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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.06.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-06-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960630023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896063002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896063002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
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- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-06
- Tag1896-06-30
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BezugS.PreiS I» der Hauptes,ditto» «drr dm t» Stad» derlrk und den Vororten errichteten Aut« onoesteVm «bgetzolt: vierteljährlich ^lL.LO, bei zwetmaliurr täglicher tzuftellnng in» Hau» ÜLO. Durch di« Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertrljädrlich ^l S.—. Direkt» täglich» Kriuzbandiendung in» Ausland: monatlich 7.üO. Die Morgen-Au-gabe erscheint um '/,? Uhr. dir Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Redactton and Expedition: Johannesgafse 8. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: Vie» Me«m » vorttm. (Alfred Hahn). Univrrsitätsstraßc 3 (Paulinum), - LoniS Lösche, kkcitbannenstr. 1s, Part, und KbnigSPlatz 7. Abend-Ausgabe nprigtl' TageblÄ Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes «n- Nolizei-Ämtes -er Ltadt Leipzig. Anzeigeu'Prai- dte S gespaltme Peützrttt >0 Pfg. NkeIam«n unter dem Rrdattivnsstrlch (»ge spalten) bO/iK, vor den Familirnnachrichtrn (6 gespalten) 40^. 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Aber als ich zu überlegen begann, wen ich Mit der Ausführung derselben betrauen könnte, siel mir Deine Vorliebe für die Kunst ein. Du brauchst nur ein Wort ru sagen, Und die Geschichte kann in der Familie bleiben. Du gehst dann nach Paris Uiid kommst Nach drei Jahren zu rück, um das neue Capitol künstlerisch zu schmücken. Du kannst Dein Glück machen, Loudon, ein beträchtliches Stütk Geld derditnen, außerdem ist » auch ein patriotische» Werk. Ich will noch weiter gehen; ich bin bereit, zu jedem Dollar, den Du Dir selbst verdienst, einen zweiten hinzu- jufiiaen. Je früher Du abrtksest und je fleißiger Du aroeitest, desto besser für Dich, denn wenn das erste halbe Dutzend Statut» nicht nach dem Geschmack des Muskegoner Publikums anSfällt, dann ist'S gefehlt." Jim Pillkerlon und ich. Roman von N. L. Stevenson und Lloyd Lsbourne. 2j Autorisirte Bearbeitung von B. Kätscher. Nachdruck verboten. An der Umarbeitung de» gewählten Planes war mein Antheil noch größer, denn ich entwarf und modellirte eigenhändig einLuft- heizungsgitter, welches das Glück oder Verdienst halte, Bei fall zu finden. Meine Energie und Befähigung, die ich während dieser Angelegenheit entwickelte, überraschte und er freute meinen Vater. Ich kehrte in der denkbar besten Laune in die Handels schule zurück. Mein Älter hielt Wort, schrieb nnd telegraphirte mir und Unsere Spekulationen wurden anfangs von Glück begünstigt. „Du mußt Dein eigenes Urtheil schärfen; ich gebt Dir nur Andeutungen. Die Spekulationen selbst mußt Tu unter eigener Verantwortung ausführen. Ten Gewinn sollst du nur deiner eigenen Umsicht und Klugheit zu verdanken haben." So und ähnlich pflegte er mir zu schreiben. Nichtsdestoweniger war es Mir immer klar, wo er hinaus wollte, und ich hielt mich getreulich an seine nicht mißzuverstehenden Winke. In weniger al» einem MoUat nannte ich 17—18 000 Dollars AnstaltSgeldcr mein Eigen. Wie bereit- erwähnt, besaßen diese den wirklichen Werth von einem ProceNt und konnten für