiner orientalischen Sonderpolitik mit dem PontuSvertrage bezeichnet: zwischen Deutschland und Frank reich klaffte der große Riß, zu dem sich nach dem Berliner Congresse derjenige zwischen Deutschland und Rußland und in weiterer Folge die Zweithcilung Europas in die Mächte des Dreibundes und dessen russisch-französische Antipoden gesellten. Jetzt ist zum ersten Male wieder in der orienta lischen Frage Europa auf dem Wege, eine geeint«, einige Macht zu bilden. Welche Eventualitäten eintreten können, wenn die türkische Regierung das Feuer, daS in Kleinasien lodert und über das ganze türkische Reich hin unter der Asche glimmt, nicht zu löschen vermag, das läßt sich nicht vorauSschen; aber daß solchen Eventualitäten nicht ein rathlvses oder in sich ge spaltenes Europa gegenüberstehen wird, daß Vorsorge ge troffen sein soll, um im Nothfalle di« Türkei mit den vereinten Kräften Europa» zu pacificiren, daß ist eine Wen dung zum Besseren, deren bloße Erwartung schon ein all gemeines Aufalhmcn von drückender Sorge zu bewirken geeignet ist. So einfach die Lösung des orientalischen RäthsrlS zu sein schien, das wiederum in seiner ganzen Unhcimlichkeit aufgetaucht war, so unerreichbar dünkte sie noch bis vor wenigen Tagen, weil an die Einigung sämmtlicher Mächte nicht geglaubt wurde. Keiner einzigen unler den Mächten wurde zugetraul, daß sie der Friedfertigkeit ermangele, und doch lastete die Sorge, daß die Probe auf dieselbe iiu Orient zu Schanden werden könnte, auf ganz Europa. Diese Sorge gemindert zu haben, ist das Verdienst der Initiative Oester reich-Ungarns, wenn inan sich auch nicht verhehlen darf, daß die Kreise der Diplomatie störende Zwischenfälle nicht gänz lich ausgeschlossen sind. In letzterer Hinsicht liegt der Anlaß zur Sorge hauptsächlich darin^daßfortgesetzt mit Vorgängen im Pa laiS desSultan» zu rechnen ist, in die man keinen Einblick hat. Dort kreuzen sich die verschiedenen Einflüsse, und zwar nicht die von außen kommenden, sondern jene der einzelnen Würdenträger und zum Hofstaate gehörenden Persönlichkeiten. Niemand weiß in Folge besten zu sagen, welcher Einfluß im Palais de» Sultans heute die Oberhand Hal und ob, wenn er sie hat, dies noch morgen der Fall sein werde. Nanientlich seit dem, wie nun allseitig zugegeben wird, durch Palastintriguen herbeigeführten Sturz Kiamil Paschas hat die Ungewißheit und Unsicherheit in dieser Beziehung ihren Höhepunct er reicht. Indessen steht zu hoffen, baß die Thatsache deS Zusammengebens aller Mächte auch im Palast des Sultans ihren Eindruck nicht verfehlen wird. Einzelne Anzeichen dafür sind ja gerade in den letzten Tagen schon bemerkbar gewesen. Deutsches Reich. * Leipzig, 15. November. Zu den bevorstehenden Be ratungen über den neuen Entwurf des Handelsgesetz buchs, insbesondere über die Bestimniungen für die HanvluiigS- gehülfen, ist vom Reichsjustizaiut der 1. Vorsteher des Ver bände» Deutscher Handlungsgehülfen Herr Georg Hiller, Mitglied der Redaction des „Leipz. Tagebl.", hinzugezoge» worden. * Leipzig, 15. November. Wie die „Leipz. VolkSztg." mit- tbeilt, findet die Revisionsverhandlung in dem Majestatsbeleidigungsproceß gegen den Redakteur Richard Jllge bereits am 9. Dccember vor dem Reichs gericht statt. Zwischen der Verurteilung und dem Revisionstermine liegen nur zwei Monate. Berlin, 15. November. In dem Politischen ABC- Buch von Eugen Richter sinden sich unter dem Schlag wort „Umsturzvorlage" falsche Angaben, von denen es nicht begreiflich ist, wie sie ohne Absicht in daS Buch ge tragen sein können. Herr Richter erzählt über das Ergebniß der Commissionsabstimmung zweiter Lesung und die Ent wickelung der Angelegenheit bis zur zweiten Plenarberathung daS Folgende: „Nach dem Ausfall der Commission-berathungen und