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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.06.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-06-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960617013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896061701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896061701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Seiten in falscher Reihenfolge eingebunden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-06
- Tag1896-06-17
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Reclamen unter dem RedactioaSstrick (4ge- spalten) 50^, vor den Familiennachrichteii (6gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen lgefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderunz 60.—, mit Postbesörderung ^l 70. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Marge n-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets au die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig Mittwoch den 17. Juni 1896. W. Jahrgang. Tschechen und Polen. SS Die Deutschen Böhmens fühlen sich durch ein Vor- kommniß in lebhafte Erregung versetzt, das auch in Deutsch land Beachtung verdient und wohl Anregung zum Nach denken geben sollte. Böhmische Sokolisten (Turnvereine) batten beschlossen, in der ganz deutschen Stadt Teplitz einen Gautag abzuhalten, mit obligaten und demonstrativen Um zügen, die den eingestandenen Zweck haben sollten, die Deutschen zu ärgern. Ein Protest bei der zuständigen Bezirkshaupt- mannschaft ist fruchtlos geblieben, der bei dem Statthalter von Böhmen eingelegte Protest hat zwar Erfolg gehabt, eS ist aber gleichzeitig auch den deutschen Turnern ver boten worden, das von ihnen in Teplitz geplante Turnfest zu veranstalten. So ist es den Tschechen gelungen, die Deutschen in einem ganz deutschen Bezirke um ihr Fest zu bringen. Daß jemals den Tschechen die Abhaltung tschechisch-nationaler Feste in überwiegend tschechischen Bezirken verboten worden sei, ist nicht bekannt geworden. Dabei muß man sich erinnern, daß in Ortschaften mit einer vorwiegend tschechischen Bevölkerung deutsche Turner, die keineswegs demonstrativ auftraten, beinahe massakrirt worden sind. Man sieht daraus, wie rücksichtslos die Slawen vorgehen, wenn man nachgiebig gegen sie ist, und wie sie die Deutschen einfach brutalisiren, wenn sie wissen, daß sie den überwiegenden Einfluß und hohe Gönner schaft besitzen. Aus der planmäßigen Unterdrückung des Deutschthnms in Böhmen sollte man für die östlichen Provinzen Preußens eine Lehre entnehmen. Man sollte aus dem Beispiele Böhmens lernen, daß auch das weitestgehende Entgegenkommen gegen die Slawen sie nicht zufriedenstellt, sondern sie nur an maßender macht. Hat man in Berlin die Consequenzen aus dieser Thatsachc gezogen? Wir müssen die Frage leider ver neinen. Zwar hat man sich soweit aufgerasft, den Sokolisten der Provinz Posen den geplanten großen öffentlichen Umzug zu verbieten. Aber daß diese Vereine, die aus ihrer Tod feindschaft gegen das Deutschthum, aus ihren unwandelbaren nationalpolnischen Gesinnungen und Bestrebungen kein Hehl machen, eS überhaupt wagen, öffentliche Umzüge veranstalten zu wollen, ist ein Beweis dafür, welcher Nachgiebigkeit sie die preußische Regierung für fähig halten. Und wenn man an die alljährlichen Rundreisen des Erzbischofs Stablewski denkt, die sich zu nationalpolnischen Huldigungen für den Vertreter des polnischen Königs gestalten, zu Huldigungen, denen nicht entgegengetreten wird; wenn