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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 31.10.1907
- Erscheinungsdatum
- 1907-10-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190710316
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19071031
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19071031
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-10
- Tag1907-10-31
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Bezugö-Prei» t^iger^un? Spedtt,«« tu» Hau?-«bracht: Lst-ab« L l»»r «««M viertrljthrltch S »oamch 1 «., Lu»,ab« » (morarnl und abrad«) viertel» iLhrUch 4.SÜ M.. monailich l.SÜ vl. v»rch dl, Pvft be,°ae» (2 mal ttgltch) iaiurhald Dcullchland» und der deutlqirn Kolonie» vterleliLhrlich 5.» »um-Utch 1.7S M «Et. Post, bestell-rld iür Oesterreich 8 U SS ». Ungar» 8 L vterteljthrlich. «bonnement.«m»ad»e: Pugustudplatz 8, bet unleren LrLaer», Filialen, Spediteure» »ad vtwahmetzelleNj lomie PoftLmtrrn uad Die eingeln« St»»»«« kostet IS stisg. Mrdaktio« „d GrprdUto»! Johann tdgasi« 8. lelevbo» Nr. i«S6L «r. l««b, Nr. I4SS1. Berliner Aedakti»»« B»rea»! Berlin KV 7 Prine Lout« Ferdinaud» Straste I. Delephon I, Nr. S27S. Nr. 302. Morgen-Ausgabe 8. np.rigcrTagMatt Handelszeitung. Amtsvsatt des Rates und des Rokizeiamles der Liadl Leipzig. Lnzeigea-Prei» chr Anseral» and Leipeta und Umgebung di» Sgelpallen« Perilzeile L Ps., ftnangielle Uugeige» M Pi., Neklamen l M.; »» augwtrt« 30 Pi., Neklamen 1.20 M »omAusland50Pf., finanz. Anzeigen7üPi Neklamen lL) M. Jalrrat»». vehSrde» im amtlichen Dell 40P! Beilagegebühr 5 M. p. Dauiend ezN. Post gebühr. »eichüitsan^igen an beooreugicr Stelle im Preis« erhöht. Rabatt nach Larii Aesterteilie Austrüge können nicht zurück- aezogea werden. Für da« Scicheioen an befttüuulen Dagen und Plötzen wird keine Gara»tr« übernommen. Anzeigen. Annahme: Auguituöplatz 8 bei sämtlichen Filialen u. allen Snnoncen. ikMedttionrn del In- und Aurlante». Paupl Filiale ivrrlt»- Tarl Dunck: , Herzogl. Bahr. Hosbuch- handluag, Lützowstratze Kl. lDelephon VL Nr. «M3). Donnerstag 31. Oktober 1907. 101. Jahrgang. , Vie vonnerLisg ^benciausgsbe des l_eiprigei- Tageblattes fallt des k^efofmatioossestes v/egen aus. Das wiehtrgste vsin Tage. * Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht die Ersetzung von Tschirsckkvs durch von Schoen im Staatssekretariat des Aus wärtigen. iS. Dtschs. R.j -Staatssekretär Dernburg ist in Neapel eilige« troffen. (S. Ausl.) * Graf Moltke wird nach einer Erklärung seines Verteidigers die Berufung gegen den Freispruch sogleich nach Ausfertigung des Urteils einlegen. * Durch das Erdbeben am 21. Oktober und den gleichzeitigen Bergrutsch wurde die Stadt Karatag in Buchara vollständig zer- stört. Die aesa inte Bevölkerung, 15000 Personen, ist unter den Trümmern begraben. Nur der Gouvcrncnr und seine Mutter solle» gerettet sein. * Wie die „Münchener Zeitung" meldet, starb in der vergangenen Nacht der Kunstmaler Professor Wilhelm Mangold, Lehrer an der Akademie der Bildenden Künste in München. politische Momente. Es ist, wie gewöhnlich, auch diesmal anders gekommen. Als poli tische Aktion sing es an, und als Skandalprozeß hörte es aus. Harden und sein Verteidiger haben zwar während der Verhandlungen und schließlich noch in den Schlußreden große Anstrengungen gemacht, die Gedanken wieder mehr aus die politische Bedeutung der Affäre zu lenken, aber es ist ihnen nicht recht gelungen. Für den Angeklagten war die politische Etikette natürlich sehr wichtig. Sie allein konnte ihn von dem Vorwurf retten, sich der Sorte Autoren gesellt zu haben, die in der Ausschlachtung intimster Vorgänge und Verhältnisse ihr