der An- nähme der Conimijfionsbrschlüsse durch eine große, aus Confer- vativen, Centruui und Nationalliberalen zusammengesetzte Mehrheit hatte es den Anschein, als ob dir Umsturzvorlage auch im Plenum mit großer Mehrheit zur Annahme gelangen würde. Aber es kam anders. Tie Verhandlungen der Commission Hollen in immer weiteren Kreisen die Erkenntniß hervorgerusen von den der freien Meinungsäußerung und der GeisreSfrriheit in Deutsch land drohenden Gefahren. Dazu hatte nicht am wenigsten bei getragen bie weitere Zuspitzung der Bestimmungen gegen Religions vergeben, insbesondere auch rin Vorschlag in der Commission, welcher eS schon für strafbar erklärte, vor Mehreren da- Dasein Gotte- oder die Unsterblichkeit der menschlichen Seele anzugreifen oder zu leugnen (Antrag Rintelen). Obgleich in der Commission dieser Antrag der Centrumspartei abgelehnt worden war, so wies der- selbe doch in drastischer Weise daraus hin, in welcher Richtung sich die Gesetzgebung zu veriiren drohte. Die Opposition in der öffentlichen Meinung beschränkte sich sehr bald nicht blos aus freisinnige und social demokratische Kreise. Schriftsteller, Gelehrte, Künstler von hervor ragendem Namen und aus allen politischen Parteien erließen öffent liche Kundgebungen gegen die Umsturzvorlage. Daran schlossen sich vielfach Proiestverjammlungcn, welche von Anhängern aller Parteien besucht waren (Versammlung städtischer Vertreter aus dem Reiche in Berlin am 5. Mai). Tie nattonalliberalen, sreiconser- vativen und conservativen Abgeordneten merkten alsbald, daß ihre Wählerschaften mit ihrem Eintreten für die Umsturzvorlage nicht übereinslimmten." In dieser Darstellung ist vor Allem die Behauptung, daß die Nationalliberalen oder Nationalliberale für die Com missionsbeschlüste gestimmt, unwahr. Der Verfasser des ABC-Buches hätte sich über den wahren Sachverbalt in der von ibm geleiteten „Freis. Ztg." unterrichten können, denn diese ist es gewesen, die in ihrer Nr. 77 vom 3l. März, dem auf die Abstiniinung folgenden Tage, in Berichtigung der Angabe eines andere» Blattes die Thatsache verzeichnet bat, daß die National liberalen mit der Minder heit gestimmt hatten. Die falsche Angabe über die Abstimmung in der Commission war allerdings sür das A-B-C-Buch nothwendig, wenn es die Stellung der Nationalliberalen zu der klerikalisirten Umsturz vorlage während der Commissioiisberathung bei deren Ab schluß und in der Zeil bis zur zweiten Lesung im Plenum gleichfalls in einer mit der Wahrheit unvereinbaren Weise schildern und glauben machen wollte, die nationalliberalen Abgeordneten hätten sich zur Abweisung de- vom Centrum und den Conservativen im reaktionärsten Geiste umgestalteten NegierungseniwnrfS erst durch den Druck der öffentlichen Meinung bestimmen lassen. In Wirklichkeit sind die Rational liberalen von dem Augenblicke an, wo eS sich herausgestellt batte, daß der Antrag Rintelen, der erste klerikalisirende Antrag, mehr war, als der Einfall eines vereinzelten Cen- trumsmitglicdes, von keiner Seite, am allerwenigsten von dem durch sein Verhälmiß zum Centrum beengten parlamenta rischen Freisinn, an Entschiedenheit des Widerstandes gegen die klerkal-conservativeii Abänderungen übertroffen worden, wie auch, nacht cm die Beschlüsse der Cominission Vorlagen, in der Partei völlige Uebereinstiinmung darüber herrschte, daß das so gestaltete Gesetz, abgesehen vielleicht von den beiden „Mili tairparagraphen", auf welche die Heeresverwaltung damals großes Gewicht zu legen schien, kurzweg zu verwerfen sei. Die nationalliberale Partei unterlag in der Zeit von der Beendigung dcr Conimissionsberathung bis zur zweiten Lesung im Plenum demgemäß auch nicht, wie das ABC-Buch erzählt, der Einwirkung der öffentlichen Meinung, sondern sie war