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Sächsische Radfahrer-Zeitung : 05.02.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-02-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Universitätsbibliothek Leipzig
- Digitalisat
- Universitätsbibliothek Leipzig
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1683809971-189802055
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1683809971-18980205
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1683809971-18980205
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- teilweise Textverlust (fehlende Ecken)
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungSächsische Radfahrer-Zeitung
- Jahr1898
- Monat1898-02
- Tag1898-02-05
- Monat1898-02
- Jahr1898
- Titel
- Sächsische Radfahrer-Zeitung : 05.02.1898
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Die beiden Arrestanten. Humoreske. (Zur Preisbewerbung.) och droben im Erzgebirge wanderten an einem Herbstnaehmittage zwei einsame Fussgänger die steile Waldstrasse aufwärts, die in mannigfachen Windungen über Rittersgrün und Tellerthal dem Kamme des Gebirges zustrebt, um auf der anderen Seite an schräger Berglehne sieh hinab in das Städtchen Wiesenhäuser zu senken. Die festgeschnürten Bündel auf den Rücken der Wanderer, die wuchtigen Knotenstöcke, die träumerischen Cylinderhüte, die in bedenklicher Formverachtung bereits das Aussehen eines Ziehharmonikabalges angenommen hatten, die ausge franzten Beinkleider und endlich das Schuhwerk mit den zweifelhaften Luftlöchern liessen unschwer erraten, zu welcher Gruppe von Wanderern diese beiden gehörten. ,,N’ poweres Jebirje, dieset Erzjebirje,“ begann der eine. „Ville Beeme und wenig Menschen! Ick jloobe nich, dass wir heute noch uff en Dorf kommen, in dem wir übernachten können. Et is det beste, wir machen uns en kleenet Feierchen an in diese Wildnis und schlafen bei Mutter Jrün! Et jiebt ’ne jreuliche Kälte diese Nacht!“ „Das iseh verböte. Wenn numme kei Förschter chimmt.“ „Lass ihn man kummen! Mit die Jrünröcke werde ick janz alleene fertig. Lass ihn man kummen!“ Gesagt, gethan. Die beiden unternehmenden Wanderer gingen etwa hundert Schritte waideinwärts, suchten trockenes Reisig zusammen und zündeten es an. Sie legten sieh um das Feuer und liessen die Glut mit Behagen auf sich wirken. „Nu sind wir Indianers!“ begann der Berliner. „Ein freies Leben führen wir, ein Leben voller Wonne! Dir jefällt wohl dieset Leben nicht? Du machst ’ne Visasehe, wie een Karnickel, det in ’ne Zitrone jebissen hat.“ „Sell isch a schmierige G’schicht’n!“ meinte der andere missmutig. „Na, denn lass dir inpökeln, Jenosse Schwabe!“ Der Schwabe sagte nichts. Augenscheinlich hatte er nicht die geringste Empfindung von dem Hochgenuss, den ein Nacht lager im Freien in kalter Herbstnacht gewährt. Der musika lische Gefährte sang unterdessen mit gedämpfter Stimme sein Räuberlied weiter: „Und haben wir im Traubensaft Die Gurgel ausgebadet —“ „Kreuz-Schock-Millionen-Donnerwetter — was für eine heil lose Wirtschaft i$t das hier!“ erschallte es urplötzlich mit Donnerstimme durch den nächtlichen Wald; Zweige krachten unter gewaltigen Fusstritten, und vom Dunkel des Waldes löste sich eine mächtige Gestalt, die direkt auf die verdutzten Wanderer zuschritt. Dem Berliner war der Traubensaft in der ausgebadeten Gurgel stecken geblieben, und der Schwabe murmelte wie einer, der sich im Geiste schon am Galgen hängen sieht: „I hett’s g’seit — seil isch a schmierige Geschieht’n!“ „In drei Teufels Namen — was soll denn das heissen?“ wetterte der Förster weiter, der nun ganz nahe heran- geko'mmen war. „Det is det Nachtlager vuu Jranada,“ meinte der Berliner im erwachenden Gefühle reichshauptstädtischer Überlegenheit. „Ich will euch Hallunken schon benachtlagern! Auf gestanden und sofort das Feuer ausgetreten!“ „Jeht nich,“ sagte der Berliner halb wehmütig, halb schadenfroh. „Wenn det Feier direktemang bei die Füsse kommt — det jiebt ’nen brenzlichen Jerueh!“ Und diese Bedenken waren durchaus gerechtfertigt. Denn das Feuer konnte wohl der Förster mit seinen gewaltigen Winterstiefeln austreten, nicht aber ein reisender Handwerks geselle mit den leichten, vielfenstrigen Sommerschuhen von der Art derer unserer beiden Touristen. Nachdruck verboten! lassen wollen? „Der Klüjere jiebt nach,“ dachte er bei sich. „Komm, Jenosse Schwabe, bezähme deine Thräne — der Mutige jeht tapfer einen Schritt zurück!