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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 21.04.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-04-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190904213
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19090421
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19090421
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1909
- Monat1909-04
- Tag1909-04-21
- Monat1909-04
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BezugS.Prei» >»r u»» <j«r»rr, durch «g«r, Lr»-« »nd Sprdtieur« tu« H»u« »«bracht, VO ., m,n»tl„ A.7S »irrreltthrl. B«i unirr» AUtal«» ». »nnaymiftellen ad-«h»U, 7» T mdmitl.. »U»L -irrt-ltÜrl. v««» -» Go«! »nirhald Druilchland« »nd d«r »«atichr» Kolonien «rriellthrl. 8.40 ^U, movati. täiv ^0 au»Ichi. Poftdeltellgeld. gerne« ,» «-lgiin, Dtn«n>»rl. den Donaustaatea, Jtalieo, Luremdura. Nieder lande. Dior» wme» Oeyerritch. llnzarn, HiutzianL, Schweb«», Schn»«» ». Kpa»i«n. An «2«» tdnar» Staat«» «ai dtr«v durch X» »ch»att,ii«ll« da, vlatte« erhtltNch. Da» Lelv»ia«r La^dlat» erfch««»« wLch«»»- Uch > a>al »»» Ma« atorarn«. Ui>an»em«ar-Snn«y»« > >ngo<t»1pl»H 8, d«l un>er«n Drügera. sftl taten, Spediteur«» »nd Sanahmeftellr», sonn« PoMmter» a»d vrteftrLgrrn. Dt» «Ui»»l»r R»maier koket U» Nebaktto» »nd OrkchäfKkrL« Johanni«,-sse 8. Jerawr«ch«r> 140SL 1««^, 14SVL nBigrrTagthlalt Handelszeitung Amtsblatt -es Nates und -es Nolizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Anzeigen-PrciS Ikr Inserate au« Leipzig unr- llni-e 'un- di« 8,«spalten« Pe«il»eile '8d 8^ iinangelte Au»rigen80 8tz lXeName« I »«« ausioLn« 80 8Z ÄeNamen I.Lt uK: »om Ausland LOch, finant. Anzeige» 7b<ch> Reklamen l^l) ^ss. Inserates.Behdrdrn >m amtlichen Teil 4081. Brilagegedübr i> P. Tausend epkl. Bost- ,evühr. Eeschülleanzelgen an bevor»»,«». Stelle ,m Preise erhöht. Rabat« nach Lari gesterteilte Aultrjgr künnen nicht »uruck- ge»ogen werden. Aür da« i> rschetnen an dcltimmten Tagen und Plätzen wird kerne Garantie übernommen. Au,eigen. Annahme: Auguiiutplatz X, bei sämtliche» Filialen u. allen Annoncen- iklpeditionen der In- und Ausländer. Pauvt-Filiale verltn: i«r! Duncker, Herzog!. Payr. Hosbuch- handlung, Lützowstrabe 10. (Telephon VI. Ar. 4008). Haupt-Ailtale Dre-den: Seckiralle 4, l (Telephon 4881). Nr. II«. Mittwoch 21. April 1909. 1V3. Jahrgang. Das Wichtigste. * Reichskanzler Fürst Bülow hielt am Dienstag bei dem Empfang zahlreicher Abordnungen aus dem Reiche, die aus rasche Erledigung der Jinauzreform hinwirken wollten, eine bemer ke n s w e r t e R e d e. tS. d. des. Art.) * Der Reichstag trat am Dienstag wieder zusammen und be handelte Petitionen. Eine längere Debatte entspann sich um die Verlängerung des Oktroirechts der Städte. sS. Neichstagsbcr.) * Vor der 4. Strafkammer des Landgerichts I in Berlin wurde am Dienstag der Prozeß Harde n—-M oltke wieder ausgenom men. Der Oberstaatsanwalt beantragte eine Geldstrafe von KOÜ Mark gegen Harden. Das Gericht erkannte dem Antrag des Staatsanwalts gemäß. sS. d. bes. Art.) * Herr von Holstein, der ehemalige Direktor im Auswärtigen Amt ist in seiner Berliner' Wohnung bedenklich erkrankt. * Die Bukarester Blätter besprechen in begeisterten Artikeln den Besuch di-s deutschen Kronprinzen in der rumänischen Hauptstadt. sS. Letzte Dep.) * Wie aus Konstantinopel gemeldet wird, hat der Sultan auf dringende Vorstellung des gesamten Kabinetts nach anfänglichem Weigern schließlich in die Abdankung eingewilligt, wenn sein Leben garantiert wird. Die aus Saloniki er wartete Antwort dürfte bereits eingetroffen sein und bedingungslos lauten. Abdul