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Sächsische Radfahrer-Zeitung : 05.02.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-02-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Universitätsbibliothek Leipzig
- Digitalisat
- Universitätsbibliothek Leipzig
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1683809971-189802055
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1683809971-18980205
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1683809971-18980205
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- teilweise Textverlust (fehlende Ecken)
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungSächsische Radfahrer-Zeitung
- Jahr1898
- Monat1898-02
- Tag1898-02-05
- Monat1898-02
- Jahr1898
- Titel
- Sächsische Radfahrer-Zeitung : 05.02.1898
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Radlerpeeh. von Emil Engel. Ja, Radeln ist der beste Sport Auf dieser schönen Welt; Drum radle ich auch immer fort, So lang der Luftschlauch hält. Mit dieser Parodie aus dem feschen Ruderliede wache ich | seit ungefähr 14 Tagen alle Morgen auf, denn seit dieser Zeit datiert es her, dass ich Besitzer eines Stahlrosses und zwar ganz adleriger Rasse bin. Wie der werte Leser aus dem Weiteren vernehmen wird, ist der Schreiber dieser Zeilen einer von den Jüngern Pestalozzis, die bekanntlich dort, wo glücklichere Mitmenschen eine Galle haben, nur einen luftleeren Raum, ein sogenanntes vaeuuin, besitzen. Diese letztere Ab normität ist bei mir freilich auch noch notwendig bezüglich meines lieben Rades. Das geht denn doch über die Hutschnur, sogar über den Verstand, nein sogar über die Gemütlichkeit, was für Abenteuer ich damit schon bestanden habe. Hören Sie darum zu, was mir allein während der ersten 4 Tage meiner Radlerlaufbahn passiert ist. Einem Kollegen — unser gesamtes Kollegium schwärmt für den strassendurchrasenden Sport — kaufe ich das ziem lich neue Rad ab. Die Maschine ist bis auf den hintern Gummimantel tadellos, besitzt sogar noch als besonderen Vor zug einen Celluloid-Kettenkasten. Die Sache wird also an würdiger Stätte bemurmelt. Die Hand wird gedrückt, das Angeld bezahlt, der Kauftrunk in drei kräftigen Zügen hinunter gegossen, und der Handel wäre somit — zwar nicht nach römischem, aber doch nach echt germanischem Rechte — ab geschlossen. Leider ist selbst in unserem fortschrittlichen und mirakel reichen Jahrhunderte noch kein Meister vom Himmel gefallen. Ein jeder muss daher hübsch von vorn anfangen und erst das nötige Lehrgeld bezahlen. Mein Führer in die geheimnisvollen Mysterien des Radelns ist nobler Weise obenerwähnter Kollege. Zum bessern Verständnisse will ich hier gleich hinzufügen, dass derselbe über die respektable Länge 1,86 m verfügt, wogegen ich nur 1,66 m aufzuweisen vermag. An Gewicht übertrifft er mich sogar um 27*/ a kg. Anbetrachts solcher Verhältnisse hätte man meinen sollen, dass der Grössenwahn mich nie ergreifen könnte. Doch ich dachte auch wie jenes Küken, klüger zu sein als die alte gute Henne. Als erstes Gebot war mir eingeschärft worden, ja nicht schnell, sondern langsam zu fahren. Wir beide, mein Kollege und ich, besteigen also unsre Räder, ich mein Frank furt am Main’er, er sein nagelneues Mindener Fabrikat. Der Aufsprung gelang nach etlichen Dutzend Versuchen ganz leidlich. Das Strampeln stak mir schon von Kindheit an in den Beinen. Beide Rosse rennen also — in Fiakerkarriere etwa — die Strasse hinab. Dabei tönt fortwährend der Mahnruf in mein Ohr: „Kollege, fahren Sie langsamer, nehmen Sie sich in Acht.“ „Hm, denke ich, in Acht nehmen, selbstverständlich, das mache ich doch.“ Immer rascher fahr ich also drauf los. Da macht die Strasse eine Biegung; ich drehe mithin meinen Kopf nach rechts und will durchaus, dass auch mein Rad dahinfährt. Allein jetzt setzt dasselbe auch seinen Kopf auf und will durchaus geradeaus laufen. (NB. Ich hatte im Eifer vergessen, äusser meinem Kopfe auch die Lenkstange rechts zu drehen.) Da nun letzteres, mein Rad nämlich, einen stählernen Kopf hat, behielt es natürlich die Oberhand und sauste mit mir haarscharf an einem Strassenbaume vorbei — dem Strassengraben zu. Schnell fiel ich meinem Rosse in die Zügel und bremste, vermochte aber die Geschwindigkeit nur wenig zu vermindern. Ein Schweben zwischen Himmel und Erde ein Hangen und Bangen — ein Krach — und ich war aus dem Sattel geworfen. Ich lag links, mein Ross lag rechts. Ich stöhnte vor Schmerz und rieb die unteren Muskel- partieen, mein Ross dagegen gab keinen Klagelaut von sich. Ruhig, als wäre es der unschuldigste Teil an der ganzen Sache, ragte seine Lenkstange wie beteuernd zum Himmel empor. Mühsam erhob ich mich und brachte meinen