Gewerbe sehen. Der Gerichtshof aber zeigte gar keine Lust, auf diese Dinge ein zugehen. Und zumal das Urteil hütet sich peinlich, von Politik zu reden. Es tut. als wäre sie gar nicht da, als habe Harden aus irgend welchen. an sich ganz irrelevanten Gründen einem anderen Dinge nach gesagt, die diesen in der öffentlichen Meinung herabzusehen, zn be leidigen geeignet seien. Und der Angeklagte sei nur deshalb straflos zu lasten, weil ibm der Beweis der Wahrheit seiner Behauptungen geglückt sei. Diese Austastung ist juristisch vielleicht korrekt. Aber sie wird trotzdem der allgemeinen und besonders der politischen Bedeutung die ses Prozesses nicht gerecht. Wie man auch zu den agierenden Personen dieses forensischen Schauspieles sich gestellt haben mag. wie man auch die Sympathien auf sie verteilen möge, so kann das doch alles nichts an dem ganz unpersönlichen politischen Charakter der Vorgänge auch nur daS geringste ändern. Es ist dabei sogar unwesentlich, wie weit ideelle oder materielle Motive bei dem Angeklagten eine Nolle gespielt haben. Der Gerichtshof hat in seiner Weisheit einen Weg gefunden, die Erörterung der viel zitierten Nachtszene zwischen dem „Harfner" und dem „Süßen" zu vermeiden. Der Kläger habe nach eigener Angabe sich nicht beleidigt gefühlt. Also liege keine Beleidigung vor, während es anderenfalls Wohl als Beleidigung hätte angesehen werden müssen. Nehmen wir an. es wäre so. Damit wird aber noch nicht die Tatsache auS der Welt geschafft, daß im Kreise dieser hohen Würdenträger der deutsche Kaiser „Liebchen" genannt, daß er auch schriftlich mit diesem deplazierten Kosenamen belegt wird. Gerade der Kenner des Milieus wird auf den ersten Blick geneigt sein, die Sache harmloser zu deuten, als der Fernstehende, der nur aus dem offiziellen Gebaren jener Kreise seine Kenntnis schöpft. Wie das Kind sich den König nur mit der Krone vorstellen kann, so sehen viele Leute in dem hohen Offizier nur den Soldaten und zu wenig den Menschen. Sie bedenken dabei auch nicht, daß es unnatürlich wäre, wollten die Offiziere beim jedesmaligen und doch naturgemäß recht häufigen Erwähnen Sr. Majestät immer von neuem in Ehrfurcht- erschauern. Das wäre geradezu unnatürlich. Und gerade bei den hervorragenden soldatischen Oudlitäten Wilhelms H., der sich selbst häufig als Kamerad seiner Soldaten bezeichnet, ist ein vertrauteres, man könnte sagen familiäres Verhältnis zwischen dem höchsten Kriegsherrn und der Armee durchaus natürlich und wohl auch wünschenswert. Wenn deshalb einmal, vielleicht zur Vermeidung einer Banalisierung der Majestät, im intimen OffizierSkreise- der Kaisqr Willy genannt wird, so wird kein Verständiger etwas. d«ffn finden. Auch ist der ganze Kasino- und Mesteton einer solchen Diminutivform nicht abhold. Im Gegenteil. Gerade in den sogenannten vornehmen Regi mentern ist eS gang und gäbe, im gewissen Sinne die Nmgaygsformem der heimischen, guten Kinderstube in aller Harmloss^eit Md Fröhlichkeit zu übernehmen. Niemand, auch der bärbeißigste Kommandeur nicht, nimmt Anstoß daran, wenn die jungen Leutnants nachdawMedesmahle ihren Krästeüberschuß i« Radschlagen oder auch in eimm gnsteinsam getanzten Walzer zeigen. Erzählt man sich doch sogar von Moltke, daß er mehr als einmal nach dem Li^eStsiahle vergnügt auf dem OHensims gethront und von da auS das Gewühl unter sich lächelnd-,heodachtL,habe. In diesen Verhältnissen äußert sich lediglich die scptst unbEjedigte Sehnsucht der heimlosen Offiziere nach der Familie. Unh map nnrß der Philister oberster sein, um sich darob zu entsetzen. Mit dem Liebchen im Munde deS Fürsten Eulenbupg fft tzS nqn aber doch eine andere Sache. Man hqt dabei