01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.07.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-07-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960730013
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- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896073001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-07
- Tag1896-07-30
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Größere Schriften laut unserem Preis- verzetchniß. Tabellarischer und Zissernsah nach höherem Tarif. vrtra« Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderong SO.—, mit Postbefvrderung 70.—. Annahmeschlvß für Anzeigen: Lbend-AuSgabr: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» an die Ex-edition zu richten. Druck und Bering von E. Potz in Leipzig 383. Donnerstag den 30. Juli 1896. 9«. Jahrgang. Socialpolitische Umschau. v. Endlich wurde der Schleier darüber gelüftet, wie weit die Reichsregierung geneigt ist, den zahlreichen Wünschen der InnungShandwerker entgegen zu kommen. Es war vorauSzusehen, daß nur ein sehr kleiner Theil jener Forde rungen Berücksichtigung finden würde, die seit einer Reihe von Jahren unter der Flagge zur „Hebung deS Handwerks" die Geister in Bewegung setzen und ebenso eifrig vertheidigt wie bekämpft werden. Die ReickSregierung wandelt den Pfad der Vorsicht und der Klugheit. Sie hat ganz ohne Zweifel die Absicht, dem Handwerk soviel Gutes zu thun als möglich ist, aber den weltwirthschastlichen Entwickelungs gesetzen kann auch sie kein Halt gebieten, sie kann den glän zenden Fortschritten der heutigen Technik nicht zurufen: Hier hemme den Schritt. Ein Staat mit dem gewaltigen Budget und den nationalen Pflichten des Deutschen Reiches kann die Erwerbsthätigkeit seiner Bürger nicht mit dem Zirkel längst veralteter wirtschaftspolitischer Anschauungen ein kreisen. Bei allem Wohlwollen gegenüber dem Handwerk haben die verbündeten Regierungen langst erkannt, daß es geradezu unmöglich ist und eine verhänqnißvolle Ungklugbeit sein würde, wenn man den extremsten Wünschen der Hand werker Gesetzeskraft geben wollte. Diese Anschauung der leitenden Kreise spricht sich auch in der die Zwangsorganisation des Handwerks be treffenden Vorlage aus, wenn eS richtig ist, was über deren Inhalt bekannt wurde. Die Vorlage will sämmtliche Hand werker zusammenfassen. Es sollen Handwerkerausschüsse ge bildet werden, in denen die Innungen eines Gewerbes und jene verwandter Berufszweige und außerdem die keiner Or ganisation angehörigen Meister vereinigt sind. Ueber diesen Ausschüssen sollen die Handwerkerkammern stehen, von denen nach der Dichtigkeit der Bevölkerung in jeder Provinz eine oder mehrere errichtet werden sollen. Meister soll sich fortan nur nennen dürfen, wer eine entsprechende Meisterprüfung, Lehrlinge soll nur halten dürfen, wer sein Gesellenstück ge macht hat. Die bisherigen Jnnungsverbände sollen fort bestehen. Man erkennt in diesen Vorschlägen den guten Willen der Reichsregierung, aber man darf sich doch keiner Täuschung darüber hingeben, daß die Vorlage allein, auch wenn sie Gesetzeskraft erhält, das Handwerk nicht aus seinen Nöthen erretten wird; das kann keine Regierung, auch wenn sie den von manchen Handwerkerfreunden so beiß ersehnten Be fähigungsnachweis einführt, von dem die Vorlage jedoch weise schweigt. Die Letztere wird die Oeffentlichkeit in der nächsten Zeit voraussichtlich sehr lebhaft beschäftigen und auch im Reichstag Veranlassung zu nochmaligen Auseinandersetzungen über die Lage des Handwerks geben. Es soll durchaus nicht bestritten werden, daß diese schwierig ist. Aber die Wege zur Abhilfe führen aus einem anderen Thore als dem staat licher Zwangsmaßregeln. Der