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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.06.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-06-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960617013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896061701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896061701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Seiten in falscher Reihenfolge eingebunden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-06
- Tag1896-06-17
- Monat1896-06
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4V00 »M den Fingern" abgezählt werden. Den Umstand, daß das Eentrum gerade jetzt seine Interpellation wegen Aufhebung de-Iesuitengesetzes einbringt, betrachtet auch dasBündler- blatt als keinen bloßen Zufall. Während die ultramontaiie Presse sich bemüht, diesem Umstande die harmlose Deutung zu geben, das Centrum sei seinen Wählern schuldig, die Auf hebung deö Iesuitergesetzcs immer und immer wieder zu verlangen, und da diese Angelegenheit in der lausenden Tagung bisher vom Centrum noch nickt angeregt worden sei, so geschehe dieö eben jetzt, bringt die „Deutsche Tageszeitung" die Interpellation in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch: „Dazu kommt die Anbringung der Interpellation über de» Jesuitenautrag. Daß diese Einbringung gerade im gegenwärtigen Augenblick zwecklos sei, wird Niemand, der die taktische Klugheit der LentrumSführer richtig rinschätzt, annehmen können. Sie kann einen doppelten Zweck haben. Entweder soll sie die Parteigenossen im Lande, die durch das Fallcnlassen der facultativen Civilehe einiger- maßen in ihren katholischen Gefühlen gekränkt (?) sind, wieder bc- ruhigen; oder es ist auch nicht unmöglich, daß damit eine Rück- zugsbewegung des Centrums eingeleitet werden soll. Sollte nämlich die Regierung, was wohl nach früheren Vorgängen nicht anders zu erwarten ist, ablehnend antworten, dann würde das Lentrum in der Lage sein, seine veränderte Haltung gegenüber dem Entwürfe zu begründen." — Uebrr das im Verlage von Cäsar Schmidt in Zürich er schienene, in Deutschland der Confiscation anheimgesallenc apokryphe Buch „Die Geheimnisse des CeremonienmeistcrS", welches den Fall Kotze nach dem Recepte der Eolportageromanc be handelt, fällt sogar der socialdemokratische „Vorwärts", der doch sonst an allem Scandal, zumal wenn er hochstehende Kreise betrifft, lebhaftes Gefallen findet, folgendes vernichtende Urthcil: „An That- sachen enthält das Schundwerk säst nichts, was in der Kiaischpresse nicht seit gut zwei Jahren breit getreten wäre; und in Sprache »nd Stil zeigt es zuweilen so gröbliche Schnitzer, daß man unwillkürlich zu dem Schluß gelangt, der aus dem Titelblatt als ein Fürst be- zeichnete anonyme Verfasser sei in Galizien entschieden besser zu Hause als in deutschen Landen." — Der Chespräsident des Kammergerichts, Wirkl. Geh. Oberjustizrath Drenkmann, ist von seiner Jnspectionsreise in den Bezirk des Kammergerichts zurückgekehrt. — Der Centrumsabgeordnete Rudolphi veröffentlicht eine Er klärung, aus welcher hervorgeht, daß der Cultusminister sich bereit erklärt hat, für die Amtsrcisen katholischer Geistlichen nach Maßgabe der verfügbaren Mittel außerordentliche Unterstützungen zu gewähren. — Ahlwardt befindet sich noch immer in New-Uork, ohne an die Heimkehr oder an die Niederlcgung seines Mandats zu denken. Nach den Berichten amerikanischer Zeitungen scheint es ihm nicht gut zu gehen. Wie die „New-Uorker Staatszeitung" berichtet, sand vor Kurzem in Brooklyn eine öffentliche Versammlung statt, in der ihm der Vorwurf gemacht wurde, er versetze seine Werthsachen bei jüdischen Pfandleihern. Die Versammlung