zu bedenken, M her deutsch«^ Kaiser de« Fürsten Eulenburg wie dem Gräfin» Müftkd alehff als einmal die Ehre einer Einladung zur Teilnahme an seinen alljähr lichen Nordlandsfahrten hat zuteil werden lassen, daß der Kaiser häufig auf Schloß Liebenberg als Gast zu weilen liebte, daß er die Intimsten seines Umganges duzt. Tann erst wird man das absolut Taktlose gerade dieser Leute in dem Gebrauch des an sich harmlosen Wortes ver stehen. Das braucht nicht weiter ausgeführt zu werden. Aber es zu erwähnen ist doch notwendig, um verständlich zu machen, daß hier auch hohe nationale und monarchistische Interessen berührt und gefährdet worden sind. Hier liegt doch eine eminente politische Bedeutung der Aktion klar zutage. Tenn ohne sie wäre ganz sicher an dem alten Status noch immer nicht das Geringste geändert. Und wenn auch selbst die ärgste Bosheit des Auslandes die höchste Person als ganz unantastbar ausdrücklich preist, so ist doch schon dies Preisen für einen Deutschen zum Aderschwellen. Das Moralische hat sich von selbst zu verstehen. Es ist ferner dabei zu beachten, daß der Kosename schon zu Zelten Friedrich Wilhelms IV. am preußischen Hofe bei Leuten ähnlicher Stellung und Geistesrichtung Geltung hatte. Das Nähere darüber kann man in den Memoirenwerken aus jener Periode finden. Schon an diesem einen Beispiel sieht man, wie die juristische Erlcdi- gung des Prozesses seinen tatsächlichen Inhalt nicht hat erschöpfen können. Ein weiteres politisches Moment soll hier nur angedcutet werden. Wie ist die Stellung des Kanzlers zu all den Vorgängen? Er hat es natürlich vermieden, sich überhaupt tangiert zu zeigen, ist es aber doch. Er batte unter dem Einflüsse des ihm verfeindeten Lieben de.gers am meisten zu leiden, er sagte von der Kamarilla, daß dieje fremde Giftpffanze nie ohne Schaden nach Deutschland verpflanzt worden sei. Und er isr schließlich den Liebenberger Alb losgeworden nicht aus eigener Kraft, sondern durch den Vorstoß seines heftigsten publi zistischen Feindes Mag der Kanzler auch gewiß nur rein passiver tertius gnucksns gewesen sein, auch für ihn heben die Vorgänge hohe politische Bedeutung. Freilich, muß man stöhnen, die aktive Politik war schon vor dem Prozeß erledigt. Konnte denn der Kelch nicht an uns vorübergehen? Das öffentliche Interesse bei Veleidignngsklagen. Von juristischer Seite wird uns im Anschluß an den Moltke-Harden- Prozeß geschrieben: tz 414 der deutschen Strafprozeßordnung bestimmt, daß Be leidigungen und Körperverletzungen, soweit ihre Verfolgung nur aus Antrag eintritt. im Wege der PZvatff-ig» ohne vorgängige Anrufung der Staatsanwaltschaft verfolgt werden können. Rach 8 41k der Straf prozeßordnung soll di« öffentliche Klage wegen dieser Vergehen von der Staatsanwaltschaft nur erhoben werden, wenn das im öffentlichen Interesse liegt. Gleiches gilt übrigens für die strafrechtliche Verfolgung des unlauteren Wettbewerbs nach 8 12 des Reichsges. v. 27. Mai 1H96. Bestimmte Regeln darüber, wann die Beleidigung von der Staats anwaltschaft im öffentlichen Interesse zu verfolgen ist, enthalten die Gesetze nicht, 794 der Geschäftsordnung für die Sächs. Justizbehörden nimmt an, daß die Beamtenbeleidigungen in der Regel und die Preß beleidigungen vielfach durch die Staatsanwaltschaft zu verfolgen sein werden. Den sächsischen Staatsanwaltschaften ist anheimgegeben, in solchen Fällen zu erwägen, was voraussichtlich in -die öffentliche Ver handlung hereinbezogen werden wird. Die Geschäftsübung der deutschen Staatsanwaltschaften hält sich im allgemeinen in dem beschriebenen Rahmen. Sie verfolgen in der Regel die Beamtenbeleidigungen, bis weilen Preßbeleidigungen. Nicht