01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.01.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-01-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020104011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902010401
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- LDP: Zeitungen
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
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Anzeigen «Preis die llgespalkne Petitzeile SS Reklamen unter dem RebactiüNSstrich (4 gespalten) 73 ,H, Vor den FaMiliennach- richten (tt gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren sür Nachweisungen untz Offertrnannahme S5 (excl. Pörto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nut mit der Morgen-Ausgabe, ohne PostbesördetUNg .4! 60—, mit Postbesörderung ^l 7V—. Armahmeschluß fiir Anzei-ea: Ab end-AuSgab«: vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets au die Expedition zu richten. Di» Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 6 Sonnabend den 4. Januar 1902. W. Jahrgang. AiMN für die Miminim VN Mutig, de« 8. Md MkiistU den 7. IllMl erbitten uns bis heute Abend ? Ahv. Die deutsche Eisenbahngemeinschast. D Die Berichte Uber die süddeutsche Eisenbahnconferenz, aus denen Enttäuschung spricht, sowie in der sächsischen Kammer gefallene Aeutzerungen haben mir ins Gedächtnis eine alte Ge schichte zurückgerufen, die mir einst in meiner ersten Gymna- siastenzeit erzählt worden ist. Zu dem römischen Könige Tar- quinius Superbus, so berichtete unser Lehrer, kam einst eine unbekannte alte Frau und bot ihm neun Bücher für einen hohen Preis zum Kaufe an. Der König verlachte sie und schickte sie fort. Die Alte verbrannte drei Bücher, kehrte nach einiger Zeit mit den übrigen sechs zurück und forderte für diese den früheren Preis. Abermals abgewiesen, verbrannte sie noch mals drei Bücher und verlangte nun für die letzten drei die selbe Summe, die sie einst für alle neun gefordert hatte; dabei drohte sie, auch die letzten zu verbrennen, falls der König nicht zahle. Nunmehr kaufte dieser die Bücher für den vollen Preis: es waren die von den Römern so hoch geschätzten „Sibyllinischen Bücher". Hätte er gleich zugegriffen, so hätte er ohne Mehr kosten neun statt drei erworben. In dieser alten Sage steckt eine tiefe Weisheit und eine ernste Mahnung an alle Staatsmänner. Es ist die Mahnung, das Nothwendige und Unvermeidliche rechtzeitig zu thun; sonst muß man es später unter ungünstigeren Bedingungen thun, sonst möchte die Zeit kommen, wo das in der Staats kunst verhängnisvolle Wort „Zu spät" ertönen könnte. Wer die Tendenz der deutschen Verkehrsgeschichte verfolgt, wer vor Allem die Entwickelung des Zollvereins kennt, — dem kann es nicht zweifelhaft sein, daß eine deutsche Eisenbahngemein schaft in der oder jener Form Uber kurz oder lang kommen muß und daß sie Allen, die beitreten, zum Vortheil gereichen wird. Es ist gewiß kein Zufall, daß dasselbe H e s s e n, das als erster größerer Staat 1828 die Zollunion mit Preußen schloß, jetzt wieder zuerst die Eisenbahngemeinschaft mit Preußen ein gegangen ist. Damals entstand ein süddeutscher Zollverein, der aber nach wenigen Jahren dem preußischen beitrat, heute redet man entsprechend von einer süddeutschen Eisenbahngemein schaft. Zu ihr wird es aber wohl nicht kommen, vielmehr wird, wie es scheint, der Uebergang zur deutschen Eisenbahn