nahm, da auch Freunde für Ahlwardt eintraten, einen so stürmischen Verlauf, daß der Vor sitzende sie schloß und Polizeibeamle das Local räumen mußten. U— Die Buchdruckerei-Hilssarbeiter haben jetzt — nach Aufhebung des allgemeinen Streiks — beschlossen, über dreizehn Buchdruckereien die Sperre noch weiter bestehen zu lassen. Ter Ausstand hat den Arbeitern über 5000 ./L Unkosten verursacht. In Deutschland befinden sich zur Zeit nicht weniger als sechsunddreißig Gewerkschaften im Ausstande; die Arbeitergroschen fließen daher nur spärlich und die „Anfechtungen" zur Erlangung von Unter stützungen für die verschiedenen Strcikunternchmungcn sind so zahl reich, daß viele Gewerkschaften für auswärtige Ausstände überhaupt nicht zu haben sind. * Königsberg i. Pr., 14. Juni. Wie ostprcußische Blätter mitthellen, haben die sächsischen und bayerischen Remonteankaufs-Commissionen in diesem Jahre sehr umfangreiche Ankäufe in Ostpreußen gemacht und über 600 Pferde erstanden. Die Ankaufscommissionen stellten früher weit geringere Anforderungen an die Beschaffenheit der jungen Militairpferde. Ihnen kommt beim Ankauf der Pferde der Umstand zu Gute, daß sie die Märkte größtentheils früher als die preußischen Commissionen ab halten. Die Preise, die sie bewilligen, sind sehr zufrieden stellende. * Königsberg i. Pö., 16. Juni. (Telegramm.) Der Oberpräsident Graf Wilhelm Biömarck hat die Dienst geschäfte wieder übernommen. * Kiel, 16. Juni. (Telegramm) Die neue Nennyacht des Kaisers „Meteor" ist heute von England hier eingetrosfcn. * Schwerin t. Mccklb., 16. Juni. (Telegramm.) Der frühere Iustizminister Hermann v. Buchka ist gestern gestorb en. * Frie-richSruh, 15. Juni. Den „Hamb. Nackr." wird von hier geschrieben: „Fürst Bismarck beehrte heute den Hofbuchhändler Kiepert-Hannover mit einer Einladung zur Frühstückstafel. In angeregter Unterhaltung trat wieder die außerordentliche geistige Frische des Fürsten hervor. In herzlichen Worten beglückwünschte er den ihm zur Reckten sitzenden Geheimrath Schwcninger, welcher heute seinen Geburtstag feiert." Die Zuschrift bestätigt dann, daß die Huldigungsfahrt der Hannoveraner auf ärztlichen Rath vom 5. Juni auf später verschoben worden ist, „damit die Ge sundheit des Fürsten sich bis dahin noch mehr befestigen könne". * Hannover, 15. Juni. Die Landesversammlung der deutsch-hannoverschen (welfischen) Partei, die vor einiger Zeit in Celle stattgefunden, hat in der deutschen Presse fast gar keine Beachtung gefunden, und roch dürfte eS gerade heutzutage richtig sein, immer wieder auf das System binzuweisen, nach dem die Welfen ihre Agitation betreiben. Besonders bezeichnend war dafür die Rede, mit der der stell vertretende Vorsitzende des Celler Localcomitss, Hauptmann v. Lösecke, die Versammlung eröffnete. „Wenn wir", so sagte er u. A., „auf allen Gebieten, auch des öffentlichen Lebens, das Recht geltend machen wollen, so bethätigen wir lediglich das Wort des Kaisers: Recht muß doch Recht bleiben! Und wenn wir als treue Hannoveraner da« Königthum von Gottes Gnaden hochhalten, so befolgen wir nur den Satz: Ehrlos, wer seinen König im Stich läßt." — Auf diese Weise mit willkürlich interpretirtcn Worten des Kaisers krebsen zu gehen, bat sich bei unseren Welsen zu einem förm lichen Sport entwickelt; man mag daS belächeln, aber es liegt zweifellos Methode darin, und es ist lehrreich und beachtenS- werth »ach verschiedenen Richtungen. * Mai»;, 15. Juni. Tie Maurer von Mainz und Umgebung haben heute an die Bauunternehmer ein Memo randum zur Beantwortung bis L0. Juni gerichtet, in dem sie einen Stundenlohn von 40 verlangen, also eine Er höhung deS gegenwärtigen Lohnes um 2 pro Stunde. Den Maurern, die weniger