Renner wieder auf die Beine. Nachdem sein Gesundheitszustand von vier bangen Augen untersucht worden war und diesmal die be kannten Hutkrempen, Bein- und Genickbrüche durch den weichen Rasen verhindert worden waren, konnte seine schwierige Besteigung von neuem vorgenommen werden. Langsam kehrten kwir heim, ich ganz besonders missmutig, da mein liebens würdiger Lehrmeister nicht versäumte, zu meinen Schmerzen noch die nötigen Grobheiten und moralischen Ohrfeigen hin zuzufügen. Der Stall meines Stahlrosses befindet sich natürlich gleich neben meiner Lagerstätte, kann ich mich noch sogar während des Nachts nicht von ihm trennen. — Ich werfe noch einen schmerzlich-liebenden Blick auf meinen Hans, denn so habe ich meinen Renner getauft, — und die Augen schliessen sich zu. Doch Ruhe kehrt in des Radlers Herz nicht zurück, selbst im Traume durcheilt er die heimatlichen Gefilde; diesmal freilich mit besserem Erfolge, insofern bei Stürzen beide weniger Ge fahr laufen, wie in der rauhen Wirklichkeit, den Hals zu brechen. Andern Morgens empfing mich natürlich das Kollegium mit der Frage, ob sich mein Hans in ein Flugrad verwandelt habe oder ob ich zur Luftschifferabteilung gehen wolle, und ähnlichen harmlosen Bemerkungen. Der Kerl hatte natürlich zum allgemeinen Gaudium die ganze Karte verraten. Doch auf einen Hieb fällt kein Baum, nur viele Streiche fallen die Eiche; — es wird darum fortgeradelt. Diesmal gings in das nahe Städtchen, langsam und vorsichtig, etwas piano, mehr im strengen 4 / 4 Takt gehalten. Ja, es ist eine Wonne, so sanft und bei so geringem Kräfteverbrauch dem fernen Ziele entgegenzueilen. Zwar war das Pflaster - ein charakteristisches Merkmal kleiner Städte etwas holperig, allein alle Klippen und Riffe wurden glücklich umsteuert. Da liegt der Markt — nur noch um die Ecke — und wir können abspringen. Doch mit des Geschickes Mächten ist kein ew'ger Bund zu flechten und das Rad, das läuft so schnell. Schneidig wird die scharfe Ecke genommen und direkt hinein gehts — in das Hundefuhrwerk der sogenannten „Appelrike“. Ich Armer hatte doch nicht daran gedacht, dass heute Markttag sei, und dass um diese Zeit die Viktualienhändler unsere Me tropole mit dem Notwendigsten dieses Leibes und Lebens versorgen. Ausserdem bin ich fest überzeugt, dass die Alte schlechte Geschäfte gemacht hatte. Ihrem treuen Tiras, ihren schielenden „Bittlingen“, ihren madigen „Appeln“ und ihren sauren „Appelsinen“ war zwar kein Leids geschehen, noch weniger ihrer werten Persönlichkeit ein Haar gekrümmt wor den. „Nichts desto trotz“ bewegte sieh ihre Zunge wie ein geölter Blitz und häufte Ehrenbezeugungen über Ehrenbezeu gungen auf mich. Zum Glücke fiel bei der noch immer zahl reichen Menschenmenge der entstehende Volkszusammenlauf nicht auf. Ich suchte nur schnell mich und meinen guten Namen in Sicherheit zu bringen. Dass mein werter Amts bruder während dieser Zeit wieder bersten wollte vor Lachen, finde ich noch heute unverzeihlich. Bei einem Glase Pilsner spülte ich die ausgestandenen Ängste hinunter. Die brave, rhetorisch gewiss einzig dastehende „Appelrike“ wegen Injurien gerichtlich belangen zu lassen, riet mein Kollege ab, zumal sie — wie er höhnisch behauptete — in vielen Beziehungen nur die Wahrheit gesagt habe. Die zahllosen Anspielungen auf den famosen Carainbou- lagenspieler anderen Tages im Frühstückszimmer will ich über gehen, zumal sie auch nicht wert sind, der Nachwelt über liefert zu werden. Ich will lieber mit Max und Moritz fort fahren: „Dieses war der zweite Streich, doch der dritte folgt sogleich.“ Mittwoch nachmittag ist bekanntlich, wie schon der grosse Fritz nicht wusste, keine Schule. Die nahe Grossstadt liegt etwa 2 Stunden entfernt, und eine Spritztour war geplant worden. Während der Nacht hatte zwar Jupiter Plinius aus Versehen wieder einmal regnen statt schneien lassen, allein die Chaussee war nicht uneben. „Die Thalstrasse,“ so ver sicherte mein liebenswürdiger Begleiter, „ist noch besser; das weiss ich aus Erfahrung.“ Wir biegen daher vom Hauptwege ab und radeln den Nachbarweg hinunter. Ja, besser war di? Chaussee, insofern von Stössen absolut nichts zu merken war, — überhaupt liess ihre Weichheit nichts zu wünschen übrig. Dass dieselbe von dem nächtlichen Gusse herrührte, erfuhren wir recht überzeugend bei der Ankunft in Chemnitz, als wir ihr Konterfei auf unserem Rücken betrachteten und dort trotz aller Schutzbleche eine Milchstrasse — richtiger gesagt eine Dreckstrasse — wahrnahmen. Nach Beendigung des unbedingt nötigen Seheuerfestes bemerkte mein Kollege: ..Nun wird aber dem Gambrinus geopfert.“ Die „Laterne“ ist in der Nähe.
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