gemeinschaft ohne diese Zwischenstufe erfolgen. Gewisse Vor gänge in Württemberg sprechen wenigstens dafür, und es ist auch charakteristisch, daß in Mecklenburg von solchen Plänen zunächst schüchtern geredet wird. Daß Sachsen von einer deutschen Eisenbahngemeinschaft großen finanziellen Gewinn haben würde, wie ihn Hessen schon hat, daran zweifelt kein Mensch. Sachsen ist seiner geo graphischen Lage nach auf den großen Durchgangsver kehr angewiesen; dasür liegt es sehr günstig. Es wird durch schnitten von den Linien Berlin-München, Berlin-Wien, Frank furt-Breslau, Köln-Wien, Hamburg-(Bremen)-Wien. Aber diese Linien müssen nicht durch Sachsen gehen, sie können es auch umgehen. Das sollten die verantwortlichen Kreise nicht vergessen. In Leipzig wird es ja wohl auch erlaubt sein, darauf hinzuweisen, daß Leipzig der größten Gefahr gegenübersteht. Wer den gewaltigen Aufschwung, den Halle genommen hat, beobachtet, wird das mit gewisser Besorgniß zugeben müssen. Halle ist durch die Natur mehr begünstigt, weil es einen schiff baren Fluß hat; dazu aber kommt, daß hinter ihm das große preußische Bahnnetz steht. Halle hat längst seinen Centralbahn- hof, nach dem Leipzig sich so lange schon sehnt; und wenn Leipzig eine Kopfstation erhält, bleibt Halle mit seiner Durchgangs station ihm betriebstechnisch auch noch überlegen. Wichtiger aber ist natürlich die Gestaltung des Fahrplans, und da gehen ja schon Schnellzüge von Berlin nach München über Halle u. s. w. Doch wir sehen von diesen Leipziger Specialsorgen ganz ab; was für Leipzig gilt, gilt in ähnlicher Weise für ganz Sachsen. Und dem müßte Rechnung getragen werden auch dann, wenn wirklich so sehr ernste Bedenken einer deutschen Eisenbahngemeinschast entgegenständen. Was dagegen gesagt wird, ist weniger eine Aeußerung des Verstandes, als des Em pfindens. Dabei möchten wir aber doch fragen, ob denn die Gründung des Reiches dem Ansehen der Bundesfürsten ge schadet hat? Es wird kaum noch Jemanden geben, der das behaupten möchte. Man kann im Gegentheil sagen, daß die Liebe der Unterthanen noch gestiegen ist, seitdem die Fürsten an der Reichsgründung theilgenommen haben, seitdem das nationale Sehnen erfüllt ist. Daraus folgt zum mindesten, daß eine deutsche Eisenbahngemeinschast nach dieser Richtung keine Besorgnisse erwecken kann. Natürlich kommt sehr viel auf die Form und die Be dingungen an, unter denen sie abgeschloffen wird; und da setzt eben die oben erzählte Geschichte mahnend ein. Das einst von Preußen angebotene Reichseisenbahnsystem unter Uebergang der Staatsbahnen in den Besitz des Reiches ist abgelehnt. Ob es wahr ist, daß Preußen dem sächsischen Staat einmal eine Ver zinsung von 7 Proc. des Anlagecapitals geboten hat, wissen wir nicht. Die Empfindung aber haben wir, daß von den neun Büchern schon einige verbrannt seien. Es liegt im Interesse des sächsischen Staates, das Verbrennen noch weiterer Bücher zu verhindern. Je weniger verbrannt werden, um so günstiger wird sich die Form der Eisenbahngemeinschast gestalten lassen. Wir sollten meinen, daß sie möglich sein müßte, ohne ernsthafte Schädigung der staatlichen Selbstständigkeit; ihre Dortheile aber würden ge wiß sehr groß sein. Der Krieg in Südafrika. «Nßlautz »Np Etztz-Hfrtkß an »er 2atzre«»en»- Da- neue Jahr findet England immer noch unter dem schweren Drucke de- leichtsinnig -eraufbeschworenen, schier end