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Sächsische Radfahrer-Zeitung : 05.02.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-02-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Universitätsbibliothek Leipzig
- Digitalisat
- Universitätsbibliothek Leipzig
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1683809971-189802055
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1683809971-18980205
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1683809971-18980205
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- teilweise Textverlust (fehlende Ecken)
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungSächsische Radfahrer-Zeitung
- Jahr1898
- Monat1898-02
- Tag1898-02-05
- Monat1898-02
- Jahr1898
- Titel
- Sächsische Radfahrer-Zeitung : 05.02.1898
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All Heil! dem bayrischen Hopfen imd bömischen Malze. Der Hausknecht nimmt unsere Renner in Verwahrung und wir be ginnen nun das, was ein echter Nachkomme der alten Deut schen nie verleugnen sollte, wir fallen in das nasse Laster unsrer Altvorderen zurück. Hei, nach solchem Ritte, wie mundet nicht nicht der goldfunkelnde Stoff Bohemias und das nachtsehwarze und doch so klare Gebräu vom Isarstrande. Es sind zwar wieder Tschechen und Deutsche, die da zusammen kommen, allein wir wissen schon, dass diese hier sich vertragen können. Weil unsere Börsen aber an chronischer Schwind sucht leiden und zu Ende des Monats besonders empfindlich gegen Nachtfröste und kalte Füsse sind, beschlossen wir, zwar schweren Herzens, bestimmt um 9 Uhr abzufahren. Allein der Geist ist willig und das Fleisch ist schwach, wenn zumal Versucher in Gestalt von guten Freunden an uns herantreten und uns veranlassen, noch länger kleben zu bleiben. Um 10 Uhr begann es sogar noch mörderisch zu giessen. Petrus gewann zwar ein schnelles Einsehen, doch war es immer hin 11 Uhr, als wir vom „Laternenpfahle“, dem jovialen Wirte, herzlichen Abschied nahmen. Durch die .Strassen schoben wir, konnten wir doch unser Lichter vorne nicht leuchten lassen. Überhaupt wollten wir schon vor Dunkelwerden zu Hause sein und hatten daher gar keine Laternen mit genommen. Bis an die Bergstrasse begleiteten uns unsere Verführer. Dann sagten auch sie Lebewohl, und wir waren allein. Ringsum wars still und menschenleer. Darum hinauf aufs Stahlross, hier scheint die Luft rein zu sein. Aber kaum sind wir oben, als es auf einmal: „Halt! Halt!“ ruft — und zur Rechten wie zur Linken sieht man einen Schutzmann blinken. Als handele es sich um Tod und Leben, so bearbeiteten wir jetzt die Pedale. Und siehe da, der Vorsprung wird grösser und grösser — wir können der Verfolger spotten. „Hahaha“ fängt mein Kollege an und ich falle begeistert in seinen Jubel- und Siegesruf ein. „Hahaha“ tönts nochmals in die schaurig stille Nacht hinaus. Doch unser Triumphgeschrei sollte uns zum Verderben gereichen, wir hatten zu früh frohlockt und unser Hochmut kam s;hr bald, ach, so bald, vor den tiefen, tiefen Fall. Schon wartete unser die rächende Nemesis, dies mal wieder in Gestalt zweier Polizisten, die, hinter dicken Bäumen beobachtend, uns Missethäter heranliessen. Plötzlich tönt uns wieder das malitiöse „Halt“ entgegen, und aus dem Schatten stürzt der Priester der heiligen Hermandad, erfasst meine Lenkstange, reisst mich zu sich herüber, bringt mich somit zu Falle. Ich, der Not gehorchend, nicht dem eigenen Triebe, verliere die Balance, umhalse meinen Gegner, bringe auch ihn aus dem Gleichgewichte und er, auf den Rücken sich plazierend, ich liebend an Seiner Brust, das Rad zwischen meinen Beinen, so liegen wir auf der Chaussee, nicht gerade da, wo sie am trockendsteh ist. Mein Kollege war unterdess von der zweiten Erynnie angehalten worden, hatte rechtzeitig gebremst und stand nun heil auf seinen zwei Beinen. Jetzt bot sich nun seinem schadenfrohen Auge ein lieblicher Anblick dar. Der Wächter der öffentlichen Ordnung konnte sich absolut nicht rühren. Er war etwas korpulent und vermochte erst mit Hilfe seines Genossen in eine senkrechte Lage ge bracht zu werden. Dafür schnauzte er mich nun um so derber an. Er wollte mich wegen thätliehen Angriffs auf einen öffentlichen Sicherheitsposten sogar