Verband sächsischer Innungen hat das Richtige getroffen, wenn er vorige Woche in seiner Jahresversammlung beschloß, für die GenossenschaftS- idee und damit also für den Gedanken der Selbsthilfe unter den Handwerkern einzutreten. Man kann auch damit ein verstanden sein, daß der Staat den ehrenwerthen Handwerker genossenschaften Gelder zu billigem Zinsfuß und unter den möglichsten Erleichterungen gewährt, aber gleichzeitig sol man nicht unterlassen, die Handwerker auf die ernste Pflicht der Selbsterziehung hinzuweisen. Ganz allgemein wird im Handwerk zu wenig Gewicht auf tüchtiges Rechnen und zuverlässige Buchführung gelegt. Man kann beobachten, daß in manchen Handwerkerkreisen Wohl bei der politischen Agitation das Gefühl der Zusammengehörigkeit vorhanden ist, nicht aber da, wo es sich um praktische geschäft liche Arbeit handelt. Der eine Meister will links, der andere rechts. Hieran sind viele Handwerkergenossenschaften bisher gescheitert und dieser Charakterzug wird auch wohl noch ferner eine Klippe für derartige Vereinigungen bilden. Es ist unter solchen Umständen kein Wunder, wenn die Groß industrie, ganz abgesehen von der größeren Eapitalkraft mit allen ihren technischen und kaufmännischen Vortheilen, dem Kleingewerbe immer mehr den Wind aus den Segeln nimmt. Ohnehin muß dasselbe die tüchtigsten Arbeiter vielfach an die Großindustrie abgeben, weil diese ihre Leute bei regel mäßiger kürzerer und oft auch gesünderer Arbeit besser als der Handwerksmeister bezahlt. Es ist z. B. verständlich, daß die kleinen Bäckereibetriebe gegen die bundesräthliche Verordnung über die Arbeitszeit so ziemlich allgemein zu Felde zu ziehen. Setzen sie die Beseitigung jener Verordnung durch, so werden sie allerdings wieder die alte Bewegungsfreiheit haben, aber die tüchtigen Gehilfen werden in fabrikmäßigen Betrieben nnterzukommen suchen, in denen eine geregeltere und kürzere Arbeitszeit als im Bäckereikleingewerbe schon jetzt herrscht. Im deutschen Bäckereigewerbe sind die Arbeitsbedingungen leider so schlecht wie in wenigen Handwerken. Besonders herrscht in diesem Beruf auch die Kinderarbeit in einem ausgedehnten Maße, denn bekanntlich ist die Zahl der schul pflichtigen Kinder, die in den frühesten Morgenstunden mit dem Austragen der Backwaaren beschäftigt werden, sehr groß. In Spandau hat man in dieser Beziehung jüngst eine neue Richtung communaler Socialpolitik eingeschlagen. Die dortige Polizei hat durch eine Verordnung verboten, daß schulpflichtige Kinder vor 7 Uhr Morgens und nach 7 Uhr Abend» zum Austragen von Backwaaren, Milch, Zeitungen oder anderen Gegenständen, zum Kegelaufsetzcn oder zu sonstigen Verrichtungen in Schankwirthschaften, zum Aufwarten, Blumenhandrl und ähnlichen Beschäftigungen verwendet werden. Uebertretungen werden an Eltern, Vormündern und Arbeit gebern bestraft. Eine derartige Kinderarbeit wird vielfach durch die Arbeitslosigkeit der Eltern begünstigt. Jene zu bekämpfen, bleibt eine der schwierigsten Aufgaben der heutigen Social- und WirthschaftSpolitik, denn selbst die beste Arbeits losenversicherung vermöchte nur in einem sehr geringen Maße di« Summe von Elend einzuschränkrn, welche durch eine längere Beschäftigungslosigkeit über ein Arbeiterdasein hereinbricht. Und bis jetzt sind nur sehr kleine Anfänge einer Versicherung gegen Arbeitslosigkeit vorhanden, wenn man von dem absieht, was einzeln« Arbeiterorganisationen auf diesem Gebiet geleistet haben. In Hannover scheint man jetzt eine Versicherung gegen Arbeitslosigkeit auf communaler Grundlage zu planen. Einzelne hervorragende Bürger haben die Sache in Angriff genommen ; Näheres ist jedoch noch nickt bekannt geworden. Jedenfalls soll man