man weiter an die vielbesprochenen und noch immer straflos gebliebenen Heldenthaten des Propstes Szadzynski sich erinnert: dann wird man zugeben müssen, daß die Speculation der Sokolisten keine so unrichtige war. Sie hofften eben die Negierung in einem jener Momente der Nachgiebigkeit zu finden, die be dauerlicher Weise so oft die Früchte consequent energischer Behandlung zerstören. Daß es unter der gegenwärtigen Negierung Alles in Allem in Preußen besser geworden ist, als eS von 1890—1894 gewesen war, sei zuzugeben. Aber immer wieder muß man wahr nehmen, daß die Regierung noch immer nicht recht weiß, worauf eS ankommt. Das beweist nicht nur der Fall Szadzynski, sondern wird auch durch die folgende, vom „Dziennik Poznanski" mitgetheilte Bestimmung dargelegt. Danach sollten die Söhne polnischer nicht naturalisirter Eltern naturalisirt werden können, wenn sie — neben einigen anderen Bedingungen — die deutsche Sprache beherrschen können. Damit aber ist gar nichts getban. Kaum ein Volk ist so sprachbegabt, wie die Polen. Das deutsch sprechen Können ist also für sie eine leicht zu erfüllende Bedingung: eS fehlt nur an dem Wollen. Die Regierung mag sich fest darauf verlassen, daß die Polen, die bei der Naturalisation die deutsche Sprache vollständig beberrscht haben, ein oder zwei Jahre später, wenn sie vor Gericht als Zeugen oder Angeklagte oder Parteien vernommen werden, die Hilfe eines Dolmetschers beanspruchen werden, einfach unter der Behauptung, die deutsche Sprache verlernt zu haben. Die Einen werden das thun, um den Gerichtshof zu chicaniren — ein Fall, den wir nicht selten selbst erlebt haben —, die Anderen werden in der That die deutsche Sprache rasch wieder verlernen, weil sie nur mit ihren lieben Landsleuten verkehren und mit ihnen immer nur polnisch sprechen. Es empfiehlt sich deshalb unter den gegenwärtigen Zeit läuften überhaupt nicht, Polen, die noch nicht preußische, also deutsche Staatsangehörige sind, zu naturalisiren. Der Negierung geht damit die Macht verloren, sie aus dem Lande zu weisen, wenn sie sich durch polnische Propaganda lästig machen. Gewiß wird von diesen Polen, die staats bürgerliche Rechte nicht besitzen und jeden Augenblick in Gefahr schweben, ausgewiesen zu werden, ein solcher Zustand als eine Härte empfunden werden. Aber wir meinen, daß cs staatsmännischer Naison entspricht, erst die Polen, die deutsche Staatsangehörige sind, zu germanisiren, ehe man daran denken darf, andere Polen zu naturalisiren. Sonst vermehrt man nur das Heer unbotmäßiger Staatsbürger, vergrößert von Staatswegen das slawische Uebergewicht und schafft aus den östlichen preußischen Provinzen ein deutsches Böhmen, oder vielmehr ein Böhmen in Deutschland, denn deutsch würde es ja eben nicht sein. Davor aber mögen wir in Gnaden bewahrt bleiben. Möge die preußische Regierung daran denken, wie gefährlich für den Bestand und den Frieden des österreichischen Staates und für die Bedeutung Oesterreichs als Culturmacbt die slawische Herrschaft in Böhmen und Galizien ist, möge sie aufmerksam ihren Blick auf die durch die klägliche Haltung der öster reichischen Regierung und die Schlaffheit der Deutsch-Oester- reicher herbeigeführten Zustände in Böhmen richten und möge jedes Vorkommniß, das, wie der Fall in Teplitz, von slawischer Anmaßung beredtes Zeugniß ablegt, ihr zurufen: „Landgraf, werde hart." Dann werden wir Reichsdeutschen zwar unsere deutsch-böhmischen Freunde bedauern, aber ihr Martyrium wird wenigstens der gesammten deutschen