als .10 verdienen, soll der Lohn als Minimallohn auf 30 erhöbt werden. Der Durchschnitts lohn siir die Handlanger soll auf 30 ^s, der Minimallohn auf 27 pro Stunde festgesetzt werden. Weiter verlangen sie genaue Beobachtung der zehnstündigen Arbeitszeit, in Ueberstunden eine Lohnerhöhung von 35 Proc., bei Nacht arbeit von 85 Proc. und bei Sonntagsarbeit von 100 Proc. bei wöchentlicher Lohnzahlung. Oesterreich-Ungarn. vr. Lueger. * Wien, 15. Juni. In der heutigen letzten Sitzung des Ab geordnetenhauses vor den Sommerferien kam cs anläßlich der Zucker st enerdebatte zu stürmischen Zwischenfällen. Lueger warf den Jungtschechen, die für die Zuckersteuervorlage eintraten, vor, sie hätten sich „aus de» brüllende» Löwen der Opposition in Zugochsen der Negierung" verwandelt. Zwischen Jungtschechen und Polen soll ein kleines „Techtelmechtel" startgefunden haben. (Widerspruch bei den Jungtjchechcn.) Lueger: Ich erzähle nur, was mir sehr glaubwürdige Persönlichkeiten mittheilten. (Rufe bei den Jungtjchechcn: Das ist erlogen!) Lueger: Sie haben früher einmai in Abrede gestellt, was hinterher klar zu Tage getreten ist. Pacak: Was haben wir in Abrede gestellt? Heraus damit I Lueger: Professor Kaizl wirds Ihnen sagen. (Großer Lärm bei Len Jungtschechen.) Kramarz: Das ist eine Lüge: Lueger: Ist mir gleichgiltig, ob Ihnen das angenehm ist oder nicht; ich erfülle nur meine Pflicht. Pacak: Es ist nicht Ihre Pflicht, zu verdächtigen. Lueger: Die Abmachung zwischen Jnngtjchechen und Polen lautete: „Stimmst Du für meine Rüben, so stimme ich für Tein Petroleum." (Stürmischer Widerspruch bei Jungtschcchcn und Polen.) Lueger: Daß die Polen beleidigt sind, ist wirklich zu verwundern; sie haben doch schon mit allen Parteien in diesem Hanse ähnliche Geschäfte gemacht. (Beifallssturm bei Len Antisemiten. Großer Lärm bei den Polen.) Lewi cki: Das ist eine Frechheit! Pernerstorfer gegen die Polen: Politische Mogler! Als Mogler bekannt in der ganzen Welt. Czecz: Politische Verleumder! (Anhaltender Lärm.) Lueger erklärte schließlich, er össne der Bevölkerung die Augen, wie cs mit ihrer Vertretung hier bestellt sei. Jungtscheche Pacak: Zwischen uns und den Polen be steht kein Techtelmechtel. Ich erkläre dies hiermit öffentlich für eine Lüge. Lueger möge den Mann nennen, der die ganze Partei aus solche Weise besudelt hat. Redner hielt sodann Lueger vor, Laß er auch mit anderen Parteien pactire. Er war zuerst liberal, dann Demokrat; jetzt gehe er mit de» Klerikalen und Deutschnationalen. (Beifallssturm bei den Juug- tschecheu.) Kronawetter warf de» Jungtschechcn vor, Geld sei ihnen mehr Werth als Nationalität. Dies Gesetz sei eines der abscheulichsten, die das Hans je gemacht habe. Es sollte sich schämen, iin letzten Augenblicke des Beiiammcnscins dem Volke noch derlei zu biete». Jaworski bezeichnete die Behauptung Lueger's über die Abmachung der Jungtschechcn mit den Polen hinsichtlich der Znckerprämie und des Petroleums als aus der Luft gegriffen. Schließlich wurde das Zuckersteuergesetz in zweiter und dritter Lesung unverändert angenommen. Frankreich. Internationaler Arbeiter,'chntz. * Paris, 16. Juni. (Telegramm.) Nach dem amtlichen Kammerbcricht wies Graf de Mun in der gestrigen Sitzung der Deputirtenkammcr am Schluß seiner Rede auf die Berliner Arbeiterconferenz 1890 hin, welche er für das Haupt- ereigniß dieses Jahrhunderts erklärte. „Ich möchte wünschen", fuhr der Redner fort, „daß Frankreich diesen Ge danken wieder aufnähme, daß Frankreich, bevor es die Nationen einladet, hier die Erzeugnisse und Wunder der Industrie anzustaunen, die Nationen zusammcnrufe, damit sie sich aufs Neue in dem gemeinsamen Gedanken der Vorsorge und der Gerechtigkeit