Hamids Nachfolger wird Prinz Reschad Effendi, der als Mohammed V. den türkischen Thron besteigt. — Konstau- tinopel soll in Flammen stehen. sS. d. bes. Art. 2. Beilage u. Letzte Dep.) * Bei dem Blutbad in der türkischen Stadt Adana in Kleinasien sind övOO Menschen getötet worden. sS. d. bes. Art.) * Mil der erfolgten Unterzeichnung d>:s türkisch-bul ¬ garischen Protokolls hat die türkische Regierung die Unabhängigkeit Bulgariens anerkannt. sS. Letzte Dep.) * In Pi-tersburg zirkulieren Gerüchte, daß Montenegro demnächst zum K ö n i g r e i ch erhoben werden soll. Die Beaintenbervegriirg. Wilhelm der Zweite hat einmal in einer Rede gesagt, seinen Vor fahren sei die Begabung drrliehen gewesen, volkstümliche Bewegungen früh zu erkennen und sich dann an ihre Spitze zu stellen. Nichtig ist jedenfalls, daß diese feine politische Witterung, dic'e vorurteilsfreie Energie ein wesentliches Element der staatsmännischen Leistung ausmacht. Zumal ist dies in einer Zeit der Fall, in welcher die Masse einen gesteigerten Einfluß aus übt. Wir leben in einer Periode, die im Zeichen der Solidarität steht. Spiclhagens Roman „In Reih' und Glied" ist heute, nach beiläufig vier zig Jahren, wieder aktuell. Die Regierungen haben jetzt also m:hr denn je die Pflicht, eifrig in die Ferne zu spähen und entstehende Bewegungen rechtzeitig in das wohlzementierte Bett zu leiten, in welchem der breite Strom des nationalen,Lebens ruhig und majestätisch dahinflutet. Diese Pflicht tritt deshalb mit besonders ernster Forderung an sie heran, weil wir im westlichen Nachbarreiche wahrnehmen, wie dort den Dämmen, die der Staat gegen die Wogenmassen der unzähligen, korporativ zu sammengefaßten Einzelegoismen errichtet hat, jähe Vernichtung droht. Tie leitenden Männer müssen die Fähigkeit besitzen, eine einsichtig,; Diagnose za stellen und das Zufällige vom Tiefbegriindeten zu unter scheiden. Ohne diese Fähigkeit werden sie nicht erkennen können, wo Reform, wo Repression nottut, und sie werden planlos hin und her tasten. Diese Betrachtungen sind nicht aus Lust am Philosophieren ent standen: sie entstammen einem ganz aktuellen Anlaß. Vor kurzem hat ein Richterverein in Berlin seine erste — konstituierende — Versamm lung abgehalten, und jetzt ist ebendaselbst der Erste deutsche Beamtentag zusammengetreten. Auch von der Gründung eines Beamtenwahlvereins wurde berichtet, der darauf hinwirken soll, daß die Interessen der Be amten künftighin in den Parlamenten energischer als bisher wahr genommen werden. Der Bund der Landwirte hat Schule gemacht. Wir erblicken hier die Anfänge einer Bewegung, die — je nach den Bahnen, in die sie geleitet wird — höchst segensreich oder höchst gefährlich werden kann. Die Teilnehmer an der Versammlung werden auf zehntausend geschätzt. Ein Vertreter t»er Regierung aber war nicht zur Stelle. Man kann nicht anncbmen, daß die preußische oder irgendeine andere Regierung verblendet genug sein sollte, um die Beschlüsse einer solchen Versammlung als eine quantite nSxlixoabls zu betrachten. Eher werden die zuständigen Behörden zu der Ansicht geneigt sein, daß die Debatten ihnen schwerlich etwas Neues zugänglich machen könnten. Sie würden dann die Bedeutung der Imponderabilien erheblich unterschätzen; cs ist keineswegs unwichtig, die Stimmung einer solchen Versammlung zu beobachten und sie auf ihren staatserhaltendcn Goldwert und ihre oppo sitionelle Legierung hin zu untersuchen. Auch darf sich eine kluge Re gierung nicht von vornherein ausschalten, darf nicht den Schein hoch mütiger Indifferenz erwecken. Sie darf auch nicht, wie dies Wohl ge- schieht, um ihre Würde bangen. Die Gegenwart