die Führerin in jener Volksbewegung, die erst in Folge der Klerikalisirung der Vorlage entstanden war, während die demokratiich - socialdemokratiscken Versuche, einen „Sturm" gegen die Regierungsvorlage zu entfesseln, kläglich gescheitert waren und wahrend übrigens auch angesichts der die Geistes freiheit tbatsächlich bedrohenden Commissionsvorlage die radikale Tonart keinen Anklang im Lande fand, wie recht drastisch die Zusammensetzung der von Herrn Richter er wähnten „Versammlung städtischer Vertreter aus dem Reiche in Berlin" darthat, eine Veranstaltung, über deren Be deutung der Leiter der „Freis. Ztg." sich gleichfalls besser unter richtet gezeigt hat, als der Verfasser des politischen ABC-Bucks. Jedenfalls ist eS eine eigenthümlicke Auffassung deS Schrift- stellerberuss, actenmäßig belegte, sowie offenkundige Thatsachen falsch darzustellcn, sobald angenommen werden kann, daß die Erinnerung an den wirklichen Sachverhalt in weiteren Kreisen hinreichend verblaßt ist. Herr Richter empfiehlt sein ABC Buch u. Ä. mit dem Hinweis, daß bayerische Rechts praktikanten sich desselben zur Vorbereitung sür das Staats examen bedienten. Nach der mitgetheilten Probe seiner Zu verlässigkeit zu urtheilen, dürfte sich für die Herren Canti baten weitgehende Vorsicht bei der Benutzung de« Buches empfehlen. * Berlin, 15. November. Der Vorstand des Bundes der Land wirt he bat mit einer Berliner Lebensver sicherungsgesellschaft einen Vertrag über die Ein räumung besonderer Vergünstigungen an die Mitglieder des Bundes abgeschlossen. Es würde zweifellos von größtem Segen sein, wenn es gelänge, die Landwirthe, namentlich die Bauern, mehr als bisher zur Erkenntniß der Wichtigkeit der Lebensversicherung, sowie der mit dieser zusammenhängenden Versicherungsarlen, wie Aussteuer- und Militairversickerung, zu bringen. I» Westfalen hat der Schorlemcr'schc Bauernverein in dieser Richtung mit großem Erfolge gewirkt. Dagegen ist im Osten unter den mittleren und kleinen Landwirthen noch selten einer versichert. Und dock könnte die Verbreitung der Versicherung unendlich viel zur Hebung der Lage des Bauernstandes beitragen. Hat die Lebensversicherung für die Bauern in Westfalen in erster Linie Werth mit Rücksicht auf die bei dem dortigen All er b e n f y st e m benachtbeiligten Kinder, denen zur Ent schädigung auS der Versicherungssumme deS Vaters ein größerer Antheil zugewendet werden kann, so würde sie im Osten bei der hier üblichen gleichen oder nahezu gleichen Tbcilung des Besitzes die Möglichkeit bieten, zu verhindern, daß der die Wirlbsckaft übernehmende Sohn mit einer gar zu große» Schuldenlast beginnen muß. Von besonderem Voriheil würden für die bäuerliche Bevölkerung die sogenannten ab gekürzten Versicherungen sein, bei denen die Versicherungs summe nicht erst nach dem Tode des Versicherten oder bei Erreichung eines außergewöhnlich hohen Alter-, sondern schon zu einem nach Wahl zu bestimmenden Zeitpuncte fällig wird. Die Kosten der GutSübernahme, der Hochzeiten, sowie die mehr oder minder lange dauernde Last deS sogenannten Ausgedinges oder AltcntheilS, an denen viele Bauern schwer zu tragen haben, würden sich auf dem Wege der Versicherung wesentlich leichter tragen lasten; namentlich könnte mittels derselben auch daS fast regelmäßig fehlende baare Betriebs- capital beschafft werden, dessen Mangel eine der Haupt ursachen deS geringen BorwärtSkommenS vieler Bauern bildet. V. Berlin, 15. November. (Telegramm.) Der Kaiser brach heute früh um 9 Uhr in Letzlingen mit seinen Gästen zur Jagv auf. Es fanden zwei Lapptreiben auf Damwild in den Oberförstereien Colbitz und Planken statt. Zwischen beiden Treiben wurde gegen 12 h, Uhr Mittags rin Frühstück
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