losen Kriege» in Südafrika, und vritannia hat da» Jahr 1901 unter ein», immer unerträglicher werdenden moralischen De ¬ pression abgeschlossen. Dieser blutige und jedem Christenthume Hohn sprechende Raubkrieg, der von Verantwortlichen Ministern und Generälen schon vor langer Zeit als beendet hingestrllt wurde, ist heute einem für di: Engländer befriedigendem Abschlüsse ferner denn je, und in diesem dritten Jahre seiner Dauer sieht sich der Mephisto Englands, Joseph Chamberlain aufs Neue genöthigt, in den sauren Apfel zu beißen und die Colonien des britischen Weltreiches um weitere Hilfscorps zu bitten, welche der Feldarmee von 250 000 Mann in Südafrika im Verein mit 50 000 bewaffneten Kaffern und Basutos helfen sollen, ein paar Tausend freiheitsliebende Irreguläre Bauernkämpfer zu Boden zu zwingen. Schwerlich jemals hat die Welt eine große Nation in einer demüthigenderen und beschämenderen Lage gesehen, und nur selten hat die Weltgeschichte einen heroischeren und schöneren Verzweiflungskampf eines kleinen Volkes gegen riesenhafte lieber macht zu verzeichnen gehabt. Wie die britische Kriegführung und die ganze Vorgeschichte des Feldzuges für ewig« Zeiten ein Schandmal auf dem Ehvenschilde Englands sein wird, so steht der hrldenhgfte Widerstand, die auf opfernde Tapferkeit der Burghers für immer als glänzendes Beispiel der höchsten Mannestügenden und der edelsten Vater landsliebe dar. Selbst die englischen Soldaten jeden Grades haben längst eingesehen und sprechen sich immer unverhohlener darüber aus, daß der Boer ein braver und in jeder Hinsicht achtungswerther Gegner ist, und an diesem Urtheil können auch die vielen officiellen und officiösen Lügen, die das Gegentheil behaupten und beweisen wollen, nichts mehr ändern. Britische Offictere, Unterofsiciere und Mannschaften strafen in ihren mündlichen und schriftlichen Schilderungen die absichtlichen und verlogenen Entstellungen der Londoner Finanzclique, als deren vornehmster Handlanger und Patrön sich Joe Chamberlain seit Jahren gerirt und auf deren Wunsch und Willen Tausende von boerischen und britischen Männern, Tausende von unschuldigen Frauen und Kindern der Burghers in Südafrika um des schnöden Gewinnes halber dahingemordet werden, in krassester Weise Lügen und geben dem ehrlichen und tapferen Feinde die Ehre, die ihm gebührt. Zahllose Solvaten- hoch und niedrig, die im Boerenlande die Henkersarbeit haben verrichten müssen und ein gesehen haben, daß in diesem Schandkriege für Großbritannien keine wirklichen und ehrenhaften Lorbeeren zu pflücken sind, geben ihrem Widerwillen gegen Schändung ihres Sol- datenbandwerkes, wie sie fortgesetzt in dieser Vartdalen-Campagne vor sich geht, rückhaltlos und in aufrichtigem Zorn« Ausdruck, wo sich nur immer ein englisches Blatt findet, daß den Muth hat, derartige ungekünstelte Aeußerungen und Ansichten zu ver öffentlichen. Es geht zwar nur langsam, aber dennoch mehren sich diese Stimmen und sie werden lauter und lauter, kommen immer mehr zur Geltung und tragen dazu bei, England vor dem gänzlichen Niedergange seiner Moral und seines schwer erschüt terten Prestige zu bewahren. Fast jeden Tag aber noch versuchen die Agenten und Nach beter der allmächtigen Börsensippe, die auch unter den „Edelsten der Nation", selbst unter den höchsten Beamten des Reiches ihre Mitglieder und Interessenten zählen, das englische Volk davon