Sache zu Nutzen kommen. Deutsches Reich. I-. Leipzig, 16. Juni. In das UntersucknngSgefängniß des hiesigen Landgerichts wurde heute der Buchbinder Jacobi aus Freiburg in Baden eingeliefert, gegen den bekanntlich beim Reichsgericht eine Untersuchung wegen anarchistischer Umtriebe und hochverrätherischer Handlungen eingeleitet worden ist. Ein Beschluß über die Eröffnung des Haupt verfahrens ist, soviel wir erfahren, bis jetzt noch nicht gefaßt. Die Sache wird aber voraussichtlich vor Beginn der Gerichts ferien noch erledigt werden. Q. Berlin, 16. Juni. Der bayerisch-schwäbische Reichs tagswahlkreis Illertissen ist dem CentrumScandidaten Frhrn. v. Hertling zugesallen. Das Ergebniß war vor auszusehen, da der Kreis seit dem Bestehen des Reiches nur ein einziges Mal nicht klerikal gewählt hat. Immerhin war der Wahlkampf nicht ohne Interesse. ES galt für denBauern - bund,sich mit dem Centrum unter günstigen Verhältnissen zu messen. Frhr. v. Hertling ist geborener Preuße, ein Umstand, den vr. Sigl und Andere weidlich gegen ihn ausgenutzt haben. Seine Eigenschaften als Adeliger, Großstädter und Professor konnten ihm in einem überwiegend bäuerlichen Kreise bei der seit Jahren beliebten Agitation auch nicht zur Empfehlung gereicht haben. Endlich hatte er eine scharfe Absage an den Befähigungsnachweis und die Zwangsinnung auf dem Kerbholz, und das Hauptorgan ver Zünftler, die noch dazu in Bayern erscheinende „Allgemeine Hand werker - Zeitung", hatte zwar nicht direct für einen seiner Gegner, doch gegen ihn die Parole aus gegeben. Trotzdem ist Frhr. v. Hertling mit 8285 von 14 32l abgegebenen Stimmen gewählt worden. Das bedeutet allerdings im Vergleich zu der Stimmenzahl, die sein Vor gänger im Jahre 1893 erhalten hat, einen Verlust von über 2000 Stimmen für das Centrum, da aber die Wähler- bethciligung um mehr als 2583 Stimmen gegen die vor letzte Äahl zurückgeblieben war, so ist der Vorfall kein Zeichen der Gefährlichkeit des Bauernbundes. Dieser hat mit 2996 Stimmen deren nicht mehr als 676 gewonnen — ein nichts weniger als imposanter Zuwachs bei einer Partei, der vor allen ihren Gegnerinnen der in einer Zeit der Verworrenheit, wie die unsrige ist, vortheilhafte Umstand, keine Vergangenheit zu besitzen, zur Seite stand. An den Folgen der geringeren Wablbetheiligung participirt aber das Centrum nicht allein, auch die Nationalliberalen haben einige Hundert Stimmen eingebüßt, und die Socialdemokratie hat, was allerdings nicht nur mit der Säumigkeit der Wähler erklärt werden kann, nur 469 Stimmen erhalten und damit mehr als 50 Procent ihres Besitzstandes von 1893 verloren. Bemerkenswerther als alle diese Ziffern ist die Thatsache, daß das Centrum einen hervorragenderen Politiker, der den Einfluß seines demo kratischen Flügels nicht verstärken wird, und einen Mann ausgestellt hat, dessen Fractionszugehörigkeit der Partei künftighin verbietet, Gegner des Befähigungsnachweises und der Zwangsinnung Feinde des Handwerks zu nennen. 6. II. Berlin, 16. Juni. Die Lage der ConfectionS arbeiterinnen wird von Tag zu Tag übler. Nachdem die Herrenconfectionaire von den Vergleicksbcdingungen zurück getreten sind, haben auch die Schneidermeister der Damen- mäntelconfection eine derartig ablehnende Haltung gegen den Vertrag vom 20. Februar eingenommen, daß heute die Arbeiter und Arbeiterinnen sich in derselben Position be finden, wie vor dem Streik. Die Haltung der Zwischen meister ist klar: das Aushängen bestimmter Lohntarife paßt ihnen nicht in den Kram, weil es