sich hüten, den Einfluß einer Arbeitslosenversicherung und einer besseren Arbeitsvermittelung auf die allgemeinen Arbeitcrzustände in Deutschland zu überschätzen. Es ist ganz natürlich, daß derartige Fragen von der Reichsregierung sehr zurückhaltend behandelt werden, um so mehr, da man sowohl mit der taatlickcn Versicherung gegen Arbeitslosigkeit, wie mit einer taatlichen Arbeitsvermittelung, in den Formen, wie sie in Deutschland von Einzelnen verlangt wird, ein Gebiet be treten würde, auf dem es bisher so gut wie keine Er- ahrungen giebt. Daß es aber besonders auf socialpolitischem Gebiet schwer ist, ohne ausreichende Erfahrungen zu arbeiten, wird immer mehr empfunden. Hierin soll, soweit es nach !?age der Sache überhaupt möglich ist, ein internationales Arbeiterschutzamt Wandel schaffen, mit dessen Gründung ich höchstwahrscheinlich der nächste internationale Arbeiter- chutzcongreß beschäftigen wird. Der Arbeiterschutz kann ?eute eigentlich nur noch international behandelt werden. Man denkt sich jenes Amt derart, daß ihm zunächst die Aufgabe zugewiesen wird, alle Gesetze und Gesetz entwürfe, wichtige parlamentarische Verhandlungen und Vorschläge, die sich auf den Arbeiterschutz im weitesten Sinne beziehen, in geeigneter Weise zu veröffent- lichen. Weiter soll das Amt socialpolitische internationale Congresse vorbereiten rc. Damit würde ein ständiger Aus tausch der Meinungen und Erfahrungen ermöglicht sein, der ür die Socialpolitik der einzelnen Staaten jedenfalls nicht ohne Früchte bleiben würde. ES ist anzunehmen, daß unter dem Einfluß jenes Amtes bewährte Einrichtungen weit leichter als heute von einem Staat in den anderen überpflanzt werden könnten. Manches Vorurtheil würde fallen. So ;ätte man vielleicht einen lebhaften Wunsch der deutschen Bergarbeiter, der auf die Anstellung von Bergwerksinspectoren aus Arbeiterkreisen hinzielt, bei uns weniger schroff, als es z. B. im sächsischen Landtage geschah, zurückgewiesen, wenn die Anschauungen der belgischen Regierung über derartige Arbeiterinspecwren mehr bekannt gewesen waren. In Belgien hat die Regierung jetzt den Kammern ein Gesetz vorgelegt, welches den Minister der öffentlichen Arbeiten ermächtigen soll, auch Bergwerksarbeiter zu staatlichen Mineninspectoren zu ernennen. Jenes internationale Arbeiterschutzamt würde sich natürlich auch mit Lohnverbältuissen, Arbeitsdauer und Arbeitseinstellungen zu beschäftigen haben, ein Gebiet, auf dem in jüngster Zeit Rußland die socialpolitischen Kreise um einige werthvolle Erfahrungen bereicherte. Die bemerkenswerthen Arbeiterausstände in Petersburg haben auch die russische Regierung dazu genöthigt, sich ein mal etwas näher mit den Verhältnissen der russischen Industrie arbeiter zu beschäftigen. Diese haben auch namentlich unter einer äußerst langen Arbeitszeit zu leiden. Um hier be friedigende Zustände zu schaffen, soll die russische Negierung die Absicht haben, im ganzen Reich für Fabriken einen Maximal arbeitstag einzuführen. Der russische Industriearbeiter hat in den größten Städten neben den gedrückten Löhnen und der langen Arbeitsdauer namentlich auch über die schlechte Lösung der Wohnungsfrage zu klagen. In den russischen Großstädten wird diese letztere voraussichtlich bald eben so brennend werden, wie in London, Paris, Berlin und Wien. Sehr schlechte Verhältnisse herrschen in dieser Beziehung besonders in der Kaiserstadt an der Donau. Die langen engen Höfe mit den vier und fünf Stock hohen Arbeiiermiethcaiernen erinnern vielfach an frühere Hamburger Zustände. Jetzt soll endlich auch in dem gemüthlichen Wien der Anfang zu einer planmäßigen Besserung der Wohnungs verhältnisse gemacht werden. ES ist dort bekanntlich