Landeswährung gekauft oder verkauft werden. Unglückliche Spekulanten ver äußerten ihre Kleider, Bücher, Musikinstrumente rt., um ihrt Differenzen begleichen zn können. Di« Glücklicheren dagegen ließen sich kticht verleite», Anstalt-geld gegen Wirkliche» einzuwtchsekn, um sich ein Extravtrgttügen zu gönnen. Ich that es leider auch, denn ich brauchte Malrtquiflten, da ich eS nicht aufgegcben hatte, im Walde Stizzeu ausznnehmen. Mein Taschengeld war erschöpft, und ich betrachtete die Börse bereit» al» einen Ort, au dem man, wenn man sich erniedrigt, leicht zu Geld komme» kann. In einer bösen Stunde verkaufte ich 3000 Dollar» Schul währung und bestellte mir eine neue Staffelei rc. Am Mittwoch Morgen traf da» Bestellte ein und versetzte mich in den siebenten Himmel. Mein Vater, kenn ich kann Politische Tagesschau. * Leipzi«, 30. Juni. Bei dem großen Einfluß, den der preußische Hand el»- minister auf die Socialpolitik des Reiche» auSzuüben vermag, ist es begreiflich, daß der Rücktritt deS Herrn ». Verlepsch im ganzen Reiche als ein Ereigniß von großer Bedeutung aufgefaßt wird und überall zur Erörterung der Frage Anlaß giebt, welchen Einfluß dieser Rücktritt auf den weiteren Ausbau der socialpolitischen Gesetzgebung haben wird. Diese Frage fällt zusammen mit der andern, welches Maß von Initiative Herr v. Berlepsch während seiner Amtsführung auf diesem Gebiete entfaltet hat. Leider ist auf diese Frage eine bestimmte Antwort noch nicht möglich. Die Beurtheilung deS Freiherrn v. Berlepsch alsMann der gesetzgeberischen Initia tive muß, wie beute die „Nat.-lib. Corr." mit Recht schreibt, der Geschichte Vorbehalten bleiben. Heute ist eS noch nicht klar gestellt, wie viel persönlichen Antheil der geschiedene Minister an den von ihm betriebenen und ihm zugeschriebenen social politischen Plänen gehabt hat. DaS Erscheinen der Erlasse vom 4. Februar 1890 fällt zwar, wie wir schon gestern hervorhobcn, zeitlich fast genau mit feiner Berufung ins Ministerium zusammen, aber man weiß nicht, ob er mehr an der Erzeugung jener Strömung, der die kaiserlichen Kundgebungen ihr Dasein verdanken, mitgewirkt hat, oder ob er mehr sich von ihr hatte tragen lassen. Ans diesem Grunde ist auch nicht zu ermessen, wie weit denZurückgetretenen dir Verantwortung dafür trifft, daß auf einem Gebiete, wo strengste Nüchternheit in der Beurtheilung deS Möglichen und Nützlichen Vie oberste Pflicht ist, eine Weile und nicht ohne Folgen für die Zukunft die Einbildungskraft die Zügel führen konnte. Insbesondere wissen wir nicht, ob der Gedanke, durch gesetzlich vorgeschriebene Arbeiterkammern den Haupttheil der Mühen und Kosten d-r kocialdemokratischen Agitation auf den Staat zu über- dem Gehirn deS ehemaligen leitenden Verwaltungs beamten eines Jndustriebezirks sich wirtlich assimilirt hatte. Die Zwangsorganisation deSHandwerks und die Neuorganisation der Handelskammern, die Herr v. Berlepsch beabsichtigte, geben noch kein Recht, die ernstliche Lust zu einem Abenteuer, wie die Errichtung von Arbeiterkammern es gewesen wäre, bei ibm vorauszusetzen. Wie eS sich aber mit den social- politisch.