der Ausbeutung der armen Geschöpfe einen kleinen Riegel vorschiebt. Wer den Verhandlungen vor dem Gewerbegericht beigewohnt und die Reihen der Zwischenmeister gemustert hat, wird wenig Freude emvfunden haben: fast alle Reden dieser Herren atbmeten einen io egoistischen Geist, wie man ihn in dem Zeitalter der Socialpolitik nur selten vorfindet.' Das waren die Zwischenmeister in der Herrenconfection; die der Damen- confcction sind aber genau so, wie dies die Verhandlungen am Sonnabend unter dem Vorsitz des sehr humanen Groß- confectionairs V. Mannheimer ergeben haben. Die Zwischen meister wollten ans dem Streik Vortheile für sich und nur für sich berausschlagen. Ob unter diesen Umständen die Con- sectionaire nicht roch noch zur Einrichtung der ihnen sonst höchst unbequemen B.'triebswerkstälten schreiten werden, muß man abwarten; jedenfalls stehen sie diesem Project nicht mehr so schroff gegenüber wie früher. Die Polizei hat in der letzten Zeil mit löblichem Eifer die Werkstätten der Zwischen meister gemustert und sich namentlich danach erkundigt, ob für Luft unv Licht in genügender Weise gesorgt sei. Hoffent lich werden in irgend einer Form die Ergebnisse der Unter suchung bekannt. So, wie die Verhältnisse für die Arbeite rinnen im Confectiousgewerbe liegen, sind sie für die Dauer unhaltbar und drängen zu einem neuen Streik, bei dem leider sür die Arbeiterinnen nichts zu gewinnen ist. Heute Abend sollen 7 Schneider-Versammlungen stattfinden; hoffent lich werden sie nicht von den extremen Elementen beherrscht, denn die Ausführung des in dem Herzen derselben schlummernden Gedankens an einen allgemeinen deutschen Schneider-Streik konnte nur namenloses Elend Hervor rufen. Auf den AuSgang des Schneidercongresses am 13. Juli in Eisenach ist man in allen Kreisen höchst gespannt. V. Berlin, 16. Juni. (Telegramm.) Der Kaiser machte beute früh von 7 Uhr ab in Begleitung der Kaiserin einen Spazierritt in der Umgebung des Neue» Palais, hörte nach der Rückkehr den Vortrag des Chefs des Geheimen Civil-Cabiuets und arbeitete darauf mit dem Cbcf des Militair Cabinets. Mittags Ii'i Uhr fand in der Jaspis- Galerie deS Neuen Palais zu Ehren des Vice-Königs Li -H u u g - Tschang eine größere Tafel statt, zu welcher außer den Hof staaten zahlreiche hockgestellte Personen geladen waren, darunter Prinz und Prinzessin Friedrich Leopold von Preußen, der Großberzog von Sachsen, Prinz Albert von Belgien, der Erbgroßherzog von Sachsen, Herzog Ernst Günther zu Schleswig Holstein, Prinz Ernst von Sachsen-Weimar, der Herzog nur die Herzogin Johann Albrecht von Mecklenburg, Prinz Albert zu SchleSwig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg, Prinz Ernst von Sacksen-Ältenburg, Prinz und Prinzessin Aribert von Anhalt, Prinz Albert zu Schleswig-Holstein, Erbprinz und Erbprinzessin von Hohenzollern. Mit dem Vice-König Li-Hung-Tschang waren geladen: die Botschastssecretaire Vicomte Li-Ching-Fang, Lo-Fang-Lob, Vicomte Li-Cbing-Slm, Lien-Fang, der Zolldirector Dolmetscher Detring, sowie der zum Ehrendienst commandirte Oberst Lieber! und der Legationssecretair I)r. Kreyer. Mit Einladungen waren ferner beehrt worden: der Reichskanzler, der Staatssecretair deS Auswärtigen und die hier anwesenden activen Staats minister, die Herren des kaiserlichen Hauptquartiers, die CabinctschesS, mehrere höhere Generäle, der portugiesische Ober hofmeister Graf Ficalho, der belgische Gesandte Baron Greindl, der chinesische Gesandte Hsü-Ching-Cben und Andere. Die Tafel zählte etwa 