eines Vertreters der Regierung wirkt immer besänftigend und wenn wirklich einmal ein Heißsporn über die Schnur haut, dann mag der Repräsentant der Staatsmacht sich lächelnd sagen: „Ich mag es gerne leiden, wenn auch der Becher überschäumt." Zudem sind ja die Beamten schließlich für den Bürger da, auch wenn diese Bürger, wie im vorliegenden Fällig Beamte sind. Wir meinen also: zu derartigen Versammlungen sollte ein Geheimrat entsendet werden, gleichviel, ob die Tendenz der Ver sammlung „oben" gebilligt wird oder nicht. Schlimm ist es, wenn die Regierenden sich angesichts sozialer Neu bildungen nicht aus ihrer Passivität aufzuraffcn vermögen; schlimmer, wenn sie, wie cs jetzt in Oldenburg geschieht, durch Rückständigkeit und Willkür die kaum gebildete Phalanx in eine ursprünglich gar nicht bcab- sichtiate Offensive hincindrängen. Dort ist dem Seminaroberlehrer Pfannkuche, dem Regicrungsasseisor Dr. Stöver und dem Pastor Wöbcke der Rat erteilt worden, sich aus dem politischen Lebeii zurückzuziehen, und es ist ferner den Reiseschülern des Seminars im besonderen Auf trage des Großherzoas nahegelegt worden, sich jeder politischen Tätigkeit zu enthalten. Die Aufforderung des Historikers Lamprecht, „die Gesellschaft zu politisieren", ist in Oldenburg nicht auf fruchtbaren Boden gefallen. Der Oberlehrer Pfannkuche ist freisinnig, Assessor Tr. Stöver nationalliberal, Pastor Wöbcke agrarkonseroativ. Man muß also der oldcnburger Regierung das Zeugnis ausstcllen, daß sie die Parität zu wahren versteht. Eine andere Frage ist es, ob auch die Vorschriften der Verfassung gewahrt bleiben, wenn einem Staatsbürger lHerrn Pfannkuche) für die Betätigung seiner politischen Gesinnung „unliebsame Folgen" angekündigt werden, und wenn einem andern lHerrn Dr. Stöver) eröffnet wird, er habe nur dann Aussicht auf weitere Beschäftigung im Staatsdienste, wenn er auf jede politische Betätigung verzichte. Wir glauben, daß die öffentliche Meinung Deutschlands die hohen Herren von Oldenburg nötigen wird, ihre An sichten einer durchgreifenden Nachprüfung zu unterziehen. Anderseits können wir den Beamten nur empfehlen, sich nicht durch eine allzu schroffe Tonart die nationalen Sympathien zu verscherzen. Dem preußischen Herrenhause wurden „Machenschaften" vorgeworsen, dem Abgeordnetenhause „beleidigende Interesselosigkeit". Der auf Herrn v. Oldenburg gemünzte Ausruf: „Verhaut ihn!" wird mit stür mischem Beifall ausgenommen. Drohend deklamiert ein Redner: „In Zukunft werden wir nicht mehr betteln, sondern fordern. Die Be soldungsvorlagen sind nur Abschlagszahlungen." Professor Löning wurde heftig angegriffen, weil er gesagt habe, die Beamtenschaft befände sich auf einer schiefen Ebene. Die Beamten werden dieses Wort am besten dadurch »ck »bsunckrun führen, daß sie sich einer weisen Mäßigung in der Form befleißigest; ihre Sache kann durch eine solche nur gefördert werden. An einer — wenn auch nur red nerischen — Flirtation mit der Sozialdemokratie und einer Nachahmung „berüchtigter Muster" wird die Beamtenschaft selbst keinen Geschmack haben. , Reichsfinanzreforin und Reichskanzler. Am Dienstagnachmittay hat Reichskanzler Fürst Bülow verschiedene Abordnungen aus all>:n Teilen des Reiches empfangen, die gekommen waren, um auf eine beschleunigte Erledigung der Reichssinanzresorm zu drängen. Aus Baden, Württemberg, Bayern, Thüringen usw. Ware» Vertreter aller Stände, Berufe und staatserhalt.'nden Parteien versam- melt zu einer mächtigen Kundgebung. Es liegen darüber folgende Mel dungen vor: Die Adresse der Deputation aus dem Königreich Sachsen wurde von Professor W u t t k e - Dresden verlesen. Sie