“ Er fasste seinen Freund unterm Arm, und nun wanderte das Paar aufwärts, gefolgt von dem hartherzigen Förster mit dem gefährlich blinkenden Hirschfänger und der unheimlichen Doppelflinte. In Tellerthal angekommen, übergab der Förster seine beiden Gefangenen dem Gastwirt und Gemeindevorstand Poller, der ihnen einen dunklen Raum unter der Tenne der Scheune als Schlafkabinett für die Nacht anwies. Am nächsten Morgen sollten die beiden unglücklichen Naturfreunde nach Wiesen häuser zum Oberförster zurGewärtigung ihres weiterenSchicksals befördert werden. Nachdem der Förster seinen Arrestanten dieses Programm eröffnet und ihnen zur Stärkung für zehn Pfennige Kornschnaps, für zwölf Pfennige Käse und endlich zwei Pfund Brot bewilligt hatte, verliess er sie mit den Worten: „So, nun verhaltet Euch ruhig! Ich werde Euch helfen, auf einem Königlichen Staatsforstreviere Feuer anzuzünden! Gute Nacht!“ „Jestatte mich erjebenst, jehorsamst jute Nacht zu wünschen,“ bemerkte der Berliner mit artiger Verbeugung. „Guet Nacht!“ murmelte der Schwabe. Als der Förster sie verlassen hatte, setzten sie sich nieder auf das Stroh und begannen, ihr einfaches Abendbrot zu ver zehren. Diese Thätigkeit war bald zu Ende. „Nu wollen wir uns en bisken hinhauen un Kräfte sammeln für det morgije Tagewerk. Ick freue mir — et jiebt dies ’ne Abwechslung!“ „Wär i doch bliebe, won i gsi bi, deheim bi’m Muetterli — seil isch do a schmierige Geschieht’n.“ Die Nacht verrann. Krähhahn der Waldarbeiter, eine robuste Gestalt, hatte den Befehl erhalten, die beiden Arre stanten nach Wiesenhäuser zu befördern. „Hütet Euch, Krähhahn,“ hatte der Förster gesagt, „Euch mit den beiden Fremden in Gespräche einzulassen. In Wiesen häuser schafft Ihr sie zum Herrn Oberförster und meldet ihm, dass ich die beiden Männer beim Feueranzünden im Walde angetroffen hätte. — Getraut Ihr euch, die beiden allein zu transportieren? Sonst schicke ich Euch noch einen Mann mit.“ „Naa, Herr Färsehter, mit dann zwee Ziemern waar iech ganz allaa fertig!“ „Meinetwegen; aber neunundneunzig Millionen kurländische Donnerwetter sollen Euch in den Magen fahren, wenn Ihr den Auftrag nicht ordentlich ausrichtet!“ „Hohmse när kaa Sorg, Herr Färsehter, iech waar mei Sach sehn machen!“ Krähhahn begab sich zum Gemeindevorstand, um die Ge fangenen in Empfang zu nehmen. Sie entstiegen ihrem dunklen Gelass und schauten fast belustigt auf den Mann, mit dem sie die Reise anzutreten hatten. Gleichzeitig ward es aber dem Berliner auch klar, dass ein Schlag von solcher Waldarbeiter faust auch dem dicksten Schädel zu schaffen machen könnte. „Morjen!“ sagte der höfliche Berliner. „Guete Morge!“ begann auch „Jenosse Schwab“. „Jestatte mich,“ wandte sich der Berliner an den Wirt, „nach die Rechnung zu fragen: Ein Zimmer mit Bedienung und Abendbrot — Feuerung jab et wohl nich —?“ „Das kost heit nischt,“ sagte der Vorstand wohlwollend. „Sehr verbunden,“ antwortete der Berliner herablassend. Das sichere, höfliche Wesen des schlauen Preussen im ponierte unserem Krähhahn ganz gewaltig. Er wusste nicht rocht, in welcher Weise er zum Abmarsch blasen sollte. Und von dem Strick, den er in der Tasche hatte und mit dem er die Gefangenen zu fesseln gedachte, getraute er sich gleich gar nicht Gebrauch zu machen. Schliesslich aber ermannte er sich und begann: „Ruhe!“ donnerte der Förster, während er die glimmen den Reiser austrat, dass die Funken nach allen Seiten stoben. „Det war een kurzes Jlick!“ summte elegisch der Berliner. „So!“ sagte befriedigt der rauhe Waldmensch, nachdem er den letzten zitternden Funken zertreten hatte. „Und nun allons! Marsch!“ kommandierte er. Was hätte es dem Berliner helfen können, wenn er sich Lut dem Barbaren in längere Auseinandersetzungen hätte ein- „Na, komme Se, well m’r sich fortmachen!“ Die Arrestanten liessen sich rasch noch ihre Flaschen mit einem stärkenden Feuerwasser füllen, und dann setzte sich der Zug in Bewegung. Während Krähhahn so hinter den flüsternden Handwerks burschen einhersehritt, kamen ihm allerlei sonderbare Gedanken. Es wäre doch besser gewesen, wenn er noch einen oder zwei Mann mitgenommen hätte. Denn wenn auch der eine wenigstens
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