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Sächsische Radfahrer-Zeitung : 05.02.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-02-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Universitätsbibliothek Leipzig
- Digitalisat
- Universitätsbibliothek Leipzig
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1683809971-189802055
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1683809971-18980205
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1683809971-18980205
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- teilweise Textverlust (fehlende Ecken)
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungSächsische Radfahrer-Zeitung
- Jahr1898
- Monat1898-02
- Tag1898-02-05
- Monat1898-02
- Jahr1898
- Titel
- Sächsische Radfahrer-Zeitung : 05.02.1898
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ein sehr höflicher Mensch war, so konnten sie doch leicht im Walde ihn totsehiessen, ihm das Geld abnehmen und dann ausreissen — brr — das waren trübe Aussichten. Hierzu kam das unheimliche Flüstern der beiden — auf alle Fälle beschloss er, sehr vorsichtig zu sein. Als das merkwürdige Kleeblatt die Grenze von Teller thal überschritten hatte und in den Wald eingetreten war, wandte sich der Berliner an seinen Aufseher: „Det is n’ schöner Wald!“ „Dos stimmt, dos ist ein scheener Wald,“ sagte Krähhahn, der glaubte, in seiner Eigenschaft als Gefangenentransporteur sich der hochdeutschen Sprache bedienen zu müssen, es aber nur halb fertig brachte. „Jammerschade, dass dieset Wäldchen nich bei die Reichshauptstadt steht, da wäre et noch ville jrossartiger!“ „Sie sein wühl doher?“ fragte Krähhahn ehrerbietig. „Jewiss, direktemang aus Berlin — war’n Sie schon 'mal in Berlin?“ „Nein,“ antwortete Krähhahn, „aber 'ne Karlsfelder Pfarrer sei Fraa stammt dorther, un die hot viel dervu erzählt.“ „Kennen wir, kennen wir janz jenau — ’ne nette Frau!“ Krähhahn staunte. „Su wos!“ meinte er. „Ja, Berlin! Det müssten Sie sieh 'mal ansehn! Die ville Häuser, die jeputzten Menschen“ (hier warf Krähhahn einen zweifelnden Blick auf das Kostüm des Sprechers), „un dann der Kaiser mit die Prinzen un det Militär, un die jrossen Schiffe auf die berühmte Spree — det müssten Sie sieh 'mal änsehn.“ „Giebt’s dä in Berlin auch Schiff’?“ „Na un ob! Auf die Schiffe is een Leben wie uff die Tanzsäle: Viel Verjnüjen, viel Jeld, Rum, Tabak, un den janzen Tag bummeln. Manchmal jiebt’s aber ooch eens mit det Tau-Ende, un det is een zweifelhafter Jenuss.“ „Wos is dä dos?“ fragte Krähhahn. „Det Tau-Ende, det is ’t Ende von’s Tau, det is ’n j rosset- Strick, wo die Schiffe mit anjebunden wer’n.“ „Ieeh dacht’, die weern mit ener Kette angehängt,“ warf Krähhahn dazwischen. „Nich in de Hand! Die wern anjebunden. Da wird een sojenannter Schifferknoten jemacht, ick wäre Ihnen 'mal eenen zeijen. Jenosse Schwabe, hast Du vielleicht ein bisken Bind faden bei Dich?“ „I han kei Bindfade — seil isch a schmierige G’schicht’n!“ „Warten Se amol, ieeh ho a Strick! bei mir!“ rief Kräh hahn rasch. Er zog dasselbe aus der Tasche und reichte es dem Berliner. Darauf hatte dieser nur gewartet. „Nun kann ’t losjehen.“ Er nahm den Strick und band ihn um den Oberkörper des aufmerksam zuschauenden Wärters, so dass die Arme fest am Körper herabhingen. Dann schlang er den Strick durch die Beine hindurch und schnürte diese fest zusammen. Zum Schlüsse machte er noch einen kräftigen, mehrfach verschlungenen Knoten und sagte: „So, det is der berühmte Schifferknoten. Wenn die Schiffe mit solche Knoten anjebunden sind, denn können sie sich nich wieder frei machen. Versuchen Sie man, ob Sie fortjehen können!“ Krähhahn versuchte es, doch bei der ersten Bewegung verlor er das Gleichgewicht und stürzte zu Boden. „Holla, man nich so unjestüm!“ ermahnte der Berliner höhnisch. „Nu bleiben Sie man hübsch liegen. Wir werden uns jestatten, die Reise ohne Bejleitung fortzusetzen. Adieu! Jrüssen Sie, bitte, den Herrn Förster und erklären Sie ihm, wie die Schifferknoten jemacht werden!“ Er lüftete höflich seine schwankende Behauptung und schritt stolz von dannen, wie einer, der das Bewusstsein hat, eine gute That vollbracht zu haben. „Do blieb i au nit dehinte — Gsegott!“ sprach der Schwabe und ging gleichfalls von dannen. Nach einigen Schritten wandte er sieh noch einmal um und sagte: „Gelt — des isch a schmierige Geschicht’n!