lautet : Euere Durchlaucht ersuchen wir, beifolgende Eingabe sächsischer Männer aller Schichten des Volkes und aller staats erhaltenden Parteien entgegennehmen zu wollen. Mit Be sorgnis, die sich von Woche zu Woche gesteigert hat, sind wir den Ver handlungen des Reichstages gefolgt. Eine kostbare Zeit ist ohne greif bare Ergebnisse verstrichen. Durchlaucht, wir sind überzeugt, in ernster Stunde vor Ihnen zu stehen. Tas alte Deutsche Reich bat unter mangelnder Opserwilligkeit seiner Stämme unberechenbaren Schaden genommen. Wir haben aus der Vergangenheit gelernt und hoffen, daß jene Zeiten vorüber sind. Das sächsische Volk, ein Volk der Arbeit in der Industrie, dem Handel und der Land wirtschaft, ist bereit, schwere Opfer für das Reick zu bringen. Unsere sächsische nationale Arbeiterschaft will die^neueu indirekten Steuern tragen und die besitzenden Stände Sachsens, welcher Partei sie auch angehören, treten fast ohne Ausnahme für eine Erbschaftsbesteucrung ein. Durchlaucht, zu Ihnen, als dem Hüter der Reichsversassung, haben wir das Vertrauen, daß die finan zielle Selbständigkeit der Bundesstaaten gewahrt bleiben wird, und ferner, daß die Reichsregierung nicht eher nach gibt, als bis ihr die notwendigen Mittel bewilligt worden sind. Die schweren politischen Stunden, die wir in der jüngsten Ver gangenheit erlebt haben, fordern gebieterisch wie ein militärisch , so auch ein finanziell gesichertes Deutsches Reick, unter dessen Schirm wir arbeiten, und das in alter Kraft und Stärke weiter wachsen und gedeihen möge. Auf diese Ansprache erwiderte der Reichskanzler: Meine Herren! Sic haben sich vereinigt, um mir als dem obersten Beamten des Reiches durch Adressen und mündliche Aussprachen Ihre Sorge um die Reichsfinanzreform kundzumachen. Damit treten Sie aZsWortführer und Vertrauensmänner weiter Schichten des deutschen Volkes auf. Sie sind hier nicht erschienen als Sprecher bestimmter Parteien, weil Sie mit mir und allen, denen das Wohl des Vaterlandes am Herzen liegt, die Reichsfinanzreform nicht als eine Parteifrage betrachten. Sie wollen vielmehr Ihre Kundgebung angesehen wissen als eine Mahnung an die Parteien, sich mit dem Gedanken der nationalen Notwendigkeit dieser Reform noch mehr als bisher zu erfüllen, und sich von der Einsicht in diese harte Notwendigkeit hin- wegtragcn zu lassen über Zögerungen, Bedenken und Differenzen. Ich sehe aber auch in Ihrer Kundgebung wie in den zahllosen Kund- gedungen der letzten Wochen eine Reaktion des Volkswillens gegen die Versuche, den Bedürfnissen des Reiches und der BolkSgesamt- heit das Interesse bestimmter Gcwerbezwcige — ich denke vor allem an den Tabakverein — entgegenzusetzen. Versuche, die zum Teil mit einem an Terrorismus grenzenden Druck geltend gemacht worden sind, und gegen welche, wie ich sehe, die von den Herren aus Bayern überreichte Adresse mit gebotener Entschiedenheit Stellung nimmt. Wir haben ja von allen Seiten gehört, wie die Vertreter dieser Interessen die Oefsentlichkeit mit ihrem Widerspruche erfüllen und immer wieder erfüllen daß man sie, gerade sie, unter allen Umständen schonen soll, wo doch Ansprüche an die Opserwilligkeit des ganzen Volkes ge stellt werden müssen. Es bereitet mir eine wahre Genugtuung, zu sehen, wie sich das öffentliche Gewissen dem Einreißen solcher Unsitten entgegenstemmt Und ich fühle mich dadurch gestärkt in meinem Vertrauen in dem guten Geist des deutschen Volkes, der auch diesmal in dieser die Zukunft unseres Volkes so tief angehenden Frage nicht vergeblich angerufen worden ist. Auch ich bin mit den Herren aus Sachsen der festen Ueberzeugung, daß unser Volk aus der