100 Gedecke. Die Majestäten saßen neben einander, die Kaiserin zur Linken des Kaisers; gegenüber den Majestäten hatte der Reichskanzler den Platz; demselben zur Rechten saß der Vice - König Li - Hung - Tschang und es folgten zunächst weiter rechtS: Zolldircctor Detring, Staatöminister I)v. v. Boetticher und der portugiesische Oberhofmeister Graf Ficalbo, während zur Linken des Reichskanzlers der chinesische Gesandte Hsii-Cinng Eben, der belgische Gesandte Baron Greindl u. A. saßen. Die Tafelmusik wurde von dem Trompetercorps des Regiments der Gardes du Corps und des Leib-Garde-Husaren Regiments ausgeführt. Die Gäste der Majestäten waren mittels Sonderzuges nm 12 Uhr 26 Min. von Berlin nack Wildpark gefahren und traten die Rückkehr von dort nack Berlin kurz nach 3 Uhr Nachmittags an. Der Kaiser ge denkt vor der Rückkehr nach Berlin das Lebr-Jnfanterie Bataillon auf der Mopke vor dem Neuen Palais cxercircn zu lassen. Morgen Vormittag um 11 Ilbr wird der Kaiser den japanischen Abgesandten Feldmarschall ?)amagata ui Audienz empfangen. x Berlin, 16. Juni. (Telegramm.) Der „Norde. Allgem. Ztg." zufolge findet am Sonnabend bei dem Reichs kanzler ein Festmahl zu Ehren Li-Hnng-Tschang's statt, zu welchem zahlreiche Einladungen ergehen werden. x Berlin, 16. Juni. (Telegramm.) DaS Reicks marineamt hat den Stapellauf deS Panzers „Ersatz Preußen", der in Gegenwart des Kaisers erfolgen soll, auf den 1. Juli festgesetzt. Der Kaiser tritt seine Nord la n d r e ise unmittelbar darauf an. HK Berlin, 16. Juni. (Privattelegramm.) Die Reformpartei und die Conservativen haben soeben im Reichstag eine Interpellation wegen des „Falles Bastfford" eingebrackt; sie fragen an, ob dem Reichskanzler die Beleidigung und Beschimpfung eines Postbeamten und die Zurücknahme des Strafantrags infolge einer Einwirkung des iLtaatssecretairs I)r. v. Stephan bekannt sei. — Während vor wenigen Tagen noch 240 Reichstags abgeordnete gezählt wurden, die für eine schleunige Annahme des Büger lichen Gesetzbuches nach den Commissions beschlüssen sein sollten, ist deren Zahl jetzt, wie die „Deutsche Tageszeitung" mittheilt, auf 160 herabgegangen (?). In der conservativen Partei können, wie dasselbe Blatt sagt, die jenigen, die für die Dnrchberathung im Sommer eintreten, Fauillrton. Eine Pußtenfahrt. Bilder auS der ungarischen Tiefebene von Franz Woenig. III. Ungarischer Jahrmarkt. (Nachdruck verkoten.) „Sagen Sie, waS ist denn in Szolnok los? Sonst be gegnet man Abends um 10 Uhr auf Straßen und Gassen weder Hund noch Katze, höchstens daß Einem ans einsamen Wegen von der Theiß herauf aus einer Schisfer-Csürda oder einem Cafö noch ein CsLrdas entgegenklingt, — und heute? Ich erkenne das ruhige Städtchen gar nicht wieder! In jeder elenden Weinschenke Zigeunermusik und auf den Straßen ein unheimliches Menschengewoge!" Der Portier im Hotel zur .Frone", dem meine Frage galt, lächelte: „Morgen ist Jahrmarkt, Euer Gnaden, und so ein Jahrmarkt bringt die ganze Stadt auf. Während der kommenden beiden Täg' wird's auch in der Kron' a bissel lebhaft zugehn. Lassen s sich nit geniren, und wenn S' nit schlafen könne, feiern S' halt drüben im Cafs mit. Lustig wird'S sein, kreuzlustig, denn die Ziganyok in der „Hungaria" spielens wie mit dem Teixel!" Da» merkte ich, als ich mich Abends zur Ruhe legte, und im Hotel war eS bis zum Morgengrauen sehr fidel, aber daS „Mitfeiern" habe ich mir doch erspart. „So ein Jahrmarkt bringt die ganze Stadt auf", hatte der Portier gesagt, ja nicht nur die ganze