zu überzeugen, daß die Bveren am Ende ihrer Hilfsmittel und ihrer Widerstandskraft angelangt sind, daß also nur noch sehr Wenig Geduld, nur noch geringe Opfer nothwendig sein werden, um endlich die angeblich glänzenden Früchte des so theuer er kauften imaginären Erfolges ernten zu können. Jeden Tag werden dem Gewöhnlichen diese kläglichen Lügen aufHetischt, und immer noch finden sich ungezählte Tausende, 'die thoricht genug sind, selbst das Unglaublichste zu glauben, nur weil es dem britischen Eigendünkel und Selbstgefühl schmeichelt und besser schmeckt, als die bittere Wahrheit, die gerade jetzt von England Edelmuth, Großmuth, «in groß Theil Selbstüberwindung und moralische Tapferkeit verlangt, — Eigenschaften, die aber wenig stens vorläufig noch den breiteren Massen des britischen Volkes unbekannte Begriffe sind. Nach wie vor werden vom Londoner Kriegsamte und von der Regierungspresse englische Mißerfolge und Niederlagen in Südafrika entweder ganz verheimlicht, vollständig entstellt oder doch so harmlos und unbedeutend als nur eben möglich geschildert und nach wie vor der Nation vorgepredigt, daß in Wirklichkeit glänzend ausgefallene Siege Botha's, Dewet's und anderer Boerenhelden an dem „rapide sich nähernden, für Englands Armee siegreichen Ende des Kriegs" absolut nichts mehr ändern können. Dabei ist es aber Thatsache, daß die Rebellion in der Capcolonie schon seit mehr als 1(H Jahren jeder Unterdrückung spottet und sogar stetig anwächst. Die unfähige und leichtsinnig« Regierung in London, — ein Cabinet der reichen Männer und der Grund besitzmagnaten, — verlangt aber trotz aller nicht wegzuleugnendcn Widrigkeiten vom Volke, daß es die ungehenrrn Kriegsopfer an Gut und Blut ruhig trägt, das es nur das glaubt, was ihm officiell erzählt wird. Das neue Jahr soll angeblich ein baldiges officielles Ende des Boerenkrieges sehen, da man die Krönung König Eduard'» des Siebenten iw Juni in ungetrübtem Glanz« fei«rn und durch dieselbe der Nation und auch der übrigen Welt einen Beweis für das unerschütterte Prestige, für die unverminderte Größe Eng lands erbringen möchte. Im schlimmsten Falle, d. h. wenn die Bveren auch fernerhin ihr Bestes thun sollten, um den Krieg ins Unendliche fortzuführrn, will man durch rauschend« und an Glanz unübertreffliche Feste die Nation für di« bösen Krregsjahre ent schädigen und sie den Ruin des britischen Prestiges in Südafrika und in der civilisirtcn Welt vergessen machen. Das wird vielleicht vorübergehend qelingen, aber schon heute an der Jahres wende läßt sich mit Bestimmtheit Voraussagen, daß auch daS leichtgläubige und gegen seine Regierung so nachsichtige englisch« Volk ein weitere- Krieq-fahr in seiner vollen Ausdehnung nicht mehr zu ertragen im Stande sein wird, — eine Thatsache. von der man auch in Downingstreet längst überzeugt ist. Deutsches Reich. -i- Berlin, 3. Januar. (Reclamefür diereniienten Polen.) Das „Berl. Tage bl." bracht« um die Jahres wende einen die Renitenz der Polen scharf verurtheitenoen Artikel, der die stolze Ueberschrift trug: „Deutschland den Deutschen". Zur selben Zeit brachte die Beilage des „Berl. Tagobl.", „Die Welt im Spiegel", Photographien: 1) der in 'den Wreschener Proceß verwickelt gewesenen Eltern der polnischen Schulkinder, 2) — und dies ist das Herrlichste — des 14jährig«n Schul mädchens Smidowicz, das „de» deutschen Katechismus nur mit der