^ Anschauungen deS Ministers «.Berlepsch im Allgemeinen und in Einzelsragrn auch verhalten haben mag — jedenfalls ertheilt die Geschichte des Ministeriums Berlepsch die eindringliche Lehre, in der Social politik Fortschrittseifer mit Besonnenheit, nicht nur in der Verfolgung, sondern auch in der Bezeichnung der nächsten und näheren Ziele zu paaren. Man darf, um billig zu sein, nicht außer Acht lassen, daß vor sechs Jahren, obwohl Deutsch land schon damals eine mit großen Opfern verbundene Socialgesetzzebung sich geschaffen hatte, ein unklarer, stürmi scher Drang nach Reformen, wie er nicht selten planmäßigem, ruhigem Vorgehen die Bahn bereitet, weitere Kreise er griffen hatte. In der Arbeiterschutzgesetzgebung ist dann die Kritik neben dem Elan zu ihrem Rechte gekommen. Diese Entwickelung, die sich allerdings, wie die Bäckerei-Verordnung, die Projekte eines Ladenschlußgebots und einer Druckerei- Verordnung zeigen, nicht ungehemmt vollzieht, ist nicht un gesund. Die Leidenschaft flieht, die Liebe muß bleiben. Wir glauben auch nicht Und noch viel weniger wünschen wir es, daß die Genehmigung deS Abschiedsgesuchs des Herrn v. Ber lepsch einen grundsätzlichen Bruch mit weiteren socialpolitischen Bestrebungen bedeuten soll. Aber aus seinem Rücktritt »inen auch nur einigermaßen sicheren Schluß auf Maß und Tempo dieser weiteren Bestrebungen zu ziehen, ist nicht möglich. entscheiden würden. Die Arbeitgeber beantworteten diese Zu- muthung mit allgemeinem Arbeitsausschluß, und das Ende vom Liede war, daß die Arbeiter in Limoges sehr schnell von dem hohen Pferde, auf das sie sich gesetzt, herabstiegen und zu den ehemaligen Bedingungen wieder arbeiten zu wollen erklärten. Also ein glänzender Sieg des AutoritätSprincips auf der ganzen Linie. Dem Cabinet Mvline aber gebührt das Ver dienst, entschieden aus die Seite der Arbeitgeber getreten zu sein, indem es den von dem kommunistischen Pariser Ge meinderath demonstrativ votirten Credit von 10 000 Franc- zu Gunsten der Streikenden von Limoges einfach annullirte. Auch die AmtSentsetzung des Präfecten, der sich von dem socialdemokratischen Maire von Marseille allerhand revolutionäre Sottisen sagen ließ, ohne von seiner amtlichen Autorität Gebrauch zu machen, bürgt dafür, daß die jetzige gouvernementale Richtung in Frankreich den socialrevolu- tionären Umtrieben den Daumen aufs Auge halten wird. I» Norwegen wird in Zukunft jeder Unterricht im Lateinischen und Griechischen von den höheren Schulen verbannt sein, wie daS OoelSlhing soeben gelegentlich der Berathung über das neue Schulgesetz beschlossen hat. Auf Ersuchen deS StortlsingS von 1890 war eine Commission zur Bearbeitung dieser Angelegenheit niedergesetzt worden und daS Ergebniß war ein Gesetzentwurf über öffentliche höhere Schulen, der 1894 dem CultuSministerium «ingereicht wurde. DaS CultuSministerium arbeitete dann auf Grund des Ent wurfs ein Gesetz aus, daS dem Storthing im Februar dieses JahreS zuging, worauf eS von der Kirchen commission des Storthinas vorberathen wurde. Diese Com mission ging mit den klassischen Sprachen streng ins Gericht und verwies sie im Gegensatz zu der Regierungsvorlage vom Gymnasium, wo die Schüler bisher im ersten Jahre mit Latein, im ersten Semester deö zweiten JahreS mit Griechisch und im zweiten Semester mit Altnordisch beginnen. Die Erörterung über diesen Punkt dauerte mehrere Tage. Von den Rednern, die für die Abschaffung sprachen, wurde betont, daß Latein eine auSgestorbcne Antiquität sei, die für das praktische Leben keine Bedeutung habe. Die Minderheit der Kirchencommission wollte wenigstens eine beschränkte Stunden zahl rttten, doch wies man demgegenüber darauf hin, baß daun ke r classtsche Bildung, sondern nur elementare Schulkenntnisse unv Halbheit geschaffen würden. Selbst der CnltuSminister Swerdrup, ein ehemaliger Geistlicher, stellt sich den klassischen Sprachen kühl gegenüber. Er glaubt, daß sie in einer nicht zu fernen Zeit gänzlich von den höheren Schulen verschwinden würden, hielt aber doch eine UebergangSzeit