eine Kais er - Iub i läumSstiltung für den Bau von Volks wohnungen ins Leben gerufen, die kürzlich die höchste Ge nehmigung erhielt. Die Stiftung will namentlich kleine Wohnungen in gesunder Lage der Wiener Umgebung bauen. DaS ist vielleicht die größte Wohlthat, welche der ärmeren Wiener Bevölkerung erzeigt werden kann. Vielleicht be handelt man in Wien einmal die Lösung der Wohnungs frage mit Nachdruck und von großen Gesichtspunkten aus. Allerdings gehören dazu auch große Mittel. Vorhanden sind etwa 600 000 fl. Doch hofft man, daß auch bei den zahl reichen Großcapitalisten der Kaiserstavt daS vielgerühmte „goldene Herz" der Wiener sich bethätigen werde. Deutsches Reich. * Leipzig, 29. Juli. Der Centralvorstand de» Evangelischen Bundes, sowie daS OrtScomitä und der Festausschuß in Darmstadt veröffentlichen folgende Einladung: „In Verbindung mit dem Vorstand de» Hauptverein» im Groß- herzogthuin Hessen und mit zahlreichen Evangelischen aus jedem Stand und Beruf, welche sich in einem örtlichen Festausschuß zu- sammengejchlossen haben, rusen wir in diesem Jahre zur General versammlung in Darmstadt. Wir werden auch bei weiteren Kreisen der Bevölkerung in Stadt und Land eine offene Thür finden. Staat und Kirch« stehen dort im Kampf gegen da» päpst lich« Rom und sein Gefolge auf deutschem Boden. Kraftvolle Zeugnisse aus dem Munde hochgestellter Männer sind, wie im ver gangenen Jahre, so jetzt eben wieder laut geworden und haben einen lebhaften Widerhall in den evangelischen Gemeinden gefunden. Ta ist auch zurrst da« „Niemals" erklungen, welche- wir von der obersten Stelle des Reiche» seit Jahren, obernoch immer vergeblich ersehnen. Ihr Glieder unsere» Bunde» in allen Thrilen de» deutschen Vaterland«» I — so ist e» denn zugleich Ehr» und Freud« für un», au dieser Stätte zusammenzukommen. Eilt zahlreich herbei und seid bereit zu mann- haftem Bekenntnißl E« thut so noth in dieser glaubensarmen und darum halt- und muthlosen Zeit. Wir dürfen aber gerade im gegenwärtigen Augenblick diese Einladung an Alle richten, welche in Deutschland den evangelischen Namen tragen, und fühlen es al» «in» heilige Pflicht, zu ihnen im Geist» aller Mitunterzeichner »in ernstes Wort zu sprechen. Wenn heute das römisch-katholische Centrum unbestreitbar sich als ausschlaggebende Partei erweist, in dem es bald verweigert oder abdringt, bald das vom Volke ge bieterisch Geforderte als zubereitete Gabe seiner Hand darreicht — was ist die Ursache? Die Verblendung über die wahre Natur des selben und seine letzten Absichten, oder die Zerrissenheit der anderen Parteien in sich und untereinander? Beides fällt zur Erklärung dieser Thatsache schwer ins Gewicht. Doch täuschen wir uns nichtI Das Centrum kauft nicht nur mit kluger Berechnung unsere Schwäche aus. Es gebietet — hierin noch ungleich stärker als die doch auch von einem Geiste getriebene Socialdemokratie — über eine Kraft, die Kraft einer in den Dienst wohlgeschulter Kirchenpolitik gestellten religiösen Leidenschaft. Dem gegenüber verlassen sich Tausende auf die Macht des nationalen Gedankens Aber diese Macht reicht nicht aus, wenn der nationale Gedanke losgelöst ist von seinem tieferen Grunde. Unsere vaterländische Größe ist erwachsen aus der ge waltigen evangelisch-religiösen Bewegung der Reformation, welche sorlwirkend immer von Neuem eine von ihrem Geiste getragene nationale Begeisterung schuf, wie im Jahre 1813 und noch in den Jahren 1870 und 1871. Dieses heilige Nationalgesühl ist dem heute lebenden Geschlecht weithin verloren gegangen. Alles hängt daran, daß es wieder erweckt werde! Gelingt es uns nicht, gegen den Fanatismus der römischen Partei und gegen die Schwarmgeisterei der