Schürze anfassen wollte". Wir gckhen darüber hinweg, auf welches Niveau das „Berl. Tagebl." seine Leser, denen es ein Interesse für derartige Photographien zutraut, stellt; wir fragen nur nach der Wirkung derartiger Reclam«-Photographien. Da hat denn Ludwig Fulda in einem dieser Tage erschienenen reizenden Gedichte auseinandergesetzt, wie oft er in seinem Leben in den Zeitungen genannt worden sei, wie er aber niemals den Stoz empfunden habe, wie beim ersten Male: da habe er nämlich als 14jähriger Jung« den Arm gebrochen und in der Zeitung hab« gestanden: „Ein Knabe hat den Arm gebrochen". Diese, wenn auch anonyme Erwähnung, habe ihn so beglückt, daß er darüber allen Schmerz vergessen habe. Das „Berl. Tage blatt" ist in der Provinz Posen stark verbreitet und es ist 10 gegen 1 zu wetten, daß die kleine Smidowicz und ihre männ lichen und lveiblichen Schulkameraden von der Thatsache der Ab- conterfeiung bereits mit Befriedigung bezw. Neid Kenntniß ge nommen haben. Es »wäre das natürlichste Ding von der Welt, wenn nun so mancher polnische Schuljunge sich vornähme, ein noch glorce-chcres Helden stückigen als das der kleinen Smidowicz zu verüben, um der photographischen Verherrlichung sicher zu sein. Die moralische Verantwortung dafür hätte dann das „Berl. Tagebl." zu tragen. Und so was schreibt Artikel wie „Deutschland den Deutschen"! Und vor solchem Deutschthum sollen die Polen Respect bekommen! * Berlin, 2. Januar. (Centrnm und Bund der Landwirt he.) Eine sehr scharfe Absage, welche die klerikale „Köln. Volksztg." dem Bunde der Landwirthe ertheilt, läßt darauf schließen, daß in der Tarifcommission deS Reichstags die von industriellen Wahlkreisen entsendeten Centrums abgeordneten sehr scharf mit denjenigen College» Zusammen treffen werden, die die bündlerischen Forderungen vertreten. Es heißt nämlich in dem klerikalen Blatte: „Die Taktik deS Bundes der Landwirthe in der Zolltarisfrage tritt immer deutlicher hervor und laßt erkennen, daß es sich in dieser Frage keineswegs nur um wirthschaftliche Dinge, sondern auch um parteipolitische Ziele handelt. Wer zwischen den Zeilen zu lesen verliebt, erkennt ganz klar, daß die bündlerische Presse selbst nicht an die Durchsetzung ihrer Forderungen glaubt. Da nun angekündigt wird, daß die „auf dem Boden des Bundes stehenden" Abgeordneten dann gegen den ganzen Tarif stimmen würden, kann man sich ein Bild davon machen, was nachkäme, wenn im Großen und Ganzen die Regierungs vorlage durchginge. Offenbar rechnen die Bündler darauf, daß eine Mehrheit, bestehend aus Ccntrum, Nationalliberalen nnd gemäßigten Conservativcn, die Sätze der Regierungsvor lage im Großen und Ganzen annehmen werde. Dann können die „Heerführer" des Bundes, wir die „Deutsche Tagztg." neulich die Herren v. Wangenheini, Rösicke, Hahn und Lucke nannte, sich den Luxus leisten, dagegen zu stimmen und später mit Tschindelabum und Paukenklang das Land durchziehen, um die Wäbler gegen ihre Abgeordneten aufzuhetzen. Am Rhein und in Westfalen wirb man den Landleuten vormimcn: Wäret ihr dem Lanbbunde beigetreten und hättet ihr statt der faulen CentrumSlcute wackere Candidaten des Bundes in den Reickstag gewählt, so könntet ihr euch jetzt an hohen Zöllen gütlich thun. Für den Bund giebt es nichts Angenehmere-, al- wenn er in der Lage ist, das Erreichte als ungenügend ru bemängeln, denn er ist ein Agitationsverein, der