für nöthig. Einige Abgeordnete hielten das Lateinische und zum Theil auch das Griechische für Fachstudien nöthig, besonders für Theologen, die daS neue Testament in der Grundsprache behandeln müßten. ObelSthingmilglied Knudsen theilte die Aeußerung des PröfessorS der Theologie Caöpari mit: daß die theologische Wissenschaft durch die Ausschließung deS Lateinischen einen solchen Knick bekommen würde, daß er bedauern würde, einen Ruf an die Universität eineSLandes angenommen zu haben, in dem solche« geschehen konnte. Die Annahme dieses Paragraphen de» Schulgesetzes erfolgte mit sämmtlichen Stimmen der Radikalen und einigen der Rechten. . Die kretrnfifche Angelegenheit ist bei einer bedeu tungsvollen Wendung angelangt. Der Sultan hat den ernsten Vorstellungen der Botschafter Rechnung getragen und, beein flußt durch die an allen Enden seine« Reiches von Neuem anslodernden Flammen der Revolution, insoweit nackaegeben, daß er für die Einstellung der Metzeleien türkischer Truppen nicht sagen, ich selbst, versuchte sich an demselben Tage in einer sehr verlockenden, aber auch sehr gewagten Wcizen- speculation. Donnerstag wandte daS Glück seinen Berechnungen den Rücken, nnd Freitag Abend stand ich zum zweiten Mal al» bankerott auf dem schwarzen Bret. DaS war für Mich ein harter Schlag. Die Schale meines Mißgeschick- war nicht nur zum Uebersiießtn voll, sie enthielt auch einen Bestand- theil, den ich Mit Recht vergiftend »enNkn durfte. Mein Vater, der von meiner finanziellen Lage gtnaiie Kenntniß besaß, vermißte jene 3000 Dollars, nnd nach seiner Meinung hatte ich einfach 80 Dollar» Landtswährnng vettttttrtut. Diese Äusfaffung war vielleicht etwas streng, aber in gewissem Sinne gerechtfertigt, und mein Vater, det mir in große» Spekulationen nicht gerade Uberan» gewissenhaft dünkte, nahm e- in kleinen Dingen überau» ernst mit der Ehr«. Er rügte denn auch meine Handlungsweise in einem zwar zärtlichen, aber bekümmerten Briefe. Den Rest dtS entsetzlichen Semesters verbrachte ich als Buchhalter, einitt Thtil meiner Kleider nnd Skizzen verkaufend, mit kleine Spekulation»» unter nehmen zu können. Meinen TranM, Nach Paris zu gehen, glaubte ich wohl oder Übel aufgtben zu Wüllen. In au der schweren Zeit bekam ich kein sreuntliche» Wort und kei'Nen Rath von meinem Alten. Und dbch weiß ich, baß er nur an seine» Sohn dachte. Da«, WaS er die Laxheit niemer Grundsätze nannte, hatte ihn entsetzt, und tr beschäftigte sich viel mit der Frage, wie et mich künftig vor Ver- mchünaen bewahren könnt. Der Architekt de» Capitols hatte sich über meine Zeichnung höchst antrkeNNenb geäußert, Fortuna that tiN klebrige-, und das »ene Capitol tt» Staates MttSkegon lenkte mein Schicksal in neue Bahne». „London", begann mein Vater, als tr mich wieder vom Bahuhof abholte, „wenn Du nach Paris gehen solltest, wie langt würdest Du brauchen, um ein nichtig» Dilthautr zu werden?" „Wie meinst Du bäS, Vater? Was versteht Du unter »tüchtig?" „NuN, daß man Dir bedeutende Arbeiten auvertrantn könnte", entgegnete er. „DaS dürfte drei Jahre dauern". . „Und maß es gerade Pari- sein? I» unserem eigene» Vaterlandt könntest Dck Voriheile genietzen — — — „Paris ist der einzige Orl", versicherte ich ihm „Wenn ich t» recht bedenke, muß ich Dir zustimmen", gab er zu. „Ein Eingeborener unsere» Staate», drr Sohn eines hervorragenden Bürger«, ein junger Mann, der seine Studien Nachdem von officiöser Seite versichert worden ist, die Arbeiten zu dem neuen A«Swantzer«ngS»esetz seien so weit gefördert, daß die Einbringung deS Entwurfs „mit Sicherheit" zu Beginn