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Sächsische Radfahrer-Bundes-Zeitung : 20.10.1894
- Erscheinungsdatum
- 1894-10-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Universitätsbibliothek Leipzig
- Digitalisat
- Universitätsbibliothek Leipzig
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1683807715-189410204
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1683807715-18941020
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1683807715-18941020
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungSächsische Radfahrer-Bundes-Zeitung
- Jahr1894
- Monat1894-10
- Tag1894-10-20
- Monat1894-10
- Jahr1894
- Titel
- Sächsische Radfahrer-Bundes-Zeitung : 20.10.1894
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III. Jahrg. No. 22 20. Oktober 1894 449 „Ja, meine Gnädigste, radfahren!“ erwiderte er mir, „radfahren stählt den Körper wie den Geist.“ Wir sprachen lebhaft über dieses Thema, aber einleuchten wollte mir der Gedanke, dass ich das Radfahren betreiben solle, durchaus nicht: es leuchtete mir weit mehr ein, dass es für meine Gesundheit zweckdienlicher sein dürfte, einmal eine Wintersaison an den Gestaden des Mittel meeres zuzubringen und umsomehr als die Sehn sucht nach dem Süden mich mit elementarer Gewalt ergriffen hatte. Dieser Gedanke ward j denn auch selbstredend nur noch in Erwägung gezogen und an einem gerade nicht besonders freundlichen Wintertage, der mir als Abschieds gruss von der lieben, nordischen Heimath mächtige Schneeflocken darbrachte, ging es dem Süden ent- I gegen. 0, wie das Herz da pochte, wie klar I meine Gedanken wieder wurden. Wie froh schaute , ich aus dem warmen Coupde hinaus in die schneeigen I Gefilde, wie vergnügt ballte ich auf dem St. Gotthard mit liebgewonnenen Reisegefährten Schnee I um die Wette, mit welchem Entzücken athmete ich im Anblicke Genuas die mildwarmen Lüfte Italiens! In ein Zauberland fühlte ich mich ver setzt! Und dann das weite Meer mit seinem farben prächtigen Wogenspiel, das den Reisenden auf der ganzen Strecke von Genua bis Marseille nicht verlässt, das ihm in leise rauschenden Akkorden in nimmermüder Weise von den Herrlichkeiten dieses sonnenverklärten Gestades plaudert. Träumenden Blickes überschaute ich die herrliche Fluth, strahlenden Auges hing ich an der weiten Campagne, die sich wie ein unendlicher Garten von Wein- und Olivenpfianzungen, von schwankenden Palmengruppen und blinkenden Orangenbäumen dahinzieht und so glücklich erregt war ich von dem Anblicke dieser Stätte des Frühlings, dass ich mich kaum abwenden liess, wenn es Pegli, Savona, San Remo, Bordighera, Mentone, Villefranche an meine Ohren klang und nur als Nizza ausgerufen wurde, ward mir wieder inne, was ich erstrebte. Schneeflocken gaben mir den Abschiedsgruss, stolze Palmen den Will kommensgruss, mit diesem Ersatz war ich wahr lich zufrieden. Hier in der Blumenstadt mit ihrem ewig blauen Himmel, wo würzige Düfte die Atmosphäre durchfluthen, wo sie sich schmeichelnd an uns herankosen und uns mit ihrem ungewohnten Eindruck süss berauschen, wo vor unseren Augen das blaue, sonnenbeglänzte Meer, durchzogen von blendenden Segeln, weithin erstrahlt, erfasste mich zwar urplötzlich wieder neuer Lebens- und Schaffens- muth, aber gleichwohl wollte das rechte Gefühl, die ursprüngliche Kraft wieder gewonnen zu haben, sich immer noch nicht einstellen. Da war es denn auch nur zu natürlich, dass ich mich des Ratlies meines Arztes wieder er innerte, dass dieser Rath mir jetzt auch weniger unsympathisch dünkte und als mich nun gar eines schönen Tages der Zufall an einem Fahr rädermagazin vorbeiführte, da trat ich auch bald entschlossen in dasselbe ein, erkundigte mich bei dem Besitzer nach den für Damen geeignetsten Fahrrädern und frug ihn schliesslich, ob er nicht eine Dame wisse, die bereit wäre, mir das Fahren zu lehren. „Gewiss“, entgegnete mir der Mann, „meiner Frau, die jeden Morgen ein Stündchen fährt, wird es nur eine Ehre sein, Sie anzuleiten, nur fährt sie sehr frühzeitig aus, ich weiss nicht, ob Ihnen dies angenehm ist.“ Das aber war mir gerade besonders angenehm, denn ich scheute mich doch nicht wenig, meine Versuche zu einer Zeit, während welcher sich ein regeres Leben entfaltete, zu beginnen. Schon am nächsten Morgen holte mich die Frau des Händlers, eine äusserst lebhafte und gebildete Piemonteserin, zu der ich sofort volles Vertrauen fasste, ab. Der erste Versuch gelang über alles Erwarten, dem schon am nächsten Morgen der zweite folgte und gar bald that ich es meiner Lehrmeisterin gleich. Immer weiter dehnten sich unsere Ausflüge, an denen sich nach und nach noch zwei deutsche Damen und eine Engländerin betheiligten, aus. Diese Ausflüge in Nizzas herrlicher Umgebung werden mir fürwahr unvergesslich bleiben, denn sie lernten mich mehr als es sonst der Fall hätte sein können, die ganze Schönheit dieses ent zückenden Fleckchens Erde kennen. Begierig sog ich an jedem neuen Morgen die frische kräftige Meerluft ein und fühlte, dass gerade diese Art der körperlichen Bewegung meine Kräfte von Tag zu Tag erstarken machte. Als es endlich aber zum Abschiednehmen ging, da ward es mir zwar recht weh ums Herz, aber ich wusste mich doch wieder im Vollbesitze meiner Kraft, und hatte zudem noch einsehen gelernt, wie recht mein Hausarzt handelte, als er den hohen hygienischen Werth des Radfahrens gerade für uns Frauen so warm betonte. Und in der That ist das Radfahren, diese Art rationeller Körperarbeit, um der Muskulatur die erforderliche Thätigkeit zu verschaffen, von unschätzbarem Werthe für die Gesundheit und mit Recht eins der besten Mittel gegen die alles bezwingende Krankheit der Zeit, die Nervosität. Der arbeitende Muskel verbraucht Nährstoffe und zwar Fette und Kohlehydrate, ihre chemische Zersetzung liefert eben die erforderliche Kraft: bei diesem Vorgang wird Wärme frei und reichlich Kohlensäure erzeugt. Auf diese Weise erklärt es sich, dass in den Lungen ein regerer Gaswechsel stattfindet, durch welchen die Kohlensäure entfernt und frischer Sauerstoff in entsprechender Menge zugeführt wird, demgemäss vermehren und ver tiefen sich die Athemzüge und die Zahl der Herz- und Pulsschläge wird erhöht. Ausserdem springt die Haut ein, um die überflüssige Wärme zu entfernen, ihre Gefässe füllen sich stark, sie lässt
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