viele Mitglieder und (last, but not I«ast) auck Mitglieder - Beiträge haben will. Nun ist aber dringend zu wünschen, daß der AuSgang der Zolltarifberatbungen nicht nur wirthschaftlich, sondern auch politisch ersprießlich sei. Deshalb würde unseres Erachtens darauf hinzuwirken sein, daß die bündlerischen Reichstags abgeordneten nicht in der Lage sind, die oben erwähnte Rolle ru spielen. Der Landwirthschaft muß ein angemessener Zoll schutz angeboten, dann aber auch die Büudlerschaft vor die Wahl de» „prouäre ou laisser", der Anuabme oder der Ab- lehnuug gestellt werden. Eine ReichStag-mehrheit, di« sich dazu hergäbe, den Bündlern da- Heu eiuzufahren, um srch nachher mit Fußtritten ent lohnen zu lassen, müßte politisch unter Curatel gestellt werden." * Berlin, 3. Januar. Die neue Ordnung der Reifeprüfung an den neunstwfigen höheren Schulen (Gymnasium, Realgymnasium und Oberrcalschule), aus der bereits früher einiges mitgetheilt wurde, wird im neuesten Hefte des „Centralbl. für die gesammte Unterrichtsverw." veröffentlicht. Die wichtigsten ihrer Bestimmungen sind die folgenden: 1) Zur Reifeprüfung dürfen sich die Schüler in der Regel nicht früher als im zweiten Halbjahre ihrer Zugehörigkeit zur Oberprima melden. Aus gewichtigen Gründen kann aus nahmsweise auf den Antrag de« Directors und der zur Prü fungskommission gehörenden Lehrer die Meldung zur Reife prüfung schon im ersten Halbjahre der Zugehörigkeit zur Ober prima du/ch das Provinzial-Schuleollegium angenommen werden. Wenn rin Primaner die Anstalt wechselt, so ent scheidet da» Provinzial'Schulcollegium, ob ihm für di» Meldung zur Reifeprüfung das Halbjahr, in welches oder um dessen Schluß der Wechsel der Anstalt fällt, auf die Lehrzeit der Prima anzurechnen ist. Unzulässig ist die Anrechnung in allen Fällen, in denen der Wechsel erfolgt, weil der Primaner im Disciplinarwege von der früher von ihm besuchten Anstalt ent fernt worden ist oder sie verlassen hat, um sich einer Schulstrafe zu entziehen. 2) Zur schriftlichen Prüfung gehören bei allen Anstalten ein deutscher Aufsatz und die Bearbeitung von vier mathematischen Aufgaben aus vier verschiedenen Ge bieten, ferner a. bei den Gymnasien: eine Uebersetzung aus dem Deutschen in das Lateinische und eine Uebersetzung aus dem Griechischen ins Deutsche; b. bei den Realgymnasien: eine Uebersetzung aus dem Lateinischen in das Deutsche, je nach dem Lehrpläne der einzelnen Anstalt eine französische oder eine englische Arbeit, und zwar entweder ein Aufsatz oder eine Ueber setzung aus dem Deutschen, und die Bearbeitung einer Aufgabe aus der Physik; e. bei der Oberrealschule eine französische und eine englische Arbeit, und zwar in einer dieser beiden Sprachen ein Aufsatz, in der anderen eine Uebersetzung aus dem Deutschen, und die Bearbeitung einer Aufgabe aus der Physik oder aus der Chemie. Die mündliche Prüfung umfaßt bei allen An stalten die christliche Religionslehre, die Geschichte und die Mathematik, u. bei den Gymnasien: die lateinische, die griechische und je nach dem Lehrplane der einzelnen Anstalt entweder die französische oder die englische Sprache; b. bei den Realgymna sien: die lateinische, die französische und die Phsik oder die Chemie; o. bei. den Oberrealschulen: die französische und die englische Sprache, die Physik und die Chemie. 