der nächsten.Session deS Reichstags zu erwarten sei, wird man Wohl damit rechnen dürfen, daß die wichtige Frage einer Regelung deS AuSwanderunzswesens, die seit dem Jnitativantrage deS Abg. vr. Kopp vom 25. Februar 1878 im Reichstage wiederholt angeregt worden ist, endlich zur Lösung gelangen werde. Die letzten Versucht, die zu einer Förderung der Angelegenheit im Reichstage gemacht worden sind, hatten unter besonderem Miß geschick zu leiden. Der in der Session von 1892/93 vorgelegte Gesetzentwurf fand bekanntlich in allen brtheiligten Kreisen einen so lebhaften Widerspruch, daß die verbündeten Regie rungen selbst keinen Werth mehr auf seine Durchberathung zu legen schienen; er kam nicht einmal zur ersten Lesung. Seither hieß eS wiederholt, der betreffende Entwurf werde im Auswärtigen Amt einer völligen Umarbeitung unter zogen und sowohl vor Beginn der vorigen wie der jetzig»» Tagung deS Reichstag» wurde die Vorlegung eines Auswanderungsgesetzes angekündigt. Die Ausfüh rung der Absicht ließ aber auf sich warten. Der von den Abgg. Prof. vr. Hasse und Genossen in der vorigen Session unternommene Versuch, auf dem Wege eines Initiativantrages, der die „baldigste Vorlegung deS in Aussicht gestellten Entwurf»" verlangte, stimulirend einzuwirken, kam nicht zur Ausführung, da der Antrag wegen der Ueberfülle an sonstigem ArbeitSstvff unerledigt blieb. In einer Be ziehung wird man sich mit dieser Verzögerung einer sonst dringlichen Angelegenheit zufrieden erklären können. Seit der Einbringung deS Entwurfs vom Jahre 1893 ist wenigstens ein Versäumniß gut gemacht worden, da» damals zu den schwersten Bedenken Anlaß geben mußte: di« colonial politische Seite deS Auswanderung-Wesen», die in jenem Entwurf gänzlich vernachlässigt war, ist einer gründlichen Erörterung unterzogen worden. Der Colonial rath hat durch seine wiederholte Beschäftigung mit der Auswanderungsfrage in den weitesten Kreisen dem Grundsatz zur Anerkennung verholfen, daß rin Auswanderung»-^ gesetz ohne besondere Berücksichtigung unserer colonial politische» Bestrebungen ein verfehltes Gesetz sein würde Die Richtpunkte, welche der Colonialrath in »'-eser Berie^nlzg im vorigen Jahre aufgestellt bat, werden hoffentlich der der Gestaltung deS neuen Gesetzentwurfs maßgebend gewesen sein, so daß die kkebersiedelung deutscher Reichsangehörizer nach den dazu geeigneten Theilen unserer Schutzgebiete möglichst erleichtert werden wird. Unter dieser Voraus setzung wird man sich mit der Verzögerung der Angelegenheit befreunden dürfen. So lange in Frankreich das Cabinet Möline am Ruder ist, werden die dortigen Socialdemokraten auf keinen grünen Zweig kommen; jedenfalls ist die Zeit der Um- schmeichelung durch die ersten Vertreter deS Staates, wie man sie unter den letzten radicalen Cabineten erlebt, vorüber, und die Umstürzler bekommen wieder die Hand einer selbst bewußten staatlichen Autorität zu fühlen. Nur ein Beispiel dafür! In Limoges waren es wieder einmal die Porzellan arbeiter, welche, von den socialrevolutionären Deputirten aufgehetzt, ihren Arbeitgebern plötzlich die Pistole auf die Brüst setzten, indem sie ihnen vierundzwanzigstündige, mit unter sogar noch kürzer befristete Ultimaten zugehen ließen, worin ihnen, in einem Tone, wie ihn etwa der Sieger einem capitulirenden Feinde gegenüber anschlägt, kitUd Und zu wissen gethan wurde, daß hinfort die Arbeiter, nicht aber die Arbeitgeber, über Arbeitsbedingungen und Arbeitslöhne Zweites Capitel. Meine Mutter war aus einer schottischen Familie gewesen, uNd deshalb hielt eS mein Vater für passend, daß