für die Arbeiter vereinigen. Ich glaube nicht an eine formelle und unmittelbare Wirk- samkeit dieser internationalen Verständigungen, aber ich glaube an ihre hohe, mächtige, moralische Wirksamkeit. Ich glaube, daß diese Begegnungen von Männern, welche zwar rivali- sirenden Staaten angchören, welche sich aber versammeln, um Mittel zur Heilung der Wunden des industriellen Krieges zu suchen, fruchtbar sein werden, und daß aus ihnen nothgedrnngen eine unwiderstehliche Bewegung hcrvorgchcn werde, welche überall über Gebräuche und Gesetze den Sieg davontragen wird. Ich wollte, daß Frankreich diesen Ruhm erwerbe, welcher seinem Genius entsprechen würde, und wie Goethe sterbend: „Mehr Licht!" ver langte, so möchte ich, daß man in den letzten Tagen dieses Jahr hunderts mehr Gerechtigkeit und Menschlichkeit verlange." (Stürmischer Beifall rechts und im Ccntrum). * Paris, 16. Juni. (Telegramm.) DaS Colonialamt rüstet einen Zug nach dem oberen Ubangi unter dem Be fehl deS Hauptmanns Marchand auS. — Die Angelegenheit der Processionen beschäftigt die radicale Presse, die in der Ucbertretung des Polizeiverbots der Umzüge eine Schilderhebung der Katboliken und einen Beweis ihrer BundeSgenoffenschaft mit der Regierung erblickte. Der Abgeordnete Bazille will von der Negierung über die Sonntagsvorgänge Rechenschaft verlangen. — Die Glashütte für die Glasbläser stockt wegen Geldmangels. Eine Abordnung der Arbeiter ist aus Carmaux hier eingetrvfsen, um von der socialistischen Kammer gruppe Hilfe zu verlangen. Die Socialistensübrer beschlossen, zu Gunsten der Arbeiterglashütte öffentliche Borträge gegen Eintrittsgeld zu veranstalten. (Voss. Ztg.) Großbritannien. * Die Art und Weise, wie vorgestern Lord Salisbury im englischen Oberhausc sein Cabinet gegen den Vor wurf der geflissentlichen Verschleppung deS amtlichen Vor gehens wider die Charteret» Company, C. Rhodes und Genossen rertheidigte, war eine rein formalistische und sophistische. Der gerichtliche Proceß gegen Iameson und die angekündigte parlamentarische Untersuchung sind eine Zwickmühle, die man sich wohlweislich construirt hat, um überhaupt zu nichts zu kommen, sonst hätte C. Rhodes natürlich zugleich mit Iameson gerichtlich verfolgt werden müssen. Der Letztere und dessen Genossen werden nun von den Geschworenen wohl freigesprochen werden, weil, selbst wenn das Vor handensein einer Schuld anerkannt werde» sollte, der eigentliche Schuldige, C- Rhodes, nicht in die An klage mit einbegriffen ist. Sie werden sich wohl auf die Unmöglichkeit berufen, die Werkzeuge zu verurtheilen, während der Hauptschuldige als Herr und Commandant Nhodesias sein altes Handwerk ruhig weiter treibt. Gegen diesen kann aber nach Lord Salisbury'S Ausführungen die parlamentarische Untersuchungscommission erst Vorgehen, nach dem Iameson und Genossen abgeurtheilt sein werden. Letzteres kann noch lange auf sich warten lassen, jedenfalls wird in zwischen das Parlament vertagt werden, und wenn es im nächsten Jahre wieder Zusammentritt, wird, wie die „Nat.- Ztg." ganz richtig vcrmulhet, in England, nachdem Iameson und Genossen frcigesprochen sind, Niemand mehr von C. NboteS „verjährten" Verbrechen etwas hören wollen. Dies ist es, was Lord Salisbury eigentlich hätte sagen müssen, aber er klärlicher Weise nicht gesagt hat. Rußland. * Petersburg, 16. Juni. (Telegramm.) Durch einen kaiserlichen Ukas wird der Staatsanwalt Geheimrath Dobrginöky zum Director des Polizeideparte- ments ernannt. — Der Emir von Buchara wird zwei Wochen in Niskni-Nowgorod zum Besuche der dortigen Aus stellung verweilen und alsdann nach Jalta abreisen. Orient. Tie türkische» Wirre». * Athen, 16. Juni. (Telegramm.) Heute vor acht Tagen