feiten werden anonyme Brief schreibereien und grobe Ausschreitungen deS unlauteren Wettbewerbs mit Hilfe deS staatsanwaltschaftlichen Ermittelungsverfahrcns auf- gede«. Was unter dem „öffentlichen Interesse" zu verstehen ist, wird im Gesetze nicht gesagt. Bei Beamtenbeleidigungen liegt es in der Regel zutage: hier ist daS Ansehn der Staatsgewalt zu schützen. Ein öffent liches Interesse kann obwalten, wenn es gilt eine Tat zu ahnden, um der Wiederholung gleichartiger Handlungen vorzubeugen oder um das Gefühl der Rechtsunsicherheit nicht auskommen zu. lassen. Es liegt auf der Hand, daß mit Hilfe der Staatsanwaltschaft ein Täter leichter aus gemittelt und überführt werden kann. Ein Privatkläger hat nicht daS Anrecht auf die Unterstützung der Polizeibehörden usw. wie die Staats anwaltschaft. Ferner ist nicht selten der Verletzte der einzige Be lastungszeuge. Tritt er als Privatkläaer auf, so kann er nicht Zeuge sein. Eine Ueberführung des leugnenden Angeklagten ist im Privat- klageverfahren beim Mangel sonstiger Beweismittel ost unmöglich. Es erbebt sich nun die Frage, ob im Falle Moltke wider Harden das öffentliche Interesse vorlag. Eine eigentliche Beamtenbeleidigung kam nicht in Frage. 8 196 des Strafgesetzbuches spricht nur von Be leidigungen, die gegen ein Mitglied der bewaffneten Macht, während es in der Ausübung seines Berufes begriffen ist, oder in Beziehung-auf seinen Beruf begangen sind. Harden hatte nur Mvltkes Privatleben be- sprochen. Er hatte sich aber der Presse bedient. In Sachsen hätte des halb die Staatsanwaltschaft zu erwägen gehabt, ob sie im öffentlichen Interesse einzuschreiten habe. Denn die Presse ist ein gefährliches Werkzeug. Sie hätte aber auch erörtern müssen, was etwa in der Haupt- Verhandlung zur Sprache kommen würde. Daß mau in Preußen nicht gern im öffentlichen Interesse vorgebt, zeigte der Fall des freisinnigen Abgeordneten Barth, dem ber Justizminister Schönstedt freilich auS juristisch kaum haltbare» Gründen den Schutz der öffentlichen Klage versagte. Sicher ist soviel, wenn die öffentliche Klage erhoben worden wäre, hätte Moltke Zeuge sein können. Er hätte sich unter Eid über seine Kenntnis von gewissen Vorgängen auSsprechen können. Er wäre auch der Fran v. Elbe mit seiner Sachdarstellung gegenübergetreten. Welchen Wert freilich seine Bekundung über seine Veranlagung hätte haben können, darüber wird man im Zweitel sein. Sind sich doch häufig die Menschen, die auf Zwischenstufen stehen, dessen nicht klar bewußt. ÄckngenS kann ja noch die zweite Instanz daS Schauspiel einer Zeugen vernehmung MoltkeS bringest, de nach 8 417 Bbs. 2 der Strafprozeß- orhuung die Staatsanwaltschaft die weitere Verfolgung noch immer ,n die Haüd nehmen känn. MiMffe wird alSdaun Nebenkläger und' fähig, ockS Zenge vernommen zu wertzsn. Wäre von vornherein die Dffeniliche Klage erhoben worden, so hätte tche Staatsanwaltschaft nach H sh Ziffer 4 des GerSchtsversassungSgesetzeS htzg.Mchl, ob sie dre Sache Vitt das SchöffengerichtFcher vor die Straf- k««Mer bringen wollt«. FAr den weiteren Gang drA'Verfahrens ist daS San -rosser Bedeutung. Gegchr das Nrtdil deö SchöffrntzrrichtS findet die' AtrMttzg gm Landgericht, Hetzen dessen Urteil die Revision beim Wttmeraexichte statt.