Misere der Vergangenheit gelernt hat, daß cs die Kraft des Reiches nickt, wie in jenen alten Zeiten, ge lähmt wissen will durch die finanzielle Ohnmacht, die die Ohnmacht aller staatlichen Betätigung bedeutet. Ein Volk, das lyje das unsere, an Schaffenslust sich von keinem anderen übertreffen läßt, kann auch vor schweren Opfern nicht zurückschrecken, wenn es gilt, sich die Schassens möglichkeit zu sichern durch eine finanziell gesicherte Reicksgewall. Mit N:cht drängen Sie, meine Herren, auf cine rasche und gründ liche Erledigung der Reichsfinanzreform. Es ist der einmütige Wille der verbünoeten Regierungen, die Lösung der Frage noch in dieser Session des Parlaments herbeizuführcn. Der Reichstag wird nickt auÄeinandergchen, bevor er endgültig zur Finanzreform Stellung ge nommen ha:. Wie soll die Reform sich im einzelnen gestalten? Die Herren aus Thüringen halten, wie ihre Adresse betont, nach wie vor die Vorschläge der verbündeten Negierungen für eine im großen und ganzen geeignete Grundlage zur Verständigung. Auch ich, meine Herren, habe mich von dieser Zuversicht nicht abbr:ng<?n lassen und bin gerade durch den Gang der Erörterungen im Reichstage und in der breiten Oefsentlichkeit mehr und mehr darin bestärkt worden. Gewiß werden die verbündeten Regierungen sich nicht auf jedes Stück ihrer Vorlage versteifen. Nachdem sich leider ergeben hat, daß über die Besteuerung von Gas, Elektrizität und Inseraten keine Mehrheit zu erlangen ist, so werd:» die verbündeten Negierungen diese Vor lagen fallen lassen müssen. Für die Lücke muß Ersatz geschaffen werden. Ich bin zwar heute noch nicht in der Lage, hierüber bestimmte Mitteilungen zu machen, habe aber dahin gewirkt, daß sich die verbün- deten Regierungen in den allernächstenTagen endgültig über die Stellung schlüssig machen, die sie zur Frage der Ersatzsteuer für die zweite Lesung im Reichstag einnehmen wollen. An den leitenden Ge- danken und an den Hauptstücken des großen Werkes aber halten die ver bündeten Regierungen fest. Man hat in den letzten Wochen vielfach ge hört, eine Hauptfrage bei der Finanzreform bilde das Problem, die Linke in Sachen der Branntweinbesteuerung und die Neckte in Sachen der Erbschaftsabgabe nmzustimmen. Gewiß war es ein Fehler, den Vorschlag der verbündeten Regierungen betreffend den Zwischenhandel des Reiches mit Branntwein a limäno abzulehnen. Mehr und mehr zeigt die Debatte, daß hier der von der Negierung vorgeschlagcne Weg am besten zum Ausgleich führt zwischen den finanziellen Interessen des Reichs und dem Jnrer- esie der Produzenten. Die doktrinäre Verfechtung eines Prinzips kann uns hier nicht weiterbringen. Das Schlagwort wider alles Monopol verliert seine Bedeutung im Zeitalter der Kartelle und Trusts. Heute darf die Parole nicht lauten: Für unbedingte Gcwerbesrciheit und gegen das Monopol! Sie hätte lauten sollen: Für das Staatsmono pol st att des Privatmonopols! Für das Staatsmonopol, das hundert Millionen Mark, wie wir als Stcuerertrag vom Branntwein allseitig erwarten, am schonendsten aufbringen kann, die sogenannte Liebesgabe beseitigen und allen Interessen gleichmäßig gerecht werden würde. Und wie steht es mit dem Ausbau der Erbschastsabgabcn? Hier ist es nicht so sehr die Betrachtung der realen Tatsachen gewesen, die große und angesehene Kreise im Lande zu ihrer bisherigen ablchnen- den Haltung veranlaßt hat, vielmehr haben Besorgnisse herein gespielt, die sorgfältigen Erwägungen nicht standhalten sollten. Ick gebe die Hoffnung nicht auf — und Ihre Kundgebung be stärkt mich hierin —, daß auch die Landwirtschaft erkennen wird, daß sic sich mit der Ausdehnung der