versprach die Pforte in Erwiderung auf die Vor stellungen des griechischen Gesandten, daß sie, sobald einige Ruhe auf Kreta eintrete, die treten fische National versammlung einberufcn werde, damit diese über die ad ministrativen und finanziellen Reformen Vor schläge ausarbeite. Es wurde dem Gesandten Mavrocordato versichert,daß ein Irade diesesInhalts schon unterzeichnet sei und sofort nach Kreta zur Proclamirung geschickt werde. Inzwischen ist nichts geschehen, erst gestern berief Abdullah Pascha den Bischof von Canea und die Vorsteher der christlichen Zünfte zu sich und tbeilte ihnen das Bedauern des Sultans über die jüngsten Ereignisse mit. Er erklärte, falls die Auf ständischen überall die Waffen bedingungslos streckten, werde der Sultan sich die Angelegenheit der Finanzreformen über legen. Diese Kundgebung erregte Unwillen sowohl in Canea als in hiesigen Regierungskreisen, die nunmehr ihre Empörung über drn fortdauernden bösen Willen in Konstantinopel nicht verhehlen. (Voss. Ztg.) * Belgrad, 16. Juni. (Telegramm.) Von funter- richteter Seite wird gegenüber anderweitigen Meldungen erklärt, daß die serbische Regierung, weit entfernt irgend welchen Verwickelungen Vorschub zu leisten, auf ihrem vor jährigen Standpnncte während der makedonischen Wirren beharre, nämlich auf Innehaltung strenger Neu tralität und Wahrung vertragsmäßiger Zustände, um zur Erhaltung des Friedens nach allen Seiten hin beizutragen. Die Action der serbischen Regierung beschränke sich einzig und allein auf die der Sachlage entsprechende Forderung der Anerkennung der serbischen Nationalität neben der bulgarischen und griechischen im Gebiete der europäischen Türkei. * Wien, 16. Juni. (Telegramm.) Nach Meldungen, die über Philippoficl eingegangen sind, wurde in Kon stantinopel am 13. dsS. Mts. ein Armenier von einem Softa und am 14. dss. Mts. ein im Dienste der türkischen Geheimpolizei stehender Armenier im Auftrage deS armenischen ComitöS getödtet. Amerika. Gold contra Silber. * St. LoniS, 16. Juni. (Telegramm.) Die republi kanischen Parteiführer der Oststaaten nahmen daS seitens der Führer der Mittel- und Weststaaten vorgeschlagenc Währungsprogramm an, dem die Convention zustimmen dürfte. Dasselbe spricht sich rückhaltlos für sounä mons^ aus und tritt der freie» unbegrenzten Silber prägung entgegen, de» Fall ausgenommen, daß ein internationales Abkommen eine Regelung der Frage trifft. Bis dahin ist die Goldwährung beizu behalten. Die Verwendung deS Silbers als Währungs mittel wird begünstigt, jedoch nur in solchem Umfange, daß die Parität mit Gold aufrecht erhalten bleibt. Nack, einer Schätzung deS Senators Lodge sind 534 Abgeordnete für das Goldprogramm. AuS einigen Delegationen, welche stark für die Goldwährung eintreten wollen, fehlen noch die Schätzungen. Spaniens Kampf um Cuba. * Havana, 16. Juni. (Telegramm.) Die Auf ständischen haben bei Matanzas einen Eisenbahnzug in die Luft gesprengt und auf die Reisenden geschossen, von denen zwei verwundet wurden. — Man befürchtet, daß unter den Arbeitern in den Tabakfabriken ein Streik ausbrecken wird. — Die Aufständischen sind in Batabano eingctroffen und haben mehrere Häuser angezündet. (Man sieht: während die Spanier die Action wegen der Un gunst der Jahreszeit osficiell eingestellt haben, denken die Aufständischen noch keineswegs an Waffenruh. D. Red.) Marine. * Tas seit dem Sommer 1879 im Mittelmeer stationirte Kanonenboot „Loreley", das zur Zeit unter dem Conunando des Capitainlieutenants von Bredow seine letzte Rundreise an den Küsten Klein - Asiens und Palästinas unternimmt, wird auf Verfügung des Reichsmarincamts im Herbst dieses Jahres die Heimreise antreten und durch ein neues Fahrzeug ersetzt