Stadt, sondern auch ihre weiteste Umgebung. Al» iih <rm nächsten Morgen in der geräumigen Zeltlaube vor den Hotel am Markte „König von Ungarn" saß und bei einem Glase Kaffee und guter Cigarre das unerschöpfliche Marktgewoge mit seinen kaleidoskopartig wechselnden bunten Scenen und Bildern an mir vorübergleiten ließ, babe ich der Mittheilung meines freundlichen Wirtbes SLrkäny LajoS, daß Szolnok 18 000 Einwohner besitze, endlich rollen Glauben geschenkt. Eine bessere Gelegenheit hätte sich kaum für mich finden können, Szolnoks Einwohnerschaft zu stndiren, als so ein Jahrmarkt, der alle Kreise der Stadt in sein Bereich zielst; denn von der Frau des höchsten ComitatSbeamten an bis berab zur schlichten Wasserträgerin läßt sich Niemand den Markt entgehen, und wen nicht die Kauflust auf den Markt platz lockt, den treibt die Neugierde. Den Viehmarkt, der beim Morgengrauen draußen auf einem vor der Stadt gelegenen großen Anger beginnt, hatte ich gründlich verschlafen, und ich konnte mir auch den Besuch desselben ersparen, da mir die großen Viehmärkte DebreczinS bekannt waren. Damit sich meine geneigten Leser einen kleinen Begriff von der Ausdehnung ungarischer Märkte machen können, will ich hier nur die Notiz einfließen lassen, daß auf jedem der Debrecziner Viehmärkte durchschnittlich 70 000 Stück Vieh aufgetrieben werden und daß der Jabresverkehr zwischen 250 000—300 000 Stück schwankt. Dieses lebendige Marktgut DebreczinS, das nicht nur aus allen Tbeilen Ungarns und Siebenbürgens, sondern auch aus Galizien, der Walachei u. s. w. hier zusammentrifft, repräsentirt einen Werth von ca. 9 Millionen Gulden. Von Viehheerden war inmitten des „Kleinmarktes" nichts zu erblicken, aber eine lustige Schaar angeheiterter Viehtreiber umstand einen „Kaffeeschank". Sie schienen während der Nacht und in früher Morgenstunde der hölzernen Trinkflasche (Csutra) gehörig zugesprochen zu haben. Während einige kreischten^ sangen, die Hüte und die Trinkflasche schwenkten, oder den Taillenumfang der korpulenten Kaffee-Hebe festzn- stellen stickten, hatte mehrere ihrer Genossen bereits da» graue Elend gepackt, und sie suchten den grimmen Kater durch braune dampfende Kaffeefluthen zu ersäufen, die sie auS Näpfen und Tassentöpfchen mit verzweifelter Schnelligkeit durck die Gurgel jagten. Wer aber vermag zu ergründen, wie viel Liter dieses „blonden Markt-BliemchenS" dazu ge hören, einen „Diekstreiber-Kater" zu ersäufen? ... Plötzlich ein laute» Gekreisch der Marktweiber. Einen langen Jnhaß (Schafhirt«) bat die Rührung übermannt. Er ist beim Balanciren seine» Schwerpunkte« unglücklich gewesen und mit solcher Wucht gegen den Kaffeetisch gefallen, daß die» ehrwürdige Möbel krachend auS den Fugen geht, die gekreuzten Beine gen Himmel streckt — nnd wie der lange Laban zwischen den Scherben der zerbrochenen Töpfchen und Näpfe liegen bleibt. Gelächter, Schimpfen, Fluchen ... Eine große Menschen menge umsteht die Unglücksstätte. Man schreit nach der Marktpolizei. Doch schnell haben die Treiber ibrcn Genossen wieder flott gemacht. Einer von ihnen zieht dem schwanken den Laban den ledernen Geldbeutel aus der Tasche seiner weiten weißen Gatyen (Beinkleider) und zahlt nach längerem Feilschen der keifenden Kaffee-Hebe die energisch geforderte Entschädigungssumme. DaS Wrack in der Mitte, zieht die Treiber-Flottille mit vollen Segeln durch die Marktwogen, lieber den Köpfen der Menge sehe ich Hüte, Feldflaschen und lange Hakenstöcke schwenken und aus den Lauten tollen UebermuthS vernehme