Erbschaftsbesteucrung wird abfinden können. Ans der Nach laß steuer werden die verbündeten Regierungen nicht bestehen. Da aber der Besitz nach fast allgemeinem Uebercinstimmen in der Höhe des aus der Nacklaßsteucr veranschlagten Betrages an den neuen Steuern beteiligt sein muß, und eine andere ge rechte, zweckmäßige und gleich ertragreiche Bcsitzsteuer mit besserer Aus sicht aus Annahme im Reichstage zurzeit nicht 'oorgcschlagen werden kann, so müssen wir an der Ausdehnung der Abgabe auf die nächsten Verwandten in der Form einer Erbon'allstcucr festhalten. Auch der Landwirtschaft nahestehende Autoritäten geben ja zu, daß die vorgeschlagcncn Sätze ertragen werden können, und daß die landwirtschaftlichen Interessen sckon in den Regierungsvorschlägen berücksichtigt worden sind. Werden doch zwei Drittel bis drei Viertel der deutschen Landwirte von der Steuer über haupt nickt betroffen. Die Landwirtschaft sollte aber auch nicht ver gessen, daß sie unter einer Regierung lebt, die mit der größten Gewissen hastigkeit ihre gesamten Inter es sen fördert und am Herzen trägt. Ich periönlich nehme es durchaus nickt leicht, in dieser Frage mich im Widerspruch zu manchen alten Freunden zu befinden, aber auch nach reiflicher Erwägung kann ich von der Auffassung nicht abgehen, daß die erweiterte Erb jchafts st euer ein Opfer an konservativen Grundsätzen nicht involviert. Ich begrüße es, daß große Teile der konservativen Partei zu derselben Auffassung gelangt sind, und verweise dafür auf die Beschlüsse der k o n - äervativen Partei in Sachsen. Ich meine auch, daß die Stimmen anS dem Mittelstände bei der Rechten des Reichstages nicht unaehört verhallen sollten. Keineswegs aber vermag ich die Be denken zu teilen, daß ein aus allgemeinen Wahlen hervorgegangencS Parlament, wie der Reichstag, gerade mit der Erbschaftssteuer Unheil stiften könne. Solange die Sozialdemokratie nicht Bundesrat und Reichstag be herrscht. so lange besteht nicht die Gefahr konsiskotoriscker Ausbeutung dieser Steuer. Sollten aber einmal die Sozialdemokraten die Ge schäfte in die Hand nehmen — in dem nächsten Jahrhundert wird man das nicht erleben —, so würden die Herrschaften daran glauben müssen, ob die Sozialdemokratie die Deszcndcntenbcsteucrung vorfändc oder nicht. Mit dem Vorwurf des Sozialismus soll man unS nicht kommen; vor dem brauchen wir uns so wenig zu fürchten, wie es Fürst Bismarck tat. Ich lebe also der Ueberzeugung: Was in den verschiedensten Län dern der Welt, wie in den Hansestädten und Elsaß-Lotbringen, in den deutschen Kantonen der Schweiz, in Oesterreich-Ungarn, in England, in Frankreich in jahrzehntelanger Uebung zu keinem Mißstand und zu keiner Erschütterung des Familiensinnes geführt hat, das wird auch in Deutschland, wenn sich die Wogen gelegt haben, als eine erträgliche Steuer angesehen werden und spätere Generationen werden die Erregung unserer Tage in dieser Hinsicht kaum noch be greifen können. Aber mit der Branntwein- und Erbschastsstcuersrage ist es nicht getan. Dast das Bier tW Millionen mehr bringen muß. darüber ist man allgemein einig. Und was den Tabak betrifft, so wird es trotz aller Agitationen dabei bleiben, daß alles, was der Tabak- Verein in diesem Falle gefehlt hat, wieder gut gemacht werden muß durch einen Gesetzentwurf, der dem sozialen Eharakter der Steuer vorlage Rechnung trägt, den Wohlhabenden höher belastet als den Un- bemitwlten und der Staatskasse den Betrag von 75 bis KO Millionen mit Sicherheit zuführt. Ich brauche es kaum auszuiprechcn, daß ick auch mit Ihrem Verlangen bezüglich der reinlichen Scheidung
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