werden. Auch dieses neue Stationsschiff für Konstantinopel wird den Namen „Loreley" führen; es ist dies eine Dampsyacht, welche die Marineverwaltung im Mai dieses Jahres in England angekauft hat und die zur Zeit auf der kaiserlichen Werst zu Wilhelmshaven für seine neuen Tienstzwecke umgebaut wird. Dieses neueste Kriegs fahrzeug unserer Flotte hat einen Tonnengehalt von 536 Register tonnen, bei einer Länge von 63 m, einer Breite von 8'/. w und einem mittleren Tiefgang bei voller Ausrüstung von 4V, w. Die Maschine des Schiffes ist dreicylindrig und indicirl 700 Pferdestärken, die ihm eine Fahrgeschwindigkeit von 12—13 Seemeilen in der Stunde ver leihen (gegen drei deutsche Meilen). Da die neue „Loreley" mit einer Dreimasitakelung versehen ist, wird sie auch größere Strecken unter Segeln zurücklcgen können. Bei ihrer nächsten Indienststellung wird „Ersatz Loreley" mit zwei 5 em-Schnellfeuergeschützeo und einem Maschinengewehr armirt werden; von dem Einbau eines Torpedo- lanzirrohres ist Abstand genommen worden. Zur Bedienung des Schiffes wird es mit einer Besatzung von etwa 40 Mann belegt werden; außer dem Commandanten wird es noch einen Seeossicier, einen Marinearzt und einen Steuermann an Bord nehmen. Die heimgekehrte „Loreley" wird nicht wieder zur Dienstverwendung kommen, da das alte Schiff vollständig aufgebraucht ist. <^»n>pl. S; tiiNililtSrpvr 2. Ventralhalle, Fernspr. 1998 u Kohlgartenstr. 57, Fernspr. 2705, Bcrtrctcr Ser Deutsche» Gasglnhlicht-Gcsellschast. Wir warnen vor werthlosen Nachahmungen der Auer'schen Patente. Neubestellungen erbitten Reinigung ä 10 KUTUTTUT U.O Patent. Das ewige Ferre?. Patent. Grnde-Lesen mit Platte» »nd Rost. irvul»l»»ii8en, L.-Plagwitz, Varl-Hemestraße 79. Tanernde Gewerbe-Ausstellung. Aim MI L KM WMssL W I>M, gegr. 1877, 8oliletter8tru8se 3, ertb. ^.usküut'te üb. b'irm. o<1. ?rivatper8. ck. In- u. ^usl.; besorgt tüebt. ^2. u.solv.^är. all. Lralled.,8c>v.IRu2.v.6eIck.u.e.Lock. kk.Lek.a.aU.?!. lltklltrinvlllt Sack, Leiprix, Sachverständiger f. Patent- n. GcbranchSmnstcrschutz am König!. Landgericht Leipzig. (Inhaber d. Patentbureau Sack, Leipzig.) Salon- und Garten-Möbel, hell und dunkel, Bambus, sowie in bongo-Gicke, Zelt-Schirme re., größtes Sortiment zu billigen, doch streng festen Preise» empfiehlt L'r^Nn, Zur Flora, Grimmatsche Straße Rr. 15, China- und Japanwaarcn-Abthcilung. gegr. 1842. Postftratze 14. Plagwitzer Str. 19. A. I, 12. Fernspr. A. I, 2577. LvIlüsvni'sniLssknik, lelegpapkenbLu-^NZlLil. Llinxel-, Telephon-, Sicherheit- unck Ülltradleiter-^nlaxen. Lungt- unck L»u8ehl»88vre>. Specialität. Waaren- und Speise-Aufzüge. gezeichneten Geschmack, ist locker wie Wolle und trocknet nicht auS. Ich habe ihm oft im Stillen ein Loblied ge sungen; wenn mir auf meinen beschwerlichen Steppen wanderungen bei einer erdrückenden Hitze von 37° 6. schon nach einer Stunde der Wein in der Feldflasche schaal wurde und die mitgenommenen Fleischspeisen verdarben, hat mich ein Stück ungarisches Schwarzbrot» mit Paprikaspeck und ein Stück Wassermelone — diese Frucht hält sich selbst in der größten Hitze kühl — wunderbar gekräftigt und erauickt. Besonders lebhaft geht eS an den Scknittwaarenstanden zu, wo augenfällig und verlockend allerlei Baumwollen- und Linnenzeug, Kleiderstoffe, Kopftücher, Taschentücher, bunte Busentücher, Schürzen, grellfarbige Bänder u. s. w. aus gebreitet liegen. Mädchen und Frauen der Pußten drängen sich neugierig heran, um all die Pracht anzuschauen. Die zungenfertigen Iudenfrauen, welche die Herrlichkeiten keil- balten, sparen weder ermunternde Worte noch Blicke. „Schones Fräulein, kommen Sie nur gefälligst näher. Sehen Sie hier dieses reizende Seidentüchel! Kaufen Sie es für Ihren Schatz ... Ah, so ein schönes Fräulein — und keinen Schatz? Ach, hören'S doch auf! Denken'S nur, wie hübsch daS aussehen muß, wenn er Sie beim CsärdaS schwenkt und die rothe Liebesfahn' auS seiner Taschen herauöflattert!"