ich auf dem Wege nach Pari» meinen in Edinburgh wohnenden reichen Onkel Adam London besuche — einen Spezerei händler, der sich ;sur Ruhe gesetzt hatte. Ich wurde sehr gut ausgenommen uud glänzend bewirtbrt, merkte aber bald, daß ich Menttisi Oheim al- ÄelustigungSobject diente. Er benutzte jede Gelegenheit, nm mich mit schlecht verhehlter Heiterkeit anfznziehen Nnd zwar nur darum, weil ich ein Amerikaner war. Wiederholt ließ ich mich, durch spöttische Fragen gereizt, vrtleilcn, meinem Verwandten die ungeheuerlichsten amerikanischen Bären ausznbinden. Unter Anderem erzählte ich, daß viele meiner Freundt IiN Sommtr in den Straßen nackt uMbergehen und daß da« Aeußere der großen Methodistenkirche in Mnrkegon mit ScalpS geschmückt sei. Ich kann nicht leugnen, daß ich mich manchmal versucht fühlte, Onkel Adam niederzuschlagen, und eS wäre zwischen un» zweifellos zu einem Bruch gekommen, wenn er nicht W. Jahrgang. gesorgt, allgemeine Amnestie gewährt, einen christlichen Grneralgouverneur ernannt und den Landtag berufen hat, welchem bei seinem gestern geplanten Zusammentritt der Vertrag von Haleppa als Grundlage der Verhandlungen durch die Regierung zugehen sollte. Ist die Ernennung des griechischen Fürsten Georgi Berowitsch zum Gouverneur auch dadurch in ihrer Bedeutung abgeschwächt worden, daß die Militairaewalt in den Händen deS allgemein ver haßten, mit den Verhältnissen auf der Insel wenig vertrauten Abdullah Pascha belassen worden ist, so muß man, zumal da die Person Äbdullah'S doch nur für die Dauer deS Aufstandes in Betracht kommen dürfte, doch zugestehen, daß der Sultan soweit «ntgegengekommen ist, als eS ibm möglich war, wenn er nicht faktisch auf den Besitz Kretas verzichten wollte. In die Hände der kretensischen Volksvertretung ist nunmehr das Geschick der Insel gelegt. Wie der Landtag, wenn er über haupt zu Stande kommt, sich den schwebenden Fragen gegen über stellen wird, geht auS folgender Meldung hervor: * Athen, 29. Juni. (Meldung der „Agenee Havas") Ta- Blatt „Asty" erfährt: Die christlichen Deputirten werden bei der Eröffnung der kretensischen Nationalversammlung Lein issionircn indem sie ihr Mandat infolge des Ausstandes als erloschen erklären. Die kretensischen Provinzen werden sodann die Ernennung von Delegirten für die revolutionaire Versammlung vornehmen, welch letztere zur Bildung einer provijorijchen Negierung schreiten wird. Die Aufständischen verwarfen die Convention von Haleppa. Sir sind entschlossen, sich in keine diplomatischen Ver- Handlungen riuzulassen, sondern direct mit der Pforte oder dem Fürsten Georgi Berowitsch in Verbindung zu treten. — Ani späten Abend gelangte di« Meldung hierher. Laß die kretensische National versammlung nicht zujammengetreten und die Provinz Kcisamo bereits zur Wahl von Delegirten für eine revolutionaire Vcr sammln ng geschritten sei. Es wäre zu bedauern, wenn die extremen Elemente der Epilropie die Oberhand gewonnen haben und somit die Bot schafter vergeblich im Sinne einer Vermittelung nnd güt lichen Beilegung des CcuflictcS sich bemüht haben sollten. Was will die Epitropie? Den Anschluß an Griechenland proclamiren? Das hieße den Kampf bis aufs Messer mir der Morte. Dazu haben aber weder die Aufständische!.! G-Ud, noch hat eS Griechenland. DaS Geld ist bis jetzt aus eng lischen Quellen zugeflossen, und deshalb ist ein Theil der Aufständischen für den Anschluß an England. Die Mei nungen sind also gelheilt, es ist keine Einigkeit unter den Führern und sie werden, wenn sie die Sache auf die Spitze treiben, höchst wahrscheinlich den Kürzeren