Socialdemokratie die heilige Begeisterung des wahren Christen- thums, des deutsch-evangelischen Glaubens einzusetzen, so geht unser Vaterland schweren Erschütterungen entgegen. Möchten wir zu rechter Stunde diese Gefahr erkennen und uns zurückwenden zu den starken Wurzeln unserer Kraft I Möchte aber vor Allem di» heutige deutsch, evangelische Kirche, belehrt durch so viele und verhängnißvolle Irr- Wege vergangener Zeiten, ihren höchsten Beruf für diese Zeit er- fassen: unter Hinwegsetzung über theologischen und kirchlichen Zwist unser Volk im Lebensgrund« des Evangeliums zu sammeln, daß es Kraft und Einmüthigkeit gewinne zu dem Kampf, an dessen Aus- gang seine Zukunft hängt! Die Tage von Darmstadt sollen ihren krönenden Abschluß in einer Feier za WormS finden. Worm», welche Erinnerung ruir dieser Nam.' wach, welche Mahnung richtet er an uno- Dort wurde in heiliger und kühner Glaubensthat der Grund gelegt zu Allem, was wir seitdem durch Gottes Gnade ge- worden sind. Gott helfe, daß von dieser Stätte durch denselben Geist, der unseren Luther beseelte, neue Ströme des Segens aus- gehen ans die deutsche Kirche, welche er begründet hat, und auf das deutsche Vaterland, dem sein Herz, wie das unsere, schlug!" Aus der Tagesordnung der Generalversammlung sei Folgendes mitgetheilt: Montag, L8. September, 4—7 Uhr Nachmittags: Ver- Handlungen. — 8 Uhr Abend-: Begrüßungsversammlung, ver- Kunden mit Ansprachen aus dem Bereiche der evangelischen Diaspora. Schlußwort: Senior v. Bärwinkel.Erfurt: „Erinne- rungen an die Begründung des Evangelischen Bundes durch die Erfurter Vorconserenz am 5. October 1886". Dienstag, 29. Sep. tember, Vormittags: Verhandlungen. — Nachmittags 5 Uhr: Fest- goltesdienst (in der Stadtkirche: Superintendent Meyer-Zwickau; in der Johanniskirche: Pfarrer Ge rbert-Saarburg). — 8 Uhr Abends Festvcrsammlung: Ansprachen von Hosprediger Ehrhardt- Darmstadt, Professor I). Weifsenbach.Friedberg, Graf Paul von Hoensbroech - Berlin; Pfarrer Ä u y o t - Darmstadt. Mittwoch, 30. September, Vormittags 8—10 Uhr: Con- ferenzen; 10 Uhr: erste öffentliche Hauptversammlung; nach Eröffnung und Constituirung Vortrag: „Protestantismus und Volksschule", Professor 0. Behschlag-Halle a. S. — Nach, mittags 4 Uhr: Geschlossene Versammlung der Bundesmit glieder (Bericht über die Entwickelung und Vortrag über die prak tischen Ausgaben des Bundes). — Abends 7 Uhr: Ausführung deS Festspiels: „Luther", von Devrient, dargestellt unter Mitwirkung des HofschauspielerS H. Edward und der Frau I)r. Hauser-Burska von Darmstädter Bürgern. Dounerstag, 1. October, Vor- mittags 9 Uhr: Zweite öffentliche Hauptversammlung: Vortrag: „Autorität und Gewissen", Stadtpfarrer Brech t-Gerabronn (Württemberg). Kundgebungen. — Nachmittags 3 Uhr: Fahrt nach Worms. Daselbst Feier am Denkmal: Ansprache von Pfarrer Hackenberg-Hottrnbach; Feier in der Dreisaltigkeitskirche: An- spräche hon Decan läe. Wiener-Worms. Antwort und Rede über: „Evangelisches Bekenntnis und evangelischer Protest", Eon- sistorialrath v. Leuschner-Wanzleken. Auch die öffentlichen Versammlungen sind ausschließlich für Evangelische bestimmt. Gesuche um Wohnungen (Hotel oder Privatwohnungen) sind bis zum 15. September an Herrn Kaufmann Heinrich Nodnagel, Darmstadt, Neckar straße 15, zu richten. -8- Leipzig, 29. Juli. Wie wir früher meldeten, treten kommenden 1. October die Herren ReichSgerichtsräthe Vr. Boisselier und vr. Mittelstädt in den Ruhestand. An ihrer Stelle wurden die Herren OberlandeSgerichtSrath SieverS in Hamburg (für ör. Boisselier) und der Erste Staatsanwalt Förster in Stettin (für Or. Mittelstädt) zu ReichsgerichtSrätben ernannt. cx Berlin, 29. Juli. Der internationale