... Und daS schlanke Pußtenkind tritt an den Schrägen heran. Schon daS innige Bitten, die versteckten Schmeicheleien, namentlich aber die Titulatur: „üi8L88rvvx" (Fräulein), die sie ja sonst nirgends zu hören bekommt, bestimmen sie, das rotbe Seidentüchlein und einige Meter buntes Zopfband zu kaufen. Ja, sie feilscht nicht einmal mit der schlauen Juden frau um den Preis, sondern knotet mit ihren braunen arbeits harten Fingern den Zipfel ihres Taschentuches auf und zahlt der Verkäuferin einen blanken Silbrrgulden. Unter Gelächter, Scherz- und Neckreden kommt eine Schaar junger Burschen und Mädchen über den Marktplatz daher gezogen. Die Burschen befinden sich bereits in sehr animirter Stimmung und geberden sich, als ob ihnen der ganze Markt gehörte. Was ihnen von holder und unholder Weiblichkeit in den Wurf kommt, wird eingefangen und ab- geküßt, gleichviel ob ihnen diese Kühnheit Sckimpsreden oder «ohrfeigen einträgk. Heule darf mar sich einmal als Herr fühlen! Heute darf man einmal den Städtern zeigen, daß man auch auf dem Lande gefüllte Lederkatzen bat und kaufen kann, waS einem beliebt! Daher haben die Burschen alle neu gekauften Sachen am Leibe hängen und tragen über dem alten Szür (Lodenmantel) Len neuen Szür, über dem alten Pelz (Suba) Len neuen Pelz, über dem alten Hut den neuen Hut! Veilstock, Hut und Pfeifengebänge bat man mit Tüchern und Bändern geschmückt. Der reine Mummenschanz! Wein selig steuert die Gesellschaft den Buden mit Schuhwaaren zu. Die Mädchen wollen Lederpantosfeln und Halbsckuhe, die Burschen Stiefeln kaufen. Beim Anprobiren entwickeln sich so lustige und drollige Scenen, daß der brave cripegr (Schuh macher) und seine dicke Ehehälfte gar nicht auS dem Lachen herauskommen. Auch den Schnittwaaren-Sckragen macht man einen Besuch, prüft, feilscht und kauft, bis Körbe und Tücher nichts mehr zu fassen vermögen, dann schlendert man an die Stände der „Lebzelter", die fortwährend von Buben und Mägdlein um lagert sind, denn so viel leckere Sacken, wie hier auf den Tischen beisammen liegen, bekommen sie das ganze Jahr über nicht zu sehen, und ohne Unterlaß entnimmt der freundliche Lebzelter der eisenbeschlagenen Kiste neue Borräthe von rotbem mit buntem Zucker bestreutem Honiggebäck: CsikvS, Kühe, Schweinchen, Hasen, Lebkuchen und Marzipan in mancherlei Form. So ein Lebzelter-Stand ist das wahre Eldorado für Scherz und Laune, Neckerei und versteckte Bosheit. Ta kauft und schenkt der eine der Burschen Wickelkinder, Drillinge, ja Vierlinge und erhält dafür von der also Bedachten eine bucklige Honigkuchenfrau, ein anderer etwa« gigerlhafter Dvrf- AdoniS wählt für eine schnippische, leicht reizbare Schöne ein süßes Kätzchen und wird von derselben flugs mit einem nied lichen Affen und mit einem Kameel beglückt! Und was läßt sich nicht Alles durch Lebzeltherzen und durck „Busserln" (Bonbon) durch die Blume sagen! Keines Wortes bedarfS zum heimlicken Geständniß; ein einziger Blick, daS Geschenk und daS reizende BerSchen darauf reden deutlich genug!. Ja, der Lebzcltner ist doch ein prächtiger Mann! Wie viel Herzen hat der schon vor seinem Tischchen zusammen gebracht! . . . Auf dem weiten Anger vor der Stadt reiht sich Zelt an Zelt zum weiten Bogen aneinander. Hier findet der Markt gleichsam seine Fortsetzung, hier hat sich für den Besucher das Nützliche und Praktische mit deut Angenehmen verbunden. Vergebens spähe ich beim Durchwandern der Zeltgaffen nach Bude» mit