ziehen und ent weder schließlich doch klein bcigcbcn oder nach bewährter türkischer Manier in Grund und Boden „pacisicirt" werben, ohne daß die Mächte fick weiter im Stande sehen, ihnen zur Seite zu stehen. Tie Frage der Lvslrennnng der Insel vom osmanischen Reiche ist noch nicht reif. Muß die Türkei einmal eudzittig liqnidiren, so wird sie ja Grieckeu- land so wie so zusallen, für den Augenblick aber wird, da die übrigen Mächte ans den bekannten Gründen gegen jede Annec- tirung sind, sowohl Griechenland, wie England sich hüten, zuzu- arcifeN. Bester also ist es auf alle Fälle für die christlichen Kreteuser, sich vorläufig mit einer weitgehenden Autonomie auf der vielleicht noch etwas nach dem Mnster der Verfassung von SamoS ausgedehnten Grundlage des Haleppa Vertrages zu begnügen nnd das Weitere der Entwickelung der orientalischen Dinge zu überlassen. Allerdings müßten die Machte — freilich eine heikle Sache — die Garantie für die wirkliche Durchführung der Reformen übernehmen, oder die getroffenen Einrichtungen und die zur Verwaltung der Insel auserkorenen mit zn Ehren eine große Gesellschaft veranstaltet hätte, deren Löwe ich wurde. Bei dieser Gelegenheit nahm ich zu meiner Neberraschung und Beruhigung wahr, daß er seine unzarten Neckereien nur im trauten Familienkreise zur An wendung gebracht batte, sich jedoch vor den Gästen sehr rücksichtsvoll gegen mich benahm. Er stellte mich als den Sohn „meines amerikanischen Schwagers James K. Dodd, des weltbekannten MillionairS von Mnskegon" vor, was mein Herz mit Stolz erfüllte. Mein Großvater, Alexander Loudon, in seiner Jugend ein Hanz gewöhnlicher Steinmetz, hatte sich durch Fleiß und Sparsamkeit emporgeschwungen. Sein AcußereS, seine Sprache und seine Manieren verriethen aber noch immer zum größten Verdruß Onkel Adam s den gewesenen Arbeiter, ^rotz der ängstlichsten Aufsicht, denen sie von Seite meiner Tante unterworfen waren, zeichneten sich seine Nägel gar zu oft durch die tiefste Trauer ans, die feinsten Kleider hingen ihm wie Fetzen vom Leibe, unv seine Sprache war gar zu volkSthümlich, breit und schleppend. Selbst wenn man ihn zum Schweigen bewegen konnte, genügte seine bloße Anwesenheit in einer stillen Ecke des Salons, nm der Gesell- fchast zu verratben, daß wir einer „selbstgemachten" Familie angehörten. Meine Tante mochte diese Thatsache noch so sehr bemänteln und meine hübschen Cousinen mochten nock so sehr slunkedn, der alte Steinmetz am Kamin strafte sie Lügen. I» solchen Momenten freute ich mich, ein Amerikaner zu ein, denn mir fiel tS nie ein, mich meines Großvaters zu ckäme», und der alte Herr fühlte daS gar bald heraus. Er sielt das Andenken meiner Mntter in zärtlicher Erinnerung, vielleicht weil rr die Gewohnheit angenommen hatte, sie fast täglich mit Onkel Adam zu vergleichen, den er ans tiefster Seele verabscheute. Er hielt Mein rücksichtsvolles Benehmen gegen ihn für eine ererbte Eigenschaft seine« Lieblings Jeani. Auf den Spaziergängen, die ich täglich Mit ihm unternahm, pflegte er mich ist seine Stammkneipe zn führen — koch mutzte ich versprechen, vor Adam reinen Mund zn halten —, und dort stellte er mich seinen alten ArbeitSkameradtn mit ersichtlichem Stolz vor. „Die- ist das Küchlein meiner Jeani — ein prächtiges Bürschchen, sag' ich Euch!" Nufer» Wanderungen batten nicht etwa den Zweck, die Sehenswürdigkeiten der Statt zn besichtigen oder schöne AuSsichtspuucte auszusuchen, sondern einzig und allein den, mir der Reihe nach all' jene trübseligen Vororte zu zeigen
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