-'In der Hauptverhnubluna'vor dem Scköffen- gMA« oessdckmt nach 5A4 Abf. 2 der Strafprozeßordnung da- Gericht dch, HitsonO der BeMiSoufilffbm« nach seinem Ermessen Wenn die Stifgfkammer^in ersttzr Instanz verhandelt, so müsse» alle vorgeladenen Zeuatti mld'Sachverftllydigeu vernommen werden. Eine Ablehnung von BeweiSstptt««, die der Angeklagte stellt, enthält in der Reael «in« un- zulässige^ÄrWränkung' der Verteidigung im Sinne von Z 377 Ziffer 3 der Strafprozeßordnung und begründet die Revision, die einzig als Rechtsmittel gegen erstinstanzliche Strafkammerurteile stattfindet. Wenn übrigens die Staatsanwaltschaft die Verfolgung noch über- nehmen sollte, so werden dem Ermessen des Gerichts oer der Beweis aufnahme in der zweiten Instanz gleichfalls gewisse Schranken gezogen sein. Es wird die von der Staatsanwaltschaft voraeladenen Zeugen sämtlich abhören müssen, wozu es in der Berufungsinstanz auf erhobene Privatrlage nicht verpflichtet ist. Die Revision gegen das Berufungs urteil der Strafkammer kann auf Verletzung^ von Verfahrens vorschriften nicht gegründet werden. l8 380 der Strafprozeßordnung.! Die Sachverständigenkommission, die über eine Äenderung der Strafprozeßordnung beriet, hatte sich auch über die Ausdehnung der Prinzipalen Privatklage auf gewisse Eigentumsvergehen, Hausfriedens bruch usw. gutachtlich zu äußern. Man redet dieser Ausdehnung viel fach das Wort. Ter Fäll Moltke wider Harden hat nun wieder die Gegner der Privatklage mobil gemacht. Ja, es bat sogar nicht an Leuten gefehlt, die eine leise und scheinbar harmlose Einmischung der Aufsichtsbehörde in die Tätigkeit des Schöffengerichts wünschen. Dem gegenüber ist aus 8 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes zu verweisen, der lautet: „Die richterliche Gewalt wird durch unabhängige, nur dem Ge- setze unterworfene Gerichte ausgeübt." Seien wir froh, baß unsere Ge richte dem gouvernementalcn Einflüsse entrückt sind. So trübe das Bild des Prozeßinhaltes ist, so zeigt der Fall doch, daß 8 1 des Gerichts- Verfassungsgesetzes nicht bloß auf dem Papier steht. Ter Vorwurf der Klassenjustiz, der von gewisser Seite häufig erhoben wird, muß angesichts des Falles Moltke wider Harden verstummen. Wenn ferner 8 16 des Gerichtsverfassungsgesetzes vorschreibt: „Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden", so wird das gemeinhin aufs peinlichste beobachtet. Tie Gerichte behandeln die Sache in der Regel so, daß sie auch die Geschäftsverteilung innerhalb der Behörde tatsächlich dem 8 16 unterstellen. Nach 8 45 des Gerichts- verfassungsgeictzes werden die Sitzungstage des Schöffengerichts im voraus festgestellt. Tie Reihenfolge, in der die Schöffen zu amtieren haben, wird für das ganze Jahr im voraus durch das LoS festgestellt. Auch hierin liegen Bürmchasten für die Unabhängigkeit der deutschen Rechtsprechung. Daran soll man nicht rütteln. Vor -er Dutnaeroffming. Von unserm Petersburger ^-Korrespondenten. Petersburg, 28. Oktober. Nur zwei Wochen noch trennen uns von dem Tage, an dem die dritte Duma ihre Pforten aufs neue den Vertretern des Volkes öffnen wird. Man hat die Plafonds frisch mit Sluck beworfen, hoffentlich dieses Mal so gründlich, daß man vor einem Leckeneinsturz sicher ist. Wenig auf regend sind die Erwartungen, welche die Gesellschaft der kommenden Saison eütgegenträgt. Das Krächzen der Unglücksraben, die jchon jetzt die Auslösung des Hauses prophezeien, wird ebenso gleichgültig aus genommen, wie der hoffnungsvolle Enthusiasmus ,,zuverlässiger" Lpti- misten. Die Präsidenten a. D. der ersten und zweiten Reichöouma sind pflichtschuldigst interviewt und haben mit mehr oder weniger dunklen Phrasen ihre Orakelsprüche abgefaßt. Unsere Politiker von Ruf baden das gleiche getan, so daß der verzweifelte Zeitungsleser in die fatale Lage gebracht ist, morgens und abends sich von den Blättern sagen lassen zu müssen, daß man „im Grunde" heute noch nicht wissen kann, wie sich das Schicksal der „Dritten" gestaltet. Abwarten — das ist die Losung. Ganz besonderes Interesse werden im neuen Hauie die Vertreter