Luxusgegenständen. Nürnberger Groschen- und Fünfzigpscnnig-Artikel sind hier nock unbekannte Dinge. An Stelle dieser Eintags-Gcgenstände finde ich ganze Lager von Reisig- und Hirseslrobbescn und kräftiges Holzgcräth: Butter fässer, Kübel, Bottiche, Küchen- und Stalleimer, Fässer, Fäßchen, Holzlöffel, Kellen, Spinnräder, Wäscheklammern, lange und kurze Leitern rc. zu riesigen Bergen ausgespeichert. Schaufeln, Sensen- und Hackenstiele in großen Bündeln zusammen gebunden, sind ebenso vielbegehrte Artikel wie daS Haus und Küchengeschirr, das hier in Haufen beisammenlagert und von den Bauernweibern in großen Mengen erstanden und sorgsam zwischen Stroh und Säcken auf den Wagen verpackt wird, die inmitten deö Angers stehen. Außer für Töpfe, Taffen, Bratpfannen, Schüsseln, Näpfe, Teller und Krüge sorgt die Frau deS Landbewohners auch für ihre Wäsche schränke, Kleiderständer und Truhen, und eS ist erstaunlich, was sie an Schätzen von Kattun- und Leinenstoffen zusammen schleppt und heimlich unter der Wagenplane birgt. Der „Herr", der sich heute auch einmal etwas gönnt und mit guten Freunden drüben im Weinschank beim „Kauftrunk" die Zeit verplaudert, darf vorläufig von ihren Extravaganzen nichts erfahren. Er würde sehr erzürnt darüber sein. Sie wird ihm davon erzählen, wenn seine Marktlaune die rosigsten Farben spiegelt... ES naht die Mittagszeit, und die hungrigen Markt besucher strömen nach den Garküchen, wo man für wenige Kreuzer einen großen Napf mit Fleisch und Gemüse haben kann. Wer nicht Geld genug besitzt, in einem Gasthause der Stadt zu speisen, oder nicht unnütz Zeit vergeuden möchte, läßt sich hier aus dem „AllerwclrStopf" seine Mahlzeit reichen; und den Kleinbauern, Knechten, Mägden, Marktleuien und Hausirern mundet die kräftige Kost ebenso vortrefflich wie den Gauklern, Zigeunern, Fechtbrüdern und Bettlern, die auch auf keinem ungarischen Jahrmärkte fehlen. Mich lockte Zigeunermnsik an da« Ende deS Marktplatzes, wo daS „fahrende Volk" sein- Zelte aufgrschlazen hatte. Interessant war für mich der Besuch einer Menagerie. Die selbe enthielt außer zwei prächtigen Löwen, einer Riesen schlange, — die sich eine junge Kroatin um ihren schlanken Körper winden ließ — und einem Krokodil, ein ganzes Nudel Wölfe, sechs Stück Baren und eine Anzahl Adler und Geier. Die Vertreter der drei letztgenannten Raubthierarten hatten die Menerageriebesitzer — Vollblutkroaten — in den Kar pathen gefangen. Seiltänzer und Akrobaten, die sich in verschossenen und geflickten Tricots producirlen, hatten einen ungeheuren Zu lauf, und über die derben Witze der Clowns wollte sich daS anspruchslose Publicum schier zu Tode lachen. Sonnenbrand, Staub und Durst trieben mich endlich in eine mit grünem Reisig gedeckte Trinkhalle, die zugleich Tanz bütte war. Lustig schwankte vor dem Eingänge an langer Stange der Weinlaubkranz, lustig klangen feurige Zigeuner weisen und fröhlicher Singsang auS dem kühlen Raume deS Zeltes: „CsLrdaleben, lustig Leben! Deine ganze Wissenschaft. Mädel nur und Traubensaft! . . ." (Ungarisches Volkslied.) Inmitten deS Zeltes aber drehten sich Bursche »nd Mädchen nach den Klängen der CskrdaSweisen. Die Alten an den Schenktischen stampften mit den Füßen den Tack dazu, klatschten in die Hände und sangen mit rauhen und Hellen Kehlen in den allgemeinen Jubel hinein. „Drinnen an deS Tisches Rand Lärmt ein Kreis von Zechgenoffen. Geig' und Cymbal schluchzen bang Feurig wild verweg'ne Lieder. Sporenklingen, Becherklang Tönt al« frohe Antwort wieder. Und des WirtheS holdes Kind Schenkt des GluthweinS Purpurwelle». Um den Nacken wirr im Wind — Ihre dunklen Locken schwellen ... Ernst KreowSkt.
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