3) Das Ur- theil über die schriftlichen Arbeiten ist in eines der vier Prädicate: Sehr gut, gut, genügend, nicht genügend zu sammenzufassen. 4) Die Prüfung ist als bestanden zu er achten, wenn das Gesammturtheil (Classenleistungen und Leistungen in der Prüfung) in allen verbindlichen wissenschaft lichen Lehrgegenständen mindestens „Genügend" lautet. Eine Abweichung hiervon in Berücksichtigung des von dem Schüler gewählten Berufes ist nicht zulässig. Dagegen soll bei Schülern, deren Leistungen in verbindlichen Lehrgegenständen das Ge sammturtheil „Nicht genügend" erhalten, dieser Ausfall als ausgeglichen angesehen werden, wenn bei ihnen das Ge sammturtheil in ebenso vielen anderen verbindlichen Lehrgegem ständen mindestens „Gut" lautet; dabei sind jedoch folgende Einschränkungen zu machen: n. Die als „Nicht genügend" be zeichneten Leistungen, deren Ausgleichung in Frage kommt, dürfen nicht unter das Maß hinabgehen, welches für den Ein tritt in die Prima zu fordern ist. b. Das Gesammturtheil „Nicht genügend" darf nur für je einen unter folgenden Lehr gegenständen: des Gymnasiums: Deutsch, Lateinisch, Griechisch, Mathematik; des Realgymnasiums: Deutsch, Lateinisch, Fran zösisch, Englisch, Mathematik; der Oberrealschule: Deutsch, Französisch, Englisch, Mathematik, Physik, und zwar nur dann als ausgeglichen angesehen werden, wenn das Gesammturtheil in einem anderen zu derselben Gruppe gehörenden Lehrgegen stände mindestens „Gut" lautet. Prüflinge, die in mehr als einem der genannten Lehrgegenstände das Gesammturtheil „Nicht genügend" erhalten, ist das Reifezeugniß zu versagen. Ausnahmsweise ist es zulässig, bei Schülern, die nach ihrer Persönlichkeit und geistigen Entwickelung besondere Berück sichtigung verdienen, über unzureichende Leistungen in dem einen oder anderen unter b nicht erwähnten Fache auch dann hinweg zusehen, wenn die Voraussetzungen für einen Ausgleich nach Maßgabe der allgemeinen Bestimmung nicht vorliegen. <Z Berlin, 3. Januar. (Telegramm.) Der Kaiser empfing gestern vor der FrühstückStasrl noch die Abordnung der Halloren und ließ ihr alsdann den WeibnachtSaufbau der kaiserlichen Familie im Muschelsaale de» Neuen Palais zeigen. T Berlin, 3. Januar. (Telegramm.) Der „Reichs anzeiger" veröffentlicht da- Gesetz, betreffend Abänderung der Slran-uugSor-nunD, und meldet, daß dem Präsidenten des ConsistoriumS Ltackmanu in Münster der Rang der Räthe zweiter Claffe verliehen worden ist. (-) Berlin, 3. Januar. (Telegramm.) Die Abend blätter melden, da» freisprechrnde Urtheil gegen den zweiten Angeklagten de- Rrofigk-PracesseS, den Sergeanten Hickel, sei rechtskräftig geworden, da der Staatsanwalt die angemeldete Revision nicht begründet habe. — Im Befinden de» Ministers der öffentlichen Arbeiten vr. v. Thielen ist eine Besserung «ingetreten, doch ist der Minister noch gezwungen, auf einige Zeit das Zimmer zu hüten. — Die Wittwen- und Waisrupflege de» deut schen Kriegerbundr» nimmt immer größeren Umfang an und darf von Jahr zu Jahr das öffentliche Interesse mehr in Anspruch nehmen. Außer den großen Summen, die seine 15 000 Vereine jährlich für die Unterstützung der Wittwen von BereinSkameraden auSsteben, unterstützt der Bund au» seinen Mitteln bedürftige Wittwen in Fällen, wo die Mittel der Verein« nicht -»«reichen. Hauptsächlich an zwei lagen de» Ja-re», di» an Er innerungen au» dem Leben Kaiser Wilhelm'» l. anknüpseutz
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