Socia- listencongreß in London bat sich am Montag vor dem Beginn der eigentlichen Verhandlungen zunächst mit der Frage der Zulassung der Anarchisten befaßt. Herr Lieb knecht hatte im „Vorwärts" den Versuch gemacht, diese Frage als u priori dahin entschieden zu charaklerisiren, daß die Anarchisten nicht an dem Congreß tkeilnebmen dürften. Es lag ihm augenscheinlich viel daran, eine Wiederholung der Züricher Debatten hintanzuhalten und einen glatten Beschluß des CongresseS in seinem Sinne »u erzielen, damit die deutsche Socialdemokratie im Stande Ware, mit mehr Berechtigung als bisher die geistige Verwandtschaft mit dem Anarchismus zu leugnen. „Wir halten einen Socialistencongreß. Und auf einem Solialistrncongreß haben die Anarchisten nichts zu suchen", decrctirte Herr Liebknecht vor einigen Tagen noch im „Vorwärts". „Wir haben keine Gemeinschaft mit den Anarchisten", erklärte er weiter, „wir wollen keine Gemeinschaft mit ihnen. Und zwischen Socialist und Anarchist kann nicht einmal mehr die Gemeinschaft einer DiScussion bestehen. Der Londoner Congreß wird nicht mit den Anarchisten und nicht über den Anarchismus diS- cntiren. Das ist ein längst überwundener Standpunkt." Die apodiktische Bestimmtheit, mit welcher Liebknecht auf diese Weise dem Congreß seine Wege glaubte vorschreiben zu können, bat sich als eine unbegründete Prahlerei erwiesen. Es hat am Montag bekanntlich lange und heftige Debatten gekostet, bis mit 223 gegen 144 Stimmen den Delegirten die Zulassung der Anarchisten verweigert wurde. Dieses Ergebniß erscheint für die Anarchisten mehr noch als nach den Ziffern durch den Umstand überaus günstig, daß gegen 400 Delegirte der Abstimmung fern geblieben sind. Congreßmitglieder, die sich der Theilnahme an der Entscheidung entzogen haben, werden entweder etwas Anderes gedacht haben als Herr Liebknecht oder im Hinblick auf ihre Mandats- ertheiler eS gerathen gefunden haben, nicht gegen die Anarchisten zu votiren. Jedenfalls ist der „erneute Beweis" für das Bestehen einer „scharfen Trennung" nicht erbracht. Im Gegentbeil legt daS Stimmeaverhältniß noth- wendig die Annahme nahe, daß die Verbrüderung zwischen den beiden, dem gleichen Stamme entsprossenen umstürzle rischen Richtungen eher im Zunehmen als im Abnebmen be griffen ist. Es wird dies noch wahrscheinlicher gemacht, wenn man die Grundstellung der Engländer zu der „Anarcbisten-Frage" in Betracht zieht, wie sie sich in einer Londoner Zuschrift an den „Vorwärts" offenbarte. Dort wurde bemerkt, die alten Vorbilder der Anarchisten, die Malatcsta, Merlino, die Krapotkin und Louise Michel seien „aus Propagandisten der „That" zu reinen Propa gandisten der Doctrin geworden, die von der Social demokratie eben nur ihre Staats- und Gesetzgebungs- Gegnerschaft trenne", und die Theilnahme der Anarchisten an dem Congreß wurde lediglich aus praktischen, nicht aus „dogmatischen" Gründen für nicht Wünschenswerth erklärt. Diesen Standpunct werden die englischen Ver treter auch auf dem Congresse geltend gemacht haben. Die Führer der deutschen Socialdemokratie sind daher nicht im Stande, den Beschluß des Londoner Congresses über den Ausschluß der Anarchisten zu einem Merkmal principieller Scheidung zwischen Socialismus und Anarchismus zu stempeln. UebrigenS scheint in ihrem eigenen Hause ein anarchistisches Scelett aufgesunden worden zu sein. Der „Vorwärts" be richtet nämlich: „Die deutsche Delegation ist 46 Mann stark; bei der Prüfung der deutschen Mandate wurden vier anarchistische Mandate für ungiltig erklärt." Die Bevoll mächtigten dieser vier Delegirten stehen doch wohl innerhalb der deutschen socialdemokratischen Organisation. * Berlin, 29. Juli. Ueber die von verschiedenen