ich ein Schäkerliedchen: „Hej, der Wein! Ich komm' vom Schmause, Finde nicht den Weg nach Hause . . . Sagt mir: „Wo ist eine Thür, Tie mich in ein WirthShauS führ'?" Bei Vasad in grünen Pußta-Auen Ist ein alter Galgen noch zu schauen. Hej, wer überdrüssig dieser Welt, Hänge dort sich auf, wenn's ihm gefallt! . . Bald ist daS zerbrochene Kaffeegeschirr durch neues ersetzt, und eine Anzahl alter und junger Weiber, die in der Nähe Hühner und Hähne feilhalten, verlassen das Bereich auf- gethürmter durchbrochener Binsen- und Weivenkörbe, aus denen das betäubende Geschrei der eingesperrten „Wächter der Morgenrötke" über den Marktplatz dringt, um sich an einem Täßchen „ungarischen Bliemcken" zu erquicken nnd allerlei Neuigkeiten über den lieben Nächsten auszutauschen. Die Tracht der ungarischen Frauen und Mädchen in nnd um Szolnok herum ist malerisch und lebhaft bunt. Bei jungen Mädchen ist die rothe Farbe beliebt, bei Franen das Blau. Buntgeblümte oder -gestreifte Röcke, Mieder nnd Kopftücher, rothe Zopfbänder, rothe Strümpfe tauchen überall auf. Der Gang der Szolnoker Mädchen kündet starke« Selbsibewußtsein nnd Stolz. Wie keine zweite im Ungarland versteht es die Szolnokerin, mit einer unnach ahmlichen Kopfbewegung ihre langen Zöpfe zu schwenken. Manches der idealen Rasse-Gesichter, das mit seinen dunklen versengenden Glntbaugen unter dem Kopftuch hervorschaut, kann mit den Kecskemeterinnen, deren Schönheit sprich wörtlich geworden und vielfach in ungarischen Volksliedern besungen worden ist, in Concurrenz treten. Neben den Kaffee-Schanken, auf deren kleinen Oesen nn unterbrochen das Wasser in Blechgefäßen brodelt, erbebt fick eine Wagenburg zweiräderiger Karren und leicktgebauter Leiterwagen mit und ohne Leinwand-Planen. Sie haben zum Transport der mancherlei LandeS-Producte des Tieflandes gedient, die nun in riesigen Mengen zum Verkauf am Boden ausgebrestet liegen. Wer zählt wohl die Menge größer saftiger Zucker- und Wassermelonen, grüner Paprika-Schoten, Erdäpfel, Möbren, Tomaten, Zwiebeln, Aprikosen, Acpfel re., die hier in großen und kleinen Pyramiden verlockend aus geschichtet worden sind? In blendend weißen geöffneten Säcken und Säckcken oder auf auSgebreiteten weißen Tüchern leuchtet daS brennendrotbe Paprikapulver. Es findet seine Abnehmer, denn Paprika ist dem Ungar ebenso unentbehrlich wie daS Salz. Hausfrauen und Dienstmädchen nmdräiigeu die behäbigen Hökerinnen, die mit großer Seelenruhe ans das Zünglein ihrer Holzwaage achten, aus der sie das rdlc Gewürz bedächtig abwiegen. Drei langhaarige slowakische Dudelsack-Pfeifer in engen Lederbosen, LederwamS und Bant schuhen lagern träge am Postament der Heiligensäule. Sie haben ihre Dudelsäcke, Ledertaschen und Wanderstäbe neben sich gelegt nnd verzehren mit sichtlichem Wohlbehagen eine gemeinschaftlich erstandene Wassermelone. Nicht weit von ihnen rastet eine junge Zigeunerin. Unbekümmert nm die Blicke der Vorüberdrängenden, hat sich die braune Schöne am Boden langgestreckt, den Kopf auf ihr Lumpcnbündel gestützt und säugt ihr Kind. Auf langen Schrägen liegen riesige Brodlaiber. Die Weiber der Theißslößer, die sich für die Weiterfahrt nack Szegedin verproviantiren, kaufen in reichlicher Menge diese köstliche Gabe und schleppen sie in lakenäbnlicken Tüchern, die sie auf dem Rücken tragen, mit anderen Nahrungsmitteln davon. Aus der ganzen weiten Welt giebt e« wobl kaum besseres Brod, al« im ungarischen Tieflande. E» hat «inen au»-
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