“ Dann ver schwand er. Der so plötzlich seiner Freiheit beraubte Krähhahn war anfangs sprachlos vor Überraschung. Jetzt, nachdem seine Arrestanten davon waren, fand er die Sprache wieder. In allen Tonlagen, in allen möglichen Kraftausdrücken machte er seiner sittlichen Entrüstung Luft, und diese Entrüstung wuchs in dem Masse, in dem die beiden gott- und rechtsloseu Vagabunden in der Ferne verschwanden. Krähhahn versuchte jetzt, die Knoten zu lösen — vergebens. Es ist schwer, den Seelenzustand des unfreiwilligen Gefangenen zu schildern. Er war wütend über die Schlechtigkeit der Menschheit im allge meinen und dieser beiden Strolche insbesondere; er schämte sich über seine grenzenlose Dummheit; ihn quälte das Be wusstsein der groben Pflichtverletzung, endlich peinigte ihn die Ungewissheit, wie lange dieser unerträgliche Zustand noch dauern werde. Kurz, es kann nicht Wunder nehmen, dass er am liebsten Himmel und Erde, Mensch und Tier in Grund und Boden geschlagen hätte. Unterdessen marschierten die beiden Reisegefährten mit geschwellter Brust in den herrlichen Herbstmorgen hinein, immer die Strasse aufwärts, die sie nach Wiesenhäuser bringen musste. Da kam des Weges ein Radfahrer gefahren, dessen wgisse Mütze mit grünem Stern schon von weitem leuchtete. Er sog mit vollen Zügen die würzige Waldluft ein und bewunderte von seinem Stahlross aus die grossartige Landschaft, die sich vor seinen Füssen ausbreitete und in endloser Ferne in grauem Schleier sich verlor. Die Handwerksbursehen traten auf die Seite, und der Berliner rief dem langsam fahrenden Radler zu: „Da unten sitzt een Jüngling und jeniesst die Waldluft. Jriessen Sie ihn und fragen Sie man, ob er die Schifferknoten jelernt hätte!“ „Wird besorgt — Sachsen Heil!“ rief der Fahrer und sauste von dannen. Er war vielleicht fünf Kilometer gefahren, als er Kräh hahn in seiner wenig beneidenswerten Lage, halb aufgerichtet am Strassengraben, vorfand. Rasch stieg er vom Rad und ging näher. Sofort erkannte er, dass hier ein Gaunerstreich verübt worden war und er die aufgetragenen Grüsse besser für sich behielt. Mit wenig Worten hatte Krähhahn dem Radfahrer erzählt, wie er die vom Förster arretierten Brandstifter nach Wiesen häuser transportieren sollte, wie sie ihm von den Berliner Schiffen erzählt und ihn schliesslich mit dem Strick so fest gebunden hätten, dass er bei dem Versuch, zu gehen, hin gefallen sei. „Und wie ieeh nu dolog,“ schloss er, „wie der Zessig off dr Leiinrut, harn se miech rächt ausgelacht un sei fortgange!“ Der Radfahrer hatte, während Krähhahn erzählte, diesem die Fessel abgenommen. Gleichzeitig aber hatte er einen Plan entworfen. „Die Vögel fangen wir wieder!“ sagte er zu dem auf horchenden Waldmann, der sich die steifen Glieder rieb. „Ich werde jetzt zurückfahren und zwar die Strasse übers neue Haus; da überhole ich die beiden Strolche, ohne dass sie es wissen, denn die gehen doch sicher den geraden Weg über die Höhe. In Wiesenhäuser fahre ich sofort zum Polizisten und lasse sie festnehmen. Mittlerweile kommen Sie nach und können dann Ihre Schützlinge in Empfang nehmen.“ Krähhahn war glücklich über diesen Vorschlag. Mit aber gläubischer Scheu betrachtete er das merkwürdige Reitpferd, von dem er soviel gehört hatte, und das er noch niemals zu Gesicht bekommen hatte. „Wer när aa a setts Ding hett!“ meinte er. Der Radfahrer lachte. „Auf Wiedersehen in Wiesen häuser — Sachsen Heil!“ Fort war er. Mit verdoppelter Kraft trat er die Pedale, und bald hatte er das neue Haus, das den Höhepunkt der Strasse augiebt, erreicht. Wie der Sturmwind sauste er hinab in das im Thale winkende Städtchen. Das Auge des Gesetzes, der städtische Polizeidiener Gottlob Frühauf, war, wie gewöhnlich, zu Hause und hatte „zufällig“ keinen Dienst. Darum musste ihn unser Radfahrer sicher antreffen. In kurzen Worten hatte dieser dem Gensdarm beigebracht, um was es sich handle, und der Alte lächelte verschmitzt und sagte: „Die Racker werden wir gleich haben.“ Die Aussicht, endlich einmal jemand zu erwischen, der ein Recht auf diese seltene Auszeichnung in der Frühaufschen Praxis hatte — bisher hatte Gottlob niemals den wirklichen Verbrecher, sondern stets den falschen erwischt — hatte ihn mit jugendlichem Feuer erfüllt. „Mordbrenner, Brandstifter, Totschläger, Räuber, Spitzbuben —“ ging es ihm durch den Kopf, „seltener Fang,“ summte er, während er sich den Polizeisäbel, ein uralt Gewalten, umlegte und für den Notfall noch eine alte rostige Pistole in die Brusttasche steckte. Schon sehen wir ihn auf dem Marktplatz mit feierlicher Miene auf- und abmarschieren. Von Zeit zu Zeit warf er einen Blick auf die Strasse, die von Tellerthal nach Wiesen häuser führt. Zwei männliche Gestalten kamen in friedlichem Wänderschritt näher. Frühaufs tapferes Herz schlug hörbar wie einst vor der Schlacht bei Könie-sgrätz. J
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