beanspruchen, die in Beziehungen zu den Semstwos stehen. Die Herbstsitzungen der Landichaftsorganisationen haben nämlich bereits ge- zeigt, daß die Semstwopolitik «inen anderen Kurs eingeschlagen bat, als vor zwei Jahren. Damals wurde viel Wert auf das Oratori'che gelegt. Man erging sich in langatmigen Theorien, 'wie der Not der Landbevölkerung gesteuert werden könne, und hob die Expropria tion des privaten Grundbesitzes auf den Schild. Jetzt hat man das Spielen mit Utopien endgültig aufgegeben, und wenn man auch in diesen Kreisen keineswegs geneigt ist, sich ohne weiteres dem wenig praktischen agrarischen Regierungsprogramm anzude- quemen, so ist man doch von dem Radikalismus einstiger Tage längst zurückgekommen. Schwerwiegende Pläne werden erwogen: schon spricht man von einer allgemeinen Semstwoversicherung. Freilich u rf nicht unerwähnt bleiben, daß diese Einkehr nicht zum geringsten Teile einer Art von moralischem Katzenjammer ihre Entstehung dankt. Aus den Tagen, da die Revolution durch das Land ging, ist eine fatale Erb schaft zurückgeblieben: die Leere in den Kassen. Niemand will zahlen, niemand kann zahlen. Nicht der Gutsherr, nicht der Bauer. Reformen aber kosten bekanntlich viel Geld, und leider können sie nicht mit gutem Willen bezahlt werden. Die Regierung siebt diesem verzweifelten Ringen mit mephistophelischem Lächeln zu: sie spielt die Beleidigte und erklärt, daß sie nicht gesonnen sei, Organisationen zu helfen, welche eS gewagt hätten, ihr den Krieg zu erklären. Man wird die wahren Gründe dieser stolzen Haltung ohne große Schwierigkeit durchschauen können. Es ist nicht nur Mangel an Entgegenkommen, fondern auch — und das ist die Hauptsache — Mangel an Geld. Nicht nur die Semstwos haben leere Kassen. Die Dumadeputierten, welche das Land entsendet, werden also ohne große Hoffnungen der neuen Session entgegengehen. Bei den städtischen scheint einstweilen der Jndifferentismus zu dominieren. Derrtsche» Reich. Leiv ff«. 31. Oktober. * Der Wechsel im Staatssekretariat. Der „Reichsanzeiger" ver öffentlicht die Entbindung v. TschirschkyS von dem Poften deS Staats sekretärs des Auswärtigen behufs einer anderweiten dienstlichen Ver wendung, sowie die Ernennung des bisherigen Petersburger Botschafters v. Schoen zum Staatssekretär deS Auswärtigen. — Wesbalb wird v. TschirschkyS Ernennung für Wien nicht mit publiziert? Sollte sie wegen seiner Befreundung mit Fürst Enlenburg in letzter Stunde ge scheitert sein? * DeruburßS Heimkehr. Der „Prinzregent" ißd gestern nach pracht voller sturmfreier Fahrt in Neapel angekommen. Zur Begrüßung Ternburgs waren m einer Dampfbarvasse des Hafenkapitäns Dern- bnrgs Frau, sein Vater und der deutsche Generalkonsul am Bord er schienen. Dernburg sieht vortrefflich auS. Er ist von den Strapazen der Expedition und der langen Reise nicht im geringsten angegriffen, lieber die Ergebnisse der Reise äußert er unverhohlene Befriedigung: .Ostafrika mft seinen zehn Millionen arbeitsamen Menschen— sagt der Staatssekretär — ist für Deutschland ein überaus wertvoller, erfreu licher Zuwachs. ES ist eiu Land, daS seine naturgemäße Entwickelung haben wird, ohne daß wir viel zu tun haben werden, da der Boden von hoher Fruchtbarkeit,ist, kurzum: wir haben etwas an dieser Kolonie. Nur darf nicht zuviel hineinregiert werden, eS genügt zu organisieren. Ich komme mit keiner großen Geldforderung zurück, aber mit der Sicherheit einer außerordentlich günstige« Entwickelung der Kolonie." Ueber die Ergebnisse der Expttntion Kochs hat Dernburg Worte der Begeisterung. Was Koch zustande gebracht, sei geradezu be wundernswert.
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