Handels kammern erhobene und jetzt an maßgebender Stelle der Prüfung unterliegende Forderung wegen Errichtung einer besonderen Prüfungsstelle im Reichsgesundheitsaml für Nahrungsmittel rc. wird der „Voss. Ztg." mit- aetbeilt: Seit Erlaß des Reichsgesetzes über den Verkehr mit Nahrungsmitteln rc. vom 14. Mai 1879 ist wiederholt von vielen Seiten, namentlich von HandelScorporationen, beim Reichskanzler und beim Reichsamte des Innern die Klage erhoben worden, daß das Gesetz den Handel- und Gewerbe treibenden dadurch erhebliche Nachtheile zufüge, daß der Be griff der Verfälschung von den Gerichten sehr verschieden und häufig zu streng aufgefaßt werde. Das Gesetz vertraut, wie in der Reichstagssitzung vom 2. April 1879 der damalige StaatSsecretair im Reichsjustizamte sich ausdrückte, daß die rechtsprechenden Instanzen in jedem besonderen Falle das Richtige treffen werden, was der gesunde Menschenverstand gewollt und unter dem Worte „Fälschung" verstanden habe. Die Erfahrung hat aber inzwischen gezeigt, daß der gesunde Menschenverstand in Angelegenheiten, denen selbst die chemische Wissenschaft häufig ratbloS gegenübersteht, nicht genügt, daß vielmehr diejenigen Berufskreise, die mit dem Gesetze über Nahrungsmittel u. s. w. in Berührung kommen, sich in Un gewißheit darüber befinden, wo die Grenze des Er laubten bei Herstellung und Feilbietung von Nahrungs mitteln u. s. w. zu suchen ist. Die Gerichte und Sach verständigen halten sich in der Regel an die als Anlage zu den Motiven deS Entwurfs zum Nahrungsmittel gesetze veröffentlichte Denkschrift, worin die vom ärztlich chemischen Standpunct aus als unzulässig anzusebenden Hand babungen kurz angeführt werden. Diese Denkschrift ist aber auf Grund von Berathungen einer Sachverständigencommission aus arbeitet worden, worin Handel und Gewerbe nicht vertreten waren, und eö wurde selbst in einem gemeinschaftlichen Erlaß der preußischen Minister für Handel und Gewerbe, des In nern und der Medicinalangelegenheiten vom 14. September 1883 an die Provinzialbehörden zugegeben, daß die Denk schrift die Anforderungen von Handel und Gewerbe nur wenig berücksichtigt. Darum ist die neuerdings von Handelskammern gestellte Forderung der Errichtung einer besonderen Prüfung- stelle im Reichsgesundheitsamte für Nahrungsmittel rc. be rechtigt. Wenn die reellen Handel- und Gewerbetreibenden Verfälschungen von Nahrungsmitteln rc. nicht betreiben oder befördern, so haben sie auch Anspruch darauf, durch die Ge setzgebung nicht unnöthig in ihrem Geschäftsbetriebe gestört zu werden. T Berlin, 29. Juli. (Telegramm.) Der „Reichs anzeiger" veröffentlicht folgendes Telegramm VcS Kaisers an den eommandirenden Admiral aus Bergen: „Es erfüllt mich mit tiefem Schmerze, die Kunde zu erhalten von dem Verlust deS Kanonenbootes „Iltis", welches in Aus übung deS Dienstes mit sämmtlichen Ofsicieren und einem großen Theil der Besatzung an der chinesischen Küste gestrandet ist. Biele brave Männer, an deren Spitze ein so hervorragend tüchtiger Officier als Commandant stand, habe ick verloren. DaS Vaterland wird mit mir trauern und die Marine in warmer Erinnerung Diejenigen halten, welche bis zum letzten Athemzuge in der Erfüllung der Pflicht da» höchste Gebot deS Lebens sahen. ID Berlin, 29. Juli. (Privattelegramm.) Die streikenden Mützenmacher haben ihre Forderungen auf 15 bis 25 Pfennige Zuschlag pro Dutzend Mützen ermäßigt und die anderen Bedingungen fallen gelassen. 18 Fabrikanten sind hiermit laut ihrer Unterschrift einverstanden, während 56 Grossisten Alle» abgelehnt baben. Die Arbeit wird da, wo die Forderungen bewilligt sind, noch heute wieder auf«
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