zur Wache bringen, und ich fühlte mich doch so unschuldig und beteuerte dies bei allen 11000 Heiligen. Nichts nützte es mir, ich hatte den erbosten Braven zu sehr getreten. Da kam meinem Kollegen ein rettender Gedanke; er appellierte an des Gewaltigen Herz und Gefühl. Das zog. Sogleich ward ich wieder in Freiheit gesetzt und brauchte nun bloss noch wegen der Laterne - oder vielmehr wegen der Laterne, die nicht da war — eine Mark Strafe zu zahlen. Dem gleichen Schicksale verfiel auch mein Kollege, und das tröstete mich so einigermassen. Diesmal hielt mein lieber Kollege reinen Mund. Dafür plauderte ich aus der Schule. Nun wurde er wenigstens mit gehänselt. Ja, Schadenfreude ist doch die reinste Freude, und wiederum, geteilter Schmerz ist ja mir halber Schmerz. Ich komme nun zum letzten Kapitel meiner Leidens geschichte, von dem ich wünsche, ich hätte dasselbe nie erlebt. Leider aber, wie der Lateiner sagt, res factae mutandae non sunt. Schauplatz dieser Episode ist der grosse, freie Platz vor unserm Schulgebäude. Zeugen des Thatbestandes sind nicht nur sämtliche Kollegen, sondern auch weit über 300 Schulkinder, sowie die zahlreichen Fabrikarbeiter, die um 12 Uhr ihre Werkstätten verlassen. Hauptakteur bin wieder ich, Emil, der Artige, wie man allgemein meinen Namen über tragen hat. Es klingelt also zur Mittagsstunde, ein Lied wird ge sungen, ein Gebet gesprochen, worin nochmals Leib und Seele des Höchsten Schutze empfohlen werden, — und heraus aus den Klassen marschieren die weisheitsvollen Köpfe aber um so leerercn Mägen dem lieben Elternhause zu. Per Rad zur Schule zu fahren und wieder per Achse zum Mittagessen zu rollen, das ist bei uns Junggesellen feststehender Gebrauch. Leider ist es ziemüch schwierig, durch eine dichte Kindermenge gefahrlos hindurch zu kommen. Bremse und Klingel müssen da fortwährend in Aktion treten. Meine Glocke aber befand sich beim Schlosser in Reparatur. Ich warte daher, bis der Kollege kommt, um hinter ihm fahren zu können. Gesagt — gethan. Bei einer ziemlich steilen Stelle tritt Stauung in der Kinderschar ein. Mein Vordermann bremst, und ich renne ihm direkt ins Hinterrad hinein. Gewandt weiche ich nach rechts aus, komme aber dem Abflussgraben zu nahe, auf dem aufgeweichten Boden rutscht mein Hans aus und wirft mich links in den Dr . . ., wo er am dicksten lag. Ein homerisches Gelächter, nein, ein höllisches Gebrüll drang alsbald in die Lüfte und 300 x 2 Augen waren auf den armen Erdenwurm, der dort aus dem Kote sich herausarbeitete, gerichtet. Ich wagte meine Augen nicht aufzuschlagen; 1000 Klafter tief wäre ich am liebsten in die Erde gefahren, — eine zweite Sündflut oder den so oft prophezeiten Weltuntergang hätte ich am liebsten gesehen. Aber der Himmel hatte kein Er barmen mit mir. Weder öffneten er seine Schleusen, noch traf er Anstalten, einzufallen. — Wütend sprang ich jetzt auf die verflixte Karre und raste wie von Leibhaftigkeit besessen dem nahen Gasthofe zu. — Hier endlich empfand man Mitleid mit mir Unglücklichen, der Wirt borgte mir sein .lacket und seine milde Gattin verband meine Wunden mit englischem und deutschem Pflaster. Doch mein Herz war betrübt bis zum Tode und empfand erst dann wieder Freude an dem Leben in diesem Jammer- thale, als der Präses der Mittagstafel nach einer statt gefundenen Sammlung milder Gaben mir, dem kühnen und furchtlosen Vollbringer so vieler und so grosser Helden- thaten, bei denen sich nicht nur meine Unerschrockenheit, sondern auch meine Gewandtheit im hellsten Lichte gezeigt hätten, — ein zweites Glas Echtes präsentierte, — was auch pflichtschnldigst angenommen wurde. Freitag früh aber, als ich die Unglücksstätte wiederum passiere, steht dort ein Plakatbrett, auf welches liebe Kollegen — meines Unfalls gedenkend — in kalligraphisch schönen Zügen geschrieben hatten: „Emils Ruhe!“ Zur Zeit bin ich infolgedessen der populärste Mann im ganzen Orte. Das ist’s, was ich dir, o Leser, anvertrauen wollte, und du wirst mir gewiss gern beistimmen, dass es sehr gut für mich als Pechhengst en gros ist, dass zwischen meinem Magen und meiner Leber keine Galle, sondern ein luftleerer Raum 1 sich befindet. man oicA auf dii (^)
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